Türkei reinschnuppern

1. September 2019

Türkei, ein erster Eindruck

Jetzt heißt es bald Abschied nehmen aus Europa. Am Morgen packe ich im griechischen Hotel meine 7 Sachen zusammen. Obwohl nur 3 Tage Pause ist es bereits fast ungewohnt. Außerhalb von Alexandropoulis kommt mir eine größere Gruppe Rennradfahrer entgegen. Sie winken mir zu. Wow, das baut auf, ist ein tolles Gefühl. Es motiviert und freut mich. Vor der türkischen Zollstelle geht es dann über eine lange Brücke. An beiden Brückenköpfen stehen Soldaten mit Gewehren. Schon etwas komisch, doch sie sind freundlich und erwidern meinen Gruß mit der Hand. An der Grenze ist es dann etwas mühsam zwischen den vielen Lastwagen und Autos. Doch irgendwann kriege ich meinen Einreisestempel. Ich schau mich dann ein paar Mal um. Hey, denk ich mir, jetzt bin ich in der Türkei, lässig. 

 

Auf einer autobahnähnlichen Straße fahre ich weiter. Ich zweifle zuerst, ob ich richtig bin. Doch es sind auch Traktoren und Mopeds mit am Weg. Ich nutze den breiten Seitenstreifen und fühle mich sicher. Mittags kehre ich in einem Tankstellenrestaurant ein. Emin, Sales Manager von Shell Türkei, spricht mich an und fragt nach meiner Route. Er ist mit zwei Freunden motorradfahrend am Weg. Ich setze mich an ihren Tisch. Sie geben mir Tipps. Ich soll unbedingt nach Kappadokien, dort sei es toll. Und ganz wichtig: Vorsichtig fahren, immer rechts. Die Türkei sei nicht Europa. Die Lastwagenfahrer würden sich anders verhalten, seien rücksichtslos zu Radlern. Emin und seine Freude sind total hilfsbereit und sehr besorgt um mich. Emin schenkt mir seine gelbe Warnweste für die Dunkelheit und noch einen Reflektorstreifen für hinten ans Rad. Ich soll mir auch einen Rückspiegel zulegen. Denn auf der Straße gehe es in der Türkei für Radler ums Überleben, so freundlich die Leute sonst auch seien. Emin kennt Liechtenstein und das Brandnertal. Ich bin sehr berührt von diesem Kontakt. Er gibt mir seine Visitenkarte und bietet an, dass ich mich bei Problemen jederzeit bei ihm melden kann. Ich zweifle, ob das einem türkischen Radler bei uns auch so widerfahren würde.

 

Am weiteren Weg sammle ich dann ein paar Erfahrungen mit Lastautos. Wegen des Seitenwindes ist es manchmal etwas heikel, vor allem wenn sie nahe vorbeirauschen. Doch viele kündigen sich per Hupe an, und machen so auf sich aufmerksam. Auch Motorradfahrer auf der Gegenfahrbahn hupen oder winken mir zu. Das werden dann wohl selber Radler sein, denke ich mir. Abends finde ich ein Motel. Der Inhaber übersetzt mit Google-Translator ins Englische. So kriege ich ein Zimmer mit Frühstück und einen Salat mit Kartoffeln. Als Draufgabe gibt es noch einen voll lässigen Sonnenuntergang, und ein paar türkische Vokabeln für den nächsten Tag. Günaydin für Guten Morgen, oder Kahvalti für Frühstück. Ich bin also gut gerüstet für das Weiterfahren.

 

2. September 2019

Schwuppdiwupp und schon in Asien

Nach einem feinen Frühstück mit Ei auf der Terrasse geht es gleich los. Davor macht der Patron noch ein Foto. Radler auf Besuch seien bei ihm eher selten. Entlang der Dardanellen-Straße geht es mit Rückenwind flott dahin. Auf halbem Weg zur Fähre passiere ich eine Großbaustelle. 2021 wird dort die längste Hängebrücke der Welt eröffnet. Sie verbindet mit einer Spannweite von 2 Kilometern die beiden Kontinentalhälften der Türkei, Europa und Asien. Noch ragen erst die Fundamente der Pfeiler aus dem Meer. Die Widerlager für die Spannanker an Land sind jedenfalls beeindruckend.

 

Für 1 Euro bekomme ich in Eceabat mein Ticket für die Fähre. Sie legt gleich los. Ich freue mich, dass ich jetzt in Asien bin. Canakkale ist historischer Boden. Gleich um die Ecke liegt Troja. Und am Kai haben sie mit einem riesigen Holzpferd eine Filmrequisite stehen. Es lässt sich halt alles vermarkten, ganz wie bei uns. In meiner Unterkunft entwickelt sich ein nettes Gespräch mit der Rezeptionistin. Sie probiert per Remote-Verbindung gemeinsam mit einem Freund, dass ich mich mit dem Notebook über das WLAN anmelden kann. Doch Lösung finden sie leider keine. Ich bin daher etwas in Verzug mit dem Hochladen der Route und dem Aktualisieren meines Blogs. Am späten Nachmittag mache ich einen Stadtbummel. In einem coolen Lokal bekomme ich auf Empfehlung des Kellners Nudeln mit Gemüse. Sie schmecken lecker. Es taugt mir voll. Es ist wie Urlaub …

 

Für die Weiterfahrt am nächsten Tag entscheide ich mich für eine Straße etwas weiter weg vom Meer. Leider gibt es den ganzen Tag Gegenwind. Doch was mich mehr stört, ist der anfangs sehr grobe Asphalt. Er macht das Fahren ruppig. Und weil es dazu noch hügelig ist, ist der Vormittag grad etwas zähe. Dafür finde ich abends ein Lokal, das feine Gözleme mit Käse anbietet. Und im Dunkeln kaufe ich mir an einem Marktstand an der Straße noch Feigen. Schon am Vortag meinte ich, dass sie hier am besten sind.

 

5. September 2019

Am Dorfplatz und auf der Tankstelle

Beim Rausfahren aus Biga bleibe ich auf der Hauptstraße. Sie ist breit ausgebaut und am Seitenstreifen ist es ganz ok. Irgendwann sehe ich dann den ersten Melonenverkäufer im Nirgendwo. Und dann werden es immer mehr. Alle bieten dieselben Melonen an. Die Bauern dösen auf ihren Traktoren oder unterm Anhänger. Und die Jungen schauen was auf ihren Smartphones an, meist irgendwo im Schatten. So geht es über viele Kilometer. Anscheinend werden hier in der Gegend Melonen angebaut. Ich sehe die Felder dann später, als ich von der Hauptstraße abbiege und einen Weg durch die Dörfer suche. Da zeigt sich dann gleich ein anderes Bild von der Türkei. Mittags suche ich auf einem Dorfplatz einen Laden. Er ist schwierig auszumachen, zwischen den Mopeds und den Traktoren. Zum Essen finde ich nichts, doch ich werde zu Cay eingeladen. Auch kommt der Fahrer des großen John Deere-Traktors vorbei. Er schaut sich mein Fahrrad an. Lachend stellen sie dann fest, dass es ein ähnliches Grün ist wie bei seinem Traktor. 

 

Im nächsten Dorf sehe ich an einem der Häuser ein Schild mit verschiedenen Speisen. Also kehre ich zu. Der Sohn des Wirtes übersetzt und serviert. Mir bieten sie frisch gebackenes Pitabrot aus dem Holzofen an. Dazu eine Suppe und Salat. Es schmeckt. Dazu trinke ich Ayran und bin zufrieden. Überrascht bin ich dann, als mich plötzlich einer der Vorbeikommenden mit Berliner Schnauze anspricht. Es ist kein Tourist, sondern ein einheimischer Schafzüchter. Er ist in Berlin aufgewachsen und in die Türkei zurückgekehrt. Sein Thema ist, dass es die Inflation in der Türkei den Leuten schwierig mache und die Aussichten derzeit nicht gut seien. Er hoffe auf die nächste Wahl.

 

Am Weiterweg wird mir schnell klar, dass ich in dieser ländlichen Umgebung kein Hotel finden werde. Es gibt in jedem Dorf nur die Moschee, einen Mini-Market und so kaffeeähnliche Läden, die ich noch nicht gecheckt habe, wie sie funktionieren. Es sitzen immer sehr vielen Männer dort. Doch sie scheinen nichts zu konsumieren. Vielleicht dass ein paar Cay-Gläser rumstehen, doch etwas essen sehe ich nie jemand. 

 

Ich stelle mich auf eine Nacht im Zelt ein. Bei einer Tankstelle kaufe ich noch Wasser. Eher aus Verlegenheit ob des Angebotes, nehme ich noch ein paar Schokoriegel dazu. Die 2 jungen Tankwarte sind total interessiert, woher ich komme. Es entwickelt sich eine lustige Konversation. Der eine ist total flink mit seinem Smartphone und nutzt den Google-Translator. Ich kriege Cay serviert, und sitze dort fast eine Stunde, tippend und lesend und lachend und auf Fragen eingehend. Das Zelt baue ich dann erst spät etwas außerhalb in einem Obstgarten auf. Leider viel zu nahe zur Straße. Die hat nämlich einen total groben Asphalt. Entsprechend groß ist die Geräuschkulisse der Fahrzeuge. 

 

Land der Tomaten, Paprika und der Kontraste

Am Morgen bin ich vom vielen Tau überrascht. Ich muss mein Zelt nass einpacken. Eine Zeit lang bleibe ich noch auf der Hauptstraße. Dann biege ich auf eine schmale Straße ab. Sie führt durch die Felder und die Dörfer. Schon auf der größeren Straße sind mir die vielen Anhänger und Lastwagen mit Mulden aufgefallen. Sie sind alle vollbeladen mit Tomaten und Paprika. Auf den Feldern stehen überall Anhänger und Traktoren. Die Leute sind am Ernten. Meist sind es so Gruppen um die 5 bis 8 Personen. Oder ich kann ungefähr so viele Kopftücher, Schildkappen und gebeugte Rücken zwischen den Pflanzen erkennen. Sie ernten Tomaten noch und noch, und dann wieder Paprika noch und noch. Die Felder werden alle bewässert. Es gibt viele Kanäle und jede Menge Stationärmotoren, die die Pumpen betreiben. Auch einzelne Fabriken liegen an meinem Weg, in der die Früchte weiter verarbeitet werden. Dort sammeln sich dann die Traktoren und Lastwagen zum Entladen. Dieses Bild bietet sich mir so fast den ganzen Tag.

 

Rund um die Fabriken und kleinen Dörfer gibt es auch viele Planensiedlungen. Sie vermitteln ein tristes Bild. Da weiß ich dann gar nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich selber rolle zum Spaß und zur Freude durch die Landschaft. Doch daneben gibt es jede Menge Leute in ganz armseligen, tristen Verhältnissen, und meist umgeben von Müll. Doch auch die Bauernhöfe und Häuser in den Dörfern sind in einem desolaten Zustand. Es wird überall mit Plastikplanen geflickt. Alles scheint nur behelfsmäßig instandgehalten. Und so schauen auch die Fahrzeuge der Bauern aus, und deren Maschinen. Es ist eine andere Welt, denke ich mir. Hier am Land, und dann auch am Weg in die nächste große Stadt Bursa. Im Zentrum ist dort zwar alles ganz mondän und die Leute sind schick gekleidet. Doch beim Weg dorthin quer durch die Vororte war es so gänzlich nicht zu erwarten. Da schaute es eher bedrückend aus.

 

Mir scheint, die Türkei ist ein Land der Kontraste. Und dazwischen gibt es eine Welt für mich: Dazu gehören die Straßen durch die Natur, die Felder und die Hügel. Die Ausblicke von oben und in die Weite. Das Fahren in den intensiven Farben. Das Wegblasen der Schweißtropfen von der Nasenspitze. Das Spüren der Sonne im Nacken. Das Geräusch des rollenden Rades auf dem Asphalt. Das gelegentliche Hupen und Winken anderer am Weg. Das Pausemachen irgendwo im Schatten. Das Biegen der Gräser und Bäume im Wind. Das sich Einlassen auf Neues. Und ganz sicher auch die sich immer wieder ergebenden Kontakte zu neugierigen, freundlichen  Menschen, die mich staunen machen.

 

In Bursa bleibe ich einen Tag länger. Ich schaue mich etwas um und gönne meinem Hintern und den Beinen eine Pause. Dabei entdecke ich einen Radfahrer mit Trillerpfeife. Statt wie die Autos und Mopeds hupend, bahnt er sich mit Pfeifen seinen Weg durch das Stop-and-Go des Gewurles der Stadt. Vielleicht hat er auch nur eine Macke, doch es tun sich für ihn beim Pfeifen immer wieder Lücken auf. Voll schräg.

 

Abends stelle ich fest, dass ein bisschen Schlendern im Basarviertel mit Menschenmengen fast anstrengender ist als das Radeln mit Gepäck. Doch spannend ist so ein Basar jedenfalls, obwohl ich nicht der typische Shopper bin. Nur Radgeschäfte habe ich leider keine entdeckt. 

 

7. September 2019

Zentralanatolien, nicht ganz einfach

Das Rausfahren aus Bursa ist so wie das Reinfahren. Oder auch so wie zumeist bei den großen Städten: ziemlich mühsam. Viel Verkehr, hupende und drängelnde Autos, Fabrikausfahrten, und damit mehr Lastautos. Doch wenn auf den Kleinlastern Schafe geladen sind und Leute auf der Ladefläche mitfahren, dann hat man den Übergang aufs Land geschafft.

 

Bei Bursa gibt es einen großen Berg, den Uludag mit 2.500 Metern Höhe. Rundum ist alles nach ihm benannt. Und rundum zeigen sich auch seine Ausläufer. Es ist heute also ziemlich hügelig zum Fahren. Der Einstieg nach Zentralanatolien will auf meiner Route erkämpft werden. Um nicht nur auf der Autobahn zu fahren, habe ich ein paar andere Straßen gewählt, und damit auch mehr Höhenmeter. Landschaftlich will es mir zuerst gar nicht gefallen. Und dass viele kleine Felder mit Stacheldraht eingezäunt sind, stört mich auch. Ich bin sogar an einer schmucken Siedlung vorbeigekommen, die so abgesichert war. Schon etwas komisch, wenn die Leute ihre schicken Häuser nur auf die Art bewohnen wollen oder können.

 

Erst am späten Nachmittag habe ich meinen Rhythmus gefunden, und den kitschig blauen Himmel auch. Mit leichtem Rückenwind fährt es sich ganz toll. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich mich zwischendurch mit Gözleme mit Potato gestärkt habe. Gözleme habe ich vor vielen Jahren erstmals in Istanbul probiert. Die mit Spinat sind mir in super Erinnerung. Darum zieht es mich auch jedes Mal hin, wenn ich ein Schild mit Gözleme sehe. Es ist aber auch eines der wenigen Worte, die ich auf der türkischen Speisekarte sicher verstehe. Abends gibt es dann Linsensuppe und Pilav mit Bohnen und Salat. Nach einem langen Tag schmeckt mir meistens alles. Toll finde ich, dass sie in den Lokalen immer gleich Brot auf den Tisch stellen. Und Wasser dazu, doch das nur in Plastikflaschen. Auch fällt mir auf, dass selbst in den kleinsten Restaurants sehr viele Leute beschäftigt sind oder Arbeit finden. Unter den Kellnern finden sich auch immer junge Leute, die etwas Englisch sprechen. Sie wissen sich auch immer mit dem Smartephone und einem Übersetzungstool zu helfen, wenn ich nicht mehr weiter weiß. Und das ist eigentlich jedes Mal der Fall.

 

9. September 2019

Betörende Farben und ebensolche Landschaft

Der Tag beginnt eher frisch. 14 Grad zeigt das Thermometer. Doch die Sonne wärmt rasch. Unter blauem Himmel geht es auf der großen Straße flott dahin. Es ist Sonntag. Das nahe Eskisehir zeigt sich als moderne Stadt, und vor allem ganz ruhig und ohne Verkehr. Das fällt schon auf, dieser riesige Unterschied zwischen Stadt und Land. Auch die super großen Fußballstadien stechen in den Städten mit ihrer Architektur hervor.

 

Irgendwann zweige ich dann ab und fahre für die nächsten beiden Tage fast nur auf Schotter. Die Landschaft ist überwältigend und zeigt sich in den für mich schönsten und abwechselnden Farben. Nur die Bauerndörfer bleiben gleich. Ich bin jedes Mal froh, wenn ich durch bin. Denn so richtig einladend sind die Zustände dort nicht.

 

Ein paar Tage vorher gab es auf den Feldern Tomaten und Paprika. Jetzt sind es Melonen und Zwiebel, die den Anbau und das Bild dominieren. Ich fotografiere einen 5-Achser im Melonenfeld. An der Straße steht auch noch ein Planenanhänger. Aus diesem taucht plötzlich Nurla auf. Er kommt aus Afghanistan und bietet mir eine Melone an. Ich staune, wie fingerfertig er sie mit seinem Messer anschneidet und ruck zuck mundgerechte Stücke anbieten kann. Ich weiß nicht, woher die anderen Erntehelfer sind. Doch wo es bewirtschaftete Felder gibt, sieht man auch ihre Zeltsiedlungen. Je nach Tageszeit sind die Frauen dort am Kochen. Jede Familie hat offensichtlich ihren eigenen überdachten Platz. Und je größer die Felder, desto größer sind auch diese Ansiedlungen mitten in ihnen. Auch Kinder sind zu sehen, und eine gewisse Tristesse sowieso. Ich fahre praktisch den ganzen Tag durch ein Zwiebelanbaugebiet. Die roten, prall gefüllten Säcke sind fürs Auge ein feiner Kontrast zu den übrigen Farben der Natur.

 

Wo nicht bewässert wird, wird zumeist Getreide angebaut. Doch das ist schon abgeerntet. Ich finde den Unterschied zwischen den Feldern spannend. Manchmal scheint es gut zu wachsen, und der Boden ist dicht mit Stoppeln oder Strohresten belegt. Und manchmal dominieren die Steine. Dann ist nur wenig Stroh vorhanden. Auf diesen Feldern sehe ich auch immer wieder Schäfer mit ihren Herden. Meist ist ein Esel mit dabei, der vorne den Weg zu bestimmen scheint. Die Kommandos der Schäfer sind eher leise. Oder zumindest höre ich beim Vorbeikommen nur irgendwelche Zischgeräusche. Und wenn es Schafe gibt, ist es meist auch ein Zeichen, dass ich wieder in der Nähe eines Dorfes angelangt bin.

 

Das einzige Hotel ist leider belegt. Doch die Nacht im Zelt ist mir eigentlich sehr lieb. Denn in so einer Landschaft und diesen Farben draußen zu schlafen gefällt mir sehr. Ich suche einen Platz weit weg von der Straße. Nur am Morgen ist mein Vorderrad platt. Es stecken ein paar Disteln drin. Also Schlauchwechsel statt Frühstart. Auf meiner Route begegne ich später den ganzen Tag nur ein paar Lastautos und Traktoren. Sie sind mit Zwiebeln oder Erntearbeitern beladen. Wenn sie einem entgegen kommen, sehe ich ihre Staubfahne schon von weitem. Und wenn sie mich überholen, sehe ich die Staubfahne wohl ebenso lange. Doch groß stören tut mich das Staubschlucken nicht. Es gehört zu dieser Landschaft wohl dazu. Hie und da weiche ich auch auf die andere Straßenseite aus, je nach Windrichtung.

 

Das goldgelb der Getreidefelder wechselt sich mit dem grün der bewässerten Felder ab. Und den Übergang zum blauen Band des Himmels mit den weißen Wolkenfetzen bildet abwechselnd das Rot der Erde, oder ein wechselndes Grau der Felsen. Es ist ein ganz eigenartiges Gefühl, mit meinem Rad durch diese Landschaft zu fahren und in diese Farben einzutauchen. Die beiden Tage sind voll der Hammer. So wenig einladend das Anatolien zuerst die Tür für mich geöffnet hat, so willkommen darf ich jetzt darin herumradeln. Am Abend merke ich jedoch, dass das Fahren auf Schotter und die Hitze untertags dann doch anstrengend sind. Fix und foxi, schreibe ich als Angabe, wie es mir geht, an meine Kinder. Und dass ich staunend unterwegs war, die beiden Tage.

 

13. September 2019

Nicht nur Hügel halten den Puls hoch

Ich bleibe einen Tag länger in Polatli. Ich bin leicht verkühlt und die Nase tropft. Wahrscheinlich habe ich den kühlen Wind in den Bergen unterschätzt, als ich da schwitzend die Vortage am Weg war. Bis auf die Regentage gleich zum Start der Tour bin ich bisher immer mit kurzer Hose und leichtem Radshirt gefahren. Untertags hatte es zuletzt meist so an die 30 Grad. Dazu blauer Himmel und Sonne den ganzen Tag. Bei Pausen war ich um einen schattigen Platz immer froh.

 

Aus Polatli raus zeigt sich die Landschaft dann leicht anders. Die Hochebene wird viel weiter. Von den Hügeln gibt es einen schönen Rundumblick. Es kommen jetzt viel mehr Rottöne dazu. Denn die Bauern brechen gerade ihre Getreidefelder um. Ich konnte die Rechenaufgabe während des Radelns nicht lösen, wie oft der Bauer mit seinem Traktor auf so einem riesigen Feld auf und ab fahren muss, wenn es fast das ganze Blickfeld einnimmt.

 

Zwischendurch und in der Nähe zu den kleinen Ortschaften sind immer wieder Schafherden zu sehen. Ich bin oft ganz erstaunt, wie weit verstreut die Hunde ihre Herde im Blickfeld haben. Oft tauchen sie ganz unvermutet auf. Es sind durchwegs sehr große, cremefarbene, anatolische Hirtenhunde, die mir mit ihrem Stachelzackenhalsband mächtig Respekt abringen und den Puls steigen lassen. Einmal war die Herde weit weg, nur der Begleitesel war an der Straße. Er ist ob mir erschrocken und mit ein paar Bocksprüngen ins Gelände ab. Da ist ganz unvermutet aus dem Straßengraben einer der Hunde fletschend aufgesprungen. Mit seinem weiß-cremigen Fell war er im Gelände nicht wahrzunehmen. Mein lautes Anbrüllen mit Hey, das bisher immer gut funktioniert hat, war ihm ziemlich egal. Eher war er von seiner eigenen Aktion beeindruckt. Denn ich bewegte mich dann doch recht schnell vom Esel und der Herde weg, dem abfallenden Straßenverlauf sei Dank.

 

Wegen meiner Verkühlung bin ich etwas langsamer am Weg. Für den Abend finde ich zufällig in einem der Dörfer noch einen kleinen Laden. Es war der einzige an diesem Tag, an dem ich vorbeigekommen bin. Tomaten, Paprika, Brot und pikante Bohnen in der Dose sind mein Abendessen. Ich genieße es bei einer der Schaftränken. Wegen der hochstehenden Sonne verschaffe ich mir mit der Zeltunterlage notdürftig etwas Schatten. Ich stelle fest, dass das bei leicht böigem Wind gar nicht so einfach ist. Ein vorbeikommender Tanklastwagenfahrer schmunzelt jedenfalls, als er mich unter der Plane sieht. Er füllt am Brunnen seine Wasserflasche auf. Ich mache ihn auf zwei große, lange Risse im vorderen Reifen seines Lasters aufmerksam. Er deutet daraufhin an, dass dieser wohl bald explodieren werde. Auch gut, denke ich mir, wenn der jetzt in die andere Richtung fährt, und mir nicht mehr begegnet. Auf einem Getreidefeld zwischen zwei kleinen Hügeln finde ich später einen tollen Zeltplatz. Es ist bald Vollmond und rund herum ist es absolut still. Ich klaube ein paar Strohreste am Boden zusammen und genieße den ebenen Platz und den Duft des Strohs. Am Morgen bleibe ich gar etwas länger, weil mir der Platz so gefallen hat.

 

Ein unvergessliches Erlebnis

Das Gelände an diesem Tag fordert mich sehr. Es ist ein stetes Auf und Ab. Ich mache einige Höhenmeter, obwohl ich auf der Karte keinen Berg eingezeichnet finde. Es ist sehr hügelig und es gibt einige kleine Bauerndörfer am Weg. Menschen sind meist nicht zu sehen, nur Hühner und Gänse. Es stehen immer jede Menge Gerätschaften herum. Meist liegt auch überall viel Müll. Einige der Lehmbauten erwecken den Eindruck, als ob sie schon vor Generationen verfallen wären. Diese Siedlungen schauen aus der Ferne mit ihrem wenigen Grün durchaus nett aus, in der weiten Landschaft. Doch je näher man hinkommt, desto weiter weg möchte man auch wieder von ihnen sein.

 

Um die Mittagszeit suche ich nach einem kleinen Laden. Doch es war schon bis dahin keiner zu sehen. Auf einem Dorf etwas weiter weg sehe ich ein buntes Zelt und viele Autos. Ich denke, dass das dann wohl ein Restaurant sein könnte, und fahre hin. Doch vor Ort zeigt es sich als ganz normales Gehöft. Einen aus dem Auto aussteigenden Mann frage ich nach dem Market. Er schüttelt verneinend den Kopf und deutet an, dass ich da weit in eine andere Richtung fahren müsse. Etwas entmutigt steige ich wieder auf mein Rad. Denn Vorräte führe ich keine mit, außer ein paar Müsliriegel.

 

Ich fahre aus dem Dorf raus und setze mich im Schatten des letzten Hauses mit einem Müsliriegel ins Gras. Dann kommt plötzlich der Mann von vorhin mit seinem Auto angefahren. Er steigt mit einem jungen Burschen aus. Dieser spricht mich auf Englisch an, ob ich hungrig sei und etwas essen wolle. Dann soll ich ihnen folgen. Und so lande ich wieder bei den vielen Autos und dem Gehöft und den vielen Menschen. Sie erklären, dass der Bauer gerade verstorben sei, und sich heute die ganze Verwandtschaft und das Dorf hier treffe, um ihr Beileid auszudrücken. Das mache man mit einem großen gemeinsamen Essen. Und mich laden sie dazu herzlich ein. Ich bekomme einen extra Tisch im Schatten und sie servieren Suppe, Reis, Gemüse und Salat. Obwohl für sie unbedingt immer Fleisch dabei sein muss, haben sie für meinen Extrawunsch Verständnis. Alle sind total herzlich und viele erkundigen sich nach mir und woher ich komme. Die meisten der Verwandten sind aus dem nahen Ankara. Eine der Familien kann gut Englisch. Es ist ein Pipelinebauer, der schon in der ganzen Welt unterwegs war. Sein Sohn sagt, dass er sein Englisch beim PC-Spielen erlernt habe, nicht in der Schule. Ich bin sehr berührt ob ihrer Zuwendung. Sie meinen, dass dies auf dem Land in der Türkei einfach so sei. Das sei türkische Gastfreundschaft, und die sei ihnen sehr wichtig.

 

Ich fand diese Einladung total berührend. Fahren mir extra nach und sorgen dafür, dass ich was zu Essen habe. Beim Abschied packen sie mein Rad noch wohlwollend mit Wasserflaschen voll, dass ich es kaum mehr anzuschieben vermag. Es würde bis zu meinem Ziel nämlich keinen Laden mehr geben. Sie selbst versorgen sich zumeist aus eigenen Anbau, oder kaufen beim einmal die Woche vorbeikommenden fahrenden Händler ein. Beim Weiterfahren denke ich gar nicht mehr an ein bestimmtes Tagesziel. Ich fahre gestärkt vom Essen und der Begegnung durch die hügelige Landschaft. Sie zeigt sich eigentlich eher karg. Doch mit den Menschen in ihr wird sie zu einer ganz besonderen.

 

Am nächsten Tag ziehe ich unterwegs erstmals ein Langarmshirt an. Es weht ein etwas kühler Wind. Doch mittags ist es wieder warm wie die Tage zuvor. Ich suche schon frühzeitig ein Hotel und bleibe gleich beim ersten stehen. Später sehe ich, dass es hier in Kirsehir jede Menge davon gibt. Entweder nichts, oder gleich ganz viel. Das ist so einer der vielen Gegensätze der Türkei. Leider kann ich in der Nacht nicht schlafen. Ich schwitze und es ist mir zu heiß. Ich bin öfters am Husten. Und irgendwann wechsle ich dann aufs Klo für einige Zeit, und dann vor das Waschbecken. Es räumt mich kräftig aus. Am Morgen fühle ich mich zumindest kräftig genug, um das Hotel zu wechseln. Ich suche eines mit Internet und schlafe dann mal den Vormittag durch. Dann mache ich mich auf die Suche nach einem Laden für Schonkost. Ich will wieder zu Kräften kommen, und bald weiterradeln. Ich finde einen tollen Supermarkt und kaufe gar mit Einkaufswagen ein. Dabei muss ich über mich selber schmunzeln. Denn ich habe keine Ahnung, wie ich das alles dann in den Packtaschen meines Rades verstauen kann.

 

16. September 2019

Bizarre Landschaft und touristischer Rummel

Von Nevsehir kommend zweige ich Richtung Göreme ab. Es ist das Zentrum Kappadokiens. Es zeigt sich als touristischer Hotspot. Zu sehen gibt es bizarre Felsformationen und Höhlenwohnungen im Tuffstein. Und dazu jede Menge Touristen aus allen Nationen, plus den für solche Orte typischen Krimskrams oder türkisches Kunsthandwerk. Die Landschaft ist beeindruckend. Es ist zwar bewölkt und die Farben wirken eher blass. Doch ich komme mit Schauen und Staunen kaum nach. Ich entscheide mich für eine größere Runde rund um die Gegend von Göreme und lasse das Gepäck im Hotel. Puhh, so geht Radfahren, denke ich mir dann bei den ersten Metern. Denn ohne mein Gepäck ist es ein ganz anderes Fahren. Ich bin viel flotter am Weg und das Rad ist wendiger, weil leichter. Der Kilometerdurchschnitt ist dennoch ganz niedrig. Ich bleibe immer wieder für ein paar Schnappschüsse stehen. Und ein Mal etwas länger für das Flicken des Vorderrades. Ein Dorn wollte kurzfristig mitfahren.

 

Ich komme auch an vielen Garagen vorbei, in denen Anhänger mit riesigen Heißluftballonkörben herausschauen. In der Hochsaison sollen es bis zu 180 Stück sein, die am frühen Morgen abheben und bei Sonnenaufgang den Blick von oben auf die Landschaft ermöglichen. Videos dazu laufen am Abend in vielen Restaurants. An jeder Ecke gibt es eine Ballonfahrt- oder sonstige Travelagentur. Die Gegend wird nach Strich und Faden vermarktet. Das Angebot deckt alle Genres ab. Bei einem Aussichtspunkt treffe ich auf einen jungen Wiener, der mit seiner Freundin auf schneller Weltreise ist. Sie kommen gerade vom Segeln aus Bodrum an der Ägäis. Er bringt seinen Eindruck von Kappadokien  kurz auf den Punkt: Schön und beeindruckend, doch auch so, dass sie bald wieder weiterfahren werden. Das denke ich mir auch. Ich bin jetzt viele Tage durch Niemandsland und Bauerndörfer gefahren. Daher ist mir dieser plötzliche Rummel auch zu viel. Am Morgen länger schlafen geht jedoch nicht. Irgendwann um 6 Uhr höre ich bereits erste laute Geräusche von draußen. Die Armada der Ballonfahrer ist nämlich schon früher aufgestanden. Sie zieht jetzt mit dem Wind über die Stadt dahin.

 

20. September 2019

Wo sich Kuh und Schaf Gülle Gülle sagen

In Göreme starte ich mit langer Hose. Doch schon bald fahre ich wieder kurz/kurz. Es gibt ein paar steile Anstiege. Die Sonne kommt voll durch. Landschaftlich gefällt es mir zuerst weniger. Denn es sind überwiegend Ackerflächen, und es gibt nur wenig Grün. Dieses wird von Zuckerrüben dominiert. Nach den Anstiegen gelange ich auf eine Art Hochfläche. Sie gibt einen weiten Blick frei, und ich bin dann recht zufrieden am Weg. Ich finde einen super Platz zum Zelten, mit feiner Abendstimmung und tollem Aufwachen dazu. Ich mag den Blick durch das geöffnete Zeltdreieck nach außen. Mir gefällt, wie sich der Zeltstoff im Wind leicht kräuselt. Oder wie die Sonne den Raum füllt und wärmt und Lust macht nach draußen. Morgens zieht weit entfernt eine Schafherde vorbei. Einer der Hunde schaut auch bei mir vorbei. Es ist glaub eine Art Kontrollbesuch. Denn recht nah kommt er dann doch nicht. Oder ich bin rechtzeitig genug aus dem Zelt herausgekommen.

 

Das Fahren an diesem Tag gefällt mir sehr. Ich habe eine Route weit weg von der großen Hauptverbindung gewählt. Sie führt zwar durch Dörfer, in denen nichts los ist, und in denen ich auch nichts zu kaufen finde. Doch landschaftlich taugt es mir sehr. Mittags werde ich sogar eingeladen. Ein Türke aus Ulm spricht mich an, als er meine Bestellung von Reis mit Bohnen mitbekommt. Das Türkisch habe ich leider immer noch nicht drauf. Doch ich komme meist mit Hilfe anderer dennoch klar.

 

Am Abend suche ich in einer Kleinstadt ein Hotel. Trotz ein paar Schleifen durch den Ort finde ich es nicht. Ich entscheide mich wieder für eine Nacht im Zelt. Leider gibt es jetzt keine feinen Getreidefelder mehr, sondern nur karge, felsige Hügel. Ich halte bei einem Traktor an, der an einem der kleinen Weingärten steht. Die ausgestellten Traubenkisten machen Lust zum Kosten und auf ein Abendessen. Ich kriege einen ganzen kleinen Sack geschenkt. Es ist ein junger Türke mit langen Haaren und Hoody, der sie mir gibt. Ich freue mich sehr, genauso wie er über seine Gabe. Schon toll, dass man sich auch ohne Sprachkenntnisse fein austauschen kann.

 

Fürs Zelten entscheide ich mich für einen Platz etwas weiter weg von der Straße. Doch der Weg dorthin ist voller Dornen. Ich sehe das Ergebnis beim Pinkeln in der Nacht: Beide Reifen sind platt. Eine schöne Bescherung, die mich nicht gleich weiterschlafen lässt. Gleich bei Sonnenaufgang mache ich mich dann an die Reparatur. Sie gelingt nur halb. Vorne dürfte ich ein kleines Loch übersehen haben. Ich verliere leicht Luft, wie ich später merke.

 

Meine Route führt über ein paar steile, lange Rampen. Sie kosten mich ziemlich Substanz. Mit dem Gepäck sind die Anstiege gar nicht so fein zu fahren. Nach dem ersten Anstieg gerate ich auf einem kleinen Dorfplatz in eine Männerrunde. Sie versperren mir den Weg. Es sind Bauern. Ich muss bei ihrer Melonenverkostung mitmachen. Einer von ihnen war mal in Wien. Deshalb dauert die Konversation auch etwas länger. Ich bekomme dann noch eine Melone zum Mitnehmen, als Gastgeschenk. Zuerst ist sie mir ziemlich übrig, weil sie sehr schwer ist. Doch dann schmeckt sie mir nach der Abfahrt ausgezeichnet. Ich denke, ich habe sie fein reif geholpert. Und um diese Melone bin ich den ganzen Tag über sehr froh.

 

Ich bin irgendwo im Niemandsland auf einer Hochebene am Weg, wo es keinen Laden gibt. Die Dörfer bestehen meist aus nur wenigen Bauernhäuser, wobei sich oft Stall und Haus ziemlich gleichen. Und weil es fast unangenehm heiß ist, und ich auch immer wieder Schotterstraßen mit Anstiegen finde, komme ich reichlich am Zahnfleisch daher. Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich unterwegs nichts zu Essen und zum Trinken kaufen kann. Also dieser Teil der Türkei fordert mich als Radler sehr. Er ist glaub eher für Traktoren gemacht. Denn andere Fahrzeuge habe ich die letzten Tage nur wenige gesehen. Und die Sache mit den vielen Patschen nervt ebenfalls. Ich decke mich daher mit 2 zusätzlichen Ersatzschläuchen ein. Ich finde sie eher zufällig in Sivas in einem Sportgeschäft gleich neben meinem Hotel. Auch kaufe ich ein Reparaturset zum Flicken. Bei uns zu Hause sind nur wenige kleine Klebeflecken drin. Hier kriege ich eine Großpackung mit 48 Stück. Es flicken hier demnach auch Einheimische öfters, nicht nur ich.

 

21. September 2019

Es wird herbstlich

Mein Tag startet früh am Morgen mit Schlauchwechsel. Ich mache es in der Hotel-Lobby. Denn dort wird mir auch meist ein Abstellplatz für das Fahrrad über Nacht angeboten. Einige Gäste schauen etwas verwundert aus den Augenwinkeln zu, andere wieder ganz verlegen weg. Mich stört beides wenig. Ich bin zwischenzeitlich ja schon ziemlich geübt bei dieser Tätigkeit und schnell fertig. Nur das Pumpen ist etwas mühsam. Die breiten Reifen schlucken einiges weg. Im Zimmer tauche ich dann den Schlauch ins gut gefüllte Waschbecken, und siehe da, es blubbert ganz zaghaft, aber stetig. Also Flicken drauf, ab zum Frühstück, und dann los mit dem Rad.

 

Ganz erstaunt stelle ich fest, dass es in der Türkei auch regnen kann. Der Himmel ist ziemlich verhangen und es ziehen ein paar Schauer durch. Bei einer Tankstelle stehe ich unter. Ich trinke Cay und warte ab. Irgendwann starte ich dann doch. 10 Grad und leichtes Nieseln, nicht grad so fein. Doch mit dem Wind ist der Regen dann auch wieder schnell weg. Nur kalt bleibt es weiter. Mittags suche ich eine kleine Bude an der Straße auf, um mich etwas zu erwärmen. Die Suppe schmeckt gut. Nur das mit dem Erwärmen haut nicht hin. Bei einer der Gebäudeseiten sind die Fenster nicht verglast. Ok, es regnet wahrscheinlich selten hier, und im Winter haben sie vermutlich sowieso geschlossen, denke ich mir. Da braucht man also keine richtigen Fenster. Ich lasse den Tag dann eher schnell ausklingen. Eines der Hotelschilder am Weg macht mehr Lust auf eine Einkehr als ein Weiterfahren mit Gegenwind.

 

Es ist ein super feiner Morgen. Recht frisch, doch kitschig blauer Himmel und ein Braun der Landschaft in vielen Schattierungen. Und dazu hie und da etwas Grün von Bäumen, dort wo es Wasser gibt. Ich staune, wie schnell sich die Umgebung geändert hat. Irgendwie schaut es schon nach Herbst aus. Die Straße steigt stetig an und mit vielen langen Kurven komme ich gar auf 2.2oo Meter Höhe. Oben am Pass ist ein Posten der Jandarma. Großflächig mit Stacheldraht eingezäunt, die Zufahrt mit Betonblöcken verengt, die Fensterbänke mit Sandsäcken belegt, der Eingang mit einem Posten bewacht. Da wird mir bewusst, dass die Türkei viele Gesichter hat, und wo ich hier am Weg bin, und wer die Nachbarländer sind.

 

Ich radle da einfach so dahin, oder mitten durch die Türkei. Ich bin auf mich und das Radfahren fokussiert, und blende andere Dinge aus. Ich freue mich, wenn die Lastwagen- und Traktorfahrer hupen und winken. Oder wenn ich den Auslöser meiner Kamera höre, oder einen Juchzer von mir, weil es mir voll taugt. Ich freue mich, wenn das Ticken des Freilaufs der Nabe länger dauert, und wenn meine Fuhre rollend am Weg ist. Oder ich freue mich, wenn ganze Landschaftsbilder an mir vorbeiziehen, und rundum niemand zu sehen ist. Ja, so haben halt alle ihre eigene kleine Welt. Und zum Glück haben viele auch ganz verschiedene. Es ist ok, wenn meine etwas anders ist. 

 

Der Empfang im Hotel am Abend ist total nett. Statt dem Dreistern mit großer Reklame an der Straße habe ich ein Zweistern gewählt, das sich dazu noch ziemlich abgewohnt und muffig zeigt. Doch der Teenager-Sohn des Inhabers spielt voll motiviert Hotelmanager und ist sehr um mich bemüht. Ich freue mich mit ihm und am Blitzen seiner Augen, wenn ich seinen Erklärungen folgen kann. Beim Frühstück sind viele Männer mit Arbeitskleidung da, die anscheinend schon länger hier wohnen. Sie stärken sich für ihren Arbeitstag. Es gibt Brot aus einer Plastikbox, schwarze und grüne Oliven, gepressten Käse, Tomaten- und Gurkenstücke, hart gesottene Eier, Honig in der eigenen Wabe, und für jeden ein großes Glas Cay. Und das ist eigentlich auch immer mein Frühstück all die Zeit in der Türkei. Ich finde es ganz ok. Es geht mir dabei nichts ab. Ja, manchmal gibt es noch Melonenstücke dazu, und die sind echt lecker. Und in den besseren Hotels gibt es natürlich auch süße Backwaren. Nur die interessieren mich auch hier nicht.

 

Von der Passhöhe geht es durch ein langes Tal abwärts. Zuerst eher etwas steil, dass ich mir denke, da nicht hinauffahren zu wollen, doch dann in angenehm leichtem Gefälle. Es gibt nur wenig Verkehr und die Straße ist ganz breit, mit Seitenstreifen noch dazu. Die Sonne spiegelt sich in einem kleinen Fluss. Er mäandert schlangenförmig im Talboden dahin. Hie und da zeigt sich auch etwas Grün. Die Bergflanken sind erodiert. Sie geben wunderbare Pastelltöne frei. Mit dem knalligen Blau des Himmels könnte es schöner fast nicht sein. Ich genieße den Tag und die Farben, und freue mich. Das Radeln ist zwar auch manchmal anstrengend. Nur sind da so viele schöne Momente dabei, dass ich auf die Art nur allzu gern, vielleicht auch gar etwas danach süchtig unterwegs sein mag.

 

24. September 2019

Ich nehme einen Tag frei

Bei einem zweiten Frühstück mit Omlet, Limonata und Cay ziehe ich für mich Bilanz der 5.000 Kilometer oder der 2 Monate, die ich nun am Weg bin. Zuerst vielleicht etwas unter Druck losgefahren, eher sportlich orientiert, hat sich mein Rhythmus zwischenzeitlich geändert. Es ist eher ein Fahren geworden, einfach von Tag zu Tag. Und ein Schauen, was so kommt. Vielleicht auch ein mutiges Eintauchen in etwas Neues. Und ein Einlassen auf Etwas, das sich nicht kalkulieren lässt. In diesem Sinne beginne ich vielleicht auch ein paar neue Seiten an mir selbst zu entdecken. Lang genug bin ich ja nun ohnedies schon am Weg. Ich werde dann mal die nächsten Tage darüber nachdenken, wenn ich wieder am pedalieren bin, Tritt für Tritt, und Meter für Meter. Heute habe ich „frei“ genommen. Ich verwöhne mich zwar jeden Tag, doch heute höre ich mal auf die Ratschläge anderer, die mir das für diesen Tag vorgeschlagen haben …

 

Ich sitze in einem hippen Straßenlokal im Schatten von Bäumen. Rundherum ist noch nicht viel los. Ich höre türkische Schlagermusik aus einem Bose-Imitat über mir. Ich denke nach, wie ich den leichten Windhauch beschreiben könnte, dass er als etwas angenehm Umhüllendes spürbar wird, wenn man sich dazu noch das Zittern der Blätter und das Schaukeln der Äste vorstellt. Ich lehne mich zurück, und verschränke die Arme überm Kopf: Hey, 62 Jahre. Das wenige Grau schon weiß, irgendwo allein weit weg, die sportliche Natur erhalten, den Eigensinn dazu, leichte Abrundungen der Ecken und Kanten dennoch erkennend, mich am Leben freuend, so genieße ich den Tag. Und ich sage heute Danke an meine Familie und die vielen Freunde, die an mich denken. Schon fein, dieses eingebettet und verbunden sein, und das Nachspüren dazu, nicht nur heute.

 

27. September 2019

Pulsierendes männliches Treiben

Durch ein breites Tal fahre ich mit etwas Gegenwind an erodierten bunten Bergflanken entlang. Die landschaftlichen Reize halten sich sonst in Grenzen. Auf einem übermächtigen Schild an der Straße sehe ich einen Hinweis auf ein Hotel. Und wenn sich so ein Gedanke mal eingenistet hat, dann ist die Lust am Weiterfahren schnell gedämpft. Ich lande in einer Kleinstadt mit einer Kreuzung und einer Tankstelle als Zentrum. Die Bars oder Cafés rund herum sind von Männern dominiert. Es ist ein etwas eigenes Flair. Alles schaut etwas heruntergekommen aus, und doch herrscht große Umtriebigkeit. Sie dauert bis spät in die Nacht. Und dieselben Personen sehe ich dann auch gleich wieder in der Früh, als ich zeitig losfahre.

 

Ich kaufe Wasser und Orangensaft zum Mischen, dazu Brot, Tomaten, Paprika und Streichkäse. Weit außerhalb finde ich einen Platz im Feld für mein Frühstück. Die Sonne wärmt mir fein den Rücken. Ich habe freien Blick auf die Felder, und im Hintergrund sehe ich die Häuser der Stadt. Ich sitze am erdigen Boden und lasse es mir schmecken. Auch wenn ich ein reichlich gedecktes Buffet in einem Hotel sehr schätze, so ist mir ein improvisiertes Frühstückspicknick mitten in der Natur genauso lieb. Und wenn ich davor schon ein paar Kilometer gemacht habe, dann kann ich es noch mehr genießen.

 

Der Anstieg auf den Pass zieht sich. Ich komme oben total verschwitzt an. Fürs Runterfahren ziehe ich dann was Langes an. Es ist ziemlich kühl und leicht windig. Abwärts bin ich mit meiner Fuhre mit 65 Km/h recht flott. Ich muss dabei sehr konzentriert sein. Denn es tauchen immer wieder Verwerfungen im Asphalt auf. Oder er ist nur oberflächlich geflickt und manchmal sehr ruppig zum Fahren. Es schaukelt mich dann kräftig durch. Doch Abbremsen geht nicht. Ich mag den Schwung beim Übergang ins Flache mitnehmen. Denn nur Rollen ist auch schön. Da kann ich hie und da mein Gesäß etwas entlasten, oder die Beine durchstrecken und dehnen.

 

Nach Erzurum, einer größeren Stadt in Ostanatolien, führt aus dem Westen kommend eine ewig lange Gerade. Es schaut so aus, als ob ich gleich da wäre. Doch es dauert dann viel länger. Dafür habe ich reichlich Gelegenheit, die vielen Sportstätten zu bestaunen. Eine Doppelschanze für die nordischen Skispringer fällt mir schon von weitem auf, das Fußballstadion sowieso. Und gleich daneben weist ein riesengroßer Eishockey-Tormann auf eine Halle hin. Eine Leichtathletiklaufbahn gibt es auch, und dazwischen jede Menge Traktoren, die die Äcker umpflügen. Am Abend google ich dann im Hotel, was Kayak heißt. Denn solche Hinweisschilder gab es bei den Straßenkreuzungen einige. Skifahren kann man demnach hier auch. Und Google kennt auch den Hintergrund zu den vielen Sportstätten: 2011 fand hier die Winteruniversiade statt. Die Türkei hätte in ihr Prestigeprojekt mächtig investiert.

 

Am nächsten Tag ist die erste Steigung schnell geschafft. Und dann purzeln die Kilometer. Denn mit Rückenwind fährt es sich deutlich leichter. Wieder ohne Frühstück los, kehre ich heute unterwegs in einem Restaurant zu. Ich bekomme Linsensuppe. Und dazu die Anerkennung von Koch und Kellner, denn mein bepacktes Rad imponiert ihnen mächtig. Mir imponieren dafür die übergroßen, mandarinenförmigen Krautköpfe. Sie werden auf der Straße zum Kauf angeboten, oder werden von Pferdeanhängern auf Lastwagen und umgekehrt verladen. So große Krautköpfe habe ich noch nie gesehen. Es muss wohl eine Spezialität der Region sein. Denn in der nächsten Stadt geht das Treiben rund um diese Krautköpfe weiter. Doch dort ist noch viel mehr los.

 

Das einzige offene Hotel ist das Karaca. Es liegt unmittelbar an der großen Kreuzung mitten in der Stadt. Der Sohn des Inhabers macht gerade sein Studium fertig und kann auch Englisch. Ich bin dann ziemlich überrascht, als mich sein Vater auf Deutsch anspricht, als er die Eincheckformalitäten mitbekommt. Ja, so kann es einem gehen. Da komme ich über Tage hinweg mehr schlecht als recht über die Runden, weil meine Türkischfortschritte sich nur auf die Kilometer beziehen und nicht auf die Sprache. Und dann treffe ich ganz unvermutet auf Leute, mit denen ich mich auch unterhalten kann. Und das dazu noch in einem Nest, in dem es für mich recht abenteuerlich pulsiert.

 

Rund um die Kreuzung und ein paar hundert Meter der Straßenzüge spielt es sich ab, dass ich nur staune und staune. Da wird auf der Straße Beton angemischt, während daneben die Leute vor dem einzigen Bankomaten Schlange stehen. Da kann man in vielen kleinen Läden Obst und Gemüse kaufen, und daneben Möbel und alte landwirtschaftliche Geräte erwerben. Da sitzen Händler allein oder in Gesellschaft auf Getreide- und Düngemittelsäcken in kleinen Lagerräumen, und davor die Männer bei Cay in den Cafés. Da traben Pferdefuhrwerke rund um die Säule in der Kreuzungsmitte, und schwer beladene Lastautos hupen sich den Weg frei. Da kann man Ofenrohre in Meterware erwerben, und getrocknete Aprikosen und andere Kerne gleich daneben. Da gibt es uralte Telefone im Schaufenster des Kellerladens, und im Erdgeschoss den Bäcker mit ofenfrischen Sachen rund um die Uhr. Da rufen sie aus den Kebab-Läden ihre Menüs lautstark auf die Straße, und werden doch immer wieder vom Verkehr übertönt. Da sammelt sich Abflusswasser in einer Senke der Straße, und schwarz gekleidete Frauen mit Tschador hüpfen darüber. Da wird das Auto nicht in der Werkstatt, sondern gleich auf der Straße repariert, und die Ersatzteile dazu gibt es just in time aus den Läden um die Ecke. Da gibt es eine Ampel mit Rot und Grün, und einen Verkehrsfluss mit scheinbar dauerhaft gleicher Welle in alle Richtungen. Da plärrt der Muezzin alles dominierend durch den Lautsprecher, und das Handelstreiben geht dennoch emsig weiter. Da sitze ich im Restaurant und kriege Pide mit Gemüse, und dazu einen langen Hals vom Staunen. Wahrscheinlich ist es gar nichts Besonderes, was ich da sehe. Nur sitze ich sonst am Rad und suche nicht das Treiben in der Stadt. Und wenn ich es dann sehe, so wie hier, dann bin ich davon schwer beeindruckt. Pulsieren fällt mir dazu ein, und das auf eine ganz eigene Art. Sie ist jedenfalls männlich bestimmt. Denn Frauen sehe ich auf der Straße kaum, und unter den Händlern und in den Cafés eigentlich nie. Ja, ich bin schon ziemlich weit im Osten der Türkei, denke ich mir, beim Blick auf die Karte am Abend.

 

30. September 2019

Um den See herum, kräftig hoch, fein hinunter

Puhh, jetzt bin ich schon einen ganzen Monat in der Türkei am Weg. Die Grenze zu Armenien und Georgien ist bereits nahe. Der Weg dahin führt mich durch ein enges Tal. Ein Fluss hat sich dort ein Bett geschaffen. Er windet sich spektakulär durch die Landschaft. Beim Einkaufen unterwegs meinte einer, mich mit meiner kurzen Hose musternd, dass es Schlechtwetter gibt und ich aufpassen soll. Tatsächlich wurde ich dann von einem Wetterumschwung überrascht. Zum Glück war ich gerade bei einer Wegkreuzung mit ein paar Geschäften. Ich konnte unterstehen. Denn binnen Minuten war ein kräftiges Gewitter da und ließ auf der Straße Bäche entstehen. Doch so schnell wie es gekommen war, war es wieder weg. Es hellte auf, und ich konnte weiterfahren. Ich gelangte auf eine weite Hochebene auf ca. 2.000 Meter Höhe. Große Viehherden dominierten das Bild. Manchmal kam ich den Hirten mit Winken zuvor. Doch meist riefen oder pfiffen sie schon von weitem als erste. Es war zwar immer nur ein kurzer Kontakt, für mich aber motivierend, und wohl für beide Seiten eine feine Abwechslung. Denn viele sind da im Osten der Türkei nicht am Weg, so wie ich. Mit Rückenwind und mehreren Regenbogen ging der Tag dann zu Ende. Ich habe ihn richtig genossen. Das Fahren in einer so großen Weite hat ein ganz eigenes Flair.

 

Der Winter würde bald kommen, und damit auch die Kälte, sagte der Mann an der Rezeption am Morgen im Hotel. Und tatsächlich fühlte es sich recht frisch an, in kurzer Hose. Doch bei einem verlassenen Haus sorgten zwei Hunde, dass mir schnell wieder warm wurde. Ich hatte mächtig Respekt und bin vom Rad gesprungen. Das wiederholte sich an diesem Tag einige Male. Denn immer wieder kam ich an Bauernhöfen vorbei. Dort gehören Hunde einfach dazu, wie die vielen Misthaufen rund um die Häuser und die Ställe, und die vielen Gänse. Sie sind es meistens, die die Hunde mit ihrem Schnattern auf mich aufmerksam machen, und damit für Action sorgen, als Abwechslung beim Radeln.

 

Etwas Abwechslung gibt es auch, als ein Auto plötzlich auf gleicher Höhe fährt und mich jemand durch das Seitenfenster anspricht. Es wären nur Deutsche oder Österreicher mit dem Rad am Weg, höre ich von einem Mann aus Köln sagen. Er ist mit seiner Familie auf Heimaturlaub. Sie machen mit den Eltern einen Ausflug zum großen See, der auch mein Ziel an diesem Tag ist. Der Cildir Gölü ist ein wahres Juwel auf 2.000 Meter Höhe. Ich brauche einen halben Tag, um die eine Uferseite zu umrunden. Immer wieder bleibe ich staunend stehen. Es taugt mir voll, da oben. Mit dem wechselnden Sonnenstand zeigt sich der See immer wieder anders. Mit den weißen Wolken am Himmel ist sein Blau fein anzuschauen, ebenso wie die vielen Viehherden rund herum. Ein Hirte mit Jungvieh sagt auf mein Fragen, dass seine Herde mehr als 200 Stück groß sei. Etwas weiter weg vom Ufer gibt es rund um den See viele kleine Bauernnester. Sie schauen meist alle gleich aus. Das Stroh und den Mist mit blauen oder gelben Planen abgedeckt, sind sie ihre Wellblechhütten schon von weitem leicht zu erkennen. Abends lande ich in einem Hotel, das durch Pfuschhandwerk erster Güte glänzt. Ja, das gehört irgendwie auch zur Türkei: Am Land sind die Standards anders, und wohl auch die Ansprüche oder Mittel geringer. Doch schlafen tue ich dennoch gut, mit den feinen Bildern vom Cildir Gölü im Kopf.

 

Am Morgen ist das Wetter dann gänzlich anders. Es gibt Nebel und ich starte bei 4 Grad. Irgendwann ziehe ich gar die Handschuhe an und überlege, ob ich den Tag abbrechen soll. Doch bei der entscheidenden Abzweigung schaut es wieder besser aus und ich fahre weiter. Ich freue mich, denn beim Anstieg auf den großen Pass auf 2.500 Meter wärmt mir die Sonne den Rücken. Ich fahre mit kurzer Hose und kurzem Shirt und bin dann mächtig stolz, als ich oben am Pass Rast mache. Es ist die Straße nach Georgien und es sind kaum Autos am Weg. Ich habe den Pass für mich alleine. Die Abfahrt ist dann genial. Nicht weil es so flott hinunter geht, sondern weil sich plötzlich die Landschaft wieder ändert. Es gibt Bäume, ich bin ganz perplex. Sie zeigen sich in den schönsten Herbstfarben. Ich bin davon ganz begeistert. Denn die Wochen zuvor dominierten eher Brauntöne das Bild, und Kargheit die Landschaft. Und jetzt schaut es plötzlich wieder grün und üppig aus, auch mit den Farben. Fein, finde ich, so ein Abschluss eines ganzen Monats in der Türkei. Denn morgen schon geht es gleich über die Grenze nach Georgien.