Eine Ecke der Algarve muss noch sein

22. September 2021

Schotterpiste und Golfplätze

Heute war es ein eher weniger attraktiver Tag. Der große Anteil an Schotterstraßen zehrte etwas an der Motivation. Das Rumpeln mag ich nämlich gar nicht. Auch wenn ich einige Naturgebiete querte, so sind mir dennoch die vielen Golfplätze in Erinnerung. Eine trockene, braune Landschaft, und plötzlich ist es ringsum grün. Vor Faro war das so der Fall. Dort reihten sich Golfplatz an Golfplatz, und Villa an Villa. Oder Immobilienbüro an Immobilienbüro, und Teslas an Porsche. Eine etwas andere Welt, ging mir durch den Kopf.

 

Bei den Abfahrten merkte ich jetzt beim Bremsen schon länger ein metallenes Schleifen am Hinterrad. Und weil mir eine der Schotterpisten gar nicht behagte, entschloss ich mich für eine Pause. Bremsbeläge wechseln war mir eine willkommene Abwechslung. Die hinteren Beläge waren total abgeschliffen. Für das Auseinanderdrücken der Bremskolben musste mein Glarner Messer herhalten. Ich hatte das Rad ausgebaut, damit ich besseren Zugriff hatte. Und damit klappte der Wechsel dann auch einwandfrei.

 

Später bin ich dann durch ein Gebiet gekommen, in dem sie das Meerwasser zur Salzgewinnung nutzen. Dort waren viele rechteckige Flächen mit kleinen Dämmen, in denen rötlichbraunes Wasser stand. Bei einigen war das schmutzigweiße, körnige Salz schon zu sehen. Und bei einigen weitern waren Bagger mit breiten Schaufeln an der Arbeit. Sie kratzten das Salz oberflächig zusammen und häuften es am Rand für den Abtransport mit den Lastwagen an.

 

Am Abend sah ich in meinem Kalender den Eintrag „Herbstanfang“. Komisch dachte ich mir. Hier in Portugal hat es noch immer 32 Grad. Nur am Morgen könnte man meinen, dass es etwas frisch ist. Und an der Vegetation ist es für mich auch nicht erkennbar, dass sich da andere Farben zeigen. Denn dort wo bewässert wird, ist es wahrscheinlich ganzjährig grün. Und wann Oliven- und Orangenbäume ihre Blätter färben, oder überhaupt fallen lassen, darüber weiß ich gar nicht Bescheid. Doch dass der Herbst hier jedenfalls anders als zu Hause ist, das dürfte sicher sein.

 

23. September 2021

Rotbraune Soße

Am Morgen gießt es volle Kanne. Schon in der Nacht hatte ich es leicht plätschern gehört. Doch beim Aufstehen spritzt es nur so auf den Pflastersteinen. Es rauscht, und die Regenrinne gluckst, als ob sie nicht mehr alles aufnehmen könnte. Ein Wolkenbruch, und zwar ein ziemlich kräftiger, und anhaltend lang. Draußen müht sich ein Mann mit einem großen Sonnenschirm als Regenschutz ab. Doch gegen das Spritzen von unten hat er nichts dabei. Die Badeschlapfen lassen das Wasser wenigstens schnell wieder abrinnen, denke ich mir. Mich locken solche Verhältnisse nicht aufs Rad. Ich verschiebe meine Start auf den späteren Vormittag.

 

Laut Regenradar zieht die Front Richtung Spanien und sollte mich dann nicht mehr tangieren. So war es dann auch. Schon bald klarte es auf, so als ob es nie regnen könnte hier im Süden. Nur auf den Straßen waren die Spuren des Regens noch zu sehen. Ein paar Kreisverkehre waren nur einseitig befahrbar. Und hie und da stand auch noch eine Straßenhälfte im Wasser, wenn irgendwo ein Abfluss verstopft war.

 

An der Grenze zu Spanien erreichte ich das Fährboot gerade zur richtigen Zeit. Schon am Ticketschalter meinte der Mann, dass ich mich beeilen soll. Und auf dem Boot winkten sie mir auch schon zu. Doch so schlecht hat mir Portugal nun auch nicht gefallen, dass ich es überstürzt verlassen wollte. Dennoch freute ich mich, gleich mitfahren zu können.

 

In Spanien ging es kilometerlang durch Orangenplantagen. Die meisten Früchte waren jedoch noch grün. Nur hie und da zeigten sie bei einigen Hainen ihr erntereifes Orange. Fast hatte ich den Eindruck, als ob sie hier gar nichts anderes anbauen. Und wenn mal eine Straße dazwischen lag, dann ging es auf der anderen Seite gleich wieder mit einer Orangenplantage weiter.

 

Doch später ging dann in einer Stadt fast nichts mehr weiter. Die Straßen im Zentrum standen unter Wasser. Ein Kamerateam filmte, wie die Feuerwehr die Kanaldeckel im Wasser suchte. Oder wie ein paar Leute durchwateten, und Autos wie Boote durchfuhren. Obwohl es nach Chaos aussah, hatte diese Stadt dennoch Glück gehabt.

 

Denn die weiteren Städte waren in den tiefgelegenen Ortsteilen alle mit rotbraunem Schlamm geflutet. Überall sah man Menschen mit Besen und Kübeln, Bagger, Traktoren, Feuerwehr, Polizei. Entweder kübelten sie das Schlammwasser aus ihren Wohnungen, Bars und Geschäften, oder sie kübelten es aus ihren Autos. Wahrscheinlich waren die Flüsse übergetreten. Die Regenfront, die am Morgen nach Osten weiterzog, hat hier alles abgelassen. In jedem Ort, in dem ich heute durchgefahren bin, zeigte sich das gleiche Bild. Schlammverwüstung pur, wenn es irgendwo eine Senke gab. Unter den Brücken zwängte sich eine rotbraune, dicke Soße durch. Doch Fluss- oder Bachbette waren nicht mehr zu erkennen. Das rötlichbraune Schlammwasser verteilte sich großflächig über weite Landstriche. Oder ist durch sie durchgezogen, und hat überall Spuren hinterlassen. Dabei hat es doch nur etwas kräftig geregnet, und dann ist wieder die Sonne durchgekommen. In den Nachrichten waren abends verstörende Bilder und Videos der Verwüstungen in der Region zu sehen. Demnach habe ich unterwegs nur ein bisschen davon mitbekommen, und meinte schon, dies sei arg.

 

In der großen Stadt Huelva herrscht dennoch alltägliches Treiben in den Gassen und Bars. Die Schlammverwüstung war woanders, oder schon vergessen. Man feiert das Leben, habe ich den Eindruck. Und ich geselle mich dazu. Der Anlass: 7.000 Kilometer zeigt der Tacho. Und auch sonst habe ich schon einiges geschafft, oder noch mehr vor.

 

24. September 2021

Ein besonderer Tag

Der Tag beginnt heute ganz anders als gewohnt. Meine Morgenroutine gerät etwas durcheinander. Statt packen und frühstücken hänge ich am Telefon, lese Nachrichten, und bin emotional sehr berührt. Na ja, so ein Geburtstag weit weg verläuft anders als zu Hause. Nur die Freude über die Aufmerksamkeit ist gleich groß. Oder vielleicht noch intensiver, weil so konzentriert.

 

Tochter und Sohn am Telefon, da geht mir immer das Herz auf. Es ist zwar das ganze Jahr für sie offen, doch heute quellt es fast über. Ich bin mächtig stolz auf sie, bring es im Gespräch fast nicht unter. Freue mich einfach, durch und durch. Weniger wegen der Wünsche, sondern wegen der Art des Kontaktes, und der individuellen persönlichen Note. Die Umarmung mache ich in Gedanken, und später dann am Rad gleich noch ein paar Mal. Da war dann mehr Zeit und Muße.

 

Die Eltern erkundigen sich natürlich auch wie es mir geht. Per Videoanruf freuen wir uns miteinander. Das Heimkommen verspreche ich ebenso. Das ist des Vaters größtes Anliegen. Dabei habe ich das ja eigentlich schon beim Losfahren mit im Plan, nur nicht immer im Fokus.

 

Mit vielen guten Wünschen noch von anderen ausgestattet setze ich mich dann erst etwas spät aufs Rad. Doch der Schwung passt gleich von Beginn an. Feines Wetter, gute Straße, wenig Verkehr. Und dazu eine Landschaft, die ich besonders mag. Das sind große Getreidefelder unter blauem Himmel. Hier sind sie zum Teil schon umgeackert. Aber die Ausstrahlung ist für mich dieselbe. Es geht flach dahin, und dennoch finden sich ein paar kleine Anhöhen. Der weite Blick von dort rundum auf diese Felder, da kann ich mich kaum satt sehen.

 

Später sehe ich dann von weitem 4 große schmale Türme mitten in der einsamen Landschaft stehen. Es ist ein Solarturmkraftwerk. Ich recherchiere, was es damit auf sich hat. Spiegel am Boden reflektieren das Sonnenlicht und bündeln es auf den Absorber im hohen Turm. Durch die Konzentration der Strahlen auf eine kleine Fläche wird Dampf erzeugt, der für die Erzeugung elektrischer Energie genutzt wird. Es sei eine effiziente Energiegewinnung lese ich nach. Voraussetzung sind jedoch viele Sonnentage. Und davon gibt es hier in Andalusien ja eine ganze Menge.

 

Mit einem dieser Sonnentage erreiche ich dann am frühen Nachmittag die große Stadt Sevilla. Ein Kontrast zu den Stunden davor am Land. Kirchen habe ich dort zwar keine gesehen, dafür umso mehr in Sevilla. Und natürlich auch ganz viele Leute. Die berühmte Kathedrale zieht an. Die Schlange am Eingang war mir aber dennoch zu lang. Dafür hätte ich stattdessen eine Stadtrundfahrt mit einer der vielen Kutschen machen können. Fast aufdringlich wurde sie mir angeboten, ich glaube samt Rad.

 

Am Abend gab es dann noch eine Steigerung des Rummels. Ein lauer Sommerabend, alle Geschäfte offen, Menschenströme auf Pflasterstraßen, lautes Gläseranstoßen und Gesprächslärm auf den Plätzen, volle Bars, drinnen wie draußen, jede Menge spielende Kinder, interessante Bauten, Kunstwerke, Glockengeläute, beleuchtete historische Häuser, Schaufenster, enge Labyrinthe, Einbahnen, Sackgassen, Touristenkrimskrams, edle Boutiquen, Alltagsläden, Gitterrollos, extravagant gestylte Leute, braune Beine, kurze Röcke, offene Hemden, Sandalen, Lachen, ernste Minen, Normalos. Und ich mittendrin, nicht gerade mit offenem Mund, jedoch dennoch staunend, was so ein Stadtleben auf sich hat.

 

Vielleicht sollte ich meinen Rhythmus etwas umstellen beim Radeln. Weniger auf große Routen setzen, und dafür länger an einzelnen Plätzen verweilen. Oder Städte dazunehmen. Doch meine jetzige Art des Radelns pur gefällt mir schon sehr. Vielleicht mache ich das später mal anders. Ich bin ja noch jung, denke ich mir. Und sage im Stillen allen nochmals Danke, die heute auch ohne große Party an mich dachten.

 

25. September 2021

Baumwollfelder

Zu meiner Freude finde ich den Weg aus der Stadt hinaus ohne große Mühe. Richtung Fluss, und dann dem grünen Radweg entlang. Er ist so, wie die Radwege in Städten sind, wenn Autos die Straßen dominieren. Doch das Panorama mit der Morgensonne passt jedenfalls. Es sind einige Jogger mit mir am Weg. Sie üben glaube ich Intervalltraining. Und ich mit ihnen. Nämlich alle 100 Meter kurz stehen bleiben. Und dann schauen, wie sich die Sonne in den Häusern am Fluss spiegelt. Ein wunderbarer Morgen.

 

Irgendwann passiere ich dann eine Industriezone. Als größte Halle dominiert das Amazon-Gebäude diese Gegend. Und dort stehen auch die meisten Lastkraftwagen. Ich könnte mir eventuell eine neue Radhose bestellen. Doch ob ich sie hier gleich mitnehmen kann, habe ich nicht nachgefragt. Ich wollte den morgendlichen Schwung nicht unterbrechen. Das tat ich dann dennoch, nämlich mit ein paar Verfahrern. Radwege können hier nämlich einfach vor Gebüschen enden. Oder einen im Kreis um den Ort herum führen. Oder in eine Autobahn mit Fahrverbot übergehen.

 

Nachdem ich den richtigen Weg dann doch gefunden hatte, dominierten bald danach Baumwollfelder die Landschaft. Zuerst waren es nur einzelne, kleine Felder. Doch bald gab es nur noch Baumwolle, links und rechts, vor mir und hinter mir. Bei einigen Feldern waren sie gerade mit der Ernte beschäftigt. Überall standen Traktoren bereit. Sie übernahmen die Baumwolle von den Erntemaschinen. Hie und da säumte ein weißer Wollkugelrand den Weg. Dann wurde dort auf große Lastautos umgeladen. Baumwolle soweit das Auge reicht, hatte ich beim Fahren den Eindruck. Und Bewässerungsgräben, Plastikrohre, Schläuche, Pumpgebäude und Halbschalenrohre aus Beton auf Ständern zum Niveauausgleich und zur Verteilung des Wassers gab es natürlich auch jede Menge.

 

In einigen Gräben tummelten sich Fische. Zuerst dachte ich, dass sie nach Futter schnappen. Doch eher war es ihr Überlebenskampf. Denn später sah ich in den Betongräben viele tote Fische. Manchmal war nämlich nur noch wenig Wasser drin, oder nur noch an einzelnen Stellen. Und bei den Pumpgebäuden sammelten sich die toten Fische vor den Rechen. Wahrscheinlich interessiert das niemanden hier. Denn auch den vielen Plastikmüll in den Gräben und am Straßenrand scheint man zu akzeptieren. Der Wind verteilt in wohl übers ganze Land. Und in den Gebüschen und Gräsern an der Straße bleibt er dann hängen. Das fällt mir nicht erst heute auf. Solchen Müll gibt es auf meiner Route hier im Süden schon recht lange, jedenfalls am Land.

 

Auf einer Straße in den Baumwollfeldern hält mich ein entgegenkommender Autofahrer mit Handzeichen auf. Leider können wir uns nicht unterhalten. Doch das Wort Carretera nennt er öfters. Das erinnert mich an ein ähnliches Vorkommnis in Bilbao. Der Mann deutet mit erdigstaubigen groben Fingern auf den Schotterweg im Feld und meinen Vorderreifen, und nennt die nächste Ortschaft. Er hat alle Fenster offen, und innen ist sein Wagen gleich staubig wie außen. Ich meine zu verstehen, dass es schlechter wird mit der Straße. Mein oftmaliges Gracias und mein Nicken scheinen ihn zu freuen. Ein zahnloser Mund lacht mir entgegen. Dann fährt er weiter, und ich kurz danach auf dem Schotterweg dann auch. Ich muss an die fehlenden Zähne des Mannes denken. Vielleicht hat er sie auf dieser Straße verloren, und wollte mich deshalb warnen. Denn sie war echt übel. Auf dieser Schlaglochpiste ganztägig zu fahren, das geht einem schon auf den Zahn. Oder sie fallen einem aus, vor lauter Rumpeln. 

 

26. September 2021

Programmänderung

Sonntag. Ausschlafen. Gibt es so ein Programm auf meiner Tour auch? Bis jetzt hat es mich am Morgen immer recht schnell aufs Rad gezogen. Und das habe ich mir auch für heute vorgenommen. Mit den ersten Sonnenstrahlen losfahren, oder jedenfalls kurz danach. Es genießen, wenn noch wenig Verkehr ist. Oder in der Morgenfrische, wenn es noch nicht so heiß ist, ein paar Kilometer machen.

 

Doch es kommt anders. Anscheinend hat mich die gestrige Etappe doch etwas Substanz gekostet. Denn ich wache erst um halb 9 Uhr auf. Kurz meine ich noch, jetzt aber schnell losdüsen zu müssen. Und entschließe mich dann doch richtig schnell zu einer Programmänderung. Es könnte ja auch ein gemütlicher Sonntag sein, ist die Idee. Eigentlich muss ich ja nirgendwo hin, kommt mir in den Sinn. Oder zu einer bestimmten Zeit wo sein. Also lasse ich mir Zeit, mit Aufstehen, mit Packen, mit Losfahren.

 

In den engen Gassen ist schon einiges los. Sonntagsspaziergänger auf dem Weg in ihr Café. Die Müllabfuhr mit dem Entleeren der großen Container. Die Hundebesitzer mit ihren Lieblingen an der kurzen Leine. Männer laut palavernd in den Bars. Einzelne Autos mit Familien zum Ausflug.

 

Ein paar Gassen fahre ich durch, die Hauptstraße suchend. Dann sehe ich, wie sie bei einer Fruteria gerade die Verkaufskisten vor dem Laden aufbauen. Das lockt mich an. Ich besorge ich mir Obst und Käse. Im Laden nebenan stehen sie für das Brot Schlange. Ich reihe mich ein. Später denke ich mir, dass sich das Anstehen eigentlich nicht gelohnt hat. Eine Frau vor mir hatte gleich 2 große Plastiktaschen voll Brot gekauft. Ich war dagegen schon nach dem ersten Bissen froh, dass ich nur 2 Stück davon verlangt hatte. Und am zweiten Stück war ich recht lange dran. Gutes Brot schmeckt anders. Dafür genoss ich meinen Frühstücksplatz in einem Park in der Sonne. Die vorbeikommenden Hunde interessierten sich nicht für mich. Wahrscheinlich wissen sie, wie das Brot hier schmeckt. Und für saftige Birnen können sie sich auch nicht begeistern, selbst wenn sie wunderbar süß sind.

 

Es gemächlich angehen, war also heute mein Programm. Das habe ich dann auch so durchgezogen. Und am Nachmittag sogar recht früh Schluss gemacht. Meeresglitzern schauen, den Wellen lauschen, statt Pedalen Sand unter den Füßen spüren, mich ins Wasser wagen, die zerklüfteten Felsen ringsum bestaunen. Wenn das Rad mal abgestellt ist, fallen mir auch sonntags ein paar andere Sachen ein.

 

27. September 2021

Zwei Juchzer

Heute hat es mit dem früher losfahren wieder geklappt. Und ich wurde fein belohnt. Schon nach wenigen Kilometern kam die Sonne hervor. Sie stieg über dem Pinienwald auf, und tauchte den Himmel für kurze Zeit in ein leuchtendes Rot. Am Boden wurde das intensive Ocker nochmals verstärkt. Ein Farbenbad am Morgen. Meine Route führte direkt entlang der Küste. Es war ein Wanderpfad, doch fahrbar, und mit tollem Ausblick. Der rote Sand setzte sich als Andenken am taunassen Rad leicht fest. Nicht gerade ideal für das Schaltwerk und die Kette, doch nicht zu verhindern. Das hat mir zwar nicht gefallen, dafür die Strecke umso mehr. Schnelle Kilometer waren hier keine zu machen. Es war eher eine Strecke fürs Gemüt, und zum Genießen. Und hie und da auch zum Balancieren zwischen den Steinen.

 

Gefallen hat mir auch die Küste. Kilometerlange breite Strände. Später dann Palmen. Und jede Menge Villen. Ihr Baustil ist anders als jener in Portugal oder in Andalusien bisher. Die Villen dort waren kantig, klar, schnörkellos, und die abgrenzenden Mauern alle weiß verputzt. Hier sind die Häuser eher mit Rundungen versehen, wirken etwas verspielter. Vielleicht schon ein wenig von der anderen Seite des Meeres beeinflusst. Und die Einfriedungen sind Natursteinmauern aus rötlichem Stein. Lediglich oben drauf hatten sie eine verputzte weiße Abrundung.

 

Irgendwann später waren draußen auf dem Meer im Dunst schemenhaft Berge zu erkennen. Das waren die Konturen von Afrika. Als dann die Meeresstraße immer schmäler wurde, wurde die Küste auf der anderen Seite immer klarer und größer. Das war richtig aufregend für mich. Afrika sehen, einfach so, vom Rad aus. Zu Hause ist Afrika ganz weit weg. Oder vielleicht denke ich da auch automatisch mehr an Länder dort im Süden. Doch hier war es ganz nah, fast zum Greifen nah, jedenfalls der Norden. Mir hat das imponiert, einen anderen Kontinent zu sehen. Ich tat einen Juchzer.

 

Zwei passähnliche Übergänge habe ich heute auch noch bewältigt. Eine schweißtreibende Angelegenheit. Weniger wegen der Höhe, sondern eher wegen der hochsommerlichen Temperatur. Dafür ließ ich mir oben das Panorama erklären. Und zwar von einem Norweger. Das war lustig, denn er sprach perfekt Deutsch. Ganz so sicher war er sich zwar auch nicht, was wir da auf der anderen Seite der Straße von Gibraltar sehen konnten. Tanger und Ceuta waren uns eingefallen, und Marokko natürlich auch. Doch eigentlich waren mir die Namen egal. Die Hauptsache war einfach Afrika. Und bei der Abfahrt nach Algeciras tat sich dann nochmals was Neues auf: Gibraltar kam groß ins Blickfeld. Das war mir ebenfalls einen kräftigen Juchzer wert.

 

28. September 2021

Gibraltar und Manilva

Der Felsen von Gibraltar zeigte sich am Morgen nur im Meeresdunst. Ich musste einen weiten Bogen von der Küste weg machen, um auf der Landstraße dorthin zu kommen. Auf der Autobahn wäre es bedeutend kürzer gewesen. Schon weit vor dem Grenzübergang staute der Verkehr. Zuerst dachte ich, dass es die Grenzkontrolle ist, die alles zum Stocken bringt. Doch es war der Flughafen von Gibraltar, der die Straße absperrte. Sie führt nämlich quer über die Start- und Landebahn.

 

Ich konnte den wartenden Autos vorfahren und fast erste Reihe fußfrei zwei Landungen und einen Start verfolgen. Und kaum war die Straße wieder frei gegeben, drängte ein großer Strom an Motorrollern, Elektroscootern, Fußgängern und Autos in die Stadt. Das Passieren der Grenze davor ging schnell und reibungslos. Perfecto war die Antwort des Grenzbeamten, als er meinen Ausweis anschaute. Ich habe nicht nachgefragt, was er damit meinte. Für mich war es jedenfalls perfecto, dass ich jetzt in Gibraltar war.

 

Vorbei an roten englischen Telefonhäuschen fand ich den Weg zum Leuchtturm am südlichsten Punkt der Halbinsel. Afrika lag im selben Dunst wie gestern. Nur die Frachter in der Straße von Gibraltar waren etwas näher. Dann nahm ich einen kräftigen Schluck aus der Trinkflasche, legte den ersten Gang ein, und begann den Aufstieg auf den Upper Rock von Gibraltar. Die ersten Höhenmeter gingen noch recht leicht. Doch dann legte die Steigung kräftig zu. Mit den Gepäcktaschen war es ziemlich fordernd.

 

Beim Ticket-Office auf halbem Weg meinte der Verkäufer, dass ich mich sicher ein Leben lang daran erinnern werde, mit Gepäck da hochgefahren zu sein. Mit Daumen hoch öffnete er die Schranke, und ich öffnete kurz danach auch die Poren meiner Haut. Die 17 Prozent Steigung machten das ganz einfach. Zum Glück lag der Weg zeitweise etwas im Schatten. Die respektvollen Blicke einiger Fußgänger motivierten ebenfalls. Bei O’Hara’s Battery hatte ich dann den höchstmöglichen Punkt und besten Aussichtspunkt erreicht. Der Höhenmesser zeigte 396 Meter. Das Geschütz des Governors of Gibraltar zeigte Richtung Atlasgebirge. Und mein Finger zeigte nach unten zum Leuchtturm im Süden. Von dort bin ich losgefahren, sagte ich zu mir mit etwas Stolz. Und ab jetzt geht es Richtung Norden.

 

Die Berberaffen schien es bei der Abfahrt nicht zu beeindrucken, dass da jemand mit dem Fahrrad am Weg war. Sie lausten einander weiter. Oder suchten ohne große Begeisterung zwischen Steinen, Gebüsch, und Felsbrocken nach etwas Essbarem. Entschieden mehr Begeisterung zeigte etwas später da schon ich selbst. Bei meiner Cousine und ihrem Mann konnte ich einen Blick in ihr kleines andalusisches Paradies in Manilva werfen. Hey, das hat mir gefallen. Nicht nur ihrer aufmerksamen Gastfreundschaft wegen, sondern auch wegen dieses schönen Fleckens mit weitem Blick auf das nahe Meer.

 

29. September 2021

Viel Verkehr und neues Trikot

Gestärkt mit einem feinen Frühstück, leckerem Smoothie inklusive, führte mich meine Route weiter der Küste entlang. Doch so richtig gefallen wollte mir die Strecke anfangs nicht. Ich konnte dem vielen Verkehr nämlich nicht ausweichen. Vierspurig war er ganz dicht auf der Autostraße, und ebenso stark auf der Küstenpromenade mit Fußgängern. Ein Ort reihte sich an den anderen. Jeder hatte einen langen Sandstrand. Und innerorts natürlich vollgeparkte Straßen. Denn ohne Auto läuft in Spanien nichts, und ans Meer läuft jede und jeder hin. Ich konnte zwischen Autorauschen und Meeresrauschen wählen. Oder zwischen risikoreichem Vorwärtskommen und motivationshemmendem Hindernisfahren. Erst als ich Marbella dann weit hinter mir gelassen hatte, entspannte sich die Situation. Die verkehrsreiche Straße schien irgendwo anders zu führen, und die Strände waren weniger frequentiert, obwohl ebenso schön wie all die Kilometer davor. Da hat es mir dann auch am Rad gefallen.

 

In Malaga suchte ich als erstes einen Fahrradladen auf. Meine heiß geliebte Radhose von Santini zeigte nämlich ganz unerwartet Verschleißerscheinungen. Das Sitzpolster war zwar noch gut, doch an den Beinen löste sich die Stoffbeschichtung mehr und mehr. Weil auch das Shirt von der Sonne schon ausgebleicht war, musste unbedingt was Neues her. Und wenn ich so einen Gedanken mal im Kopf habe, dann drängt er sehr auf Umsetzung.

 

Der Verkäufer verstand es dann ausgezeichnet, mir seine einzig passenden Stücke verführerisch anzupreisen. „You will be faster“, war dann das schlagende Argument. Und wahrscheinlich schon gewohnt aus anderen Verkäufen, ging er gar nicht auf meinen fragenden Blick ein. Lässig zeigte er einfach nur auf die Innenseite des Kragens. Das sei die Garantie, meinte er. Und welcher Radfahrer kann dem schon widerstehen, wenn er ganz hautnah einen Aufdruck mit „wemakeyoufaster“ an sich trägt, schon bevor er aufs Rad steigt? Ich fahre künftig jedenfalls eine dunkelblaue Trikotkombi von Trek Malaga.

 

30. September 2021

Ein feiner Zmittag

Im Hafen von Malaga lagen große Schiffe am Kai. Die Sonne setzte schon ihren Scheinwerfer auf sie. Fährschiffe, Kreuzfahrtschiffe, Ausflugsschiffe. Noch war alles ruhig. Das wird sich sicher ändern, wenn ich dann aus der Stadt draußen bin. Ich fuhr Richtung Osten, der Sonne entgegen. Im Meer glitzerte es. Das war fein anzuschauen. Die Sandstrände waren glatt planiert. Bereit für den neuen Tag und die Badenden.

 

Vor einer Ampel wartete eine Gruppe von Rennradfahrern. Sie hatten edle Räder von Wilier-Triestina. Einige gar mit elektronischer Schaltung. Ich schloss mich ihnen an. Kurze Zeit später liefen wir noch auf ein paar weitere Rennradler auf. Sie schienen sich zu kennen. Jetzt war es ein stattlicher Pulk. Ich ließ mich von ihnen aus Malaga raus und durch die Vororte ziehen. Das ging recht flott. Vielleicht hat auch mein neues Outfit dazu beigetragen. Doch obwohl Windschatten war es dennoch anstrengend. Ich musste sehr auf das Geschehen vorne aufpassen. Auch waren sie als Gruppe ziemlich schnell am Weg. Oder wollten hie und da Tempo machen.

 

Mir gefiel die Musik der vielen Räder, wenn ich ihren Freilauf hören konnte. Zum Beispiel beim Bremsen vor einer Ampel. Oder danach das viele metallische Klicken, wenn alle wieder in die Pedale stiegen. Irgendwie auch toll, als Gruppe zu radeln. Doch nach einer guten Stunde ließ ich abreißen. Ich konnte das Tempo nicht halten. Oder wollte auch wieder etwas von der Küste sehen, ein paar Fotos machen. Denn im Gegensatz zu gestern hat es mir heute auf der Straße wieder sehr gefallen. Es war nicht mehr die mehrspurige große Hauptstraße, sondern eine kleine. Sie führte durch die Orte an der Küste, und das kurvenreich und angenehm zu fahren. Die Gegend war weniger dicht besiedelt. Und es zeigten sich im Hinterland auch ein paar Berge. Manchmal gab es gar längere Anstiege. Dann hatte ich einen tollen Blick auf das türkise Meer am Strand. Oder konnte von weit oben auf die Sonnenschirme und die Gischt der leichten Wellen blicken.

 

Bei einem Fischerhafen machte ich einen kurzen Stopp. Ich schaute zu, wie ein Arbeiter die Netze mit schnellen Stichen oder Knoten zusammenfädelte. Es waren glaub längere Netzstücke, die er miteinander verband. Rund um ihn herum lagen am Kai jede Menge Netze. Irgendwann werde ich dem mal nachgehen, wie sie den Anfang und das Ende finden. Oder dass es keinen Kuddelmuddel gibt, wenn die Netze aufs Boot gebracht, oder ausgeworfen werden.

 

Mittags, oder es war schon halb zwei, kehrte ich heute mal bei einem Restaurant am Strand zu. Ich bestellte eine Minestrone und Macarrones arrabiata. Als Vorspeise gab es noch ein paar feine Oliven dazu. Die Nudeln schmeckten fantastisch. Mit den Kapern waren sie ein Gedicht. Also bei diesem Restaurant würde ich gerne wieder einkehren. Nur irgendein Gast am Nebentisch störte. Er telefonierte unangenehm laut. Und dazu in einem Redeschwall, als ob er eine hitzige Phase in einem Fußballspiel kommentierte. Ich meinte gar, dass er seinen Gesprächspartner nicht ein einziges Mal zu Wort kommen ließ. Zum Glück war ich mit dem Essen schon fast fertig, als er seinen Anruf tätigte. Beim Gehen konnte ich mich beherrschen, ihm meine Meinung zu sagen. Das hat mich gefreut, dass ich einfach den Tag und das Essen genießen konnte, unabhängig vom Geschehen rund um mich.

 

1. Oktober 2021

Eingepackte Landschaft

Die Straße geht heute gleich kurvenreich los, entlang der Küste. Manchmal steigt sie etwas an und verläuft in den Bergabhängen. Jetzt mit der Morgensonne zeigen sich die Felsen in einem intensiven rötlichen Ton. Und wenn ich gegen Osten fahre, so glitzert es am Meer. Ja, so gefällt es mir am Rad. Eine gute, breite Straße, keine Autos, Sonne, Meer, und dazu ein feiner Blick auf die zerklüftete Küste.

 

Irgendwann fangen dann die Gewächshäuser an. Oder besser, die mit Plastikplanen eingepackten kleinen Flächen oder Terrassen an den Berghängen zur Küste. Man meint, es gibt hier nur Steine und Geröll. Doch anscheinend wächst auch etwas dazwischen. Und es wächst noch besser, wenn man die Flächen bewässert und mit Plastikplanen einpackt. Es schaut reichlich improvisiert aus. Holzpfähle und Metallstangen. Als Dach und Seitenwand starke Plastikfolie, die mit Drähten gitterartig befestigt ist. Manche Flächen wurden auch aufgegeben. Dann zeigt sich rund um die verfallenden nackten  Gerüstreste ein brauner Boden mit ein paar Stauden, oder Wildwuchs. Die zerfetzten Plastikplanen flattern im Wind. Oder hängen irgendwo im Gebüsch. Solche Brachflächen wechseln mit bewirtschafteten Flächen ab. Oder ich meine, dass es welche sind, wenn die Plastikdächer intakt sind.

 

Später wird der Küstenabschnitt breiter. Die Berge sind zurückgedrängt. Vorgedrängt haben sich die Felder für den Gemüseanbau. Gemüseanbau unter Plastikplanen. Bis auf die Ortschaften und ein paar schmale Wege ist die ganze Landschaft in Plastik eingepackt. Ich fahre den ganzen Tag durch diese Folienlandschaft. Auberginen, Gurken, Tomaten und Paprika kann ich sehen, wenn hie und da eine Plane zerrissen ist. Oder eine Türe offensteht. Drinnen ist der Boden meist auch noch mit Folie abgedeckt. Schwarze, dünne Bewässerungsschläuche versorgen die Pflanzen. Zum Teil werden sie in Töpfen gezogen. Hochranken können sie sich entweder an den Metallstangen des Gerüstes. Oder an Schnüren, die an den oberen Querstangen befestigt sind. Zwischen den einzelnen Gewächshäusern sehe ich manchmal auch offene Brunnen, Wasserbecken, Pumphäuser, oder Betonrinnen.

 

Mein Weg windet sich durch diese Gewächshauslandschaft durch. Irgendwie ein trostloses Bild. Kein sichtbares üppiges Grün von Pflanzen. Nur das kalkige, graue Weiß der Folien. Dazwischen ein paar staubige, enge Straßen. Ein paar verbeulte Kleinlaster und Kombis. Und dazu jede Menge Folienmüll. Irgendwo am Rand deponiert. Oder auf Brachflächen. Manchmal liegen auch große Haufen von  Gemüseranken in irgendwelchen Ecken. Oder verfaulendes Gemüse. Wahrscheinlich wurden ganze Gewächshäuser geräumt, für den Anbau neuer Pflanzen.

 

Ein Mal sah ich einen Mann mitten auf einem großen, ebenen Foliendach stehen. Er zog einen Wasserschlauch über das Dach. Ich schaute ihm länger zu. Mit jedem Schritt senkte sich die Folie ein. Doch er zog den Schlauch mit gleichmäßigem Schritt weiter. Später musste er ihn ruckartig nachziehen, weil er so lang und schwer war. Die Folie hielt seinem Gewicht stand. Vielleicht setzte er den Fuß auch immer auf die Drahtnetze darunter. Doch eigentlich lief er wie auf festem Boden. Er achtete nicht auf seine Schritte, oder schaute, wo er den Fuß hinsetzte. Das hat mich beeindruckt. Er vertraute der Folie, während ich jederzeit mit einem Unfall rechnete.

 

Wenn ich Arbeiter bei den Gewächshäusern sah, dann waren es meist Schwarze. Komisch. Bisher waren sie mir nicht aufgefallen. Doch hier begegneten sie mir zahlreich. Und sie begegneten mir auch am Rad. Anscheinend ist das Fahrrad hier ein typisches Arbeiterfahrzeug im Gemüseanbau. Sonst waren mir in Andalusien die Radfahrer nur als Rennsportradler begegnet. Doch heute, inmitten der Foliengewächshäuser, oder in den Ortschaften drum herum, da gab es auch noch Alltagsradler. Wahrscheinlich habe auch nur ich diese Nebenstraßen gewählt, und die Rennradler sind auf der Hauptstraße geblieben. Oder haben überhaupt einen weiten Bogen um diese Folienlandschaft gemacht. Sofern dies hier überhaupt möglich ist.

 

Als ich mir am Abend die Fotos anschaute, war ich mit meiner Routenwahl zufrieden. Denn künftig assoziiere ich beim Kauf von Gemüse aus Spanien nicht nur lange Transportwege, sondern kann dazu auch noch andere Bilder über den Anbau und die Folienlandschaft hier abrufen.

 

2. Oktober 2021

Ein Naturpark zum Strahlen

Weil es kurz vor 8 Uhr noch etwas dunkel ist, schalte ich mein Rücklicht ein. Doch eigentlich waren es nur 2 Abzweigungen, und ich war aus der kleinen Stadt draußen. Und Verkehr gab es ohnedies kaum. Die Straße führte mich zur Küste. Nach einer kleinen Retortenstadt ging es auf Schotter weiter. Auf der Karte hat es fahrbar ausgesehen. Doch beim Durchqueren zweier trockener Flussbette gab es einiges an Sand. Mit Fahren ging da bei mir nichts mehr. Aber auch die Mountainbiker scheiterten hier. Sie schoben ebenso wie ich das Rad durch den tiefen Sand. Nur ich tat es etwas länger, und hatte auch sichtlich mehr Mühe.

 

Beim Schieben meinte ich noch, dass ich mit meiner Routenwahl vielleicht einen Fehlgriff getan hatte. Doch es löste sich alles schnell in Wohlgefallen auf. Denn bald erreichte ich eine geteerte Straße. Sie war der Türöffner für einen wunderbaren Tag.

 

Zuerst ging es noch einige Kilometer flach und gerade dahin, auf imposante Berge an der Küste zu. Und dann begann eine feine Steigung mit einigen Kehren auf einen kleinen Pass. Die rasante Abfahrt brachte mich in einem Schwung zu einem Leuchtturm und Aussichtspunkt. Im Aufstieg bestätigte mir ein spanischer Radler, dass ich ruhig an der Küste weiterfahren könne. Es sei zwar Schotter, doch fahrbar. Und so war es dann auch. Oder eigentlich war es noch viel besser. Es war erste Sahne.

 

Die Straße zum nächsten Pass war nämlich für Autos gesperrt. Sie war recht steil und ruppig. Ich tat mir etwas schwer. Doch die Aussicht vom Collado de Vela Blanca war grandios. Und die Abfahrt war es dann auch. Es war Schotter, und ich holperte nur langsam runter. Doch irgendwann ging der Schotter in feinen, festen, lehmigen Sand über. Und das war dann ein Genuss. Mit voller Fahrt bei leichtem Gefälle durch eine fantastische rötliche Landschaft mit Hügeln zu gleiten, das hat mir voll gefallen.

 

In San José erreichte ich wieder eine geteerte Straße. Von dort folgte ich den Schildern der Euro-Velo-Route 8, der Mediterranean Route. Es ging echt lässig weiter. Kleine Steigungen, Kurven, guter Belag, viele Hügel mit karger Vegetation, vulkanisches Gestein, Abfahrten, leichtes Gefälle zum langen Rollen, kaum Verkehr, Sonne, und beim Fahren immer wieder üppiges Schalten um den Schwung zu halten, oder die Aufstiege zu schaffen. Dazu war der Himmel jetzt wieder klar und blau. Das leichte Grau vom Morgen war verschwunden, ebenso wie die Wolken. Und am Nachmittag war das Meer dann fast schon kitschig blau. Also mir hat diese Ecke hier sehr gefallen. Und dass der Naturpark von Cabo de Gata mit angeblich 2.900 Sonnenstunden pro Jahr immer einen Ausflug wert sei, das hat mir auch schon der Verkäufer im Trek-Laden in Malaga so versprochen.

 

3. Oktober 2021

Brandalarm

Als ich aufwache, bin ich alles andere als ausgeschlafen. Obwohl ich gestern schon zeitig ins Bett ging, war es dennoch eine kurze Nacht. Denn irgendwann kurz vor 23 Uhr hörte ich Straßenlärm. Menschen, die immer lauter werden, und scheinbar in der schmalen Gasse hin und her rennen, oder Mülltonnen umwerfen. Ist halt Samstagnacht, denke ich mir, sind am Feiern. Doch dann wird es im Stiegenhaus des Hotels ebenfalls laut. Türen knallen, Pumpern auch an meiner Tür, Rufe, laute Gesprächsfetzen. Ich stehe auf, und beuge mich aus dem Fenster. Da sehe ich aus einer Türöffnung im Nebenhaus Rauch aufsteigen. Und als ich die Zimmertüre aufmache, ist der Gang auch im Hotel dicht mit Rauch gefüllt. Ein Mann herrscht mich an, dass ich raus müsse. Das ist mir in diesem Moment auch klar. Doch eine Hose und ein Shirt ziehe ich mir dennoch an.

 

Auf der Straße fährt dann ein Pickup vor. Das Feuerwehrauto mit kleinem Tank und einer Schlauchrolle und 3 Mann mit roten Westen. Die Kellner und Küchenmannschaft des Hotelrestaurants helfen ebenfalls mit. Dann taucht auch die Polizei auf und sperrt die Gasse ab. In der Küche des Restaurants ist ein Brand ausgebrochen, erfahre ich von den Schaulustigen ringsum. Aus der Küchentür quillt noch mehr Rauch nach außen. Inzwischen haben sie den Schlauch aufs Dach gezogen und spritzen von oben runter. Es sei der Kamin oder der Dunstabzug der Küche. Mit Gästen volles Restaurant, und dann ein Restaurant voll mit Rauch. Er hat sich von der Küche nach oben ins Stiegenhaus und zum Teil in die Zimmer ausgebreitet. Ich habe meines im Blick, und dazu noch eines im Erdgeschoss, wo mein Rad drinsteht. Zum Glück sind sich nach einiger Zeit alle sicher, dass sich der Brand nicht weiter ausgebreitet hat. Und dass sie ihn noch rechtzeitig löschen konnten. Nur der Rauch ist noch ein Problem.

 

Zwischendurch habe ich mich mit meinen Zimmernachbarn unterhalten. Ein dänisches Paar, das ebenfalls mit dem Fahrrad länger durch Spanien fährt. So war es dann gar kurzweilig, bis die Feuerwehr und die Polizei die Zimmer wieder freigaben. Doch da war es schon 2 Uhr. In meinem Zimmer war glücklicherweise kein Schaden. Ein bisschen Schlafen war also noch drin. Nur das Einschlafen ging dann doch nicht gleich. Denn so ein Hotelbrand, wenn auch nur klein, bringt doch etwas Aufregung mit sich.

 

Dafür war dann am Morgen alles wieder bestens. Zumindest auf der Straße. Morgensonne, kein Verkehr, ein kleiner Pass mit Serpentinen, weiter Ausblick aufs glitzernde Meer, mein mitfahrender Schatten an den gelben oder rötlichen Felswänden, Stille ringsum. So lässt es sich gut in den Sonntag starten.

 

Die Landschaft zeigt viel Geröll und nur eine karge Vegetation. Manchmal kommt es mir vor, als ob ein großer Leopard über den Hügeln liegt, weil sie sich so scheckig zeigen. Auch ziehen sie sich fast endlos der Küste entlang. Am späten Nachmittag gerate ich dann auf eine Schotterpiste. Sie führte zwischen Gewächshäusern aus Plastikplanen durch. Auf den daneben frisch für eine Aussaat vorbereiteten Feldern liegen kleine schwarze Plastikfetzen. Oder sie sind halb mit Erde bedeckt und flattern im Wind. Oder sie wurden beim Umackern zerfleddert und schauen nur ein wenig aus der Erde hervor. Diesen Plastikmüll bekommt man wohl auf so großen Feldern nie mehr weg. Und wie es nahe zu den Gewächshäusern ausschaut, besteht auch gar keine Absicht dazu.

 

Dafür schaut die Küstenlinie sauber aus. Sauber, wie sie die Natur geformt hat. Mit zerfurchten Klippen, etwas Brandung, im Meer liegenden Felsen, Rot- und Gelbtönen, Turmresten, einzelnen verfallenden Steinhäusern, trockenen Bachgerinnen, Steinhaufen, Sandverwehungen. Ich kann gar nicht alles aufzählen, was ich so während des langsamen Fahrens entlang der Meereswellen alles gesehen habe. Schildkröten gibt es jedenfalls auch, und eine seltene Vogelart, und besondere Gräser. Dazu etwas Wind, kräftiges Rauschen vom Meer her, und natürlich das Holpern und Klappern meines Rades, und verstaubte Reifen und Füße.