Zuerst Belgien der Küste entlang

8. August 2021

Der Wind bestimmt mein Tempo

Noch bevor ich ein Schild mit der Aufschrift Boulangerie entdecken konnte, wusste ich bereits, wo sie in der Straße sein wird. Das Bild wiederholte sich am Morgen viele Male. Immer wieder sah ich nämlich lange Warteschlangen mit maskierten Leuten, scheinbar geduldig wartend vor einem Geschäft. Drinnen an der Theke waren nur wenige zu sehen. Dafür umso mehr ringsum in der Straße, die mir mit ihren in Papier eingewickelten frischen Baguettes begegneten.

 

Doch allzu sehr konnte ich mich heute nicht um die Bäckereien kümmern. Vielmehr musste ich einige Male schauen, wo ich etwas zum Unterstehen finde. Der Wind hat immer wieder dunkle Wolken herangetrieben. Und hie und da ließen sie es auch regnen. Zwar meist nur kurz, doch intensiv. Ein Hauseingang war am Morgen meine erste Rettung, danach waren es ein paar Mal große Bäume oder eine Tankstelle. Doch ich konnte meist bald wieder weiterfahren. So schnell die Wolken mit dem Wind da waren, so schnell waren sie auch wieder abgezogen. Nur der Wind, der blieb. Er nahm im Laufe des Tages noch kräftig Fahrt auf, während meine immer langsamer wurde. Die starken Böen waren echt lästig, und vor allem kräftezehrend. Manchmal musste ich gar in den Wiegetritt wechseln um voran zu kommen. In die Gegenrichtung muss es heute wohl fein zum Fahren gewesen sein.

 

Am Nachmittag kurz vor Calais hatte ich dann doch noch Gelegenheit, meine Regenkombi auszuprobieren. Es hatte wieder zu regnen begonnen. Zuerst meinte ich noch, ohne sie auszukommen. Doch es war gleich merklich kühler. Und für kurze Zeit stellte sich ein Landregen ein. Zum Glück klarte es jedoch wieder auf. Am Abend war dann sogar Sonne und blauer Himmel über Calais.

 

Bei der Stadteinfahrt hatte ich offensichtlich ein heruntergekommenes Viertel erwischt. Es lag überall Müll in den Straßen. Einige Leute waren zu sehen, wie sie die Schachteln und Säcke durchwühlten. Hie und da nahmen sie etwas zu sich, doch meistens warfen sie die Sachen wieder missmutig weg. Plastik und Papier wurde dann vom Wind aufgenommen und die Straßenfront entlang geblasen. Für mich war es ein verstörendes Bild. Andere schienen damit besser umgehen zu können. Ich nahm es jedenfalls an, da sie mit Kinderwagen spazierend am Weg waren. Oder zwischen den Müllablagerungen ihre Autos parkten. Oder auf Mauervorsprüngen saßen und dem Treiben zuschauten. Calais scheint ein besonderes Pflaster zu sein. Das Rathaus mit dem großen solitären Turm und seiner bunten Uhr ist zwar schön anzuschauen. Doch ringsum war es für mich eher abweisend und trist.

 

Frankreich - Nah zum Ärmelkanal

9. August 2021

Am Morgen volle Kanne

Der Blick durchs Fenster am Morgen lässt mich aufatmen. Es schaute gar nicht so schlecht aus. Doch beim Blick auf das Regenradar meiner Wetter-App wird mir dann fast schlecht. Es wird bald regnen, und das heftig. Als ich der Reinigungsfrau im Lift erzähle, dass ich mit dem Fahrrad auf Tour sei, verdreht sie heftig die Augen und meint: C’est une Catastrophe. Und mit ihrer Aussprache klang es noch viel dramatischer, als sich das Prasseln am Glasdach über dem Frühstücksraum dann anhörte. Verlängertes Frühstück und später Start, waren danach meine Gedanken beim Griff zu einem zweiten Pain au Chocolat. Und volle Kanne gönnte ich mir auch noch beim Tee, nicht nur beim Regen.

 

Volle Kanne ging es dann später auch am Meer weiter. Der Wind ließ die Wellen kräftig ans Ufer klatschen. Doch davor fuhr ich noch fein übers Land. Es war leicht hügelig. Ich musste immer wieder auf das kleine Kettenblatt wechseln. Das gab es bisher auf der Reise fast noch nie. Kleine Ortschaften wechselten sich mit Wiesen und Kornfeldern ab. Und dazwischen gab es hie und da Sicht auf den Ärmelkanal. Im Dunst meinte ich, gar die englische Küste erkennen zu können.

 

Es war heute richtig toll zum Fahren. Schmale Sträßchen ohne Verkehr, die kurvig durch die Landschaft führten. So etwas kann mir sehr gefallen. Wind gab es auch noch heute. Doch er war bei weitem nicht so störend wie gestern. Ich denke, dass er wohl einfach zu diesem Landstrich hier dazugehört. Und am Himmel war es schön zuzuschauen, wie rasend schnell die Wolken dahinzogen. Immer wieder bildeten sich neue Formationen. Das Wetter hat sich jedenfalls fein gebessert. Am Morgen noch „une Catastrophe“, so war es ab Mittag schon wieder ganz akzeptabel, und am Abend „merveilleux“. Und wunderbar war auch der Spaziergang barfuß am Meer. Ganz langsam zog es sich vom Ufer zurück. Es legte einen weiten Sandteppich frei als Bühne für den untergehenden rötlichen Ball am Horizont.

 

Normandie mit Alabasterküste

10. August 2021

Beeindruckende Steilküste

Bei recht frisch empfundenen Temperaturen und stark bewölktem Himmel legte ich los. Doch schon bald entschied sich der Himmel für leichtes Nieseln. Bei einem Scheibenwischer hätte ich wahrscheinlich den Intervallschalter gewählt. So wischte ich hie und da mit dem Handrücken über die Brille. Oder ich blieb stehen und streifte die Regentropfen am Pullover ab. Nach kurzem Unterstehen war die ärgste Front am Vormittag vorüber. Das Fahren danach über Land entlang der Küste und auf schmalen Sträßchen durch kleine Siedlungen gefiel mir sehr. Die Bauern grüßten mit Salü, und die entgegenkommenden Radler mit Bonjour. Keine Ahnung ob der Unterschied von Bedeutung ist.

 

Auf den großen weiten Feldern wurden bei einigen auch Karotten angebaut. Zum Teil waren sie schon abgeerntet worden. Doch die nasse braune Ackererde war dennoch übersät mit kleinen dünnen Karotten. Offensichtlich war man hier nur an anderen Größen interessiert. Ich meinte, dass man da nochmals reichlich Ernte einfahren hätte können.

 

Bei einem Gartenbistro standen eine Menge gleicher Fahrräder davor. Und als ich dann den Garten einsehen konnte, musste ich schmunzeln. Es war eine große Radlergruppe zugekehrt und belegte alle Tische. Doch auffällig waren die roten Jacken. Die Gäste trugen alle die gleichen Regenponchos mit dem Aufdruck Happy Weekendtours. Im grünen Garten war das lustig anzuschauen, diese Vielzahl an gleicher, ins Auge stechender Bekleidung.

 

Irgendwann kurz nach mittags war sie dann endlich da: Die Steilküste der Normandie. Bei Le Tréport blieb ich stehen und staunte, welchen Unterschied es in der Küste plötzlich gab. Steil abfallende, helle und hohe Felsen begleiteten mich dann den ganzen Tag. Und dazwischen kleine Buchten oder Landeinschnitte, wo es dann einen Hafen und Ansiedlungen oder Städte am Meer gab. Von dort war der Anblick der Felsen überwältigend. Doch es hat mir ebenso gefallen, wenn ich irgendwo oben einen Blick nach vorne oder nach hinten warf, und den Übergang von der grünen Landschaft zum türkisen, schäumenden Wasser weit unten auf mich wirken ließ. Ja, diese Küste hat schon was. Und sie hat auch Regen. Er holte mich heute gleich noch ein paar Mal ein. Doch mit Unterstehen konnte ich mir das Anziehen der Regenkombi ersparen. Denn es waren jeweils nur kurze Schütter, auf die dann wieder sonnige Abschnitte folgten.

 

Ach so, ja, den Pass sanitaire, den Grünen Pass, musste ich heute öfters vorzeigen. Er ist seit gestern Bedingung in allen Lokalen. Selbst allein in einem kleinen Sandwichladen am Land, oder beim Kauf eines Getränkes zum Mitnehmen ohne andere anwesende Personen, wurde er pflichtbewusst gescannt. Und auch bei McDonalds, wo ich vor dem Lokal im Bereich der leeren Terrasse kurz stehen blieb, gab es die Überprüfung. Dort wollte ich gar nichts konsumieren, sondern nur das freie WIFI zum Kartencheck nutzen. Aber Vorschrift ist Vorschrift, und da scheint man sich auch in Frankreich danach zu richten. Nur beim Massenauflauf an Menschen wegen des großen Marktes in Le Tréport, oder der Kilbi in Dieppe, wo es am Strand kaum ein Durchkommen mit dem Fahrrad durch den Menschenstrom gab, da war es anders. Es gab freien Zugang und keine Kontrollen oder andere Beschränkungen.

 

11. August 2021

Ein Felsenbogen zum Staunen

Mein Weg führte mich immer wieder durch große Felder. Es roch nach Stroh, und irgendwann auch nach Kartoffeln. Das Kraut war schon abgemäht und hie und da schauten die Knollen hervor. Dann roch es nach frischem Gras, weil vor mir ein Traktor gerade den Randstreifen gemäht hat. Auf einem Feld hatten sie schwarze Komposterde abgeladen. Wahrscheinlich als Vorbereitung für die nächste Aussaat. Der leichte Wind trug mir den Geruch der Erde noch recht weit nach. Das gefiel mir.

 

In Holland habe ich sie auch schon bei den Häusern gesehen. Dort waren sie meist weiß. Doch hier waren sie bunt und riesengroß. Ich meine die Hortensien. Blau, rot, rosa, pink und auch weiß, oder die Farbtöne in unterschiedlichen Sättigungen. Sie waren wunderbar anzuschauen und boten ein prächtiges Bild. Manchmal schaute es fast so aus, als ob sie untereinander um die schönsten Blüten wetteiferten.

 

Bei einer Stelle war der Radweg entlang der Küste gesperrt. Es war nach einer steilen Rampe vom Hafen aus. Vielleicht hatte ich auch nur eine Abzweigung versäumt. Doch vor mir versuchten noch 4 jungen Franzosen mit ihren Rädern den gleichen Weg. Sie trugen zwar keine typischen französischen Baskenmützen, doch sonst zeigten sie jedenfalls Stil. Einer hatte nämlich den Deckel seiner Packtasche zur Hälfte offen. Es ragten 4 lange Baguettes heraus, die er dort reingesteckt hatte. So lässt es sich auch Radfahren in Frankreich. Und hilfsbereit waren sie auch. Bei der Absperrung half mir einer mein Rad hinten hochzuheben. Mit den Packtaschen gab es nämlich kein Durchkommen. Gerne hätte ich den mit den Baguettes noch gefragt, ob er in der anderen Packtasche Käse mitführe. Doch das ist mir erst später eingefallen, als ich sie längst hinter mir gelassen hatte.

 

Irgendwann staute es sich dann auf der Straße. Ich war nahe zu Étretat, dem angeblich bekanntesten Ort der Alabasterküste. Ich wich auf einen Wanderweg aus und bekam so ungewollt einen spektakulären Ausblick auf die Felsformationen. Das erklärte mir dann auch, wieso der kleine Ort so von Touristen überfüllt ist. Es ist dort einfach schön. Und der Felsenbogen Porte d’Aval zum Staunen. Dieses Staunen musste ich am Aussichtspunkt mit vielen anderen teilen. Und noch viel mehr mussten dieses Teilen erst mit einiger Geduld und einem langen Fußmarsch erkaufen. Die Zufahrten waren alle wie das Stadtzentrum selbst und der Strand rammelvoll. Der große Parkplatz lag weit außerhalb der Stadt. Dennoch hatte ich den Eindruck, dass eine gewisse Muße herrschte. Oder es waren alle einfach in Ferienstimmung und freuten sich auf das große Staunen an der Küste dann.

 

12. August 2021

Das Blau des Meeres und das Grün der Normandie

Aus der Stadt Le Havre herausfahren gestaltete sich etwas schwierig. Ich hatte mir wohl eine Route am Navi zurechtgelegt, doch das Fehlen von Teilstücken nicht gecheckt. Also fuhr ich aufs Geratewohl los und landete im Hafengelände mit den vielen Ports. Obwohl bei jedem Kreisverkehr zweifelnd schaffte ich es doch. Und irgendwann tauchte sogar ein Radwegschild aus dem Nichts und mitten im Nichts auf. Der Zustand des Weges mit den vielen Löchern im Asphalt ließ mich jedoch eher darauf schließen, dass das Abmontieren des Schildes vergessen wurde. Nur die in der Ferne sichtbare große Schrägseilbrücke über die Seine ließ mich mutig weiterfahren. Die Richtung hat jedenfalls gepasst, und die Auffahrt auf die Brücke hat dann auch geklappt. Auf einem schmalen Radstreifen ging es 200 Meter aufwärts mit großem Weitblick über die Mündung des Flusses. Daneben donnerten die Lastwagen vorbei. Abwärts traute ich mich nicht, es voll laufen zu lassen. Da war mir der Radstreifen und der Abstand zum anderen Verkehr zu schmal.

 

In einer kleinen Ortschaft blieb ich bei einem Haus stehen. Ein Mann war gerade mit dem Malen des Gartenzaunes beschäftigt. Er wunderte sich, dass ich meinen Fotoapparat herausnahm und um ein Foto bat. Denn mir gefielen die beiden Grüntöne der alten und der neuen Farbe nebeneinander über alles. Er meinte, dass es das Grün der Normandie sei. Und er war sichtlich stolz, dass mir die Farbe auch gefiel.

 

Den Vormittag kurbelte ich irgendwo im Landesinneren ab. Es ging immer wieder im Schatten kleiner Wälder dahin, oder zwischen Feldern mit Steinmauern, oder durch kleine Dörfer mit Hortensien. Ein Mal führte mich der Weg auch rund um ein riesiges Gelände einer Galopprennbahn. Da staunte ich, wie groß so eine Anlage sein kann. Auf den grünen Startboxen für die Pferde stand France Galop drauf. Radfahrer waren nur ganz wenige am Weg. Und auch sonst traf ich kaum auf Leute. Das änderte sich dann am Nachmittag schlagartig, als ich wieder die Küste erreichte. Es war zwar keine Steilküste mehr, dafür so weit das Auge reicht Badeküste. Ganz Frankreich hat Mitte August Ferien und baden tun sie anscheinend hier in der Normandie. Und zum Brutzeln in der Sonne fährt man mit dem Auto, egal wie die aktuellen Schlagzeilen über Hitzerekorde und Klimaveränderungen auch in Frankreich lauten. So kam es mir halt vor. Das Durchfahren war hie und da schwierig. Ein wenig gefallen hat es mir dennoch. Denn bei Sonne und angenehmer Brise Meeresluft am Rad zu schnuppern hat schon seinen eigenen Reiz. Genauso wie auf schmalen Straßen durch grüne Felder zu rollen und immer wieder das Blau des Meeres zu sehen.

 

13. August 2021

Warheroes und Operation Neptune

Was für ein Unterschied und Kontrast zum gestrigen Tag – keine Menschen am Meer, alles ruhig, und das Wasser ganz weit vom Ufer weg. Am Strand fährt ein Traktor hin und her und planiert mit einer Walze den Sand platt. Offensichtlich werden wieder Badende erwartet. Die kommen dann wohl mit der nächsten Flut. Doch am Morgen ist niemand zu sehen. Nur am Uferweg marschieren ein paar mit Baguettes unterm Arm.

 

Ich genieße die Morgenstimmung und das Radeln taugt mir. Wenn der Weg nicht ohnedies an der Küste entlangführt, so mache ich bei den Ortschaften einen Abstecher zum Meer. In einem Hafen sind ein paar Verkaufsstände aufgebaut. Es riecht nach Fisch, und zwar sehr intensiv. Für mich etwas gewöhnungsbedürftig. Im hinteren Bereich wird der Fang noch geputzt. Es stehen jede Menge bunte Plastikboxen rum. Solche sehe ich dann später auch auf den Fischerbooten, als sie mittags in einen Hafen einfahren. Sie mussten warten, bis die Straßenbrücke hochgefahren war. Und dann passierten sie eines nach dem anderen den Hafeneingang und legten an. Es waren kurze Boote mit einigen Winden hinten drauf, wahrscheinlich zum Schleppen der Netze.

 

Bei einer Schleife etwas weiter weg von der Küste sehe ich einen Bauern, der gerade seinen Traktor mit Anhänger abstellt. Als er aussteigt, frage ich ihn, was denn hier angebaut wird. Diese Frage beschäftigte mich schon seit ich durch Belgien fuhr. Ich erfahre, dass es Flachs ist, der da am Boden liegt und trocknen soll. Ich habe diese Kulturpflanze bisher noch nie gesehen. Frankreich sei der größte Produzent in Europa. Und dann erklärt er mir noch, dass der Flachs nicht gemäht werde, sondern mitsamt der Wurzel aus dem Boden gezogen wird. Spannend denke ich mir, welche Wissenslücken ich da bei mir entdecken kann.

 

Und auch bei Geschichte ist schon einiges in Vergessenheit geraten. Hier in der Normandie hat der Sturm der Alliierten Streitkräfte im zweiten Weltkrieg stattgefunden. Ich fahre heute immer wieder an Gedenkstätten vorbei, die daran erinnern sollen, an den D-Day, den 6. Juni 1944. Einige Museen und viel ausgestelltes Kriegsmaterial aus jener Zeit passiere ich ebenfalls auf meinem Weg. „We never forget“ steht auf den Porträtbildern von Soldaten, die groß an jedem Lichtmasten in den Ortschaften hier an der Küste angebracht sind. Der Name des Soldaten, die Einheit, und "WWII Heroes" steht auch noch drauf. Abends lese ich dann ein bisschen über die Operation Neptune nach. Doch ich mag gar nicht detailliert recherchieren. Bin an den Soldatenbildern hängen geblieben, und an deren Glorifizierung. Denke mir, dass uns hier die Mahnmale wachrütteln sollen, und dennoch wird vielerorts in der Welt weiter Krieg geführt.

 

14. August 2021

Ein Anhänger im Wasser

Wie an den Vortagen geht es auch heute wieder flach dahin. Der Strand wirkt am Morgen noch ganz verschlafen. Wahrscheinlich macht es auch das fahle Licht aus, und dass sich das Meer weit nach draußen zurückgezogen hat. Der Radweg gefällt mir ganz gut, auch wenn er für mich einige unnötige Schleifen zieht. Die lasse ich dann meistens aus, wenn ich sie früh genug erkennen kann. Es ist dann meist ein Feldweg, mit dem sich die Verbindungsstraße zwischen den Orten vermeiden lässt. Doch wenn es eine Schleife hin zum Meer ist, dann fahre ich sie schon, egal ob schottrig oder sandig. Auf Asphalt ist es natürlich angenehmer zu fahren und komme ich flotter voran. Doch ganz so schlecht gehen die unbefestigten Wege hier auch nicht. Der Untergrund ist fest und es findet sich immer eine breite Fahrspur.

 

Auf den Wiesen grasen viele Pferde. Es sind überwiegend Braune. Hie und da steht eines auch alleine auf der Koppel. Die Pferde passen gut in diese Gegend. Manchmal meine ich gar, dass sie Spalier stehen und schauen, wer da am Radweg daherkommt. Doch das ist dann schon die Ausnahme. Eher sind sie uninteressiert. Oder sie versuchen, die vielen Fliegen abzuschütteln. Ja, auf den Wiesen sind es Pferde, und am Strand sind es Traktoren. Die stehen bei den wenigen Meerzugängen in den Ortschaften in Reih und Glied. Oft sind es alte Modelle, mit denen die Boote ins Wasser gebracht werden oder aus ihm heraus. Bei Ebbe müssen sie mit den Traktoren recht weit hinausfahren. Doch offensichtlich trägt der Sand ganz gut. Denn sie fahren tief ins Wasser hinein, bis sie bei den Booten sind.

 

Mittags mache ich am Strand Pause. Es gibt Camembert und Baguette, und heute mal statt einer Sprite einen Orangensaft. An diesem Strandabschnitt finde ich große Muscheln. Es sind Jabobsmuscheln, die am Ufer einen Teppich bilden. Während dem Essen kann ich zusehen, wie das Wasser mit der Flut am Steigen ist. Das geht hier ganz rasant. So einen halben Meter ist es gestiegen, bis ich mein Baguette gegessen hatte. Ich konnte es an den Ufersteinen beobachten. Und auch bei einem Bootsanhänger. Der stand zuerst noch im Sand, und später dann voll im Wasser. Es schaute nur mehr der hohe Holm der Winde heraus, an dem das Seil für das Boot befestigt wird. Vielleicht hatten sie den Anhänger vergessen. Oder sie sind mit dem Boot nicht rechtzeitig zurückgekommen. Oder so wie ich das Steigen des Wassers bei Flut unterschätzt.

 

Weiter gegen Nordwesten Richtung Cherbourg dominiert wieder Gemüseanbau die Felder. Zwiebeln, Karotten, Kraut wird hier großflächig angebaut. Und dazwischen gibt es auch ein paar Maisfelder. Und viele kleine Wohnwagensiedlungen nah zum Meer. Und Wohnmobile natürlich auch, jede Menge. Es sind fast ausschließlich französische Nummernschilder, die ich an ihnen entdecken kann. Hie und da ein belgisches noch, oder eines aus Holland. Deutsche Kennzeichen sind praktisch nicht zu sehen. Und in den Städten ist ausschließlich die französische Sprache zu hören, was ich so im Vorbeiradeln mitbekomme. Schon spannend, wie sich Touristenregionen unterscheiden können.

 

15. August 2021

Ein Sonntag mit Nieselregen

Nach dem Losfahren orientiere ich mich nach Nordwesten. Ich möchte zum oberen Zipfel der Halbinsel. Doch schon bald überlege ich es mir anders. Es schaut ziemlich grau aus am Himmel, und vorne kündigt sich eine Regenfront an. Doch das Abdrehen hat nichts genützt. Der Nebel und leichte Regen holen mich ein. Es nieselt grad so viel, um auf Dauer doch nass zu werden. Ich stehe dann zwei Mal in Bushäuschen unter und warte ab. Auch verlege ich mein Mittagessen vor. Die Reste vom gestrigen Baguette mit Camembert gibt es daher in einer der Bushaltestellen. Da war ich auf einen feinen Sommersonntag eingestellt, und werde mit kühlem Nasswetter überrascht. Umso mehr freute es mich dann, dass es am Nachmittag wieder aufklarte und es angenehmer zum Fahren wurde.

 

Irgendwann noch im Nieselregen kommen mir zahlreiche Motorräder entgegen. Es dürfte eine Ausfahrt eines Veteranenclubs gewesen sein. Ich kann jede Menge Triumph- und Norton-Maschinen erkennen. Und gut zu erkennen ist auch, dass das Wetter die Fahrer nicht freut. Es überwiegen hängende Mundwinkel und regenbeschlagene Brillen. Hinten nach fährt ein Bus mit Blinklicht und Anhänger. Noch ist keiner der Oldtimer verladen. Doch das dürfte vielleicht später bald erfolgt sein. Denn auf der regennassen Straße und in den Pfützen kann ich auf der anderen Fahrspur einen Ölfilm erkennen, der sich über viele Kilometer hinzog.

 

Ein Oldtimer-Auto habe ich auch noch gesehen heute, ein auffälliges. Von einer Strandzufahrt bog vor mir ein gelber Citroen-Kübelwagen in die Straße ein. Der Zweitaktmotor tönte merklich anders. Und bei der Geschwindigkeit nahm er es auch eher gemütlich. Vielleicht hätte es eine chillige Ausfahrt zum Strand werden sollen. Doch das Wetter war wohl auch da Spielverderber und es gab die Heimfahrt früher.

 

16. August 2021

Rund um den Mont-Saint-Michel

Den mir unbekannten Flachs hatten sie die Tage zuvor nicht auf großen Tafeln an der Straße angeschrieben. Doch heute gab es solche Hinweistafeln. Nur stand etwas drauf, das ich schon längst davor entlang der Straße auf den Feldern gesehen und erkannt habe: Karotten und Lauch. Der viele Dünensand hier eignet sich anscheinend besonders gut für deren Anbau.

 

Am Morgen war die Straße noch nass vom Regen der Nacht. Ich bin daher mit Regengamaschen gestartet. Ausgezogen habe ich sie dann erst viel später. Als die Straße längst trocken war und es temperaturmäßig wieder angenehmer wurde. Mit fein warmen Füßen lässt es sich gut pedalieren. Da ist es dann egal, wenn es sich um die Beine herum frisch anfühlt. Also solange ich die Gamaschen nicht wegen des Regens anziehen muss, trage ich sie eigentlich ganz gerne.

 

Heute musste ich am Meer staunen. Es war ein permanentes Rauschen. Kräftige Wellen mit viel Gischt sorgten für eine großartige Kulisse. Ein paar bunte Boote am Strand, der blaue Himmel, das Wolkenziehen, so etwas kann mir schon gefallen. Doch für die Jause zog ich meinen Pullover an. Der kräftige Wind ließ es einem trotz Sonne frisch vorkommen. Die einzigen, die mit dem Wind wohl viel Freude hatten, waren die Kite-Surfer draußen am Meer. Ganz nah zum Strand hatten sie einige Mühe zum Surfen. Doch weiter vom Ufer weg flitzten sie in hohem Tempo hin und her, oder wagten sich weit aufs Meer hinaus. Ich wunderte mich, wieso sie so ruhig auf ihrem Brett stehen konnten. Es schaute aus, als ob ihnen die Wellen nichts anhaben könnten. Sie schienen über dem Wasser zu schweben, gar zu fliegen. Erst als einer mit seinem Brett ans Ufer kam, wusste ich wieso. Er hatte an einem zirka 1 Meter langen Masten noch zwei Foil-Flügel unten dran. Er gleitet nur mit diesen Flügeln durchs Wasser. Das Brett, auf dem er steht, hat dann gar keinen Wasserkontakt mehr. Ich weiß nicht, wie es sich auf so einem Kitefoil anfühlt. Doch zum Zuschauen war es großartig.

 

Großartig ging es dann am späten Nachmittag auch mit der Kulisse weiter. Der Mont-Saint-Michel war als Erhebung schon von weitem zu sehen. Und je näher ich kam, desto imposanter kam er mir vor. Eine Felsformation mitten im Wasser, sofern nicht gerade Ebbe ist, und darauf ein Kloster, das den ganzen Berg einnimmt. Das schaute jedenfalls gut aus. Und diesen Eindruck musste ich mit vielen anderen teilen. Auf der 800 Meter langen Stelzenbrücke zum Klosterberg fuhren Shuttelbus um Shuttlebus hin und her. Und der Strom an Leuten, die die Brück zu Fuß überquerten, kam mir wie ein laufendes Menschenband vor. Dicht an dicht drängelte es in beide Richtungen. Zuerst schob ich noch brav mein Fahrrad mittendrin. Doch bald wich ich auf den Fahrweg aus. Die Umrundung des Klosterberges auf dem festen Meeressand hat jedoch nicht geklappt. Nicht weil ich von den Gezeiten überrascht wurde, sondern weil eine wassergefüllte Senke an der Rückseite bis zu den Felsen reichte. Und die vielen Trittstufen rauf für ein Weiterkommen wollte ich mein Fahrrad doch nicht tragen. Es genügte, dass die Leute auch so schon etwas verdutzt dreinschauten, was denn ein Radler hier zu suchen hat.

 

Bretonische Küste

17. August 2021

Ein schönes Cap

Den Weg zur Küste habe ich schnell zurückgelegt. Es ging von der Ortschaft leicht abwärts. Der Himmel war bedeckt und dunkel. Doch just beim Ankommen nahe dem Meer tat sich ein kleines Sonnenfenster auf. Es tauchte die Landschaft mit der Morgensonne in ein grelles Licht. Die Farben waren plötzlich sehr intensiv. Die Gräser am Küstenstreifen zeigten ein leuchtendes Gelb und Grün. Es war ein toller Kontrast zum dunklen Meer und dem Himmel im Westen.

 

Vor Saint Malo nahm der Verkehr drastisch zu. Anscheinend wollten alle Touristen auch dort hin. Doch mich machte es nicht mehr an. Der trübe Tag drückte auf meine Lust, mich inmitten eines Menschenstroms durch die engen Gassen zu bewegen. Ich ließ Saint Malo den anderen über. Mir blieben dafür Gassen mit Hagebutten. Den die Landschaft war leicht hügelig und die Wege waren manchmal in Vertiefungen angelegt. Seitlich blühten einige Sträucher, und die Hagebutten zeigten riesengroße Früchte. Später ging es dann durch dicht aneinander liegende Ortschaften. Und wenn sie nahe zum Meer oder am Meer lagen, dann war dort auch immer ein größerer Auflauf. In einer war heute Markttag. Schon weit vor der Ortschaft parkten die Autos beidseitig an der Straße. Und auch der Ort selbst war vollgestopft, mit Menschen. Lebensmittel, Krimskrams, Kleider, und für die Touristen natürlich irgendwelche Erinnerungssachen an die Bretagne. Ich hatte meine Taschen schon voll. Und vom Angebotenen machte mich schon gar nichts an.

 

Dafür gefiel mir dann das Highlight des Tages. Mein Weg führte mich zum Cap Frehel. Der Atlantik ließ es unten rauschen. Oben bezauberte die Küste mit einer sagenhaften, bunten Flora. Ein dunkles Gelb, ein helles Grün, ein intensives Violett, und ein bisschen Lila waren die betörenden Farben. Und dazu ein kräftiger Wind, dass ich beim Fahren aufpassen musste. Das Ambiente an diesem Küstenteil war richtig toll. Dass das natürlich noch viele andere mit Autos angezogen hat, hat mich hier nicht gestört. Ich wollte die Küste genießen und habe mich nicht ablenken lassen.

 

18. August 2021

Auf und Ab mit hie und da Kurven

Ich fahre heute mit Mütze unterm Helm los. Den Pullover habe ich sowieso gleich schon angezogen an. Denn es ist ziemlich kühl. Und dazu ein trüber Himmel und etwas Wind. Es könnte schon etwas freundlicher sein, denke ich mir zwischendurch.

 

In einer kleinen Boulangerie am Weg kaufe ich mir ein frisches Baguette. Vom Verkaufsraum kann ich nach hinten in die Backstube sehen. Während ich mit warmer Mütze, Helm und Maske im Laden stehe, werkt hinten einer in einem weißen Kurzarmshirt. Ich hätte ihm gerne noch länger zugeschaut, wie er mit geschickten Griffen den Teig knetete und formte. Es gab eine größere Auswahl an Broten. Ich wählte ein Bretonne, etwas dunkler und mit kräftiger Kruste. Die Münzen warf ich in den Bargeldautomaten. So eine Wechselmaschine haben sie hier oft auch in ganz kleinen Läden. Während der Automat noch das Geld zählt und das Rückgeld ausspuckt, kann schon die nächste Kundschaft bedient werden.

 

Bei hie und da unergiebigem kurzem Nieseln ist das Fahren hier an der Küste ein ständiges Auf und Ab. Es gefällt mir zwar über alle Maßen, wenn ich es abwärts durch einen Wald mit Kurven und auf gutem Asphalt richtig sausen lassen kann. Doch diese Freude währt meist nur kurz, und ist auch teuer erkauft. Denn vom Meer aufwärts gibt es oft längere Steigungen oder kräftige Rampen. Dem kleinen Kettenblatt vorne wurde heute nicht kalt. Ich musste oft runterschalten.

 

Beim langsamen Fahren habe ich genug Zeit, auch einen Blick auf die Häuser zu werfen. Meist sind sie mit rötlichen Natursteinen gebaut und unverputzt. Die Fensterlaibungen sind mit größeren Quadersteinen hervorgehoben. Das Dach ist immer steil, ohne groß über die Mauern zu ragen, und mit grauen kleinen Schieferplatten eingedeckt. Gaupen sehe ich auch öfters, und Kamine sowieso. Die sind dann immer stirnseitig an beiden Hausenden, und ganz breit. Farbtupfer gibt es nur selten. Und wenn die Häuser verputzt sind, dann ist es in einem ins Gräuliche gehenden Weißton. Nur der Blumenschmuck vorm Haus und die grünen Gärten geben dem Ganzen eine etwas freundlichere Note.

 

Als ich bei einer kleinen Bootswerft vorbeifahre, höre ich das Schleifen von Metall. Ein Fischerboot soll offensichtlich einen neuen Anstrich bekommen. Ein Arbeiter mit Maske werkt mit einem Tellerschleifer am Schiffsrumpf. Die abgeschliffene Farbe deutet am Boden einen blauen Teppich rund um das Boot an. Das meiste hat der Wind schon großflächig verteilt. Ja, wer Bio-Lacke verwendet, wird das wohl so tun dürfen.

 

19. August 2021

Mit Sonne entlang bezaubernder Buchten

Heute habe ich beim Fahren eine Zeit lang Gesellschaft. Es sind Schwalben, die mit mir unterwegs sind. Anscheinend gefällt ihnen der Radweg, der sich in einem Graben durch die Landschaft schlängelt. Links und rechts wachsen Farne, Brombeeren und niederes Gestrüpp. Ein paar Bäume säumen den Weg. Die Wiesen daneben liegen etwas höher. Sie sind nicht einsehbar. Manchmal gibt es auch noch etwas Mauerwerk wenn die Böschungen sehr steil sind. Ich staune, wie schnell die Schwalben am Weg sind. Und wie schnell sie Richtungsänderungen durchführen können. Da bin ich am Rad grad ziemlich träge. Doch ich jage ja auch keine Mücken.

 

Irgendwann fällt mir heute auf, dass die Ortsschilder und Wegweiser zweisprachig angeschrieben sind. Das wollte ich natürlich gleich abklären wieso. Ein Straßenbauarbeiter erklärte mir bereitwillig, dass als zweite Sprache noch Bretonisch angeführt sei. Die Bretagne sei eine zweisprachige Region, und darauf wären sie auch stolz.

 

Bei einem Artischockenfeld bleibe ich für ein Foto stehen. Denn mit diesen Früchten verbinde ich Erinnerungen an einen ersten Frankreichurlaub. Wir mussten uns damals im Restaurant zeigen lassen, wie man die Blätter von der ganzen Frucht abzupft, und wie der untere Teil mit den Zähnen abgezogen wird. Später sehe ich dann noch recht viele solche Felder, und auch ganz unterschiedliche Sortengrößen. Bei manchen sind die ausgewachsenen Blütenstände eine wahre Pracht.

 

Eine wahre Pracht ist heute auch die Küste. Sie zeigt sich ganz abwechslungsreich und mit zahlreichen Buchten. Über viele Kilometer finden sich riesengroße Steine. Und weil sich auch noch die Sonne ausgiebig zeigt, gefällt mir der Tag zum Fahren durch diese Kulisse sehr gut. 

 

20. August 2021

Gesalzene Butter

Beim Aufwachen meine ich, es draußen leicht regnen zu hören. Typisch Bretagne, fällt mir ein. Die Wetter-App meint, dass die kleine Front bald durch ist. Also lasse ich mir mit Aufstehen noch etwas Zeit. Beim Frühstück wähle ich einen Platz nahe zum Fenster. Der Raum ist eher klein und spartanisch eingerichtet. Doch der Blick zum Fenster hinaus auf die gegenüberliegende Kaimauer und die Gebäude dahinter, sowie auf den schmalen Fluss- oder Meeresarm dazwischen gefällt mir. Ein paar Enten gondeln hin und her, soweit von meinem Sitzplatz einsehbar. Regentropfen spiegeln sich im Wasser keine mehr. Und die Leute laufen ohne Schirm vorbei, dafür alle mit Maske.

 

Jeder nach seiner Art, denke ich mir, und streiche das Baguette mit der gesalzenen Butter. Die schmeckt mir hier köstlich. Ein Radler passiert auch noch meinen Fensterabschnitt. Ein rot-schwarzes Treck ist es, und er natürlich auch in rot-schwarz gehaltenem Outfit. Ok, das Wetter scheint zu passen, wenn Radler auf der Straße sind. Doch kaum war dieser Gedanke bei mir durch, lief vor dem Fenster gerade eine Frau mit rotem Schirm vorbei. Ich denke, ok, dann ist das Wetter wohl etwas wechselhaft. Der Himmel ist jedenfalls nicht ganz trüb. Und den ganzen Tag hier sitzen und frühstücken geht wohl auch nicht. Und bevor ich mich aufs Rad setze, sehe ich noch einen Bus vorbeifahren. „Atme CO2“ steht groß als Werbung drauf. Toll, wie kreativ man auf den Umstieg vom Auto auf den Bus hinweisen kann.

 

Schon in der Normandie sind mir die radelnden Familien aufgefallen. Und hier in der Bretagne gibt es sie noch viel mehr. Meist hat dann der Mann einen Anhänger mit, und macht das Schlusslicht. Vorne weg als Pfadfinderin die Frau, und zwei oder drei Kinder dazwischen. Oder die größeren Kinder fahren vorne, und warten dann bei Kreuzungen auf die restlichen Familienmitglieder. Urlaub mit Rad und Camping, das geht nicht nur alleine, fällt mir daher öfters am Tag ein, wenn ich so eine Gruppe sehe.

 

Gestern war es noch ein ständiges Auf und Ab an der Küste. Ich sammelte kräftig Höhenmeter. Doch heute war es ein fast entspanntes Cruisen in Meeresnähe. Mir tat es jedenfalls auch gut, dass es nicht so anstrengend war. Und der Rummel auf der Straße oder an den Strandzentren hielt sich auch in Grenzen. Bin gespannt, wie das nächste Woche dann sein wird. Da sind die französischen Ferien dann vorbei.

 

21. August 2021

Ein Hafen der Rekorde

Am Abend war es gestern richtig fein auf meinem Zeltplatz. Ich hatte ein abgeerntetes Getreidefeld ausgesucht, oder zufällig gefunden. Mit Hecke rundherum und inmitten von Maisfeldern und Viehweiden gelegen. Der Bauernhof war zwar in Sichtweite, doch weit weg. Es roch nach Stroh. Und zu hören war nur das Rauschen der Blätter eines von Efeu bewachsenen Baumes in der Hecke, wenn der Wind leicht aufkam. Oder hie und da ein Vogel mit seinem Rufen. Als es eindunkelte war das Leuchtfeuer zweier Türme am Meer zu sehen. Und der Mond schaute gelegentlich kugelrund zwischen den Wolken hervor. Ich sammelte noch etwas Stroh zusammen, und hatte ein weiches Bett. Doch es war eher als Schutz für den Zeltboden wegen der Stoppeln gedacht. Leider kam dann gegen Morgen Regen auf. Da kann der Abend noch so lauschig sein, ein nasses Zelt einzupacken macht nicht richtig Spaß. Wenigstens regnete es während des Abbauens nicht. Und wechselhaft war das Wetter in der Bretagne bisher jedenfalls. Also ganz so schlechtreden wollte ich es am Morgen noch nicht.

 

Die erste Stunde ging jedenfalls auf auftrocknender Straße ganz gut. Einen Zwischenstopp fürs Frühstück mit Baguette und einem dünnen Stück Zwetschgenkuchen gab es auch noch. Nur gleich danach fing das Nieseltheater an. Es zogen vom Meer her Schauer durch. Zwar kein Starkregen, doch starker Nieselregen. Genug um nass zu werden. Als Taktik fürs Trockenbleiben wählte ich Unterstehen und Warten. Eine Scheune, eine Baumgruppe, ein Bushäuschen und eine Hauswand kamen dabei gelegen. Der Nieselregen dauerte nie lange. Er zog irgendwie übers Land, und war doch immer dort, wo ich grad hin wollte. Zumindest bis kurz nach mittags war es so. Dann war das Theaterstück mit dem Nieseln vorbei. Ich konnte entspannt weiterfahren, und das ohne Regenhaube und Pullover.

 

Bei einer Abfahrt Richtung Meeresstrand war am Ortseingang ein Surfladen. Die schwarzen Neoprenanzüge und bunten Surfbretter waren schon weit vorher Blickfang. „Ecole de Surf“ war dann groß angeschrieben. Das brachte mich beim Vorbeifahren zum Schmunzeln. Denn auf der Terrasse saßen ein paar junge Leute, und jeder hatte sein Smartphone im Blick. Aha, Ecole de Surf kann man auch anders deuten, ging es mir durch den Kopf.

 

Meine Tagesetappe schloss ich mit Flanieren durch den Yachthafen und die angrenzenden Kais von Brest ab. Da war ich dann kräftig am Staunen, welch edle Segelboote es geben kann. Und dann wohl auch ganz schnelle. Die French Touch, ein Segelkatamaran, ließ mich fasziniert gar länger vor ihr verweilen. Carbon gibt es demnach nicht nur bei Fahrrädern. Und Brest ist nicht nur Militärhäfen, sondern auch ein Hafen für Segelrekorde. Auf einer Hinweistafel waren verschiedene Kategorien gelistet. Als Einhandsegler hat es einer von hier in 42 Tagen rund um die Welt geschafft. Und nur über den Atlantik natürlich auch, mit lediglich 5 Tagen. Ich malte in Gedanken meinen Tagesstand dazu: 27 Tage am Weg und auch schon 3.317 Kilometer geschafft, auf meiner Fahrt ins Blaue. Und dazu noch nicht mal die Segel gesetzt.