den Balkan runter

10. August 2019

Aufbruch aus Wien - etwas schwierig

Der Aufbruch aus Wien gestaltet sich ein wenig schwierig. Ich ordne meine vielen Sachen und überlege, was ich denn wirklich mitnehmen soll. Was hat Platz in den 4 Packtaschen? Wahrscheinlich viel zu viel, denke ich mir, als ich mich mit Sack und Pack und Rad auf die Waage stelle. Sie zeigt fast 100 kg Systemgewicht. Mit so viel war ich noch nie am Weg. Bei mir selber und beim Rad geht nicht mehr viel zum Abspecken. Also doch ein wenig beim Gepäck. Irgendwann bin ich dann einfach des Überlegens müde und lasse es so wie es ist.

 

Am Morgen gibt es dann noch eine Umarmung von meinem Sohn. Ich war die letzten paar Tage bei ihm. Mit den besten Wünschen mache ich mich auf Richtung Osten. Eine schwere Fuhre, doch ich bringe sie jedenfalls in Bewegung. Ich rolle.

 

Bratislava - es ist heiß und ich fahre vorbei

Der Tag ist drückend heiß. Das mag ich nicht so sehr. In Hainburg kehre ich mittags beim Goldenen Anker ein. Es sind alle Tische reserviert, also setze ich mich zu einem älteren Herrn aus Wien. Er erzählt, dass er auch mal ein Fahrrad gehabt hätte. Es sei ein 4-Gang gewesen von einer niederösterreichischen Firma, die es wohl nicht mehr gebe. Wie er auch das Rad nur ganz kurz gehabt hätte. Sein Bruder habe es irgendwo nach einem Plattfuß stehen lassen und nie mehr gefunden. Und er hätte 2 Jahre auf das Rad gespart, das könne man sich heute nicht mehr vorstellen, wie es damals war. Irgendwann war ich dann mit meinem Eierschwammerlrisotto fertig. Ich fragte mich, welche Geschichten ich wohl mit achtzig Jahren anderen erzählen werde, von meinen Rädern, und Reisen, und überhaupt.

 

Bratislava am frühen Nachmittag zeigt sich drückend schwül und mit vielen Touristen. Doch ein paar Radler sind auch am Weg. Ich mache auf einem der Parkbänke am Donauufer im Schatten kurz Rast. Dann entscheide ich mich für ein Weiterfahren. Am Donauradweg geht es flott dahin. Und die wenigen Schotterpassagen bügelt das Rad mühelos weg. Ich finde am frühen Abend ein Hotel in Donaunähe. Doch eine Radgarage haben sie keine. Das empfohlene Abstellen im Freien vor dem Eingang war mir dann zu unsicher. Also habe ich es am Abend mit aufs Zimmer genommen. An der Rezeption war schon der Nachtportier. Ihn hat es nicht gestört, als der Freilauf des Hinterrades in der Lobby beim Vorbeischieben recht laute Geräusche von sich gab.

 

12. August 2019

Donauradweg - reichlich unspektakulär

Ich fahre den Donauradweg entlang. Es geht mit wenigen Biegungen meist nur gerade aus. Als Abwechslung bleibt nur das Kurbeln. Irgendwann komme ich dann auf einen unbefestigten Weg. Und plötzlich liegt meine Fuhre auch schon da. Statt etwas gepresstem Schotter war es nur noch loser Sand, in dem mein Hinterrad wühlte und das Vorderrad keinen Grip mehr fand. Mit etwas Mühe bin ich vor dem Sturz noch aus den Clips gekommen und seitlich weggesprungen. Puhh, grad nochmals gut ausgegangen. Und gut ausgegangen ist an diesem Tag auch meine Zimmersuche. Sie hat zwar länger gedauert, und ich bin einige Kilometer mehr gefahren als geplant. Doch so einfach in einen Ort hineinfahren und was finden wie bei uns spielt sich hier nicht mehr. Und das Nachfragen auf Ungarisch habe ich auch noch nicht drauf.

 

Budapest - es ist schon wieder drückend heiß

Der Radweg vor Budapest führt zwar am Donauufer entlang, doch fein zu fahren ist er nicht. Es rottelt einen immer wieder kräftig durch. Wenn da nicht hie und da ein paar kleine Radwegschilder gewesen wären, hätte ich fast an der richtigen Route gezweifelt. Doch das Ausweichen auf die größeren Straßen war auch keine gute Alternative. Da war mir entschieden zu viel los. In Kombination mit dem heißen Wetter hab ich dann einen kleinen moralischen Hänger entwickelt. Die Rohloff-Nabe zeigt in den unteren Gängen ein nerviges, mahlendes Geräusch. Ich bin es nicht gewohnt. Es stört mich an diesem Tag sehr. Erst als ich aus der Stadt draußen bin geht es wieder flotter voran. Auch zeigt sich die Landschaft wieder von jener Seite, die ich mag: Sonnenblumenfelder und Maisfelder wechseln sich ab. Der Himmel ist fein blau. Die Straßen zeigen kaum Verkehr. Ja, so passt es mir wieder. Und als ich dann auch noch rasch ein Hotel finde, ziehe ich zufrieden Bilanz. Und das noch vor der erfrischenden Dusche und der ungarischen Pizza im Restaurant.

 

13. August 2019

Ein schwammiger Vorderreifen

Die Straße zeigt sich so wie auf der Landkarte erwartet. Übers Land nur gerade. Hie und da eine Kreuzung und dann wieder alles gerade. Die Temperatur ist am Vormittag erträglich. Ich mache flott die ersten 60 Kilometer, so als ob es nur ein Aufwärmen wäre. Es gefällt mir, wie das schwer bepackte Rad dahinrollt, wenn man es in Bewegung hält. Doch irgendwann schaukelt es immer wieder etwas komisch auf. Ich denke, es liegt an den Asphaltrillen auf der Straße, und weiche den Unebenheiten eher aus. Doch es kommt immer wieder, dass es sich ganz schwammig anfühlt. Und dann sehe ich es auch, dass der Vorderreifen schon reichlich platt dasteht. Ok, also der erste Patschen, obwohl ich ja ganz spezielle Tubolito-Schläuche habe. Im Reifen ertaste ich nichts Spitzes, das Mikroloch finde ich dann dennoch schnell. Zu sehen ist es zwar nicht, doch den Luftzug erspüre ich mit dem Gesicht ganz deutlich. Also das habe ich mir so nicht vorgestellt. Denn flicken kann ich das Ding mit meinem konventionellen Flickzeug nicht. Und spezielle Tubolito-Kleber habe ich keine dabei. Ich montiere einen Ersatzschlauch und entscheide mich für eine Lösungsfindung am nächsten Tag. Da sollte ich ja bei einer größeren Stadt vorbei kommen. Ich bin gespannt, wie sich die Schlauchsuche dann abspielen wird.

 

14. August 2019

Ich finde einen Fahrradladen

Als ich am Morgen kurz nach 8 Uhr losfahren will, fängt es an zu regnen. Ich warte auf der überdachten Terrasse ab. Irgendwann packe ich dann mein Notebook aus und schreibe am Tagebuch. Tropf, tropf, tropf, macht es auf dem Dach, und klick, klick, klick auf meiner Tastatur. Ganz übereinstimmen will der Rhythmus jedoch nicht. Nach 2 Stunden ziehe ich meine Regenkombi über und fahre los. Zum Glück ist es nur noch leichter Nieselregen, der auch bald wieder aufhört.

 

Weil ich ohne Frühstück los bin, decke ich mich unterwegs in einem Coop-Laden ein. Brot, Paprika, Käse, Tomaten, Wasser und Eistee stehen auf dem Kassenzettel, und kurz darauf auch auf dem Tisch vor dem Laden. So richtig freundlich sind die Leute hier nicht. Sie gehen alle grußlos an mir vorbei in den Laden. Es scheint ein anderer Menschenschlag zu sein als bei mir zu Hause. Doch wenn man sie direkt anspricht, dann gibt es doch immer wieder ein Staunen.

 

In Szeged hilft mir eine junge Frau in perfektem Englisch weiter, als ich sie nach dem Weg zu einem Fahrradgeschäft frage. Und der junge Verkäufer dort fährt mit mir zu einem weiteren Laden, weil er selber nur noch einen Schlauch in der Größe 27,5 Zoll hat und nicht zwei. Er musste zwar ohnedies dort hin, doch nett ist die Begleitung jedenfalls. Er erzählt, dass er schon 10 Fixies habe, die ihm von allen Rädern am besten gefallen. Mein Reiselaster gefällt ihm auch, zumindest ein bisschen. Und dass ich Tubolito-Schläuche fahre, findet er lustig. Er selbst ist von ihnen wenig begeistert. Ich seit den letzten 2 Tagen eigentlich auch nicht. Denn beim Checken des Reifendruckes zeigt es nur noch die Hälfte vom Vortag an. Ich pumpe auf einer Tankstelle nach und schau was sich weiter tut. Wechseln kann ich ja jetzt immer, denke ich mir, ich habe ja Ersatz gekauft.

 

Es fängt wieder leicht zu nieseln an. Darum suche ich schon früh nach einer Unterkunft. Ich lande auf einem kleinen Bauernhof. Von der Ortstafel bis zur Unterkunft waren es sicher an die 10 Hinweisschilder, die mich zur Lila Akac leiteten. Der Inhaber zeigt mir stolz seinen Ziegenstall und wie er die Tiere mit Mais füttert. Abends erhalte ich ein super cooles Selfie von Freunden zugesendet. Sie haben sich in Leibnitz in der Steiermark getroffen. Ich freue mich sehr. Zum einen, weil alle auf dem Bild so gut drauf sind und strahlen. Und zum anderen, weil das Bild für mich bestimmt ist. Fein, die Aktion, und fein, diese Freunde.

 

16. August 2019

Rumänien, eine freundliche Begrüßung

Die letzten Kilometer in Ungarn fahre ich auf einem superfeinen Radweg. Und die Begrüßung nach der Grenze in Rumänien ist äußerst freundlich. Vor einer Rollfähre komme ich mit einem Autofahrer ins Gespräch. Er trägt einen Puntigamer Bierbauch und erweist sich als Rumäne, der in Graz wohnt. Die Fähre ist gratis, denn wenn er in sein Dorf heimkommt, dann gibt es immer was zu feiern. Weiter bis Timisoara ist noch alles pipifein. Ich esse Polenta mit cremigem Käse. Ich meine, noch nie so ein köstliches Gericht bekommen zu haben.

 

Doch am nächsten Tag schon zeigt Rumänien ein ganz anderes Gesicht. Ich habe eine Route übers Land gewählt. Dort erweisen sich die Straßen als grässlich. Auch komme ich mit den kleinen Dörfern und den Verhältnissen dort noch nicht so recht klar. Der Übergang war anscheinend zu schnell und zu krass. Fotos mag ich gar keine davon machen. Es kommt mir etwas komisch vor, die Menschen auf ihren Fuhrwerken oder vor ihren desolat wirkenden Häusern abzulichten. Auch finde ich es unverständlich, dass sie ihren Plastikmüll einfach nur am Wegesrand mitten im Dorf verbrennen.

 

Auf einer Steigung im Wald findet mich ein Fliegenschwarm. Weil es so steil ist, komme ich nur langsam voran. Rund um mich surrt es plötzlich. Ich brauche die eine Hand statt zum Fahren die ganze Zeit als Fliegenwischer. Erst als ich oben wieder Fahrt aufnehmen kann, sind auch die Fliegen wieder weg. Unterwegs kaufe ich Wasser und Verpflegung in den kleinen Dorfläden. Ihr Sortiment ist überschaubar. Und weil die Verständigung sprachlich etwas schwierig ist, bleibt es meist bei Obst, Paprika, Tomaten, Brot und Käse. In einer größeren Stadt sind die beiden Hotels leider schon belegt. Eine gute Gelegenheit also, um mal mein Zelt auszupacken. Etwas abseits in einer Talsenke finde ich einen passenden Platz. Ich schlafe ziemlich gut. Nur am Morgen muss ich recht lange warten, bis die Sonne den vielen Tau wieder aufgetrocknet hat.

 

18. August 2019

Schlaglöcher und sonst nichts

Bis zur nahen Donau wähle ich wieder eine Route übers Land. Sie erweist sich als echt mühsam zu fahren. Es holpert und holpert. Dazu ist auch noch Slalomfahren obligatorisch. In der Mitte geht es selten, und am Rand meist nur wenn man immer wieder die Seiten wechselt. Und wenn mal ein Stück asphaltiert ist, dann meist so, dass einem die Schotterstraßen noch viel lieber sind. Dafür sind nur ganz wenige Autos am Weg. Sie fahren einen ähnlichen Zickzackkurs wie ich.

 

An der Grenze zu Serbien ist der Übergang ziemlich abweisend. Lustig finde ich, dass die Fahrspur zur Postenkabine nicht fahrerseitig angelegt ist. Die Autofahrer müssen alle aussteigen und mit ihren Dokumenten rund ums Auto zum Posten gehen, der sitzend in seiner Kabine wartet. Anscheinend ist der Übergang nur für Radfahrer ausgelegt. Und auch die Straßen sind jetzt wieder fahrradtauglich. Ich wechsle mit einer Fähre über die Donau und fahre am rechten Donauufer entlang.

 

So schnell wie ein Ausflugsschiff

Am Morgen wecken mich entfernte Jagdschüsse in meinem Zelt. Ich denke, das gehört wohl zu Serbien dazu. Zum Frühstück gibt es etwas ganz Leckeres: In einer Bäckerei bekomme ich knusprigen Blätterteig gefüllt mit Spinat und Käse. Das schmeckt mir ausgezeichnet.

 

Die Donau erweist sich hier in Serbien als mächtiger Strom. Die beiden Uferseiten sind weit voneinander entfernt. Die Straße führt entlang der Donau angenehm durch kleine Wälder, die am Vormittag feinen Schatten spenden. Und von den Hügeln bieten sich tolle Ausblicke auf das Blau des Flusses. Zirka 40 Kilometer fahre ich so immer auf gleicher Höhe wie das Ausflugsschiff Chrystal. Doch irgendwann ist es dann doch schneller als ich mit meinem Raddampfer. Kurz nach Mittag mache ich Schluss. Die Entfernung zur nächsten Ortschaft ist mir etwas zu weit. Ich finde eine kleine Pension mit Balkon am Donauufer. Die Stimmung am Abend nach Sonnenuntergang ist fast wie am Meer.

 

20. August 2019

Eisernes Tor - und das gleich 2-mal

Die Straße führt nach frühem Start am Morgen angenehm im Schatten am rechten Donauufer entlang. Hie und da gibt es ein paar Kuppen, doch meist geht es flott dahin. Und dann zeichnet es sich von weitem schon ab: Das Eiserne Tor, der Durchbruch der Donau im Nationalpark Derdap in den südlichen Karpaten. Man fährt hier ganz oben am Berg. Der Blick auf die kitschig blaue Donau hinunter ist ziemlich schön anzuschauen.

 

Gleich danach wird die Donau wieder breit und das Gelände flach. Ich erreiche Bulgarien. Am Grenzübergang ist nichts los. Die Beamten sind auf beiden Seiten sehr freundlich. So ein Grenzübergang ist immer wieder total spannend. Weil man auf der anderen Seite meist was anderes vorfindet. Hier sieht man es an den Häusern und den Straßen, die eher einen tristen Eindruck vermitteln. In der nächsten Stadt holt mich das Eiserne Tor auf andere Art wieder ein: Die bulgarischen Schriftzüge auf den vielen Schildern in der Stadt Widin bleiben mir nämlich verschlossen. Ich bin ziemlich überfordert mit diesen für mich komischen Buchstaben. Fürs Wechseln meiner restlichen Lei und Dinar brauche ich eine Bank und eine Wechselstube. Obwohl Nachbarländer, wollen sie lieber nur Euro wechseln und andere Währungen nicht. Doch das war in Rumänien auch nicht anders.

 

Am frühen Nachmittag kehre ich an einer Straßenbude am Donauufer ein. Es ist heiß. Daher mache ich Pause. Doch da braucht es Geduld. Eine Familie vor mir ordert Kaffee. Und der tröpfelt wirklich nur Tropf für Tropf aus der Maschine. Es scheint jedoch niemanden zu stören. Außer mir warten alle ganz geduldig. Aha, denke ich mir, wieso muss so etwas denn unbedingt schnell gehen? Ich bin ja sowieso kein Kaffeetrinker, und eigentlich auch nicht mit Eile am Weg. Also kann auch ich geduldig warten.

 

Für die Nacht finde ich ein Motel. Die Entfernung zur nächsten größeren Ortschaft ist mir an diesem heißen Nachmittag zu weit. Auf der Terrasse isst ein Mann in blauer Montur Pommes mit Schnitzel. Er kennt sich in Österreich und Deutschland ganz gut aus. Denn er fährt alle 2 Wochen dorthin. 3 Millionen Kilometer habe er auf die Art schon gemacht, mit seinen Autotransporten nach Bulgarien. Und Waschmaschinen und anderes Zeug habe er für seine Familie auch schon mitgenommen. Nur Fahrräder noch nie. Er meint, dass er morgen früh sicher schon in St. Valentin bei Linz sein wird. Dass ich mit dem Fahrrad am Weg bin, beeindruckt ihn sichtlich. 

 

Ein superfeines Sträßchen

Ich wähle eine Route durch ein abgelegenes Tal. Die wenigen Dörfer zeigen sich so wie die Tage davor. Armenhaus Europas war in einer zufällig entdeckten Zeitschrift über Bulgarien zu lesen. Landschaftlich ist es sehr schön. Doch von dem allein kann man wohl nur auf einem äußerst bescheidenen Standard leben. Und so mag ich gar keine Fotos machen wenn ich durch die Dörfer rolle. Ich mag es selber auch nicht, wenn mich irgendwelche Touristen zu Hause abknipsen wollen. Heute wären es hier ein paar tolle Schnappschüsse gewesen. Es war anscheinend Markttag, und da war einiges los.

 

Gefallen haben mir auch die kleinen robusten Pferde, die meist recht schnell trabend allerlei Fuhrwerke und Ladungen durch die Dörfer ziehen. Ich glaube, sie freuen sich selber auch über ihr Hufgeklapper. Jedenfalls schauen sie meist recht keck drein. Die Straße ist über viele Kilometer neu geteert und ich mache auch einige Höhenmeter. Es gefällt mir sehr, ohne Verkehr durch diese Landschaft zu fahren. Hie und da geben die Bäume und Sträucher am Wegesrand etwas Schatten. Es ist fast niemand am Weg. Ich genieße diesen Abschnitt und freue mich. 

 

Mittags kehre ich in einem Gasthaus ein. Hotel stand auch noch drauf. Auf der Terrasse machen einige Arbeiter Pause. Man braucht hier zum Essen viel Zeit. Die scheinen hier alle zu haben. Es geht ganz gemächlich zu. Und alle sind am Tschicken, grad dass sie die Zigaretten beim Essen kurz zur Seite legen. Ja, das fällt mir hier auf, und das war auch schon in Rumänien und Bulgarien so. Rauchen scheint sehr verbreitet zu sein. Doch wenn man nach einem Ranking googelt, dann ist Österreich mit einem noch höheren Zigarettenkonsum gelistet. 

 

22. August 2019

Ersten Balkanpass respektvoll angegangen

Auf der Karte habe ich die Straße über die Gebirgskette Richtung Sofia angeschaut. Die vielen Kehren sind mir sofort ins Auge gestochen, ebenso die Höhenmeter. Ich bin mit entsprechendem Respekt losgefahren. Unterwegs habe ich mich bei einem der Straßenverkäufer mit frischen Himbeeren eingedeckt. Denen kann ich selten widerstehen. Die Steigung war dann von unten bis oben sehr gleichmäßig. Ich konnte im selben Gang durchfahren. Die mächtigen Buchen an der Straße spendeten Schatten und es war erstaunlich gut zu fahren. Auch das Mahlen der Rohloff-Speedhub wurde zu einem zwar nicht gesehnten, jedoch zwischenzeitlich akzeptierten Geräusch. Nur der viele Verkehr hat mich etwas gestört. Die Lastautos konnte ich immer schon ein paar Spitzkehren ober mir hören, wenn deren Motorbremse einsetzte. Und dass sie darüber hinaus auch ihre anderen Bremsen benötigten, konnte ich auch noch ein paar Spitzkehren weiter riechen. Doch am Pass oben war ich mächtig stolz. Mit dem vielen Gepäck immerhin 1.300 Höhenmeter am Stück geschafft. Das ist auch in den Westalpen ein ansehnlicher Wert. 

 

Gleich auf der Passhöhe bin ich bei einer kleinen Imbissstube eingekehrt. Es gab 2 Teller leckere Bohnensuppe. Und dazu auch noch eine deutsche Telefonnummer, falls ich in Bulgarien mal Schwierigkeiten hätte. Mitko, ein Paketzusteller aus Freiburg in Deutschland, hat sie mir gegeben. Ich saß an seinem Tisch und wir sind ins Gespräch gekommen, als ich mich über sein Ziegenjoghurt im kleinen Tontopf erkundigte. Es sei eine bulgarische Spezialität. Die meisten Autofahrer, die hier Stopp machten, kamen mit so einem Tontopf wieder aus der Imbissstube heraus. Ich habe dann ein wenig von Mitkos Joghurt gekostet. Doch ganz überzeugen konnte es mich nicht. Es schmeckte ähnlich wie Kefir. Eigentlich schon ok, nur einen ganzen Topf davon wollte ich dann aber nicht haben.

 

Auf der Weiterfahrt nach Sofia ging es fein bergab. Doch ein paar kräftige Schnapper waren dennoch mit drin, sogar mit 10 Prozent angeschrieben. Die Steigungen waren in der Nachmittagssonne und mit meinen müden Beinen ziemlich schweißtreibend. Egal, ich konnte mich über meinen ersten Balkanpass freuen. Abends bin ich in Sofia in einem türkischen Restaurant eingekehrt. Und nach dem Essen habe ich wie alle anderen rund herum orientalisch am Cay genippt. Ein erhabenes Gefühl, Tee auf die Art aus den kleinen Gläsern mit den gemusterten Untersetzern zu trinken.

 

25. August 2019

Plovdiv, Kontrast zum Land

Das Rausfahren aus der Hauptstadt ist etwas mühsam. Doch das ist es in den meisten Städten, genauso wie das Reinfahren. Die Straße durch die Vororte ist mehr als nur holprig. Doch irgendwann erreiche ich die ersten Hügel und die Landschaft ändert sich. Es geht wieder mehr auf und ab. Die Route schlängelt sich zwischen den Hügeln durch. Kaum Verkehr und von den Bäumen noch etwas Schatten. Obwohl sehr heiß, ist es dennoch fein zum Fahren. In einem Mini-Market kaufe ich Brot und Käse, Tomaten und Paprika. Es kostet nicht viel. Vor dem Eingang solcher Läden stehen meist überall ein paar Sonnenschirme und Plastiktische und Stühle. Oder es finden sich Bäume, die Schatten spenden. Und es sind immer Männer die da sitzen. Und es ist immer Bier am Tisch. Und geraucht wird sowieso. Das wiederholt sich in jedem Ort. Geöffnet haben sie glaub rund um die Uhr, jedenfalls wenn ich am Weg bin. Recht früh schaue ich mich nach einem Zeltplatz für die Nacht um. Bei einem abgeernteten Getreidefeld und einer großen Eiche passt es mir. Das Zelt ist rucki zucki aufgestellt. Ich genieße den Blick durch das ovale Netz nach außen, und lausche den Geräuschen, ehe es still wird mit der Nacht.

 

Vor Plovdiv wird die Landschaft wieder flacher und bietet weniger Reiz. Es ist heiß. Die Einfahrt nach Plovdiv ist kilometerlang beflaggt. Welcome together, European Capital of Culture, ist zu lesen. Ich finde den Weg in die Altstadt und staune ob der hübschen Gässchen. Es ist Sonntag. Es sind recht viele Leute unterwegs. Mit den bunten Farben in den Straßen wirkt alles wie rausgeputzt und ist fein anzuschauen. Im Hotel fragt mich die Rezeptionistin nach der Nummer meines Bikes. Es geht um einen Garagenplatz. Sie staunt, dass mein Bike keine Nummer hat. Mit dem Hinweis, dass mein Bike ein Bicycle ist, stellt sie mir dann schmunzelnd eine Bestätigung aus, mit der ich in die Tiefgarage komme. Es kämen mehr Motorradfahrer als Radfahrer, ist ihre Erklärung. 

 

27. August 2019

Hügelige Landschaft mit Muezzin

Die Straße aus Plovdiv raus ist zweispurig und hat einen breiten Seitenstreifen. Ich fühle mich trotz des vielen Verkehrs sicher. Nach den nächsten paar Ortschaften wird die Straße wieder schmäler, der Verkehr weniger. Doch was dennoch nervt ist der Asphalt. Er ist aufgebrochen noch und noch. Es fährt sich wie auf Pflastersteinen. Ich bin so hoppelnd bald 2 Stunden am Radeln. Neben der Straße ist ein kleiner Streifen frisch gemäht. Ein Traktor ist vor mir am Weg. Was im hohen Gras und in den Büschen nicht so sichtbar ist, liegt jetzt fein aufbereitet am grünen Rasen: Plastikabfälle. Sie bleiben auch nach dem Mähen liegen. Und bei jeder kleinen Ausweiche, die auch als Parkplatz genutzt werden kann, findet sich dann noch anderer Müll. Unterwegs alles einfach wegzuwerfen scheint hier üblich zu sein. Und manch großer Abfallcontainer schaut selber schon so aus, als ob er mitten im Müll rundherum auch auf seine eigene Entsorgung warten würde. Also das gefällt mir ganz und gar nicht, wie hier mit dem Abfall und der Natur umgegangen wird.

 

Die Landschaft ist längst wieder hügelig. Die Steigungen machen mir in der Hitze sichtlich zu schaffen. Ich bin froh, dass im Nirgendwo eine Straßenbude auftaucht. Und der Wirt freut sich auch, dass ich bei ihm einkehre. Er verbindet Österreich mit Skifahren und erzählt von Ingemar Stenmark. Wir müssen beide lachen. Dann zündet er sich eine Zigarette an, trinkt an seinem Bier weiter, und tippt auf seinen Bauch: Ich Bulgare, nix sportivo. Solch kleine Unterhaltungen freuen mich. Sie sind Abwechslung zur eher schweigsamen Zeit auf dem Rad. Zum Verkauf bietet er auch Waldhonig an. In der Sonne sind die aufgeschlichteten Gläser mit ihrer dunklen Farbe fein anzuschauen. In einige hat er zur Hälfte noch Walnüsse eingelegt. Die soll ich nehmen, meinte er, die seien gut fürs Radeln.

 

Weil es so heiß ist, suche ich schon recht früh einen Zeltplatz. In den kleinen Ortschaften ist selten eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden. Ich biege in einen Feldweg ein und meine, einen guten Platz gefunden zu haben. Doch es taucht schon bald ein Hirte mit seiner Viehherde auf. Und 2 Jungs testen ihre Mopeds im Gelände. Ich entschließe mich dennoch zu bleiben, weil mir die Umgebung gefällt. Beim Pinkeln fällt mir ein Erdloch auf. Geneigt hinein zu zielen unterlasse ich es dann doch: Ich sehe nämlich eine Schlange eingeringelt in dem Loch. Daraufhin ziehe ich meine Schuhe wieder an und verzichte aufs barfuß laufen. Kurz nach 5 Uhr und kurz nach 8 Uhr höre ich aus dem Dorf weiter unten den Muezzin: Aha, denke ich mir, dann fängt wohl der muslimische Teil Europas jetzt an.

 

Ich bin auf schmalen Straßen am Weg. Wegen der vielen Hügel ist es ein ständiges Auf und Ab. Vor einem Dorfladen spricht mich ein Ornithologe aus Berlin an. Er sei jedes Jahr 3 Wochen hier in der Gegend. Denn manche Vogelarten gäbe es nur noch hier. Auch habe er sein Spektiv mit 40-facher Vergrößerung schon der Borderpolice angeboten. Deren Fahrzeuge sehe ich dann auch immer wieder auf den Straßen.

 

Bei den Steigungen nerven mich die vielen Fliegen in jedem Waldstück. Mein Schweiß scheint eine magische Anziehungskraft auf sie zu haben. Ihr Schwirren rund um mein Gesicht ist kaum auszuhalten. Ich bin dann jedes Mal froh, wenn ich wieder mehr Fahrt aufnehmen kann. So bis 20 km/h können die Fliegen mithalten. Und wenn der Wind etwas stärker bläst, das mögen sie auch nicht. Das gefällt wieder mir sehr gut. Es fühlt sich erfrischend an, wenn eine stärkere Brise einem etwas Abkühlung verschafft. Obwohl es wieder ein sehr heißer Tag mit recht viel Höhenmetern ist, fahre ich bis nach Ivaylovgrad nahe der griechischen Grenze. Auf der Karte sind Hotels eingezeichnet. Daher zieht es mich dahin, der Dusche wegen.

 

28. August 2019

Hellas, Soufli, und eine Straßenkreuzung

Es ist ein feiner Morgen. So geht Urlaub, denke ich mir beim Frühstück. Der Grenzübergang zu Griechenland kommt ohne martialische Aufbauten aus. Es genügen 4 Container. Die Beamten sind freundlich. Kaum über der Grenze zeigt sich die griechische Landschaft gleich viel weiter. Von den leichten Hügeln sieht man rundum in die Ferne. Und es weht eine erfrischende Brise. Das ist bei diesen Temperaturen ganz fein. Auf den Feldern wird Baumwolle angebaut, Tabak dazu, Sonnenblumen sowieso. Bei einer großen Halle voll mit Sonnenblumenkernen bleibe ich stehen. Das habe ich so noch nie gesehen, wie sich das Schwarz im Dunkeln der Kerne und der Halle verliert.

 

Mittags kehre ich in einem kleinen Café ein. Taverne steht auch noch drauf. Ein paar Pensionisten unterhalten sich. Ich denke, da passe ich gut dazu. Bei der Bestellung des griechischen Salates ist mir die Übersetzungs-App von Google behilflich. Den Tipp hat mir mein Sohn gegeben. Und es funktioniert gut, auch offline. Die Inhaberin liest mit, und freut sich, wie ich das mache. Es schmeckt lecker. Denn das Radeln macht schon auch Hunger. Nur Wasser allein reicht doch nicht.

 

Auf der Weiterfahrt sind die Straßen gut. Im Gegensatz zum Vortag ist es eine leichte Etappe, fast eine Roller-Etappe. Immer wieder treffe ich auch auf Armeefahrzeuge. Die EU-Außengrenze will anscheinend gut gesichert sein. Am Abend finde ich ein Hotel in Soufli, einer Kleinstadt in Ostmakedonien. In einem Lokal an der zentralen Kreuzung esse ich eine gutschmeckende Holzofenpizza. Und dazu gibt es ein ganz besonderes akustisches wie visuelles Schauspiel auf der Straße: Mir scheint, es sind ganz sicher 1.001 Mopeds oder Kleinmotorräder am Weg. Kreuz und quer, einhändig, zweihändig und freihändig gefahren, und natürlich helmlos, das ist hier ja klar. Dazu alle in verschiedenen Farben und Ausführungen. Keines gleicht dem anderen. Sie sind leise bis laut, säuseln und brabbeln, brummen und poltern. Ein paar sind noch mit Baujahr vor dem Krieg, andere wieder wie neu aus dem Geschäft, die meisten mit einem Jahrgang dazwischen. Und alle jedenfalls viel gefahren, das sieht man gleich. Manchmal werden sie etwas vorsichtig bewegt, zumeist jedoch ganz forsch und schnell, mit Sportauspuff, oder etwas bieder im Original. Und das von Alt und Jung, von Mann und Frau, mit Kind, Hund und Kegel, einsitzig bis viersitzig, in alle Himmelsrichtungen ausschwärmend. Und als Highlight auch noch ein Paar mit der Frau im Damensitz hinten. Ich finde das genial, wie es hier wurlt. Untertags in der Hitze scheinbare Agonie. Doch am Abend zeigt sich mit jedem Grad weniger ein Mehr an Aktivität auf der Straße und vor den Lokalen. Im Hotel google ich die Einwohnerzahl: Es werden 3.800 angegeben. Aus einem der Lokale auf der Straße tönt griechische Musik. Es hört sich nach einem Chorgesang an, und klingt für mich zum Tag passend. Hier ist es ganz anders als die Tage zuvor, und ein ziemlicher Kontrast zu einer Nacht im Zelt.

 

29. August 2019

Yippie, ich bin am Meer

Zum Frühstück gab es heute leckeres griechisches Joghurt. Der Inhaber des Hotels meinte, ich soll unbedingt Honig dazu geben. Ja, das war lecker. Dann ging es ab in die Hügel. Obwohl man nicht sehr hoch hinauf kommt, sind manche Steigungen dennoch ruppig. Es ist ein ständiges Auf und Ab. Doch mir taugt es sehr. Es ist den ganzen Tag niemand am Weg. Von den Hügeln hat man einen guten Rundumblick. Zu sehen sind zwar nur andere Hügel, doch das Ambiente finde ich fein. Es weht immer eine kleine frische Brise. Und der blaue Himmel wirkt weit. Schwitzend hoch, und dann nach der Kuppe wieder mit Schwung hinunter. Dieser eine, feine, kurze Augenblick, wenn man mal Fahrt aufgenommen hat, und man den kühlenden Wind im Nacken spürt, den finde ich genial. Da sitze ich dann voll zufrieden auf meinem Bock und rattere hinunter. Radfahren vom feinsten, denke ich mir jedes mal, und genieße es dankbar durch und durch.

 

Irgendwann erreiche ich dann die Ebene und die Temperatur ist gleich um einige Grad höher. Auf der Karte schaut es so aus, als ob ich schon nahe am Meer wäre. Doch es zieht sich noch ziemlich weit. Ich fahre oder rolle mit Rückenwind nach Alexandroupoli rein. Der Hafen ist schon von weitem angeschrieben. Und dann wird es touristischer, und plötzlich ist es auch da, das Meer. Ich freue mich. Nach 30 Radtagen und 3.100 Kilometern bin ich in Griechenland am Meer angekommen. Toll, finde ich, und suche ein Hotel. Ich werde hier ein paar Tage Pause machen. Mal schauen was dann weiter kommt.