Ab Perth zur Nullarbor-Plain

25. Juli 2023

Regenwetter und Werkstattbesuch

Gestern am Abend war alles wunderbar. Ein breiter, grelloranger Streifen am Horizont quer übers Meer. Im Vordergrund als Schattenumrisse leicht schwankende Palmen. Ein Bild von Sonnenuntergang zum Träumen und Dahinschmelzen.

 

Unglaublich, dass der Wetterbericht für heute starken Regen kommen sah. Doch am Morgen war es dann tatsächlich so. Wind und dunkle Wolken. Das Regenradar hatte nur eine kurze Schonfrist bis mittags für mich. Dann sollte die Front aus Westen in Perth eintreffen, und auch einige Zeit bleiben. Angekündigt hat man sie mir seit einem Monat schon. Im Süden regnet es. Und es wird kalt sein. Das sagten alle Caravanfahrer, wenn es im Gespräch um meine Route ging.

 

Ich konnte und wollte es nicht mehr ändern. Ich war nun mal hier. Und egal ob Sonne oder Regen, mein Fahrrad brauchte eine neue Kette. Die vielen Kilometer und der oft sandige Untergrund hinterließen Spuren. Ich hatte den Wechsel schon länger für Perth geplant. Denn davor gab es seit Broome im Norden sowieso keine andere Gelegenheit.

 

Mit morgendlichem Schwung düste ich entlang des wunderbaren Radweges an der Küste zu einem Wilier-Händler in der Stadt. Die Autos quälten sich daneben mit Stopp and Go weiter. Der breite Radweg mit rotem Belag gehörte nur mir allein. Hie und da querten Fußgänger den Weg. Oder Surfer, die ihr Abenteuer in den Wellen schon am Morgen suchten. Das Meer rollte heute mit viel Dynamik an. Nichts für Warmduscher, war mein Eindruck.

 

Mit viel Dynamik betrat ich auch den Radladen von Glen Parker. Meine Vorstellung: Eine neue Kette "on the fly", und weiter Richtung Süden. Doch so auf die Schnelle wird hier nichts repariert. Die Kette mitnehmen ja, die Montage im Geschäft nur gegen Termin. Nach einiger Zeit und vielem Bitten hatten die drei Männer dann doch Verständnis für mein Anliegen. Mit sichtlich fachkundiger Art ersetzte einer die verschlissene Kette und justierte die Schaltung neu. Der zweite interessierte sich für meine bisherige Route und gab Tipps für den Süden. Und der dritte meinte, dass er am liebsten gleich sein Rad packen und mit mir mitfahren möchte. Mit einer Terminvereinbarung zur Montage wäre es wohl nie zu so einem Werkstatterlebnis gekommen. Ich freute mich über die neue Kette, und die Mechaniker über einen unkonventionellen Kundenservice.

 

Der Tag hat mir gefallen. Auch wenn es mittags zu regnen begann. Doch da war ich bereits auf einem Caravan Park im Trockenen. Ausgiebig essen, weitere Route planen, Blog updaten, Füße hochlagern, Regeneration. Auch ein Regentag lässt sich vielseitig nutzen. Doch einer genügt. Morgen will ich wieder weiter.

 

26. Juli 2023

Intervallradeln entlang der Küste

Ui, schon wieder ist ein Jahr vergangen, oder sind es bereits vier. Am 26. Juli 2019 war ich vom Arbeitsplatz in die Pension losgeradelt. Und jetzt bin ich immer noch am Radeln. Cool. Weniger cool ist heute hingegen das Wetter. Der Wind treibt Regen übers Land, lässt ihn gegen Fenster klatschen, auf Blechdächer tropfen, die Veranda benetzen. Und doch muss ich raus, wenn ich Wifi haben will. Zumindest ein paar Meter bis zur Rezeption des Caravan Parks.

 

Vielleicht einen Tag hier anhängen und auf Wetterbesserung hoffen? Oder zumindest einen halben Tag aufs Rad und eine Wolkenlücke nutzen? Ich entscheide mich fürs Radeln. Es sollte sich regenfrei ausgehen, wenn ich Glück habe. Und sofern ich den richtigen Wetterbericht abgerufen habe.

 

Entlang von endlosen Industrieanlagen kämpfe ich mit Gegenwind. An den Rauchfahnen aus Schornsteinen sehe ich die Windrichtung auch. Und kaum die Wohngebiete wieder erreicht, muss ich schon unterstehen. Der Regen scheint oft weit weg zu sein. Doch vom Meer her kommt immer wieder Nachschub an dunklen Wolken. Oft ist der Wechsel rasend schnell. Intervallradeln könnte man mein heutiges Tun bezeichnen. Eine überdachte Garageneinfahrt, eine Nische bei einem Hauszugang, ein Vordach bei einem kleinen Einkaufscenter, eine Bushaltestelle. Unterstehen kann man hier in den langgezogenen Wohngebieten an der Küste auf vielfache Art. Meist genügte eine Viertelstunde. Dann war der Regen durch, zeigte sich wieder zartes Blau zwischen grauen Wolken. Um dann nach kurzer Zeit von neuem loszuprasseln, und das Spiel fortzusetzen.

 

Einmal wagte ich mich wohl zu früh wieder raus. Ausgeschaut hatte es gut. Doch ich hatte die Rechnung ohne den Wind gemacht. Die Straße führte eine kleine Steigung zur Küste hoch. Nur mit dem Wind frontal von vorne wurde sie recht lang. Und auf der Kuppe gab es schlagartig Regen. Er kam waagrecht daher. Ich staunte, wie schnell ich bei diesen Verhältnissen dennoch Unterschlupf fand. Unbedingt nass werden wollte ich nicht.

 

Am Nachmittag war ich dann doch zufrieden. Ich war von der Regenstadt Perth jetzt etwas weiter weg. Zwar werden die Verhältnisse die nächsten Tage wahrscheinlich dennoch nicht so ideal sein. Doch Radfahren sollte sich ausgehen. Und als ich den durch die Nässe haften gebliebenen Sand grob vom Rad und den Taschen wischte, schaute auch meine Ausrüstung wieder reisetauglich und einladend aus.

 

27. Juli 2023

Wechselhaft mit Sonne und etwas Regen

Das Putzen des Fahrrades gestern am Abend hat mir gefallen. Auch wenn nur schnell gemacht, so war der Effekt dennoch groß. Nur leider dann auch wieder bloß von kurzer Dauer. Denn es regnete bis in den Morgen hinein. Die Straße war daher nass. Wasser und Sandstaub spritzen hoch, und verteilten sich wieder am Rad. Doch warten bis alles abgetrocknet ist, geht hier bei dem raschen Wetterwechsel nicht. Nass werden gehört im Südwesten zu dieser Jahreszeit wohl dazu.

 

Beim Verlassen der Stadt begleitete mich ein schöner Regenbogen. Üppig bunt spannte er sich auf. Und etwas später war es dann der Regen, der mich in einem Bogen begleitete. Ein paar Spritzer von oben, und hie und da ein paar auch von unten. Doch ich kam voran. Die dunklen Regenwolken waren manchmal vor mir, und für kurze Zeit dann auch über mir. Oder sie schoben mich von hinten an.

 

Für einige Zeit fuhr ich abseits der Hauptstraße entlang eines Sees. Das Gras und die Büsche am Straßenrand hatten ein intensives Grün. Vermutlich regnet es hier öfters. Und auch viel. Denn in einigen Wiesen stand Wasser. Die Pferde schien es nicht zu stören. Die grasten auch dazwischen. Den vielen Hinweisschildern zu Weingütern nach muss es hier jedoch auch Sonne geben. Nur heute machte sie sich ziemlich rar.

 

Als ich am späten Vormittag einen Jausenplatz suchte, sah ich weit vorne einen Regenbogenansatz. Ich freute mich über das Farbenspiel am Himmel. Doch es währte nur kurz. Kaum hatte ich alles ausgepackt und mich am Boden bequem eingerichtet, zogen Schauer auf. Aus dem bunten Regenbogen war eine graue Wand geworden. Im Schutze eines Baumes aß ich in der Regenkombi weiter. Hunger ist anscheinend wetterunabhängig da, irgendwann nach ein paar Stunden am Rad. Den Kopf hängen lassen tat ich dennoch nicht. Denn kaum mit Essen fertig und aufgestiegen, zeigten sich schon wieder ein paar blaue Fenster, irgendwo im Süden. Wechselhaft und etwas kühl, fiel mir als Kommentar zum Tage ein. Und ohne Wind ganz ok.

 

28. Juli 2023

Ein durchwaschener Vormittag

Der Wetterbericht sah für heute nicht so gut aus. Viel Wind, und voraussichtlich auch viel Regen. Jedenfalls am Nachmittag. Also nahm ich mir einen Frühstart vor. Doch manchmal laufen die Dinge anders als geplant. Denn kaum auf dem Rad musste ich auch schon wieder runter. Bei einem Stopp vor einer Ampel sah ich am Vorderreifen weiße Blasen auf dem nassen Gummi. Dichtmilch trat aus. Oje, war meine Reaktion, schon auf den ersten Metern eingebremst. Ich entschied mich für etwas Zuwarten, und hoffte auf ein Abdichten des Loches. Vielleicht habe ich Glück.

 

Doch Glück hatte ich nur, dass ich nach einigen Kilometern außerhalb der Stadt bei einem Geschäft unterstehen konnte. Denn es hatte schlagartig zu regnen begonnen. Und auf den letzten Metern bis dahin spielte der Vorderreifen Wasserwerfer. Oder vielmehr Dichtmilchwerfer. Mit jeder Umdrehung des Reifens schleuderte er die weiße Milch nach links und rechts von sich, und das Regenwasser geradeaus nach oben. Es musste demnach wohl ein größeres Loch sein, das die Dichtmilch nicht stopfen konnte.

 

Unter dem Vordach des noch geschlossenen Geschäftes begann ich mit der Reparatur. Ich meinte, unter Dach zu sein, doch der Regen kam waagrecht von der Seite. Unterstehen nützte da nicht viel. Wenigstens spülte der Regen die erst unlängst nachgefüllte viele Dichtmilch weg. Die Sauerei vor dem Eingang hielt sich so in Grenzen. Und dass sich währenddessen vis-à-vis ein Regenbogen aufspannte, machte meinen Reparaturort fast zur Bühne.

 

Das Einsetzen des Ersatzschlauches ging dann gut. Doch beim Aufpumpen wollte der Reifen nicht vollflächig in das Felgenbett springen. Also bin ich mit etwas unrundem Reifen los. Und selbst war ich auch etwas unrund. Oder mürbe geworden. Denn Sonnenschein und Regen wechselten sich rasch ab. Manchmal passte meine Kleidung zum Wetter. Doch meist lag ich daneben. Oder kam ich nicht schnell genug nach, mich wieder wetterfest zu machen.

 

Mein Tagesziel musste ich jedenfalls ändern. Denn es kam jetzt auch noch viel Wind dazu. Die halbe Strecke machen und in einem Motel einchecken war der neue Plan. Und in dem größeren Ort dann auch noch einen Radladen finden und zur Sicherheit Ersatzschläuche kaufen. Wenn sich das ausgeht, bin ich mit dem Tag zufrieden, waren so meine Gedanken beim Wegblasen der Regentropfen von der Nase.

 

Und es ist sich dann noch mehr ausgegangen: Ein freundlich-netter Empfangstratsch im Motel, nicht vorhergesagter Sonnenschein und blauer Himmel, eine neue Schlafmatte aus einem Campingladen grad ums Eck, Tofu mit Gemüse und Reis bei einem Thai-Restaurant, und Einkaufen für die nächsten Tage im Supermarkt. Durchwaschen also nur der Vormittag. Als Bilanz vielleicht besser passend, ein „durchwachsen“ für den ganzen Tag.

 

29. Juli 2023

Tag der Regenbögen

Der frühe Blick aus dem Fenster freut mich. Die Straße ist trocken, juhu. Und oben halt bewölkt, das passt auch. Also gar nicht so schlecht. Alles in die Taschen rasch, und dann los. Aus der Stadt raus fahre ich am Radweg der Küste entlang. Die Klingel kommt gleich auf Temperatur. Viele Spaziergänger und Jogger nutzen die schöne Morgenstimmung an der Küste ebenfalls. Zwischen den Dünen kurvig durch, das leise Rauschen des Meeres im Ohr, es gefällt mir.

 

Vorne baut sich irgendwann ein Regenbogen auf. Er scheint aus dem Meer aufzusteigen. Wunderbar. Nur der Bogen macht seinem Namen alle Ehre. Bald zieht eine Regenfront durch. Wie an den Vortagen werde ich wieder überrascht, so schnell kommt sie daher. Und bis ich überlegt habe was tun, bin ich auch schon reichlich nass. Doch es ist nur eine kurze Front. Schnell zeigen sich wieder ein paar blaue Fenster am Himmel.

 

Die Straße führt mich nahe zur Westküste weiter Richtung Süden. Ziemlich hügelig und kurvig geht es dahin. Fein zu fahren, wenn da nicht immer wieder diese Regenbögen mit am Weg wären. Ihren Rhythmus kenne ich jetzt schon. Kaum am Himmel sichtbar, biegen sich auch schon die Bäume, und erste Tropfen beschlagen meine Brille. Und dann prasselt es für ein paar Minuten heftig. Bis ich einen Platz zum Anziehen der Regenkombi gefunden habe, ist der Spuk meist auch schon wieder vorbei. Außer ich entscheide mich für ein Durchfahren. Dann hält der Regen länger an. Es ist ziemlich anstrengend heute. Und kühl dazu. Mich fröstelt leicht. Kein Wunder, die Kleidung fühlt sich feucht an.

 

Bei einem Rastplatz mache ich Pause. Ich esse im Stehen, mit dem Rücken zum Wind und zum Regen. Leicht vorgebeugt halte ich das Brot und den Aufstrich trocken. Oder versuche es zumindest. Im Baum ober mir lacht ein Kookaburra. Haha, denke ich mir, so einen Auftritt hat er hier wahrscheinlich noch nie gesehen. Muss wohl lustig ausschauen. Der Regen hält an, der Wind dazu. Bei einer Scheune stehe ich unter. Das Dach ist zwar kaputt und es rinnt überall runter. Doch windgeschützt bin ich. Ich zweifle, ob ich mein Tagesziel erreichen kann. Ich habe mir Augusta am Meer vorgenommen, den südwestlichsten Punkt Australiens.

 

Als ich wieder aufs Rad steige, fällt mir der Kommentar jenes Mannes an der Tankstelle vor ein paar Tagen ein: „You must have a strong mind“. Der Gedanke daran motiviert. Ich kurble kräftig weiter. Freue mich, dass es zwischen den Schauern immer wieder aufklart. Vertraue darauf, dass der Wind mich wieder trocknet. Die Strecke im Wald ist ja fein zum Fahren. Und darüber hinaus komme ich wohl an mehr als hundert Weinbaubetrieben vorbei. Überall wäre die Kellertür offen, kann ich auf den Schildern lesen. Die Zufahrten und der Stil der Gebäude lassen darauf schließen, dass es wohl Premiumweine sein müssen, die sie hier anbauen.

 

Irgendwann am Nachmittag rechne ich mir schon aus, wann ich denn ankommen könnte. Doch es wird jedenfalls später. Denn am Hinterrad kündigt sich ein Plattfuß an. Der gestern gekaufte neue Schlauch kommt also gleich zum Einsatz. Beim Drehen des Rades zur Suche nach dem Loch stelle ich fest, dass dabei nasse Verhältnisse von Vorteil sind: Die Blasen der austretenden Luft sind am nassen Reifen gleich zu sehen. Und gleich zu sehen ist in Augusta dann auch ein Regenbogen überm Meer. Die haben mich heute wirklich den ganzen Tag begleitet. Schön, denke ich mir, so eine bunte Begleitung hat wohl nicht jeder.

 

30. Juli 2023

Ein Froschkonzert und etwas zum Schmunzeln

Sonntagmorgen und eine nasse Straße. Da will wohl niemand früh raus. Doch ich bin schon am Weg. Auf kleinen Nebenstraßen entlang grüner Wiesen. Schafe suchen blökend das Weite, die Rinder schauen nur gespannt wer kommt. Und ein Mal habe auch ich gespannt geschaut. Einige Kängurus queren vor mir die Fahrbahn und verschwinden im Wald. Eines nach dem anderen springt mit ein paar Sätzen über die Böschung. Die Reihe war nach Größe geordnet. Das Kleinste und wahrscheinlich Jüngste kam zum Schluss. Es musste glaub mehr Sprünge machen.

 

Das Fahren hat mir heute gefallen. Hügelig und grün den ganzen Tag. Reichlich Höhenmeter gab es auch dazu. Nationalparks waren gleich zwei angeschrieben. Mächtige Eukalyptusbäume säumten den Weg. Und über deren Wipfeln war gar zartblauer Himmel zu sehen. In den Gräben und den Waldlichtungen mit Wasser hatten sich Frösche zum Sonntagskonzert versammelt. Richtig laut war es. Unglaublich, welche Lautstärke und Stimmung die generieren können. Ganz im Gegensatz zu den offenen Wiesen. Oder den vielen Weingärten. Dort war es still. Nur Vogelrufe hie und da. Manchmal auch nur das Geräusch ihrer schwingenden Flügel.

 

Mittags kam mir ein kleiner Rastplatz gelegen. Ich musste meine Sitzmatte ausbreiten. Denn es war alles feucht rundum. Doch die hohen Bäume und das viele Grün gaben dem Platz ein märchenhaftes Flair. Die Jause schmeckte hier noch besser.

 

Gar nicht geschmeckt hat mir jedoch etwas später, dass der Vorderreifen Luft verlor. Jeden Tag einen Platten. Vielleicht war der nasse Schotterweg zum Rastplatz nicht ideal. Oder waren dort ein paar Dornen. Mit Routine wechselte ich den Schlauch. Alles in Ordnung, ich kriege das hin, deutete ich einer Frau, die mit ihrem Auto stehen geblieben war.

 

Nur als ich die Packtaschen eingehängt hatte und zum Losfahren bereit war, fühlte sich der Vorderreifen schon wieder schwammig an. Unerklärlich. Ich hatte den Reifen sogar profihaft auf Fremdkörper abgegriffen, und nichts gefunden. Also Packtaschen wieder aushängen, Rad raus, Reifen runter, Schlauch raus, Luft rein, Loch suchen. Und siehe da, das Loch war an der gleichen Stelle wie zuvor. Doch das Staunen dauerte nur kurz. Denn mit einem schnellen Blick auf den bereitgelegten Ersatzschlauch war mir sofort klar: Hier war ein Profi am Werk. Ich hatte den defekten Schlauch ein zweites Mal montiert. Nach der ersten Demontage hatte ich ihn gleich fein säuberlich zusammengerollt und verpackt. So konnte ich ihn nicht mehr vom anderen Schlauch unterscheiden. Die Handgriffe waren jedenfalls profihaft ausgeführt. Der Rest ein sonntägliches Missgeschick zum Schmunzeln.

 

31. Juli 2023

Allein durch einsame Wälder

Bei strammen 5 Grad steige ich am Morgen aufs Rad. Und ein paar Minuten später fühlen sie sich noch kälter an. Denn ich durchquere nach flotter Abfahrt einen nebeligen Talboden. Die Finger habe ich hinter der Lenkertasche eingerollt, zwecklos. Kalt bleibt kalt. Dafür entschädigt die Stimmung im folgenden Aufstieg. Die Hügel zeigen sich zuerst nur verschwommen. Doch Meter um Meter werden sie klarer. Oben weitet sich der Blick. Grüne Wiesen mit Rinderherden über Nebelsuppe.

 

Ein Café in der einzigen Ortschaft am Weg kommt mir sehr gelegen. Finger aufwärmen an heißem Tee. Dazu ein warmer Wrap mit Gemüsefüllung. Das passt. Vergessen ist der kalte Morgen. Die Bedienung arbeitet im kurzärmeligen T-Shirt. Ich esse mit Jacke und Mütze. Doch auch die anderen Leute, die sich ihren Kaffee zum Mitnehmen hier abholen, sind wintermäßig gekleidet. Und derbe Schuhe haben sie alle. Die ländliche Umgebung prägt wohl die Leute. Oder sie ziehen das an, was für sie zweckmäßig ist.

 

Am weiteren Weg quere ich ein paar Mal eine aufgelassene Eisenbahntrasse. Die Geleise sind zum Teil entfernt, oder schon wild zugewachsen. Die Andreaskreuze wurden jedoch belassen. Ich fand es lustig, dass sie um eine Hinweistafel ergänzt wurden: „Railway crossing not in use“. Man kann die Dinge also immer auf mehrere Arten lösen, waren meine Gedanken im Vorbeifahren.

 

Irgendwann am späten Vormittag beschäftigten mich die gestern am Abend gegessenen Habaneros. Ich wurde von ihrem ungestümen Drang nach Frischluft und Waldboden mehrmals überrascht. Der Vorrat an Klopapier war schnell aufgebraucht. Weit weg von der Straße musste ich nicht. Ich hatte den Eindruck, als ob ich hier zwischen den großen Eukalyptusbäumen allein am Weg bin. Waren es am Morgen noch saftig grüne Wiesen, so fuhr ich später fast nur doch durch dichten Wald. Ein Nationalpark ging in den anderen über. Ein State Forest in den nächsten.

 

Mit dem sehr hügeligen Gelände war es ein ständiger Wechsel von Auf und Ab. Das dachte sich wohl auch mein Umwerfer am vorderen Kettenblatt. Der hatte heute Hochbetrieb. Doch zum Fahren ging es ganz gut. Ohne Verkehr gehörte die Straße im Wald nur mir. Ein Mal musste ich anhalten. Ein Autofahrer suchte seine verloren gegangene blaue Motorsäge. Ich konnte ihm nicht helfen. Ich hatte die nachgefragten letzten 60 Kilometer weder eine blaue noch eine rote Motorsäge im Straßengraben gesehen. Dort waren nur Frösche. Vermutlich grüne. Doch gesehen hatte ich sie auch nicht. Nur gehört. Offensichtlich haben die hier auch gerade Hochbetrieb.

 

1. August 2023

Von Geschäften angelockt

Beim Losfahren blendet die Sonne. Doch nur kurz. Denn bald tauche ich mit hochgeschlossenem Kragen wieder ein in den Wald mit den großen Bäumen. Die Abzweigung zum Tree Top Walk und dem Valley of the Giant lasse ich aus. Dort wären besonders mächtige Eukalyptus zu bestaunen, mehr als 400 Jahre alt. Mich beeindrucken auch schon die an der Straße. Zum Fahren ist es frisch. Hie und da meine ich gar, dass die Straße eisig sei. Doch es sind nur glatte, dunkle Asphaltstellen, die mir das vortäuschen. Und der vermeintliche Raureif an einigen Sträuchern sind deren weiße, kleine Blüten. Doch weil es wie an den Vortagen hügelig vorangeht, wird mir ohnedies warm. Mütze und Winterhandschuhe ziehe ich nach einigen Steigungen schnell wieder aus.

 

Nach gut drei Stunden geht die Landschaft mehr in offene Wiesen über. Auf intensivem Grün weiden zumeist schwarze Rinder. Anscheinend finden sie doch etwas zum Fressen, auch wenn das Gras golfplatzmäßig kurz gehalten ist. Dafür haben sie jedenfalls genügend Wasser. Überall sind kleine blaue Seen zu sehen. Oder es steht noch Regenwasser in den Senken. Und von dort sind auch Frösche zu hören. In den Straßengräben wollen sie sich nicht zeigen. Denn jedes Mal, wenn ich ganz langsam nahe vorbeifahre, verstummt ihr Ruf.

 

Mittags erreiche ich einen kleinen Ort. Auf Durchfahrt eingestellt, bleibe ich gar ein paar Mal stehen. Mich locken nämlich verschiedene Geschäfte an. Das erste ist ein Radladen. Der kommt mir gelegen. Ich stücke meinen Vorrat an Ersatzschläuchen und Flickzeug wieder auf. Sicher ist sicher, nach den vielen Pannen der Vortage. Und kaum aufgestiegen, liegt ein Barbershop am Weg. Der Entschluss ist schnell gefasst. Ja, ich gönne mir einen Sommerschnitt. Als sichtbares Zeichen, dass ich den kalten Temperaturen hier trotze. Keine Ahnung, wieso mir das gerade jetzt in den Sinn gekommen ist. Doch die beiden Frauen im Laden waren gut drauf. Sie verschoben gar ihre Mittagspause, damit ich nicht lange warten musste. Und dann kam mir noch eine Kebap-Bude in die Quere. An der wäre ich sonst sicher vorbeigefahren, doch es stand auch groß „Gozleme“ drauf. Da musste ich natürlich rein. Ich mag die mit Spinat und Käse gefüllten flachen Brottaschen sehr. Auch weil sie Erinnerungen an die Türkei auffrischen.

 

Hey, der Ort hat mir gefallen. Denmark, Nomen est Omen. Gut gelaunt fahre ich danach wieder den grünen Wiesen entlang. Mit Sonne und blauem Himmel, und hie und da dem Meer in Sichtweite. Kurz vor Albany schiebe ich nochmals eine Pause ein. Bei einem Spielplatz hatte ich Tisch und Bank entdeckt. Ein Mann fragt nach meiner Route, und wünscht mir dann viel Spaß für die nächsten Monate. Das wünsche ich mir auch, unwissend was mich erwartet. Da meinte er, dass wohl dieses Nichtwissen sicher auch den Spaß am Reisen auf meine Art ausmache. Interessant dachte ich mir, aus welchen Perspektiven man das eigene Tun betrachten kann.

 

2. August 2023

Nass und nicht am Rad

Die Regenfront war schon vor ein paar Tagen angekündigt. Am Wetterradar zog ein breites, kräftig blaues Wolkenband langsam über Südwestaustralien hinweg. Keine Chance, ihm zu entkommen. Also suchte ich in einem Motel einen Platz im Trockenen. Wäsche waschen, war mein kurzes Alternativprogramm. Und dann mal ausgiebig Füße hochlagern. Rumflacken. Karte studieren. Reiseberichte lesen. Im Kopf statt Radfahren einen anderen Film einlegen.

 

Doch nass geworden bin ich dann doch. Beim Einkaufen. Die Regenpause war zu kurz. Lang brauchte ich dafür beim Verstauen meiner Sachen. Wie jedes Mal in einem großen Supermarkt gefällt mir in den Regalen mehr als ich für zwei Tage brauche. Oder meine zu brauchen. Denn aus dem Vollen schöpfen, nach Allem zugreifen, danach ist mir hier nach den langen Tagen am Rad viel mehr als im Alltag zu Hause. Dort ist mein Körper auf eine immer verfügbare Vielfalt beim Essen eingestellt. Hier sendet er etwas undefinierte Signale zur Vorsorge. Oder denke ich mir halt so. Denn ich plane meine Route schon so, dass ich mich regelmäßig gut versorgen kann. Auch wenn oft im Niemandsland am Weg, ganz aus der Welt bin ich hier sicher nicht. Dafür ist das Land zu vielfältig und zu schön. Nur mit dem Rad dauert es halt länger, bis ich wieder sicheren Versorgungsboden unter den Pedalen habe.

 

Später hatte ich dann begonnen, mein bisheriges Tagebuch erstmals nachzulesen. Hey war das toll für mich. Mit den oft vielen Details je Tag kamen leicht die Erinnerungen und Bilder wieder hoch. Genial. Beim Vorspann war ich glaub noch nicht so richtig im Fluss. Doch dann, am Rad, geht schon die Post ab, ist so mein Eindruck. Am Radla, voll guat. Vielleicht fahre ich einfach alles nochmals ab, irgendwann im Herbst dann, war ein übermütiger Gedanke zum Schluss.

 

3. August 2023

Ein ungeplant langer Tag 

In der Nacht hat es weiter kräftig geregnet. Dazu war starker Wind aufgekommen. Das Prasseln wurde unregelmäßig. Doch gut schlafen konnte ich dennoch. Und beim Blick aus dem Fenster am Morgen freute ich mich. Es war zwar alles klatschnass, doch am Himmel zeigten sich ein paar zartblaue Fenster. Ich fuhr dennoch mit Regenüberziehschuhen los. In den Vertiefungen der Straße stand Wasser. Und daneben in den Wiesen sowieso. In den Gräben rann es einem mal entgegen, oder je nach Straßenneigung mit einem mit. So ein langer Regentag samt Nacht hinterlässt Spuren. Vom Vorderrad spritzte das Wasser munter seitlich weg.

 

Der Verkehr ist stadtnah noch ganz dicht. Doch mit jeder Abzweigung wird er weniger. Und irgendwann verläuft er sich. Es geht aufs Land. Da wollen sowieso nicht so viele hin. Bei einer kleinen Tankstelle kehre ich ein. Verspätetes Frühstück. In der Vitrine sah das Beeren-Kuchenstück lecker aus. Doch beim Reinbeißen erweist es sich als Fehlkauf. Ich esse es dennoch. Denn ich wollte der lässigen Musik noch länger zuhören. Eine Landtankstelle mit bieder wirkendem Personal, doch einem coolen Sound. Ich ließ mir Zeit mit Essen. Holz hätte ich auch kaufen können. „Survive the winter“ war angeschrieben. In Säcken verpackt jeweils 18 Kilogramm. Zum Mitnehmen am Fahrrad eindeutig zu schwer.

 

Fast ohne Verkehr geht es später gefällig dahin. Irgendwann zieht vor mir jedoch eine Regenfront auf. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich war auf Schönwetter eingestellt. Stattdessen kamen Regentropfen. Zuerst nur wenige, dann aber mehr. Irgendwann musste ich doch in die Regenkombi schlüpfen. Ungern. Denn ohne macht das Fahren eindeutig mehr Spaß. Diesen hatte ich später dann dennoch. Es klarte auf, wurde heiter. Und die Landschaft wurde weiter. Getreideanbau, Schafwiesen, und als Hingucker gelber Raps auf horizontfüllenden Feldern. Das gefiel mir.

 

Das Fahren ging leicht. Und so ließ ich den als Platz für die Nacht geplanten kleinen Park vorbeiziehen. Vielleicht geht es sich bis zur nächsten Ortschaft aus. Nach dem Pausentag gestern hatte ich heute ja gute Beine. Und so fuhr ich entlang der gelben Felder und der Bäche in den Straßengräben bis zum Eindunkeln. Die Sonne versank nur allzu schnell im Raps. Doch das Ortsschild konnte ich gerade noch lesen: Jerramungup. Jippie, da wollte ich eigentlich erst morgen ankommen.

 

4. August 2023

Kalter Morgen und intensive Farben

Die Morgensonne lacht zum Fenster herein. Gut so, denke ich mir, dann werden sie wohl gleich trocken werden. Denn an ihnen rinnt Kondenswasser herunter. Ich hatte den kleinen Heizlüfter im Zimmer eingeschaltet. Beim Aufstehen kam es mir nämlich saukalt vor.

 

Die Bestätigung hole ich mir dann nach den ersten paar Metern am Rad. Das Thermometer zeigt magere 1,2 Grad. Mehr als nur saukalt. Jedenfalls zum Radfahren. Ich ziehe die Regenüberschuhe als Wind- und Kälteschutz an, und eine zweite Mütze auch noch, samt Daunenweste. Dafür schaut die Umgebung eindrucksvoll aus. In den Talsohlen liegt leichter Nebel. Das Gras zeigt einen weißen Schimmer. Die Bewässerungstümpel dampfen. Nur der Raps scheint von all dem unbeeindruckt zu sein. Er zeigt das gleiche imposante Gelb wie gestern. Doch heute grenzen seine Felder nicht unmittelbar an die Straße. Es gibt breite Buschzonen dazwischen. Das tut dem Farbenreiz aber keinen Abstrich. Es macht nur mehr neugierig, wenn zwischen den Büschen wieder ein sattes Gelb sichtbar wird.

 

Auf der Straße geht es ruhig zu. Ein paar vielleicht verspätete Pickups von Arbeitern am Weg zu ihren Baustellen. Ein paar früh gestartete Wohnwagengespanne, wahrscheinlich am Weg in den warmen Norden. Ein paar Lastwagen im regionalen Lieferverkehr. In einem sitzt der Fahrer im ärmellosen Shirt. Der dürfte die Heizung auf Volllast eingestellt haben. Auch später tut sich nicht viel mehr. Der South Coast Highway durchquert eine ländliche Umgebung und ist keine stark frequentierte Verbindungsachse. Mir passt das gut. Ich kann mein eigenes Tempo fahren, und muss nicht sonderlich auf den Verkehr achten.

 

Neben dem Raps als wunderbaren Farbtupfer den ganzen Tag über gabt es noch ein zweites, kurzes, und ebenfalls buntes Highlight heute: Grüne Vögel von eher kleiner Größe. Mit ihrer Farbe sind mir gestern schon aufgefallen. Doch heute hatte ich sie als ganzen Schwarm und etwas länger gesehen. Den Kopf schwarz und auch etwas davon am Schwanz, am Hals einen schmalen gelben Ring, den Bauch leicht gelb oder auch rötlich, und sonst knallgrün. Sie tauchten jedes Mal ganz unvermutet auf. Ihr intensives Grün war total anziehend. Wunderschön anzuschauen. Ich hätte es gerne länger getan. Doch mit dem Gelb des Raps war ich ja ohnedies schon verwöhnt.

 

5. August 2023

Gelb und Grün und super flott

Beim Einchecken im Motel meinte die Frau gestern, dass es ein Haus voller Regeln sei. Sie händigte mir ein vollgeschriebenes Blatt aus, auf das ich zu achten hätte. Das Wichtigste sei jedoch die Bedienung der Heizung. Wenn ich das ignoriere, dann würde ich die Nacht sicher frieren. Es sei nämlich immer noch Winter hier. Also heizte ich mein Zimmer kräftig ein. Und das immer wieder. Isolierung kennen sie hier nicht. Und eine Tür oder ein Fenster ohne Spalt findet man in Unterkünften wie diesen ebenfalls selten.

 

Beim Losfahren am Morgen war es ähnlich kalt wie gestern. Doch ich war besser gerüstet. Wusste schon, dass ich mehrere Schichten brauche. Ein Straßenarbeiter rief mir zu, es sei zu kalt zum Radfahren. Doch ich war schon im Schwung. Die Null Grad konnten mich nicht einbremsen.

 

Nicht zu bremsen in ihren Flugkünsten waren auch die Rosenkakadus. Kleine Schwärme kreuzten immer wieder meinen Weg. Oder machten ihn für mich frei. Ihnen zuzuschauen finde ich wunderbar. Und auch die magisch grünen Vögel mit dem schwarzen Kopf und dem gelben Halsring waren zuhauf sichtbar. Die gefallen mir am besten. Tauchen unvermutet auf, lassen sich kurz bewundern, und verschwinden dann gut getarnt im Grün eines Baumes.

 

Lang bewundern durfte ich dagegen das Gelb der Rapsfelder. Und später auch das Grün von Getreideflächen. Der Raps begleitete mich den ganzen Tag. Zumeist auf der linken Straßenseite. Endlose Felder. Farmhäuser waren nur vereinzelt zu sehen. Meist sah ich an der Straße nur ein Schild mit dem Namen der Farmer und wie der Hof sich nennt. Die rotsandigen Zufahrtsstraßen waren fast immer mit Alleebäumen beschattet.

 

Die Weite der Felder gefiel mir. Das Radeln ging flott voran. Ein riesengroßes Erzabbaugebiet passierte ich im Flug. Ich konnte dort fast mit den Road Trains mithalten. Und irgendwann gegen Mittag packte mich der Ehrgeiz. Wenn ich kräftig kurble, dann könnte ich es bis ans Meer schaffen. Das wäre zwar wieder ein langer Tag und ein Eintreffen wahrscheinlich im Halbdunkel. Doch probieren kann ich es ja. Ich freute mich riesig, als dann nach 190 Kilometern das Ortsschild von Esperance auftauchte. Ich ließ einen Juchzer und reckte die Faust empor. Davor war eine Banane noch meine Rettung. Ich spürte nämlich schon Zeichen eines leichten Unterzuckers. Als im Dunkel eine rote Laufschrift „Vacancy, one room left“ zu sehen war, bog ich sofort ab. Manchmal brauche ich bei der Zimmersuche gar nicht lange.

 

6. August 2023

Ein herrlicher Sonntagsausflug

Schneeweißer Sand, türkisblaues Wasser, und angeblich einer der schönsten Strände. So wird die Lucky Bay bei Esperance beschrieben. Die wollte ich mir nicht entgehen lassen. Ohne Packtaschen machte ich mich dick eingemummt schon früh auf den Weg. Es war kalt, doch nicht mehr so grimmig wie gestern. Das Fahren fühlte sich ohne Gepäck etwas komisch an. Viel schneller war ich glaub nicht. Doch leichter ging es jedenfalls, bildete ich mir ein. Ich freute mich. Ein Sonntagsausflug mit dem Rad. Wobei ich an jedem anderen Wochentag sicher auch zu dieser Bucht gefahren wäre.

 

Die Strecke führte entlang vieler grüner Rinderfarmen flach Richtung Cape Le Grand Nationalpark. Bei einem auffälligen runden Gesteinsmassiv war oben eine große natürliche Felsbrücke. Ein Loch, das den blassblauen Himmel durchscheinen ließ. Doch meine Aufmerksamkeit war mehr den Buchten gewidmet.

 

Es gab mehrere Abzweigungen. Wahrscheinlich waren die Strände dort ebenso toll wie sich die Lucky Bay dann zeigte. Die hat mir mit ihrem Türkis und dem feinen Quarzsand gefallen. Er fühlte sich wie nasser Puder an. Beim Laufen quietschte es. Und selbst war ich auch gut drauf. Ich hätte ebenfalls quietschen können, vor Freude. Der Ausflug hat sich gelohnt. Meine am Morgen noch schnell gekaufte mediterrane Pasta-Salad-Bowl war im Nu vertilgt. Mit dem Blick auf das Wasser und dem Rauschen der Wellen schmeckte sie im Sand sitzend vorzüglich. Am Heimweg war ich dann deutlich schneller. Nicht nur des heiteren Wetters wegen. Die Stimmung der Bucht verlieh Flügel, oder Ansätze davon. Es war ein "lucky" Radeln.

 

7. August 2023

Gegenwind und doch zufrieden

Ich hatte mir einen gemütlichen Tag vorgenommen. Nicht zu früh starten, und dann schauen wie es geht. Beim Losfahren blendete die Sonne. Es war wärmer als gedacht. Mütze und Jacke zog ich bald aus, noch vor der Stadtausfahrt. Am Weg dorthin passierte ich all die Geschäfte, die ein Heimwerker am Land so braucht, oder als Handwerker für die Stadt, oder als Farmer aus dem Umland. Zuletzt waren die Hallen und Lagerareale der Landmaschinen. New Holland in Blau auf der linken Straßenseite. Auf der rechten Seite John Deere in Grün. Beide Firmen hatten neue Maschinen ausgestellt. Riesengroße Kraken mit ausfahrbaren Langarmen. Zum Führerhaus konnte man nur mit Leitern über mehrere Etagen hoch. Ich war beeindruckt. Doch Fahrradgeschäft sah ich leider keines. Das hätte mir sicher auch gefallen.

 

Irgendwann kam ich an einem Hinweisschild zu Road Trains vorbei. Aufpassen hieß es da. Denn es lag ein Lagerplatz für Raps und Getreide mit Silos und abdeckbaren Lagerstätten am Weg. Die Erntesaison sei von November bis Februar, konnte ich lesen. Also werden noch nicht so viele Road Trains am Weg sein. Der Raps war jedenfalls schon da. Felder mit fantastischem Gelb begleiteten mich den ganzen Tag. Ich blieb immer wieder stehen und freute mich an dieser leuchtenden Farbe. Ein paar Mal fuhr ich auch an den Rand der Äcker. Ich wollte den Raps und das Gelb ganz nah sehen. Das war dann aber weniger beeindruckend als die Felder und Pflanzen als Ganzes ausgedehnt bis zum Horizont wahrzunehmen. Das Gelb war zum Juchzen. Immer wieder.

 

Ganz und gar nicht gefallen hat mir jedoch der gleich am Morgen schon aufgekommene Wind. Er blies mir frontal von Norden entgegen. Er war richtig lästig zum Fahren. Da meinte ich, es gemütlich nehmen zu können, und dann musste ich mich doch kräftig anstrengen. Als ein Ortsschild mit einem Tankstellensymbol auftauchte, freute ich mich. Doch die fünf Häuser waren schnell abgefahren, ohne dass ich an einer Tankstelle oder einem Laden vorbeigekommen wäre. Also blieb die Hoffnung auf das nächste Nest. Doch dort traf ich um ein paar Minuten zu spät ein. Der General Store hatte nur zwei Stunden über Mittag offen. Blöd. Es gab daher Bohnen aus der Dose mit älterem Brot. Zum Weiterfahren reichte es allemal.

 

Als ich dann an meinem geplanten Etappenort ankam, erwies sich dieser ebenfalls als verschlafener Ort. Die Getreidesilos am Ortsanfang, dann eine Reparaturwerkstätte für Landmaschinen, ein Post Office erweitert um einen Laden, eine Tankstelle, und am Ortsende ein altes Hotel und ein kleiner Caravan Park.

 

Ich meinte, im Laden und dem Post Office einkaufen zu können. Doch außer Wasser und einer Limo fand ich nichts Brauchbares. Die nächste Anlaufstelle war die Tankstelle. Da gab es ein paar Snickers und ein Kuchenstück mit Schokolade. Sprit war leider aus. Sowohl Benzin als auch Diesel. Und die Zettel an den Zapfsäulen waren wohl schon vor ziemlich langer Zeit angebracht worden, weil so zerschlissen. So ist das hier am Land, wo nichts los ist. Dann werde ich wohl im Hotel was finden. Es hatte vier Eingangstüren. Auf drei davon waren Pfeile angebracht, dass die Eingangstüre um die Ecke ist. Und als ich dort vor der vierten Türe stand, konnte ich nur „Closed“ lesen. Ein Reinfall sondergleichen.

 

Doch ich hatte ja meine Snickers und die Limo. Für den Abend ausreichend. Über dem Bahngleis lag der kleine Caravan Park. Dort wollte ich mein Zelt aufstellen. Der Ort erwies sich dann als voller Hit. Ein überaus herzlicher Empfang. Ein Zeltplatz unter dem Blechdach eines halbverfallenen Gebäudes  wegen des erwarteten Regens. Und eine geschenkte Jause in Form von ein paar Brotscheiben, einer Tomate, einer Karotte und Spinatblätter. Alles fein verpackt in zwei Plastikbeuteln. Ich staunte. Viel mehr hätten sie mir nicht anzubieten. Der nächste Laden sei ja 100 Kilometer entfernt.

 

Am obligaten Lagerfeuer konnte ich dann noch meine Fragen abklären. Der magisch grüne Vogel interessierte mich. Grün, schwarzer Kopf, gelbes Halsband, nicht sehr groß. Das reichte, um sofort seinen Namen zu hören, und ein Bild dazu. Am Land würde man sie 28th Parrot nennen, oder Australian Ringneck. Ich freute mich. Da können die Nester noch so klein und verschlafen sein, die Leute sind dann dennoch kommunikativ und hilfsbereit. Ich war zufrieden. Später hörte ich dann Regen auf das Blechdach prasseln. Im geschützten Zelt blieb ich trocken. Fein.

 

8. August 2023

Richtung Osten, den Seitenwinden entgegen

Kaum auf die Hauptstraße aufgefahren und ein paar Kilometer gemacht, fielen mir die Worte des Mannes aus dem Post Office von gestern ein. Da ging es um den Wind, der sich mir auch heute wieder als Gegenwind vorstellte. Der Mann meinte, ab der nächsten Ortschaft hätte ich dann Crosswind. Das sei nicht so schlecht für meine Fahrt Richtung Osten. Also kurbelte ich die langen Geraden gegen den Wind herunter, und sehnte die Abzweigung herbei. Doch es dauerte bis nach Mittag, bis ich auf meinem Navi endlich den Pfeil nach rechts wahrnehmen konnte. Ich freute mich. Zwar nirgends angekommen, dennoch ein Gefühl, es geschafft zu haben.

 

Im Laden deckte ich mich noch mit etwas Lebensmitteln ein. Wasser, Bananen, Snickers, Brot und Humus. Denn nach der Abzweigung wartete der Nullarbor-Highway. Da gibt es zwar ein paar Roadhouses am Weg, doch die ganzen 1.200 Kilometer keine Ortschaft. Dafür ausreichend viel, oder eigentlich nur Geradesauspassagen. Einen Vorgeschmack hatte ich ja schon erlebt. Es wird schon zu machen sein, waren meine Gedanken.

 

Am Morgen noch wollte ich eigentlich nur bis hierher, bis Norseman fahren, und dann ausgeruht morgen den Nullarbor angehen. Doch wenn ich mal was im Kopf habe, dann muss die Geduld meist zurückstehen. Ich wollte es gleich angehen. Ja, und so stieg ich wieder aufs Rad, und richtete den Lenker nach rechts. Ab sofort wird die Hauptrichtung ausschließlich Osten sein, und das wohl für zwei Wochen lang.

 

Die Ansage mit dem Crosswind stimmte. Jedenfalls für heute Nachmittag. Der Wind blies weiter aus Richtung Norden. Ich hatte ihn also von der Seite. Und je nach Straßenverlauf hie und da auch mit etwas Anschub von seitlich hinten. Es passte mir ganz gut. Bis zum ersten Roadhouse schaffe ich es zwar bei weitem nicht. Doch ich bin zumindest mal am Weg dorthin. Und ich konnte ausreichend von den langen Geraden schnuppern, die eingesäumt von Bäumen und Buschwerk auf mich warteten.

 

9. August 2023

Pedalieren auf langen Geraden

Beim Eindunkeln gestern hatte ich für die Nacht schon das Schlimmste befürchtet. Denn es war etwas Sturm aufgekommen. Es rauschte kräftig in den Bäumen. Und auf die straff gespannte Zeltplane trommelten Regentropfen. Doch es waren nur kurze Schauer, die nach einiger Zeit aufhörten. Der Platz nannte sich Muddy Watershole. Als es zu regnen anfing, hatte ich ein paar komische Assoziationen und Befürchtungen zu meinem Zeltplatz. Aber am Morgen war alles eitel Wonne. Beim Aufstehen schaute die Sonne zwischen den Bäumen durch. Und temperaturmäßig war es ebenfalls angenehm.

 

Auf der Straße begegneten mir viele Road Trains. Doch beim Überholen ließen sie viel Abstand und wechselten zumeist auf die Gegenfahrbahn. Allzu viel Verkehr war nicht. Ich hatte weitestgehend meine Ruhe. Zurückwinken musste ich natürlich schon. Denn viele Wohnwagenfahrer grüßten mit Daumen hoch. Bei einer Pause meinte eine Frau gar, dass ich wohl der einzige Radfahrer am Nullarbor sei. Sie hätte die ganze lange Strecke keinen einzigen gesehen. Na ja, wer nur Autofahren kennt, für den sind Radfahrer natürlich etwas Besonderes.

 

Doch die Nullarbor-Strecke hat auch unter Radfahrern ihr Renommee. Zumindest haben mir andere davon berichtet. Ich bin ja erst den zweiten Tag hier unterwegs, auf den angeblich langen Geraden, die sich tatsächlich als solche zeigen. Eine Kuppe rauf, und dann die weite Sicht auf niederes Buschwerk soweit das Auge reicht, und mittendrin ein gerader Straßenverlauf bis zum Horizont, an dem die nächste Kuppe wartet. So stellte sich mir der Nullarbor heute dar.

 

Ganz langweilig war mir aber trotz der vielen Geraden nicht. Denn gute zwei Stunden vor Erreichen des Roadhouses hatte ich am hinteren Reifen einen Defekt. Er konnte den ohnehin für den Abend geplanten Wechsel anscheinend nicht mehr erwarten. Mit über 6.000 Kilometern war er zwar noch nicht ganz abgefahren, doch anscheinend dünn genug, dass er mit dem etwas rauen Asphalt nicht mehr zurechtkam. Der nötige Reifenwechsel am Straßenrand ging schnell, und dauerte dann dennoch lange. Der neue Reifen wollte nämlich trotz mehrfacher Versuche einfach nicht vollständig rund ins Felgenbett springen. Die leichte Unwucht ließ sich auch durch das Weiterfahren nicht beeindrucken. Erst das Einfetten der Reifenflanken am Abend im Roadhouse brachte Abhilfe. Melkfett ist demnach nicht nur gut für die Haut am Po, sondern lässt sich auch anderweitig nützlich verwenden. Doch Wifi ließ sich auch mit Melkfett nicht herbeizaubern. Das wird wohl die ganze Strecke so sein. Wo keine Siedlung ist, gibt es auch keine Netzabdeckung.

 

10. August 2023

Unterwegs auf der längsten Geraden

Am Morgen spricht mich beim Losfahren vor dem Motel ein junger Mann an. Er ist aus Vietnam und arbeitet im Roadhouse. Working Holiday. Stolz erzählt er von seinen Radtouren zu Hause. Ich müsse dort unbedingt auch mal hin. Er muss lachen, als ich ihn verlegenheitshalber nach den Preisen in einem Motel frage. Da könne ich mehr als 10-mal so lange bleiben wie hier für eine Nacht, und das Essen wäre auch noch dabei. Ja, sauteuer ist es hier in einem Roadhouse schon, musste ich ihm beipflichten.

 

Und zu teuren Preisen besorge ich mir dann als Frühstück Spagetti on Toast, und zum Mitnehmen ein paar fette Kartoffel-Scallopps und reichlich Wasser. Ich werde erst morgen beim nächsten Roadhouse vorbeikommen. Dann mache ich mich auf den Weg. Es warten die Geraden.

 

Die längste der Geraden ist fast 150 Kilometer lang. Ich passiere das Hinweisschild bald nach den ersten Kilometern. Doch am Weg kommt sie mir dann gar nicht so lang vor. Ich sehe ohnedies nicht bis zu ihrem Ende. In einem immer gleichen Abstand spiegelt die Straße irgendwo vorne. So schiebe ich das Ende immer weiter vor mir her.

 

Waren gestern und heute am Morgen noch niedere Bäume zwischen dem Buschwerk, so dünnen sie sich ab Mittag nach und nach aus. Nullarbor, Nomen est Omen. Es dominieren niedere, kleine Sträucher, und trockene, blasse Grasbüschel zwischen viel rötlichem Erdboden mit Steinen. Bei der Straße fehlt hie und da die befestigte Schulter. Manchmal muss ich seitlich runter. Denn es kommen immer wieder schwere Lastwagen mit überbreiter Ladung. Große Bagger, oder nur deren Schaufeln, Maschinenteile, oder weiteres schweres Gerät für die Minen irgendwo im Westen. Und wenn die anderen Road Trains die Situation mit dem Gegenverkehr für mich gefährlich einschätzen, so hupen sie. Ein klares Zeichen, dass ich ebenfalls schnellstens von der Straße runter muss.  


Davon abgesehen ist das Fahren ganz entspannt. Es herrscht nur wenig Verkehr. Da war der Seitenwind von leicht schräg vorne kommend heute sicher nerviger. Am Abend richtete ich mich auf einem Rastplatz für die Nacht ein. Auf der Straße ist bei untergehender Sonne ebenfalls schon Ruhe eingekehrt. Ein paar einzelne Vogelstimmen, hie und da Fliegensurren, sonst absolute Ruhe. Der Sonnenuntergang über dem flachen, weiten Land hat mir gefallen. Und der heutige Tag auch.

 

11. August 2023

Morgengymnastik am Straßenrand

Mein Zelt hatte ich bei einem überdachten Sitzplatz aufgestellt. In der Nacht bin ich ein paar Mal aufgewacht. Leichtes Trommeln von Regen am Blechdach ließ mich nur unruhig schlafen. Und am frühen Morgen kam dann ein Truck für eine Pinkelpause vorbei. Da war es gänzlich aus mit Schlafen. Als er wieder wegfuhr, waren auch die Vögel auf den Bäumen rundum wach. Ein munteres Konzert bei wolkenverhangenem Himmel.

 

Nur mit dem frühen Losfahren wurde es nichts. Der vordere Reifen war platt. Augenreiben nützte nichts. Am Abend war noch alles ok, doch am Morgen schaute es anders aus. Als Ersatzschlauch wählte ich einen unlängst mit einem Selbstklebeflicken Reparierten. Doch der hielt nicht mal 10 Kilometer. Dann fühlte sich das Rad schwammig an. Nachpumpen schaffte keine Abhilfe. Der Reifen musste nochmals runter. Morgengymnastik macht auf andere Art mehr Spaß. Beim schnellen Check stellte ich fest, dass rund um die reparierte Stelle Luft austrat. Vielleicht hatte ich den Flicken nicht exakt gesetzt. Blöd. Mit gehörigen Zweifeln setzte ich den nächsten, ebenfalls bereits geflickten Schlauch ein. Der hielt, zum Glück den ganzen Tag. Und ich hoffe auch noch weiter.

 

Auf der Straße ging es flach dahin. Und strikt geradeaus sowieso, bei gleichem Landschaftsbild wie gestern. Aschbraune Gräser und ganz niedere, kleine, unscheinbare Büsche. Zu meiner Freude war es unerwarteterweise windstill. Das Surren der Räder am Asphalt war die einzige Geräuschkulisse. Hie und da unterbrochen von kräftigem Brummen der Road Trains, oder den lauten Abrollgeräuschen der Pickups mit ihren grobstolligen Reifen. Wohnwagen kamen ebenfalls einige vorbei. Radfahrer aber keine.

 

Vor dem Caiguna Roadhouse passierte ich auf der anderen Straßenseite die Hinweistafel mit der längsten Geraden Australiens. Die hatte ich also auf unspektakuläre Art geschafft, von den Reifendefekten abgesehen. Lustig fand ich, dass sich bei der Tafel jemand mit seinem Auto fotografieren ließ. Für mich, als auf der Gegenfahrbahn anrollend, schaute es so aus, als ob sie mit der Kamera mich im Fokus hätten. Kurz überlegte ich zu winken. Doch dann entschloss ich mich für ein Vorbeifahren mit Pokerface. Die längste Gerade mit fast 150 Kilometern? Was ist das schon, wenn mein Tacho bereits 12.500 Kilometer anzeigt.

 

12. August 2023

Den Zahn gezogen

In der Nacht hatte es geregnet. Mitbekommen habe ich es jedoch erst am Morgen. Denn hören konnte ich den Regen nicht. Ich hatte andere Musik. Ein Road Train hatte nahe zu den Unterkünften parkiert. Das Aggregat zum Kühlen seiner Ladung lief die ganze Nacht. Und wenn ich so was mal als störend im Ohr habe, kommt es mir noch lauter vor. Irgendwann dachte ich mir, dass die Fracht vielleicht Lebensmittel für die nächsten Roadhouses an meinem Weg sein könnten. Damit hatte ich dem Geräuschpegel die Spitze genommen. Denn die Roadhouses sind auf der Nullarbor-Strecke die einzigen Versorgungsstationen. Und somit auch wichtig für mich.

 

Während die Autos und Road Trains noch im Halbdunkel wieder aufgebrochen sind, verließ ich als Letzter das Roadhouse. Damit war es ruhig rundum, und anfangs für mich dann auch auf der Straße. Vor dem Losfahren fragte einer der Angestellten, ob ich das Segel mit eingepackt habe. Er meine nämlich, dass ich Anschub aus dem Westen haben werde. Er erwarte Wind aus Richtung Perth, der die Schlechtwetterwolken wegblasen und mich vorantreiben werde.

 

Doch es war wohl nur ein Scherz, den er sich für mich der Motivation wegen ausgedacht hatte. Denn auf den ersten Metern schon war klar, dass der Wind aus Osten daherkommt. Kein Starkwind, aber dennoch so stark, dass ich ihn als lästig empfand. Oder nach einiger Zeit feststellte, dass das Fahren anstrengend wurde. Hie und da meinte ich, dass die Sonne durchkomme und es besser wird. Doch der Wind trieb dann wieder ein paar niedere Wolken daher, und ließ es manchmal leicht nieseln.

 

Wenn die Bedingungen gut sind, dann bin ich voll auf das Pedalieren fokussiert. Dann lasse ich mich wenig ablenken. Doch bei eher tristen Verhältnissen so wie heute, fallen mir immer wieder Dinge ein, die mich zum Anhalten verleiten. Standort auf der Karte checken, mehrfach, nachschauen, ob ich irgendwas notiert habe, wie weit denn die Entfernungen sind, und Ähnliches. Und mit dem Gegenwind heute war es noch schlimmer. Mit jedem Halt mehr wurde jedoch die Chance weniger, den Tag wie geplant durchzuziehen. Der Wind hatte mir „den Zahn gezogen“.

 

Mittags und nach einigen Pausen mehr stand fest, ich bin mit Dreiviertel der Strecke auch zufrieden. Bis zum nächsten Roadhouse lautete das neue Ziel. Kurz davor fuhr ich am Madura-Pass noch einen Aussichtspunkt an. Von diesem hatte man einen wunderbaren Blick auf die zur Küste übergehenden, weiten Roe-Plains. Und natürlich auch einen Eindruck, welch karge Landschaft mich morgen dort erwarten wird. Den Tag abkürzen geht da wohl eher nicht.

 

13. August 2023

Ein toller Morgen und ein guter Sonntag

Am Weg zum Frühstück traf ich meinen Zimmernachbarn. Er packte gerade die Koffer auf seine große Kawasaki-Enduro. Er hatte den gleichen Smile im Gesicht wie ich. Denn nach dem Regen gestern am Abend und in der Nacht schaute es jetzt am Morgen freundlich aus. Vielleicht kommt sogar die Sonne durch, hofften wir gemeinsam. Weil dann wird es für beide ein tolles Fahren am Nullarbor.

 

Kurz überlegte ich dann, ob ich nochmals zum Aussichtspunkt am Pass hochfahren soll. Der Aussicht wegen bei klarem Wetter. Doch bis ich abfahrbereit war, hatte sich Nebel breit gemacht. Mit dem Blick von oben auf die Roe-Plains wurde nichts. Dafür war die Landschaft unten in eine mystische Stimmung getaucht. Ich blieb immer wieder stehen und staunte, welch Faszination von der in tiefen Nebel getauchten Ebene ausgeht. Die vereinzelt stehenden Bäume mit ihren auskragenden Kronen hoben sich leicht gegen den Himmel ab. Oben meinte ich, Blau erahnen zu können. Mal war die linke Seite der Straße mehr interessant, mal die rechte. Links ging die Straße parallel zu einem kleinen Höhenzug, rechts war die große Ebene Richtung Meer. Ein Morgen mit Schauen und Staunen statt mit schnellem Kurbeln und vielem Treten.

 

Mit dem erhofften Aufklaren wurde es später nichts. Der Nebel war zwar irgendwann weg, doch dafür waren Wolken und leichter Wind aufgekommen. Je weiter ich ostwärts vorankam, desto trüber wurde es am Himmel. Und so blieb es dann den ganzen Tag. Schade, dachte ich mir. Denn diese Ebene in Sonne getaucht muss mit blauem Himmel klasse aussehen. Nur ganz enttäuscht war ich auch wieder nicht. Mich freuten die vielen Huper und Zuwinker von Autos und Trucks. Und wenn mich heute ein Road Train überholte, so zog es mich in seinem Sog ein Stück weit mit. Dann war ich kurz aus dem Wind, und fuhr ganz leicht. Dafür war es danach wieder etwas mühsam, in den runden Tritt zu kommen.

 

Am Nullarbor findet man als Radler wahrscheinlich schnell was zum Jammern. Doch gut über den Tag gekommen war ich heute jedenfalls. Und die Nebelstimmung am Morgen war feinste Sahne. Also doch ein guter Tag heute. Und im Roadhouse hatten sie sogar Wifi. Zum Radeln nützt es zwar reichlich wenig. Doch zum Hochladen des hier Geschriebenen ist es klasse. Von Daheim habe ich auch noch Post bekommen. Die kleine feine Roggenernte aus meinem Mini-Acker vor dem Haus sei mit viel Mühe eingefahren, schrieb mir meine Tochter. Der Tag hat also super gepasst.

 

14. August 2023

Kuchen und Klippen

Aufwachen bei einem Hahnenkräher, das hätte man heute können. Doch ich war schon längst vorher wach. Anscheinend hat der Roadhouse-Hahn kein Blechdach bei seinem Stall, so wie die Zimmer des Motels. Er konnte demnach länger schlafen. Mich hat hingegen wieder mal frühmorgendlicher Regen zeitig geweckt. Nur die gute Laune konnte mir das nicht verderben. Denn der Wetterbericht hatte für den Tagesverlauf Besserung angekündigt. Und Wind sollte es in meiner Richtung auch keinen geben. Also bin ich bei nasser Straße und tiefhängenden Wolken los. Anfangs wirbelten die Road Trains noch leichten Gischtnebel auf. Doch auch das legte sich bald. Weiter im Osten schaute es nach heiterem Himmel aus.

 

Irgendwann musste ich eine kurze Steigung hoch. Es galt den Höhenzug zu erklimmen, dem die Straße die letzten beiden Tage parallel gefolgt war. Von oben hatte man einen guten Blick auf das nahe Meer. Beim Eucla Roadhouse kehrte ich für eine Pause zu. Zwei Sandwiches mussten genügen, mit einer Sprite dazu. Doch in der Vitrine sah ich auch noch kleine Törtchen. Apple-Berry Crumble war angeschrieben. Ich probierte eines. Herrlich. Und gönnte mir zwei weitere mehr. Sensationell die Füllung, und die Kruste rundherum ebenfalls. Das hatte Stil. An so etwas könnte ich mich gewöhnen. Alle anderen bisher angefahrenen Roadhouses könnten sich da was abschauen. Denn die waren zumeist eher derb rustikal. Oder vielleicht einfach mehr auf die Zielgruppe der Truckies ausgerichtet.

 

Frisch gestärkt und nach ein paar wenigen Kilometern mehr passierte ich die Grenze zu South Australia. Die Uhr konnte ich damit neuerlich um 45 Minuten vorstellen. Adelaide-Zeit. Und Zeit wurde es damit auch, die Aussichtspunkte entlang der Küste anzufahren. Die Bunda Cliffs lagen einem zu Füßen. Oder fielen einem vor den Füßen steil ins Meer ab.

 

Zuerst schauten sie gar nicht so spektakulär aus. Ich war gar ein wenig enttäuscht. Denn in den vielen Reiseberichten hatten alle von diesen Klippen geschwärmt. Doch spätestens als ich einen Zeltplatz suchte, fehlten mir fast die Worte. Ein genialer Küstenstreifen, der senkrecht ins türkise Meer abfällt. Unten tosten die Wellen wild an die Felsen. Oben war man sich am Rand gar etwas unsicher, ob dieser auch hält. Faszinierend. Das Licht passte am späten Nachmittag auch. Hey, hat mir das gefallen.

 

15. August 2023

Mittagspause an einem tollen Platz

So schön der gestrige Abend war, am Morgen war es heute dann anders. Es gab nämlich Nebel von den Klippen rauf. Das Zelt war tropfnass. Das mag ich gar nicht. Denn dann haftet der Sand überall. Eher missmutig hatte ich die nassen Sachen eingepackt. Doch beim Blick auf die Klippen, dem Horchen des Meeresrauschens, und der Tatsache, dass die Sonne im Osten einen schmalen roten Streifen am Horizont aufzog, war die Stimmung dann gleich wieder gut. Die nassen Sachen kann ich ja am Abend in der Sonne und im Wind trocknen lassen.

 

Also rauf auf die Straße und Rhythmus finden. Einer der Truckfahrer sagte unlängst, dass die Straße hier in South Australia um 3 Meter schmäler sei als im Westen. Wenn sich zwei Trucks begegnen, müssten sie gut zielen, dass sie aneinander vorbeikommen. Und wenn sie auf die unbefestigte Schulter gelangen, würden die Steine nur so spritzen. Doch jetzt am Morgen war ich sowieso allein am Weg. Und über den Tag gesehen war auch nicht viel los. Es ging geradeaus durch eine baumlose, flache Gegend. Wenn sich ein Fahrzeug näherte, so war es schon von weitem am Horizont zu sehen.

 

In einer Beschreibung der Nullarbor-Strecke gab es einen Hinweis, dass man bei der Kilometermarke 111 den besten Blick auf die Klippen habe. Ich bog dort daher ab, und wurde nicht enttäuscht. Wunderbar, wie sich die Steilküste hier zeigt. Weil die Sonne noch leicht im Osten stand, war das Licht etwas diesig. Nur der Eindruck war dennoch imposant. Ich teilte ihn mit vielen anderen. Ein Reisebus war kurz vor mir abgebogen. Die konnten dann nicht nur die Klippen, sondern auch noch einen Radler bei den Klippen bestaunen.

 

Mittags fand oder suchte ich nochmals den Weg zurück an die Klippen. Ich hatte dort einige Wohnmobile stehen sehen. Meist kennen die die guten Plätze auch. Mit Blick auf das sattblaue Meer und der Musik von Wellenrauschen genoss ich Humus mit leicht scharfen Jalapeños. Eine feine Jause, ein sensationeller Platz, und eine wunderbare Stimmung. Das hat gepasst.

 

Nicht gepasst hat mir dann, dass kurz vor Erreichen des Roadhouses der Hinterreifen plötzlich platt war. Ohne Außeneinwirkung ist er an einer Stelle aufgerissen. Best Quality ist mir in Erinnerung, hatte der Verkäufer im Laden den Schlauch angepriesen. Na ja, eine Zeit lang hat er ja gehalten. Als ich dann beim Roadhouse ankam, befürchtete ich nochmals Schlimmes. Denn dort stand auch der Reisebus vom Vormittag. Und tatsächlich hatten sie kein Zimmer mehr verfügbar. Zum Glück strahlte die Sonne prall vom Himmel. Die nassen Zeltsachen waren rasch trocken und für eine weitere Nacht bereit. Mein Abendessen gab es auch vor dem Zelt. Denn der Reisebus hatte sich auch im Lokal ausgebreitet. Ich dachte einfach wieder an den Platz vom Mittag, und war mit dem Tag zufrieden. Denn den kitschigen Sonnenuntergang hätte ich vom Restaurant aus auch nicht gesehen.

 

16. August 2023

Baumlos, jedoch keinesfalls trostlos

In der Nacht war es sternenklar, und entsprechend kalt. Mit dem Mehrschichtenprinzip war es jedoch auch im Schlafsack gut zum Aushalten. Am Morgen wurde ich zeitig von einem einzelnen Vogel geweckt. Er saß wohl irgendwo im Baum über mir und sang eine tolle Melodie. Sie war sicher über den ganzen Platz zu hören. Vielleicht hat er auch die Truckfahrer geweckt. Denn die sind zeitig losgefahren. Ich sah einem eine Zeit lang nach. Er hatte eine rote Lichterkette rund um die Außenkanten seines Road Trains. Es war faszinierend, ihn mit seinem Leuchten in der weiten Ebene und im Morgengrauen verschwinden zu sehen.

 

Bald danach bin dann ich die weite Ebene angegangen. Bisher meinte ich, dass ich schon in einer baumlosen Gegend unterwegs war. Doch ein Straßenschild wies mich darauf hin, dass jetzt die baumlose Ebene beginnt. Und so war es dann auch. Rundum war wirklich kein einziger Baum zu sehen. Nicht mal ein Ansatz zu einem größeren Busch. Nur ganz niedere Sträucher. Dennoch beeindruckend.

 

Über viele Kilometer ging es flach dahin, der Sonne entgegen. Ich hatte zur Sicherheit mein Rücklicht eingeschaltet, und ließ es blinken. Im Vergleich zu dem einen Road Train davor war es wahrscheinlich kein so großes Lichtspektakel. Doch ich war ohnedies mehr vom Spektakel in der Ebene beeindruckt. Wunderbar, auch wenn kein Baum zu sehen war. Immer wieder zogen kleine Wolken vor die Sonne und tauchten die Ebene in unterschiedliches Licht. Irgendwann kam ich an einer kleinen Senke vorbei. Dort zogen Nebelschwaden dahin. Und ich zog auf der flachen Ebene dahin, juchzend, weil so toll.

 

Am späten Vormittag tauchten dann wieder kleine Büsche und Bäume auf. Und mit ihnen auch kleine Kuppen und Hügel. Mir wurde kräftig warm. Denn zwischenzeitlich war es strahlend blau geworden. Die Sonne lachte. Und strahlte vielleicht gar so, wie ich am Rad. Es hat mir voll getaugt. Auf dem kleinen vorderen Kettenblatt die Hügel rauf, und auf der anderen Seite am großen Blatt mit kräftigem Kurbeln runter. Die Straße hatte gar für eine Zeit lang eine asphaltierte Schulter. Da war das Miteinander mit den Road Trains ein Leichtes.

 

Irgendwann mittags kam es mir so vor, als ob die Landschaft ähnlich jener am Beginn der Nullarbor-Strecke geworden ist. Dünne Eukalyptusbäume, im fahlen Gras kaum sichtbare Drahtzäune, im Wald verschwindende, rotsandige Seitenstraßen, breiteres Bankett, weniger Weite, sogar große Getreidefelder. Und als spätes i-Tüpfelchen des Tages kreuzten ein paar einzelne Ringnecks am Nachmittag meinen Weg. Ich war wunderbar überrascht, plötzlich ihr knalliges Grün zu sehen. Fein, dachte ich mir, dass die mit mir am Weg sind. Oder dass es diese Vögel auch auf dieser Seite der Nullarbor-Strecke gibt. Vielleicht radeln sie gar mit mir weiter mit.

 

17. August 2023

Wind und Regen, und ein Klaps

Etwas Morgenrot unter dichten Wolken. Doch die Sonne fand mit ein paar Strahlen dennoch durch. Ich freute mich. Denn der Wind blies aus Westen. Also packte ich das taunasse Zelt rasch ein, und machte mich auf den Weg. Vielleicht schaffe ich die 150 Kilometer bis Ceduna. Dann könnte ich das Abenteuer Nullarbor heute abschließen.

 

Vorbei an weiten Feldern mit noch niederen Getreidehalmen ging es flott dahin. Der Asphalt war feinkörnig, das Rollen kaum zu hören. Eine breite Schulter war ebenfalls da. Das Ausweichen bei den Road Trains ging ohne großen Aufwand. Mit dem Wind im Rücken purzelten die Kilometer rasant.

 

Irgendwann nahm ich seitlich vom Meer herkommend eine Regenfront wahr. Lange Zeit dachte ich, dass sie mich nicht tangieren wird. Denn sie zog ihre eigene Bahn entfernt von meiner Route. Doch der Wind machte mir einen Strich durch meine Hoffnung. Schneller als ich die Regenkombi anziehen konnte, war die Front vor mir. Und ich mittendrin. Und dann entwickelte sich über den ganzen Vormittag hin ein Katz- und Mausspiel.

 

Entweder jagten mich die Schauer von hinten, oder bremsten meinen Weg von vorne, oder nässten mich von der Seite. Zog ich vorsorglich die Regensachen frühzeitig an, blinzelte die Sonne vom heiteren Himmel. Meinte ich, mit kräftigem Kurbeln dem Regen davonfahren zu können, so holte er mich mit Leichtigkeit ein, und sorgte für nasse Kleidung. Es war kein Dauerregen. Nur kräftige Schauer vom Meer her. Schnell da, und dann auch schnell wieder weg. Der Wind sorgte dafür, dass meine Sachen nicht nur nass wurden, sondern beim Fahren auch wieder trocknen konnten. Doch vor allem: Er trieb mich von hinten an. Da spielten die vielen Stopps zum An- oder Ausziehen der Regensachen gar keine Rolle. Ich kam gut und ohne große Mühe voran.

 

Etwas unangenehm waren die Gischtnebel, die die Road Trains oder auch die Wohnwagen beim Überholen aufwirbelten. Auch wenn sie viel Abstand ließen, so bekam ich dennoch etwas Straßennässe ab. Einmal war ich beim Abschütteln der Regentropfen von meiner Brille zu ungestüm. Das Scharnier hielt der forschen Bewegung nicht stand und brach. Blöd. Und eine Zitrone musste ich auch noch opfern. Denn vor Ceduna gibt es eine Quarantäne-Station zwischen Western und South Australia. Früchte, Gemüse und noch ein paar andere Sachen dürfen nicht über die Bundesstaatengrenze transportiert werden. An der Station wird jedes Fahrzeug kontrolliert. Vor zwei Monaten war die Kontrolle im Norden viel rigider. Hier wollten die Beamten glaub nicht allzu lange im Wind stehen, und winkten mich durch. Die Zitrone hätte also auch weiter mit mir mitfahren können, so wie sie es wohl die letzten zwei Wochen schon getan hat.

 

Beim Erreichen der kleinen Küstenstadt Ceduna konnte ich es kaum glauben. Trotz widriger Bedingungen ist es sich ausgegangen. Doch ganz so leicht waren die 1.200 Kilometer auf der Nullarbor-Strecke von Norseman bis hierher nicht. Die haben mich ziemlich gefordert, bis zum letzten Meter. Und beim Ortsschild fiel mir auch der Schlusssatz aus einer Streckenbeschreibung ein: „Give yourself a big pat on the back. You have just conquered one of Australia’s most challenging cycling routes. Now it’s time to relax.“ Liest sich cool. Den Nullarbor mit dem Rad erobert zu haben, fühlt sich gut an. Doch das mit dem Ausruhen und Entspannen muss ich noch üben. Denn ich war den ganzen Abend lang mit Waschen und Trocknen meiner Sachen beschäftigt.