Aufbruch, es geht los

Eine Idee wird konkret - Die Vorgeschichte

Sommer 2018

Radfahren mag ich schon lange. Und können tue ich es ebenso lange. Während mich in der Freizeit mehr das Mountainbike fasziniert, habe ich für die Urlaube irgendwann das Tourenrad entdeckt. Die Alpenpässe mit dem Rennrad und leichtem Gepäck entwickelten einen eigenen Reiz. Meist ohne große Planung und Vorbereitung ergaben sich so ganz tolle Touren. Zum 60-iger war ich 7 Wochen am Weg. Santiago de Compostella war damals das Ziel, natürlich von zu Hause aus. Am Rückweg habe ich dann die Pyrenäen- und Westalpenpässe der Tour de France und des Giro mitgenommen. Stolze 6. 000 Kilometer und 92.000 Höhenmeter sind zusammengekommen. Genial die Erinnerung an den Duft der abgeernteten Getreidefelder auf der spanischen Meseta. Oder wie die Wohnmobilfahrer mich mit Daumen hoch pushten, wenn es im Regen einen Pass rauf ging. Oder ich die vielen Namenszüge der Radrennfahrer auf den Straßen entdeckte und das Allez, Allez dann in Gedanken für mich interpretierte. Ja, und irgendwann damals hat sich dann so ein eigenartiges Gefühl eingenistet: Zufrieden zu sein mit diesem täglichen Rhythmus am Rad. Gar nichts anderes mehr haben wollen. Es war plötzlich ganz selbstverständlich, ganz natürlich, war zum eigenen Leben geworden. Und dann habe ich immer wieder ein bisschen mit dem Gedanken kokettiert, dies vielleicht mal so umzusetzen. Losradeln und weiter und weiter …

 

Wasser auf diese Mühle war auch der Film „Weit“. Es hat mich beeindruckt, wie 2 junge Leute aus Freiburg per Autostopp die Welt umrundeten. Es waren faszinierende Bilder. Und emotional von ihnen angetrieben ist mir dann bei einem Interview für unsere Mitarbeiterzeitschrift dieser eine Satz rausgerutscht: Lang, weit, bsundrix - ja, das kann ich mir vorstellen, vom Büro aus aufzubrechen Richtung Osten, und von Westen dann wieder zurück zu kommen. Dieser Satz hat alle schwer beeindruckt. Während ich selbst keine fixe Vorstellung davon hatte, war es für alle anderen schon konkretes Programm. Hey, machst du das wirklich? Ich habe davon gelesen. Respekt. Wann ist es soweit? Jedes Gespräch mit mir hat irgendwie mit dem Hinweis auf diesen einen Bericht begonnen. Und damit auch ein bisschen Druck aufgebaut, diese Träumerei konkret werden zu lassen.

  

Die Vorbereitung auf die Tour

Herbst 2018

Was braucht man für eine große Reise ins Unbekannte als Vorbereitung und Ausrüstung? Ein geeignetes Rad, eine minimalistische jedoch funktionale Ausrüstung, eine ungefähre Route, und natürlich viel Mut und Entschlossenheit . Das waren meine Überlegungen im Herbst 2018. Ich habe dann begonnen, einige Reiseberichte zu einem solchen Vorhaben zu studieren. Habe nachgelesen, wie andere es anlegten und versuchte, es für mich zu interpretieren. Irgendwann mussten meine Gedanken dann auch raus. Meine Kinder schüttelten zwar ungläubig den Kopf, doch die Anzahlung für ein neues Rad war getan.

 

Frühjahr 2019

Rund um den Jahresbeginn 2019 hatte ich auch eine Vorstellung für die Route. Wien und Tiflis mussten es sein, um Sohn und Tochter besuchen zu können. Und wenn ich dann eh schon am Weg bin, dann könnte es ja auch noch weiter gehen. Mit Garmin Basecamp lässt sich das einfach darstellen. Die Fülle an Tourentracks im Internet ist riesengroß. Und mit einer riesengroßen Skalierung beim Maßstab schaut alles auch gar nicht so weit und die Welt ganz klein aus. 

 

Irgendwann im späten Frühjahr 2019 habe ich mich dann wegen einer medizinischen Vorsorge erkundigt. So wurde ich in regelmäßigen Abständen Samstagabendgast bei meinem Freund, der die Impfungen vornahm. Fein, dass sich dabei immer längere Gespräche ergaben und ich mit ihm und seiner Frau mein Vorhaben reflektieren konnte. So im Rückblick betrachtet hat mir das sehr geholfen.

 

Ja und dann erzählte ich peut a peut auch anderen davon. Bei einigen dachte ich gar, dass sie mit mir mitfahren würden, so sehr interessierten sie sich und fragten immer wieder nach, wie weit ich denn schon sei mit meiner Vorbereitung. Ja, das hat mir schon gefallen, dass sich für mich wichtige Menschen dafür interessieren. Vielleicht stoßen sie gar unterwegs dazu, dachte ich mir manchmal.

 

Während all der Zeit gab es auch immer wieder Dinge zum Aufbau des Rades abzuklären. Oder die Liste der noch zu besorgenden Dinge umzuschreiben, wegen Ergänzungen oder Streichungen. Irgendwann habe ich dann auch den Resturlaub und meine Versetzung in den Ruhestand abgeklärt. Damit war der Start der Tour fixiert. Der 26. Juli 2019 sollte es sein. Der Countdown war angestoßen. 

 

Ein Schaukeln der Gefühle kurz vor dem Start

Juli 2019

Das Rad wird nicht fertig. Der ausgemachte Liefertermin Mitte Mai war längst heillos überzogen. Doch auch der finale Übergabetermin Mitte Juli platzte. Die Rohloff-Nabe war für Schnellspanner ausgelegt und für meinen Rahmen mit Steckachse nicht verwendbar. Mein Rahmenbauer merkt es erst beim Einbauversuch am Vorabend des versprochenen Lieferwochenendes. Puuhh, da hat es mir mal kurz die Sprache verschlagen. Doch zum Glück ist mir gleich eingefallen, dass ich ja ohnedies schon ein tolles Tourenrad habe. Also einfach mit diesem starten, und der Puls war wieder normal.

 

Zuhause stürzt mein Vater mit 92 Jahren. Er muss am Oberschenkel operiert werden. Er kommt ins Spital und dann auf Nachsorge. Was heißt das jetzt für meine Mutter mit 89 allein zu Hause? Wie steckt es mein Vater weg, wenn er plötzlich nicht mehr so agil sein kann und Hilfe bedarf? Und wieso ist deren Bad nicht schon längst altersgerecht barrierefrei umgebaut? Jede Menge offener Fragen. Und vor allem eine: Kann ich da jetzt einfach weg und meine Tour starten? Wie gehe ich mit jenen Personen um, die das verneinen und mich unterschwellig beeinflussen? Bei anderen weiß man ja natürlich sofort was zu machen ist. Doch bei einem selber? Wüsstest du es? Und machst du es dann auch so? Bist du dir sicher? Und woher nimmst du diese Gewissheit?

 

Ich bereite meinen Abschied aus dem Berufsleben vor. Er fällt mir etwas schwer. Ich mag weg und doch auch wieder bleiben. Oder vielleicht nicht selber bleiben, jedoch etwas anderes gerne als bleibend haben, das man grad am Umbauen ist. Na ja, es gibt halt der Ideen und Vorstellungen viele. Und irgendwann läuft die Uhr ohnedies ab. Also, mit Freude und etwas Wehmut weg vom Job. Die Zeit ist reif.

 

Ich bin bei einer Feier mit wichtigen Leuten aus der Finanzverwaltung dabei. Ich freue mich sehr über die erhaltene Wertschätzung und das Danke für meine Arbeit. Ich bekomme auch noch eine ganz persönliche, handschriftliche Botschaft von einem Freund aus Wien. Sie geht unter die Haut. Ich merke, wie sehr man verbunden bleiben kann auch ohne großen Kontakt, wenn ein verbindendes Band mal mit Vertrauen geknüpft ist. 

 

Meine Chefin besucht mich ganz überraschend in meinem Büro in Feldkirch. Ich staune sehr, und freue mich. Wir haben uns, seit wir einander kennen, die letzten 20 Jahre immer nur in Wien oder woanders getroffen.

 

Für alle meine Bekannten in der Finanzverwaltung mache ich ein Video als Überraschung. Ich greife die Geschichte aus dem Artikel in der Mitarbeiterzeitschrift auf, die so viele angesprochen haben: Vom Büro aus losradeln. Also zeige ich das Gebäude, das viele von ihnen gar nicht kennen, mein restlos ausgeräumtes Büro, das Türschild mit einem Hinweis auf das Radeln, und dann mich selbst, wie ich losradle. Klingt nicht sehr aufregend. Doch der Clou ist, dass ich mit dem Einrad losfahre. Da erzähle ich allen immer nur vom Mountainbiken und dem Rennradfahren, und plötzlich tauche ich mit dem Einrad in der Bürotüre auf. Es freut glaub alle, denen ich das Video habe zukommen lassen, und mich selber freut es natürlich auch. Und noch mehr die Geschichte, wie es entstanden ist. 

 

Ich bin total gerührt ob der vielen Rückmeldungen und vor allem deren persönlicher Art und dem Feedback zu mir. Puhh, da habe ich gleich mehrere wunderbare Mails erhalten die mich ganz still werden lassen. Irgendwann mit etwas Abstand möchte ich dann auch dafür Danke sagen. Doch jetzt im Moment des Aufbruchs geht es nicht. Ich brauche diesen finalen Cut zur Arbeitswelt mit dem Video und dem Losradeln. 

 

Der Start - Emotionen pur

Letze Juliwoche 2019

Abendessen mit meinem Freund und seiner Frau. Die Anreise machen wir natürlich mit dem Rad. Ich bin ziemlich gefordert, denn mit ihren E-Bikes fallen ihnen die paar Höhenmeter mühelos leicht. Ok, so wird es für mich wohl bleiben, denk ich mir, wenn dann noch das Gepäck dazukommt.

 

Treffen mit meinem Bruder. Das Gespräch ist gut. Wir sprechen über unsere Eltern und Möglichkeiten zu deren Unterstützung. Kommt ja eher selten vor, dass wir uns auf diese Art austauschen.

 

Besuch beim Vater im Spital. Ich erzähle ihm, dass es am nächsten Tag losgeht. Er meint, ich solle aufpassen. Er winkt, ich gehe.

 

Ich packe meine 7 Sachen. Sie haben grad so halbwegs Platz in den beiden Ortliebtaschen. Ich habe mir das vorher etwas anders vorgestellt. Doch der Start ist fixiert. Es gibt kein zurück mehr. Ich bin gespannt, wann ich denn weiß, wo was in welchem Kompressionssack ist. Ich hoffe, dass ich unterwegs nicht jeden immer aufmachen muss um meine Sachen zu finden.

 

Besuch bei der Mutter am frühen Morgen. Sie ist etwas aufgelöst, wie sie mir in ihrem Morgenrock die Türe öffnet. Ihre Umarmung ist jedoch herzhaft. Sie hat Tränen in den Augen. Und winkt in der Tür beim Gehen. Ja, dieses Winken von ihr kenne ich gut. Also los.

 

Ich fahre mit dem reisefertig gepackten Rad ins Büro. Ich überlege, ob noch was offen ist. Ich lese die vielen Antworten auf mein Abschiedsmail. Ich bin aufgewühlt. Sie berühren mich sehr. Dann werfe ich die letzten Unterlagen in den Container. Wenn es darauf ankommt, dann fällt auch so eine Entscheidung leicht. Davor konnte ich mich nicht von ihnen trennen. Jetzt ist es wie ein Abstreifen all der vielen Jahre. Denn aus jedem Jahr habe ich eine Erinnerung aufbehalten. Doch das Berufsleben ist jetzt vorbei, und damit braucht es diese Art von Andenken auch nicht mehr. Und bleiben tut sowieso etwas anderes in Erinnerung, nämlich die Beziehung zu den Menschen.

 

Ich bin am Weg und lass mich treiben

26. Juli 2019

Aufbruch

Nochmals Ciao sagen an die anderen im Büro? Nein, ich habe mein Ciao ja schon mit dem Video gesagt. Ich entscheide mich für ein einfach leise raus. Ich stelle mein Rad vor die Eingangstür und mache ein Foto. Ich nenne es Aufbruch, und es geht wirklich los.

 

Über die Illbrücke und dann links weg. Es ist ein etwas eigenes Gefühl. Am Rheindamm bleibe ich kurz stehen. Mein Freund aus Frastanz hat mir eine Nachricht gesendet. Ein Foto von meinem Vater, wie er winkt. Ich hatte dieses Bild vor ein paar Tagen im Spital aufgenommen und es ihm gesendet. Und jetzt lässt er es mir wieder zu kommen. Eine feine, aufmerksame Geste, die mich sehr berührt. Einander verstehen ohne Worte. Es geht wirklich, unter Freunden.

 

Ich stecke das Telefon wieder weg. Und nach ein paar Metern habe ich dann den Rhythmus gefunden. Ich freue mich, dass ich diesen Weg entlang des Rheins gewählt habe. Es ist sonst niemand zu sehen. Ich lasse mich treiben. Und folge den Biegungen des Flusses. Man muss nicht wissen, was nach der nächsten kommt, denke ich mir. Das Leben im Augenblick reicht. Und manchmal meint man, so einen Augenblick grad erhascht zu haben.

 

Deutschland und Tschechien als erste Länder

2. August 2019

Die ersten Tage auf Tour

Puhh, jetzt bin ich schon eine Woche unterwegs. Kaum zu glauben. Ich meine erst gestartet zu sein, und doch zeigt der Zähler schon 900 spannende Kilometer. Vorarlberg habe ich rasch hinter mir gelassen. Bis nach Bregenz ist es von Feldkirch ja nur ein Katzensprung. Und dann ging es gleich ins Allgäu. Eigentlich wollte ich über den Bregenzerwald und den Riedbergpass. Doch der war gesperrt. Also bin ich etwas kreuz und quer hinten rum. Es war sehr heiß, und das Rad mit den Packtaschen noch ungewohnt schwer. Ich bin dann einen weiteren Weg gefahren. Ich hatte doch etwas Respekt vor den Steigungen an diesem Tag.

 

Das Allgäu gefällt mir sehr. Da gibt es feine kleine Straßen. Das Gelände ist kupiert und die Landschaft grün herausgeputzt. Und ein paar Berge sieht man auch. Es war ein feiner Start meiner Tour und ein sanfter Übergang.

 

Beim Oberjochpass am zweiten Tag kam ich gehörig ins Schwitzen. Und am späten Nachmittag hat es dann voll geschüttet. Auf der Straße vom Tannheimertal ins Lechtal hinunter habe ich meine Fuhre kaum derbremst. Und die Regengamaschen erwiesen sich als undicht. Doch bis zum Plansee war es schon wieder schön, und ich trocken. Am Tag darauf dasselbe Wetterszenario. Das Unterstehen in München habe ich zwar probiert, doch es war mir dann zu langweilig. Also wieder rein in meine Regenkluft und das rote Käppchen auf. Auch der Kopf will ja trocken bleiben. Und so wurden es an diesem Tag dann gar 157 Kilometer bis nach Freising.

 

Am Weg nach Regensburg zeigten sich dann die ersten Kornfelder. Ich mag deren Farbe, und auch deren Duft. In Regensburg meinte ich zuerst kein Zimmer zu finden, beim Fahren durch die engen Straßen. Gelandet bin ich dann just visavis vom Dom. Der Frühstücksraum war eine gotische Halle und ich mit meinen Flipflops und kurzer Hose etwas underdressed. Regensburg ist eine tolle Stadt. Mit der Donau hat sie auch ein eigenes Flair. Ich bin dann sogar ein Stück am Donauradweg entlang bevor es in den oberbayrischen Wald ging bis zur Grenze zu Tschechien.

 

Zwischendurch war ich auch immer wieder online. Ich habe meinen neu eingerichteten Postkorb gecheckt und mich an den feinen Mails gefreut. Tut schon gut, wenn sich Freunde für einen interessieren. Und diese Homepage hier scheint auch zu gefallen. Dabei ist es ein bisschen ein Learning by Doing unterwegs. Eigentlich dachte ich, dass das ruck zuck geht, einfach ein paar Fotos hochladen mit ein bisschen Text. Doch mit den Track-Daten und Google Maps dazu, und dem Rumprobieren der Möglichkeiten, die mein Baukasten bietet, ist da am Abend schnell eine Stunde rum. Egal, mir gefällt es ja eh, das bisschen Gestalten auf diese Art.

 

Der Übergang zu Tschechien war dann etwas zähe. Ohne Sprachkenntnisse tue ich mir jedenfalls schwer. Ich denke, vielleicht ein gutes Üben für kommende Länder. Und die Straßen sind auch gleich anders. Es rumpelt mich mit meinen schmalen Rennradreifen immer wieder gehörig durch. Ich bin am Anfang die größeren Straßen gefahren. Doch jetzt habe ich umdisponiert. Auf den kleinen Sträßchen fährt es sich deutlich entspannter. Und wenn ausnahmsweise ein Laster kommt, dann hält er auch mehr Abstand.

 

Ach so, ja, Prag lag auch noch am Weg. Ist natürlich mit den historischen Bauten ziemlich cool. Nur ist es mit den vielen Touristen reichlich vollgestopft. Und auf der Karlsbrücke gibt es alle 10 Meter einen Karikaturen- oder Porträtmaler. Das muss wohl eine tschechische Besonderheit sein.

 

Landschaftlich gab es danach wieder ausgiebig Kornfelder. Und ein paar Mähdrescher waren auch zu sehen. Dazu heute eine „Strohhose“. Der Wind hat das frische, trockene Stroh an einer Stelle haushoch aufgewirbelt und damit gespielt, dass ich aus dem Staunen nicht mehr raus kam. Nur als ich den Fotoapparat auspackte, wollte sich das Schauspiel leider nicht wiederholen.

 

In Havlickuv Brod habe ich heute am Hauptplatz super Tagliatelle mit Gemüse gegessen. Dazu einen knackigen Salat, und Sprite mit Wasser. Und weil ich die erste Woche am Rad feiern wollte, noch in Haselnüsse gehülltes Vanilleeis mit heißen Himbeeren. Ja, ein bisschen sich verwöhnen braucht es schon auch, am Radla, daher noch das Wasser zur Sprite :-)

 

5. August 2019

Eine Geschichte zum Kugeln

Gleich beim Rausfahren aus der Stadt winkt mir ein fröhlicher Junge am Rad zu. Ich freue mich. Gut gelaunt geht es auf schmalen Nebenstraßen weiter Richtung Brno. Am frühen Nachmittag regnet es dann sintflutartig. Ich finde eine überdachte Bushaltestelle und stehe länger unter. Im leichten Regen fahre ich wieder weiter. Irgendwann höre ich dann Motorenlärm von Rennmaschinen und sehe die Hinweisschilder: MotoGP. Toll, dachte ich mir, dass ich grad an diesem Wochenende in Brünn bin. Vielleicht kann ich mir das Rennen am Sonntag anschauen.

 

Doch es kommt ganz anders. Denn 85.000 Besucher wollen ja auch rund um Brünn nächtigen, nicht nur ich. So wird meine Zimmersuche im Regen zum Abenteuer. Wenn es nicht schon gleich an der Türe angeschrieben war, so habe ich es spätestens an der Rezeption erfahren: Full, sorry, we are full. Über booking.com habe ich dann ein freies Zimmer außerhalb von Brünn entdeckt, wegen des Regens die Buchung jedoch nicht zu Ende geführt. Ich dachte, es liegt sowieso außerhalb und ich fahre einfach hin. Doch als ich nach einer Stunde dort war, hat es natürlich prompt schon jemand anderer gehabt. Ja, so kann es einem gehen. Sie telefonieren dann noch ein paar Adressen an, nur es findet sich nichts. Ich bekomme den Rat, es weiter außerhalb zu probieren, am besten in Ivancice. Das sei zwar etwas weit, doch würde ich dort dann auch nicht den doppelten Preis zahlen wie rund um Brünn am MotoGP-Wochenende. Und dazu auch sicher ein Zimmer finden. Solche Argumente können schon überzeugen. Während Marc Marquez also mit seiner MotoGP-Honda eine Zauberpole auf auftrocknender Piste fuhr, war ich auf meinem Tourenrad mit Gepäck am Weg Richtung Süden.

 

In Ivancice angekommen kennt jedoch niemand ein Hotel. Ich schau auf meiner Karte nach, und sehe tatsächlich auch kein Symbol. Das hätte ich vielleicht schon früher checken können. Etwas genervt fahre ich weiter. Das feine Abendlicht und der Geruch der Landschaft nach dem Regen entschädigt etwas. Endlich finde ich eine Penzion am Weg. Ich probiere frohen Mutes wieder meinen Spruch: Do you have a room for one night? Was jetzt kommt ist der absolute Hammer: Zuerst schaut mich die Kellnerin etwas unsicher an, doch dann geht sie nach hinten. Ich meine, sie holt den Zimmerschlüssel. Doch sie geht nur zum Kühlschrank und holt eine Flasche Rum heraus. Als ich kopfschüttelnd laut lache, hält sie mich glaub schon für total betrunken. Vielleicht hat sie mir auch deshalb keinen Room mehr gegeben, obwohl ich meinen eigentlichen Wunsch dann mit Hilfe anderer doch zu artikulieren brachte. Sie wären voll, hieß es. Eh klar, bei viel Rum im Kühlschrank für ein langes MotoGP-Wochenende ist das auch kein Wunder :-)

 

Weil es danach schon leicht eindunkelte, bin ich einfach die nächste Straße links abgebogen. Eine Strohballenburg im Feld erschien mir nach der Odyssee eine geeignete Unterkunft. Denn ich war vom Radeln und Suchen schon ziemlich müde. Die Füße in die leere Packtasche gesteckt und mit dem Kopf auf der anderen habe ich dann in meiner Regenkombi recht gut geschlafen. Ich brauchte auch gar keinen Room dafür. Der Himmel war voller Sterne und es war ganz still. Eine unvergessliche Nacht, und die Geschichte mit dem Rum ebenso.

 

Heureka, das neue Rad

8. August 2019

Endlich kommt es zur Übergabe

Ich treffe mich mit dem Rahmenbauer in Baden bei Wien. Er hat mein neues Rad mit im Auto. Wir fahren aus der Stadt hinaus und suchen einen etwas schattigen Platz. Dann wird es für mich spannend: Endlich bekomme ich meinen grünen Wunschflitzer zu sehen. Statt Mitte Mai ist es jetzt Anfang August. Und ein paar Details sind auch anders als ursprünglich konzipiert. Doch insgesamt schaut es so aus, als ob es passen könnte.

 

Die ersten Meter einer Proberunde sind jedoch gänzlich ungewohnt. Die breiten Reifen machen das Rad auf Asphalt ziemlich träge. Die Rohloff-Schaltung über die Gebla-Box mit links runter und rechts hoch erfordert einen langen Hebelweg. Und das Geräusch des Getriebes in den unteren Gängen ist ziemlich laut. Auf schlechtem Untergrund spielt das Rad jedoch seine Stärken aus. Das gefällt mir dann schon, wenn es sich da verhältnismäßig stabil und unbeeinträchtigt verhält. Es fährt sich nicht so spritzig wie mein Cannondale Cross, das eindeutig sportlicher ausgerichtet ist. Wahrscheinlich werde ich bei der Durchschnittsgeschwindigkeit insgesamt wohl ein paar Abstriche machen müssen. Das ist so mein erster Eindruck beim alleine Zurückfahren nach Wien. Mal schauen wie das weiter wird, wenn ich das Rad dann mit dem ganzen Gepäck beladen habe.