Trip Down Under - Einmal rundum als große Idee

Im Spätherbst letzten Jahres beschäftigten mich ein paar familiäre Verwerfungen. Und weil der Winter noch nicht da war, und auch erst ungewöhnlich spät kommen wollte, war es etwas zäh. Das Rad hatte ich ja längst abgestellt. Und mangels Schnees blieben auch die Ski recht lang im Keller. Also hatte ich ausreichend Zeit, mich in Reiseberichte einzulesen und nach möglichen Zielen zu suchen. Querfeldein durch einen ganzen Kontinent, auf gerader Linie einen Sommer lang, mit wenig Gepäck sich treiben lassen, mit viel Ballast durch Wüstengegend, sportlich persönliche Grenzen ausloten, mit der Nase im Wind Neues entdecken. Es war von allem recht viel zu finden. Mit dem Rad am Weg zu sein, lässt sich offensichtlich auf vielerlei Arten machen. Die Gedanken und Wege sind frei.

 

Auch wenn ich es anderen gegenüber anfangs nur zögerlich zugeben wollte, Australien führte bald meine Favoritenliste an. Etwas auf der Südhalbkugel zu machen, das reizte mich sehr. Dieser Gedanke kam mir immer wieder in den Sinn, und ließ mich dann auch nicht mehr los. Die Oper von Sydney, das Great Barrier Reef, der Ayers Rock, Outback, Kängurus und Schlangen - das waren Assoziationen, die ich von anderen als Erstes dazu hörte. Mir fielen zusätzlich noch hohe Temperaturen, Gegenwind, einsame Straßen, Spinnen und Krokodile ein.

 

Mit diesem Wissensstand begann ich dann während der Schlechtwetterpausen beim Skitouren mit der weiteren Recherche zum Radfahren in Australien. Auf die unterschiedlichen Klimazonen achten, die meist südöstlichen Winde im Auge behalten, sich der großen Entfernungen zwischen den Orten und der extremen Landschaftszonen bewusst sein, ideale Jahreszeiten wählen, das prägte ich mir ein. Einmal quer durch, egal aus welcher Richtung, das schien mir eine zu große Herausforderung. Denn nur auf Sandpisten zu fahren, darauf habe ich wenig Lust. Doch ein bisschen Abenteuer, das möchte ich schon auch haben. Also reifte mehr und mehr die Idee, es vielleicht einfach mit der Umrundung des Kontinents anzugehen. Oder so ein Unternehmen zumindest zu probieren. Im Fahrrad Weltführer konnte ich zwar den Hinweis finden, dass es monoton und eigentlich nicht so lohnend wäre. Doch als Idee hatte ich das „Rundum“ schon im Kopf, und damit auch einen Plan zum Starten.

 

Als ich einmal im Zug von einer Skitour am Heimweg war, setzte sich ein ehemaliger Skilehrer vis-a-vis zu mir hin. Über 50 Saisonen sei er am Arlberg aktiv gewesen, und einige Male auch in Australien. Da spitzte ich meine Ohren, und fragte nach. Er erzählte über Melbourne, Victoria und die Region Mount Buller. Und dass es schon was Besonderes gewesen sei, vom Winter hier nahtlos in den Winter dort zu wechseln, und ihn dann am Arlberg auch gleich wieder fortzusetzen. Ich musste schmunzeln. Ja, so möchte ich es dieses Jahr auch machen, war mein Entschluss. Vom Winter hier in den Winter dort, und dann hoffentlich auch nahtlos in den nächsten hier zurück.

 

Die Vorbereitung - Orientierung am Vorjahr

Den Karton für das Verpacken des Fahrrades für den Flug hatte ich rasch besorgt. Ich konnte bei meinem Radhändler gar aus mehreren wählen. Im Reisebüro erinnerten sie sich noch an die Buchung vom letzten Jahr. Das angepriesene „Rundum-sorglos-Paket“ erschien mir für Down Under und meine angedachte Tour rundum auch heuer trefflich passend.

 

Beim Stöbern durch die alte Packliste für Amerika fand ich 154 Einzelsachen, die ich für Australien wieder zusammentragen wollte. Von 4 Gramm für eine Speicherkarte reichte die Gewichtsbandbreite dabei über die 4,5 Kilo für den Radkarton bis zu den 10,2 Kilo fürs Fahrrad. Beim Einchecken am Flughafen werden es dann mit mir also wohl 94 Kilo auf der Waage sein.

 

Der Spickzettel von auszutauschenden oder zu erneuernden Sachen ist mir schon im Winter in die Hände geraten. Einiges davon hatte ich also bereits erledigt. Je mehr Touren, desto größer scheint auch die Routine in der Vorbereitung zu werden. Nervös war ich dennoch immer wieder. Denn ganz ums Eck ist Australien nun auch nicht. Und recht lang von zu Hause weg zu sein, macht mir doch auch immer wieder etwas Bammel. Zumindest vor dem Wegfahren.

 

Die letzten Tage vor dem Abflug verfolgte ich dann die Nachrichten und das Wetter in Australien. Es wollte nämlich nicht nur ich dorthin, sondern auch der Zyklon Ilsa. Mit über 280 km/h stellte dieser gar einen neuen Sturmrekord dort auf. Tolle Aussichten also für meinen Ausflug nach Down Under.

 

Die Anreise - etwas Aufregend

Schon früh zu Hause losgefahren dauerte es etwas länger als geplant bis ich am Flughafen in Zürich war. Der Morgenverkehr auf der Autobahn war unerwartet dicht. Und etwas länger dauerte dann auch das Einchecken mit dem Radkarton. Weil eine Aufsichtsperson dazukam, machten sie einige Runden mehr im Anmeldesystem. Unnötige, wie zum Schluss der Kommentar dazu war, und auch zur langen Warteschlange hinter mir. Das Rad fand dann dennoch den Weg auf das Förderband, und der Flieger hob pünktlich mit mir ab. Erst da war mir dann etwas leichter.

 

In Doha in Katar staunte ich am Flughafen Hamad mit offenem Mund. Nicht nur des Anflugs auf die künstlich aufgeschüttete Halbinsel wegen. Eine gänzlich andere Welt zeigte sich da. Modern, groß, viel Rummel, ich kam mir richtig verloren vor in dieser Umgebung. Da war der Flughafen in Melbourne 14 Stunden später dann grad wie einer auf dem Land. Die Formalitäten bei der Einreise waren unkompliziert. Fast meinte ich, dass es wie ein nettes Durchwinken war. Das passte mir sehr. Und dass nach kurzer Zeit dann auch gleich mein Radkarton unversehrt auftauchte, erhöhte die Stimmung noch mehr. Etwas lachen musste ich gar beim Taxistand. Nach dem Einladen des Kartons war es für den Taxifahrer klar, dass ich aus Europa war. Ich wollte nämlich auf der rechten Seite bei der Fahrertür einsteigen. Höflich und schmunzelnd meinte der Taxler, dass schon er selber fahren will. Weil hier in Australien fahre man links, und daher sitze der Fahrer rechts.

 

Day One - Der Start am Rad in Melbourne

22. April 2023

Ein großes "L" auf der Lenkertasche

Nach dem Zusammenbauen des Rades am Vorabend hatte ich mir aus Resten des silbernen Verpackungsklebebandes gleich ein großes, breites L auf meine Lenkertasche geklebt. Ich dachte mir, sicher ist sicher, dann weiß ich auf welcher Straßenseite ich lang muss. Und etwas vorsichtig ging ich auch die ersten Meter am Rad an. Ich wollte durch Melbourne durch und möglichst rasch zur Küste. An den Linksverkehr konnte ich mich nur langsam gewöhnen. Im Verkehrsfluss ging es gut. Doch fordernd waren die ersten Seiten- und Straßenwechsel, die Kreisverkehre und Abbiegungen. Da merkte ich, wie schwer man sich von eingeübten Blickrichtungen und Orientierungsschemen lösen kann. Die vielen Radwege und Orientierungspfeile am Asphalt kamen mir daher sehr gelegen. Und dass mit mir viele andere Rennradfahrer am Weg waren, war ebenfalls hilfreich. Der Küstenstraße entlang war es manchmal fast wie fahren im Pulk. Rennradfahren scheint hier große Mode zu sein. Jedenfalls heute an einem Samstag und dem letzten Wochenende der langen Osterferien. Oder vielleicht auch nur der großen Metropole wegen.

 

Etwas ungemütlicher wurde es, als ich auf der Suche nach einem Hotel einen Weg mehr landeinwärts einschlug. Da war ich dann allein zwischen den vielen Autos und im dichten Verkehrsfluss auf großen Straßen. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, einfach so gleich am ersten Tag schon nur aufs Geratewohl nach einem Quartier zu suchen. Zum Glück hatte ich damit schon zeitig begonnen, und wurde dann auch nach mehreren Versuchen fündig. Das asiatischdeutsche „Willkommen“ an der Rezeption klang zwar etwas holprig, dafür umso bemühter und herzlicher. Es freute mich sehr.

 

23. April 2023

Feiner Radtag als Belohnung für unruhige Nacht

Vom Flug und dem ersten Tag am Rad leicht aufgekratzt und ziemlich müde bin ich gestern schon früh zu Bett. Dunkel ist es hier ja schon kurz nach 18 Uhr. Doch an Schlaf war dennoch nicht zu denken. Vogelscharen hatten sich in den Eukalyptus- und Kiefernbäumen rund um das Motel niedergelassen. Sie wussten einander anscheinend viel zu erzählen. Denn es war kreischend laut. Und wenn sie sich mal für eine kurze Zeit beruhigten, so fing der Lärm dann doch wieder von vorne an, und dauerte gefühlt die ganze Nacht. Es sollen Magpies gewesen sein, konnte ich am Morgen in Erfahrung bringen. Sie schauen elsternähnlich unauffällig grau weiß aus.

 

Untertags sah ich später dann auch bunte Vögel. Die mit dem hellgrünen Gefieder und den schwarzen Flügeln hatten mir dabei am besten gefallen. Sie sausten meist quer vor mir über die Straße, so schnell, dass ich ihnen mit den Blicken kaum folgen konnte.

 

Für die ersten paar Stunden war ich auf etwas größeren Straßen unterwegs. Geradeaus durch Agrarland. Vorbei an Heu aus großen Ballen fressenden schwarzen Rindern, an frische Grashalme suchenden grauweißen Schafen, an erntereifem hohem Mais, an Gemüsefeldern mit tiefschwarzer feinkrümelig aufbereiteter Erde. Sah ich gestern noch viele Rennradler, so begegnete ich heute nur zwei von ihnen. Die machten mittags ebenso wie ich in einem kleinen, feinen Café Rast. Das getoastete vegetarische Sandwich schmeckte mir ausgezeichnet.

 

Und ausgezeichnet ging es dann frisch gestärkt auch weiter. Ich hatte eine hügelige, kurvenreiche Strecke mit kaum Verkehr gefunden. Sie schlängelte sich Richtung Meer. Ich hatte richtig Spaß am Fahren. Mit dem steten Auf und Ab bot sich mir ein abwechselndes Gangmenü. Und die Ausblicke von den Hügeln wussten zu gefallen. Das war richtig toll heute. So könnte es ruhig weitergehen.

 

24. April 2023

Ein Morgen zum Staunen

Heute in der Früh bot sich mir beim Aufwachen mit Blick aus dem Fenster ein fantastisches Bild: Naturfarbenpracht pur. Die markanten Stämme der Palmen trennten die Aussicht in gleichgroße Sektoren. Ich sah einen grünen Streifen vor dem Haus ganz hell im Licht der Laternen. Dahinter, mit der Straße als Abgrenzung, das weite Grasland bedeckt mit einer schmalen, dichten, weißlichgrauen Nebelbank. Weit hinten am Horizont ein dunkelgrüner Streifen als erahnte bewaldete Hügel. Und darüber, markant und anziehend, eine klare Grenze zum blauen Himmel bildend, ein breites, sattes, dunkles Morgenrot. Dieser lichtdurchflutete Farbstreifen dominierte den Anblick. Auch wenn er sich nach oben hin leicht ausdünnte, so faszinierte mich die von ihm ausgehende Stimmung. Im Kontrast zum Dunkel des Zimmers war es fast wie eine Kunstinstallation. Ich blieb einfach länger liegen und schaute fasziniert zu. Nach und nach ließ die Tageshelle dann die Farben verblassen. Es war ein Morgen zum Schauen und Staunen. Gut gelaunt stieg ich später aufs Rad.

 

Der Weg führte mich auch heute durch Farmland. Schwarzweiße Kühe gab es zuhauf zu sehen. Auf manchen Wiesen standen sie ganz dicht. Ein Zählen habe ich gar nicht angefangen. Ich wäre wohl nie fertig geworden. Und dicht und zahlreich standen in Küstennähe auch die Windräder. Doch heute hatten sie Ruhetag. Nur wenige von ihnen drehten sich, und das auch nur ganz langsam. Mir am Rad passte das gut. So war es ein ruhiges Dahingleiten auf etwas rauem Asphalt. Dazu pipifeines Sonnenwetter bei angenehmen Temperaturen. Kurz vor mittags gelangte ich auf einen sandigen Fahrradweg auf einer aufgelassenen Eisenbahntrasse. Schnurgerade und überwiegend flach zog sich der Great Southern Railway Trail durch das Grün der Landschaft. Ein vieles Schalten so wie gestern in den Hügeln konnte ich mir hier ersparen.

 

25. April 2023

Reduced Speed am ANZAC-Day

Heute war hier Nationaler Feiertag. Australien gedachte der gemeinsamen Teilnahme mit Neuseeland am Ersten Weltkrieg. ANZAC steht für „Australian and New Zealand Army Corps“, habe ich gestern recherchiert. Und gestern hatte ich mir auch Überlegungen angestellt, wie ich denn mit den aufkommenden Schmerzen in meinem Achillessehnenbereich umgehen soll. Es war vielleicht doch nicht die beste Idee, von Null auf Hundert mit dem Radfahren erst hier zu beginnen. Ich bin es heute jedenfalls gemächlich angegangen. „Reduced speed“ hatte ich mir als Taktik zurechtgelegt. Und irgendwie bin ich damit auch halbwegs gut über den Tag und auch voran gekommen.

 

Ich wählte eine schmale Landstraße quer durch die Felder, entfernt von der Hauptstraße. Hier war es einsam und ruhig. Es waren mir keine 5 Autos begegnet. Dafür Schafe noch und noch. Bei jedem Vorbeifahren nahmen sie für einige Hundert Meter reißaus. Sobald auch nur ein einzelnes Schaf zu laufen begann, setze sich gleich die ganze Herde in Bewegung. Bei den Zufahrten zu den Höfen waren überall Informationstafeln angebracht. Zum Schutz gegen das Einschleppen von Krankheiten oder ungewollten Samen und Keimen musste man sich vorher telefonisch anmelden. Das war auch schon bei den Formalitäten zur Einreise nach Australien ein großes Hinweisthema.

 

Irgendwann sah ich beim Vorbeifahren am Straßenrand einen Ameisenigel in der Wiese. Als er mich Kommen sah oder hörte, rollte er sich mit seiner langen Nase blitzschnell kugelig ein. Seine Stacheln stellte er dabei noch mehr auf. Erst nach einiger Zeit des beiderseitigen stillen Verharrens entspannte er sich ein wenig, und streckte die Nase wieder hervor. Doch beim Klicken der Kamera war er sofort wieder ganz stachelige Kugel.

 

Bei der Durchfahrt durch eine größere Stadt dachte ich mir, dass es die Australier hier in den Städten schon sehr sauber und gediegen geben. Alles ist großzügig angelegt, lädt freundlich zum Verweilen ein. Oder auch zum städtischen Cruisen auf den breiten Straßen mit zumeist durch Grünstreifen getrennten Fahrbahnen. Land und Platz haben sie ja hier genug. Und die Distanzen zwischen den Ortschaften sind für mich als Radfahrer ebenfalls ziemlich üppig.

 

Am Nachmittag kam ich an zwei großen Stadien vorbei. Das eine war eine große Anlage nur für Hunderennen. Da musste ich dann doch staunen. Ein fußballfeldgroßes, grünes Areal mit schmaler Sandbahn rundherum, und dazu eine überdachte Tribüne auf der Längsseite, auf der sicher mehr als nur tausend Leute Platz finden. Und später passierte ich eine Pferderennbahn, natürlich noch um einige Welten größer als jene bei den Hunden. Gepflegtes, üppiges, weites  Grün. Die vielen weißen Absperrungen entlang der Bahnen bildeten einen feinen Kontrast. Auf den Wiesen im Umfeld waren ein paar junge Pferde zu sehen, Jährlinge meinte ich. Aufgrund ihres schlanken und drahtigen Körperbaus konnten sie ihre Renngene und Sportlichkeit sichtlich nicht verleugnen. Ich gab es da am Rad heute weit weniger sportlich. Na ja, war ja auch Feiertag.

 

26. April 2023

Hunde, Kakadus und Delfine

Ähnlich wie am Vortag finde ich auch heute eine Nebenstraße als weitere Verbindung. „Local traffic only“ ist auf einer Tafel angeschrieben. Die Straße führt durch Farmland mit ausgesprochen viel Schafzucht. Auf einer der Wiesen sind sie gerade am Zäune reparieren. Ein Mann auf einem Geländemotorrad und eine Frau in einem kleinen Pickup fahren den Wiesenrand ab. Mit dabei sind natürlich auch Hunde. Und das ist lustig anzusehen. Während beim Auto die beiden Hunde links und rechts auf der Ladefläche seitlich nach vorne schauen, fährt auch beim Motorrad einer mit. Er steht dabei etwas wackelig auf einer kleinen Holzplattform am Gepäckträger und schaut dem Fahrer über die Schulter. Sie scheinen alle gut eingespielte Teams zu sein.

 

Auf den Bäumen am Straßenrand sehe ich immer wieder weiße Kakadus. Ihr Gekreische ist ziemlich auffällig. Doch vielleicht nerve auch ich sie, weil sie zumeist erschreckt auffliegen, wenn ich unter ihnen durchfahre. Sie ziehen dann mit lautem Geschrei ein paar Runden, und suchen dann wohl wieder ihre alten Sitzplätze auf den Ästen auf. 

 

Heute hatte ich auch mein erstes Känguru gesehen. Doch lange habe ich nicht hingeschaut. Es lag leider tot und aufgedunsen am Straßenrand. Dafür habe ich abends dann am Meer etwas länger Delfinen zuschauen können. Sie schwammen recht nah zum Ufer die Küstenbucht entlang, und sprangen hie und da auch leicht aus dem Wasser. Sie wären heute das erste Mal wieder da, wohl mehr als ein halbes Jahr weggewesen, hörte ich als Kommentar von einem der Fischer neben mir.

 

27. April 2023

Haus mit Terrassen

Am Morgen fahre ich für einen kurzen Schlenker der Kaipromenade entlang. Ein paar der bunten Fischkutter von gestern fehlen. Sie sind wahrscheinlich irgendwo draußen unterwegs. Etwas weiter vorne sehe ich einen Mann mit einem schwer bepackten Golfwagen. Zielstrebig zieht er ihn hinter sich her. Ich denk mir, dass er wohl gleich schwer geladen hat wie ich. Nur halt mit anderen Sachen. Jedenfalls mehr Metall als ich. Und sicher hat er auch ein naheliegenderes Ziel ausgesucht als ich.

 

Irgendwann überholt mich ein schnell fahrendes Auto mit gelbem Blinklicht. „Oversize load ahead“ steht auf einer am Dach angebrachten Tafel. Doch es kommt vorerst nichts nach. Ich wundere mich. Erst einige Zeit später folgen weitere zwei Autos kurz hintereinander mit Blinklicht und der gleichen Aufschrift. Ich bin aufmerksam gespannt. Und kurz darauf höre ich einen Lastwagen hinter mir daher brummen. Sicherheitshalber weiche ich auf den Seitenstreifen aus. Während der Lastwagen mit unverminderter Geschwindigkeit an mir vorbeirauscht, entfährt mir ein lautes Boah. Er hatte nämlich eine ganze Haushälfte geladen, mit auskragender Terrasse. Geschätzt benötigte er beide Straßenhälften. Doch das Spektakel war noch nicht vorbei. Denn es folgte noch ein weiterer Lastwagen. Dieser hatte die andere Haushälfte geladen. Ebenfalls mit weit nach außen ragender Terrasse. Aha, Terrassen für Morgen- und Abendsonne also. Der Konvoi wurde von zwei weiteren Autos mit Blinklicht abgeschlossen. Ich staunte. Nicht nur wegen des Ladegutes, sondern mehr noch ob der rasanten Geschwindigkeit der Fahrzeuge und deren Überbreite. Na ja, Radler war ich glaub der einzige am Weg, auf den sie Rücksicht nehmen mussten.

 

Am Nachmittag passierte ich ein längeres Waldstück. Die Bäume darin waren bis zur halben Hälfte hoch schwarz angekohlt. Drunter und drüber war es licht grün. Die Natur scheint robust zu sein, denke ich mir. Oder es ist hier nochmals gut ausgegangen, vor ein paar Jahren.

 

28. April 2023

Süßlicher Duft den ganzen Tag

Die Straße führte mich anfangs etwas erhöht zum Meer einen schmalen Küstenstreifen entlang. Der Blick war frei auf das sich heute in mattem Grau zeigende Meer. Nur weit am Horizont hinten war es etwas heller. Wenn ich stehen blieb, so hörte ich die leichte Brandung und das stetige Windrauschen. Dazu kam immer wieder Vogelgeschrei auf, wenn ein Schwarm überm Wasser oder dem Gebüsch vorüberzog. Ansonsten war es ganz ruhig.

 

Links und rechts vom Weg zeigten sich mattgelbe Blütendolden an strauchähnlichen großen Farnen. Es waren kleine Kugeln und jeder Zweig war übervoll von ihnen. Sie waren nicht nur am Straßenrand, sondern auch tiefer hinein in die Waldstücke zu sehen. Und vor allem auch zu riechen. Es war ein angenehm süßlicher Duft. Auch wenn die einzelne Blüte nicht intensiv roch, so war es die große Masse an Blüten, dass ich mich in einer ganzen Duftwolke zu bewegen schien. Mit mir genossen auch viele Bienen den Anblick und die Blüten. Beim Stehenbleiben war ihr Summen mehr als nur ein leises Hintergrundgeräusch.

 

Während es an der Küste entlang gerade und mehr oder weniger flach dahin ging, so gelangte ich später in leicht kupiertes Gelände und ein großes Waldgebiet. Am Abend staunte ich ob der angesammelten vielen Höhenmeter. Es waren keine großen langen Steigungen dabei. Doch ein kräftiges Herunterschalten verlangten sie jedenfalls. Dafür genoss ich dann die folgenden kurzen Abfahrten umso mehr. Manchmal ging es sogar richtig flott dahin. Im leicht angeschwitzten Nacken konnte ich den Fahrtwind deutlich spüren. Es war etwa kühler als die Vortage. Und ein paar Regentropfen waren auch dabei.

 

Als mittags ein Rastplatz angeschrieben war, wollte ich dort unbedingt Pause machen. Doch ich musste den Platz mit einem Konvoi an Lastwagen teilen. Im Aufbau schauten sie alle gleich aus, waren nur rot, grün oder blau angestrichen. Die Zugmaschinen waren alle mächtige weiße Kennworth. Die Auflieger waren mit schwarzen Kälbern beladen. „Beef bus“ stand hinten angeschrieben. Es roch etwas sehr nach Landluft. Und während die Fahrer wohl ihre Pause machten, war es auf den Ladeflächen nicht so ruhig. Es polterte und rumorte kräftig hinter den Wänden. Hie und da sah man in einem der Schlitze an den Bordwänden eine schwarze Zunge am Metall lecken. Keine Ahnung, ob sie zu einer anderen entfernten Wiese am Weg waren, oder einer anderen Bestimmung entgegenfuhren.

 

29. April 2023

Nur durch Wald 

Heute sah ich mehrere an Bäumen angebrachte Hinweistafeln mit der Warnung „Achtung Giftköder“. Darunter war die Ergänzung angebracht, dass das Gebiet dem nationalen Programm zur Bekämpfung von Fuchs- und Wildhunden unterliegt. Es seien entsprechende Köder ausgelegt. Wenn die Füchse hier also nicht auf der Straße überfahren werden, dann lauert der Tod ganz sicher im Wald. Ein gefährliches Leben jedenfalls für diese und andere Tiere hier.

 

Den Vormittag über war die Straße regennass, der Himmel grau in grau verhangen. Dazu war es ziemlich frisch. Obwohl ich auf der Hauptverkehrsroute am Weg war, herrschte wenig Verkehr. Einige Wohnwagenanhänger in beide Richtungen, und sonst noch ein paar Land Rover und Pickups teilten meinen Weg. Samstag, da geht es wohl irgendwohin zum Campen. Es waren ein paar wenige Straßen zum Meer hin angeschrieben, mit Camping und Fischen und Bootfahren. Und sonst gab es ein paar Abzweigungen für ausgeschilderte Wanderrouten. Dort geparkte Autos waren jedoch nicht zu sehen.

 

Entlang meiner Route war wenig bis gar nichts los. Es ging den ganzen Tag nur durch ein großes, zusammenhängendes Waldgebiet ohne Siedlungen oder anderer Infrastruktur. Hie und da meinte ich, Frösche in den seichten Waldtümpeln zu hören. Und wenn sich zwischen den vielen großen Eukalyptusbäumen auf den Anhöhen mal ein Ausblick bot, so war ringsum nur Wald und Wald zu sehen. Am späten Nachmittag war ich dann ganz überrascht, als ich die Brandung vom Meer wieder hörte. Ich habe mich also nicht verfahren, dachte ich mir etwas launisch.  Denn irgendwo abzweigen von der Hauptroute hatte ich heute ohnedies nie im Sinn. Ich wollte ja weiter nah zum Meer bleiben.

 

30. April 2023

Wind und Regen

Am Morgen wälze ich den Wetterbericht hin und her. Es sind für den ganzen Tag Regen und Wind angesagt. Ich bin unschlüssig, ob ich dennoch starten soll. So schlecht schaut es beim morgendlichen Schauen nach draußen nämlich nicht aus. Jedenfalls regnet es nicht. Nur die Palmen biegt es kräftig im Wind. Ich vertrödle einige Zeit mit Überlegen. Und dann starte ich doch. Ich will es mutig darauf ankommen lassen. Vielleicht habe ich ja Glück. Schnell noch 2 Bananen reingestopft und dann los.

 

Gleich nach dem Start wird mir gehörig warm. Es kommen ein paar kräftige Steigungen. Beim Runterfahren führt die Straße dann meist wieder Richtung Meer. Die kleinen Buchten bieten eine willkommene Abwechslung, bevor es dann wieder eine Steigung irgendwo mit Wald hochgeht. Ich bin entlang der Saphire Coast am Weg. Es finden sich viele Hinweisschilder auf Aktivitäten rund ums Wasser. Golf wäre hier auch möglich. Eine 27-Lochanlage wirbt direkt neben der Straße. Am grünen Rasen sehe ich einige Leute mit ihren Caddys unterwegs. Ich denke mir, dass es heute mit dem Wind sicher fordernd ist zu spielen. Beim Laufen zu den einzelnen Greens wird er ja nicht sehr stören.

 

Mir passt der Wind dieses Mal recht gut. Er strömt vom Meer her an, treibt mich unterstützend von hinten an. Nur bei den Abfahrten bin ich vorsichtiger wegen möglicher seitlicher Böen. Den Weg muss ich nämlich mit Autos teilen, die entweder einen Wohnwagen oder einen Bootsanhänger hinter sich herziehen. Ich bin zufrieden, dass das Wetter hält. Wenn sich auch alles Grau in Grau zeigt, so ist nur die Straße ein wenig nass, und ich bin noch trocken am Weg. Mit langer Hose, Halstuch und Helmmütze lässt es sich aushalten.

 

Auf einem Fußballplatz mitten in einer Ortschaft ist einiges los. Der Platz ist rammelvoll mit Kindern und Betreuungspersonen. Es schaut nach sonntäglichem Turnier aus. In der Bucht ein paar Ecken weiter ist es auch rammelvoll. Gestelle für die Austernzucht lassen für die Boote nur eine schmale Fahrspur am Rand frei. Und nach einem kurzen Anstieg und Waldabschnitt sehe ich auf einer offenen Wiese wohl mehr als 10 Kängurus. Sie beobachten aus der Entfernung das Geschehen auf der Straße, und hüpfen dann zusammen recht schnell in die andere Richtung davon. Etwas näher rankommen hätte ich mir schon gewünscht.

 

Mittags holt mich dann leider doch der Regen ein. Auf einer kleinen Landzunge sehe ich links und rechts das aufgewühlte Meer und die Gischt der Brandung. In meiner Fahrtrichtung voraus zieht ein kräftiger Schauer durch. Ungute Aussichten also. Ich finde in einem Buswartehäuschen vorübergehend geschützten Unterschlupf. Abwarten lautet meine Devise. Und zwischendurch etwas Essen und Trinken. Doch es wird nicht besser.

 

Vielleicht wäre es am Morgen eine gute Idee gewesen, den Regentag mit einer Pause durchziehen zu lassen. Eingemummelt in die Regenkleidung setze ich mich etwas missmutig wieder aufs Rad. Doch schon ein paar Kilometer weiter steige ich gleich wieder ab. Ein Holiday-Ressort lockt auf der Werbetafel mit „Beach and Playground“, und mich mit der Aussicht auf eine trockene Unterkunft. Den Regen lasse ich dann befeuert vom Wind den weiteren Tag lang kräftig aufs Blechdach prasseln. Ich freue mich, dass ich noch rechtzeitig eine Bleibe gefunden habe.

 

1. Mai 2023

Ein pipifeiner Tag

Als „horrible“ bezeichnete die Frau an der Rezeption den gestrigen Regentag. Umso mehr freute es mich heute gleich am Morgen schon, dass sich am Himmel ein paar blaue Fenster erahnen ließen. Und mit Fortdauer des Tages kamen sie dann auch durch. Am Abend bilanzierte ich: Pipifein, sowohl das Wetter als auch das Radeln.

 

Die Steigungen wiederholten sich ähnlich zu den Vortagen. Einige waren sogar richtig heftig, wenn auch nicht sehr lang. Immer wieder gab es Unterbrechungen im Rhythmus. Das Schaltwerk hatte vorne und hinten Vollbetrieb. Und Vollbetrieb hatten auch die Vögel mit ihrem Konzert. Sehen konnte ich keinen von ihnen, dafür umso besser hören. Im Wald und nahe zu den kleinen Flussläufen, die ich nach den Abfahrten querte, klang es von allen Seiten. Diese kurzen Rufe begleiten mich jetzt schon die ganze Zeit. Also fragte ich bei jemandem an der Straße nach. Ich musste lachen, als ich den Namen der Vögel mit diesem speziellen Ruf erfuhr. Natürlich, der Ruf klingt ja genau so wie meine Klingel am Rad. Kein Wunder also, dass sie „Bellbirds“ heißen.

 

Wenn die Straße in die Nähe des Meeres kam, so war das Wellenrauschen unüberhörbar. Und wenn sich freie Sicht auf das Wasser ergab, dann war sie begleitet mit Staunen. Imposant, wie sich die Wellen am Ufer brachen, oder am Sandstrand ausliefen. Draußen schien das Meer ruhig zu sein, war einfach nur blau. Doch an der Küste sorgte es für prächtige Dynamik. Und mit dem Kontrast des Grüns mancher Weidewiesen war es kitschig schön anzuschauen.

 

Mittags machte ich in einem netten idyllischen Ort Pause. Es gab zwei Sandwiches von der kleinen Bäckerei vis-à-vis zum Football-Stadion. Während ich mich für das Weiterfahren stärkte, schaute ich einem Mann zu, wie er mehrmals das grüne Sportfeld umrundete. Er blieb brav am äußeren Rand, wollte wohl möglichst viele Schritte machen. Sein brauner Dackel kürzte jedoch ab. Denn dieser beließ es mit parallelem Umrunden am Mittelkreis, bekam am Schluss jedoch auch dafür Lob. Lustig, was einem so alles Auffallen kann, beim Pausemachen an der australischen Küste.

 

Einen Flughund hatte ich heute auch noch gesehen. Er hing entspannt und sonnenbadend an den Drähten der Stromleitung. Dass er sich dabei gleichzeitig an zwei Drähten festhielt, imponierte mir sehr. Vielleicht hat er Isolatoren an den Füßen. Mein Knipsen mit dem Fotoapparat hat ihn ebenfalls nicht aus der Ruhe gebracht. Anders agierten da zwei weitere Tierarten. Die nahmen beim Auspacken des Fotoapparates leider sofort reiß aus: Ein Wallaby am Straßenrand, fast zum Anfassen nah, und später zwei bunte Vögel an einem Tümpel wollten nicht aufs Bild. Auch danach Fragen ist sich nicht ausgegangen, so schnell sind sie hüpfend und fliegend wieder verschwunden.

 

2. Mai 2023

Stunning views onto the sea

Weg von der Hauptstraße benützte ich für einige Zeit einen Radweg, der mich dem Meer und dem Strand entlangführte. Vorbei an schmucken Häusern mit Blick aufs nahe Wasser folgte der Weg der Küste und deren Ein- und Ausbuchtungen. Genial, welch rauschende Kulisse sich mir da gleich schon in der Früh bot.

 

Ich war total fasziniert, wie die Wellen anrauschten und Richtung Ufer ihre Gischtkronen abwarfen. So was von schön, unglaublich. Auf der Suche nach einer passenden Beschreibung ist mir „stunning view“ eingefallen. Denn nur mit atemberaubendem Anblick klingt es fast zu banal oder untertreibend. Da gibt das Englische mehr her. Recht vorwärts kam ich mit meinem Fahren jedoch nicht. Ich musste zu oft stehen bleiben und mir diese Aussicht und das Wellenrauschen gönnen. Bei jedem Stopp dachte ich mir, wow, noch schöner. Und jedes Mal wollte ich natürlich warten, bis eine noch mächtigere Welle mit noch mehr Getöse anrauschte. Das Grün an Land in den Schattierungen von Licht und Schatten, dahinter ein endloses Blau mit magischen Nuancierungen, und dazu das Brechen der Wellen. Ich konnte mich kaum satt sehen und hören.

 

Auf dem weiteren Teil meiner Strecke war dann auf der Straße richtig viel los. Fast etwas unangenehm zum Fahren. Ich folgte dann immer den Abzweigungen mit der Aufschrift „Touristic Route“, was sich bewährte. Da gehörte ich ja auch hin. Ich machte zwar mehr Kilometer, doch das Tempo der anderen Fahrzeuge war deutlich niedriger. Mein Fahren wurde zu einem faszinierenden Küstenbummeln und einer imposanten Sightseeingtour dem Meer entlang. Das hat mir heute sehr gefallen.

 

3. Mai 2023

Heilgymnastik und Tiny Houses

Am Morgen bin ich anscheinend zur Rushhour in der Stadt losgefahren. Es staut sich, und der Verkehr fließt nur stockend. Weiter vorne sehe ich einen anderen Radfahrer. Er nutzt einen Radweg etwas abseits. Also wähle ich auch diesen Weg, und komme da besser voran. In der Nähe einer Schule begegnen mir am Radweg einige Schüler mit ihren Mountainbikes. Sie fahren in einer größeren Gruppe, unterhalten sich, und scheinen auch sonst bester Laune zu sein. Immer wieder verlassen ein paar Mutige den betonierten Weg, und hüpfen gekonnt über kleine Hindernisse oder Rampen bei Hauseinfahrten. So macht Schule gehen sicherlich Spaß.

 

Raus aus der Stadt verdünnt sich der Verkehr. Was jedoch zunimmt ist der Wind. Manchmal treibt er mich von hinten oder seitlich an, und dann bremst er mich wieder von vorne ein. Er spielt mit mir und den Baumwipfeln. Weil er hie und da auch ein paar Böen mit einstreut, ist es eine Zeit lang fordernd zum Fahren.

 

Irgendwann mittags knacke ich den ersten Tausender bei den australischen Kilometern hier. Einen ambitionierten Schnitt aus den Vorjahren gewohnt merke ich jedoch, dass ich mich derzeit etwas schwer tue mit Gas geben. Ich bin nicht so schnell am Weg. Im linken Achillessehnenbereich verspüre ich leichte Schmerzen, und das schon länger. Also heißt es, meinen Rhythmus dem anzupassen was grad möglich ist. Die Abfahrten nutze ich immer zum leichten Dehnen der Wade, als Heilgymnastik unterwegs. Mein Programm: Den Po weit nach hinten strecken, und die Ferse stark nach unten drücken. Ich meine, es hilft, ein bisschen. Zumindest weniger Luftwiderstand habe ich damit jedenfalls.

 

Vor Ulladulla, einer Stadt am Meer mit lustigem Namen, komme ich an einem Ausstellungszentrum für Tiny Houses vorbei. Da staune ich, welch kreative Ideen möglich sind. Minimalismus pur, oder Kleines ganz üppig und anders. Doch für einen Radanhänger gleich zum Mitnehmen eines der Exponate sehe ich dennoch keine Lösung. Also bleibe ich bei meinem bisherigen Setup mit den Tiny Bags am Rad, und strample munter weiter.

 

4. Mai 2023

Bunter Wegemix

Ich starte den Tag mit Video-Schauen. Nämlich Videos zum Dehnen der Wadenmuskulatur. Als Einstieg wäre ein Faszientraining mit einer Rolle gut, lautet die Empfehlung. Ich probiere zur Not eine meiner Wasserflaschen als Rolle. Die hat auch eine Einkerbung. Doch so richtig Spaß macht es mit ihr nicht, ist die Erkenntnis. Und dann mache ich noch eine Erfahrung: Mit der Uhr gestoppte 2 Minuten sind deutlich länger als die selbst eingeschätzte Zeit.

 

Auf dem Rad fühle ich mich später bedeutend wohler als auf dem Boden beim Rollentraining. Nach der ungewollten Durchfahrt bei einem großen Industrieanlagenkomplex finde ich eine Nebenstraße Richtung Küste. Lange Zeit geht sie im Halbschatten flach durch einen Baldachin an Baumästen. Ringsum Grün, von oben die Sonne am Blinzeln, so gefällt es mir gut. Ein paar Weingüter liegen auch am Weg. Ganz ungewohnt kommt es mir vor. Während zu Hause die Knospen sich gerade etwas hervortrauen, ist hier schon alles abgeerntet und das Laub der Reben herbstlich verfärbt.

 

Immer üppig grün sind dafür die Rasenflächen bei den Golfanlagen. Ich bin an einigen tollen Plätzen vorbeigekommen. Doch diese hätten mir auch ohne Golfclub gefallen. Mit dem Blau des Meeres und dem Rauschen der Wellen finde ich es überall schön. Und schön sind auch die kleinen schmucken Orte an der von mir gewählten Route. Von den kleinen Hügeln hat man nämlich einen wunderbaren Blick auf die Küste und deren Sandstrände, oder die bewaldeten Bergrücken im Hinterland. Später wird das Fahren dann etwas anstrengend. Ich muss immer wieder kurz auf die dicht befahrene Hauptstraße. Dort rauscht der Verkehr dreispurig an mir vorbei. Ich wundere mich, dass auf dem schmalen Seitenstreifen doch Fahrradsymbole als Bodenwegweiser angebracht sind. Die bringen mich dann auch wieder zurück auf Fahrradwege, hie und da gar idyllisch schöne.

 

Am Nachmittag wartete dann noch eine kleine Bergwertung auf mich. Die Straße wand sich unmittelbar von der Küste weg steil nach oben. Mein Garmin zeigte dunkles Rot für die Steigung. Bei einer Baustelle mit einspuriger Ampelregelung ließen sie mich nach vielen Autos auch noch durch. Oben mussten dafür zahlreiche Fahrzeuge auf ihre Talfahrt warten. Das war mir fast etwas peinlich. Doch schneller konnte ich wirklich nicht. Ich war sogar froh, dass schon fast oben eine willkommene Gelegenheit für einen Zwischenstopp auftauchte. Ich kam nämlich an einem Start- und Landeplatz für Paragleiter vorbei. Da machte ich Pause und schaute kurz zu. Hier waren sie auch mehr als nur dreispurig unterwegs. Mit der Thermik trieb es sie schnell nach oben. Dort tummelten sich viele bunte Schirme. Entlang der Abrisskante zur Steilküste flogen sie in mehreren Etagen hin und her. Und ganz hoch oben entdeckte ich sogar ein paar Deltaflieger. Die imponierten mir natürlich noch viel mehr.

 

5. Mai 2023

Sydney Harbour Bridge und Opera House

Beim Aufwachen schaut mir von draußen ein Kakadu zu. Er turnt auf der Stromleitung herum und blickt mit seinem rosa Kopf neugierig zum Fenster rein. Vorgestellt hat er sich jedoch nicht. Also recherchiere ich seine Art: Ein Rosakakadu. Im Baum vis-à-vis sind jede Menge von ihnen. Und als sie aufgeschreckt auffliegen, zeigen sie auch ihre rosa Brüste oder Bäuche.

 

Nach ein paar Kilometern komme ich an einem weiß gekalkten Tempelgebäude vorbei. Der Duft von Räucherstäbchen kündigte es schon vorher an. Seine drei großen vergoldeten Kuppeln funkeln in der Morgensonne. Und nach ein paar Kurven weiter passiere ich das Eingangstor zum Royal National Park. Kühl und schattig führt er mich mit einigen Anstiegen und rassigen Abfahrten durch seinen Wald Richtung Sydney. Ohne Verkehr war das Fahren herrlich. Die Autos sind mir am Vormittag und auf dieser Strecke wirklich nicht abgegangen.

 

Erst in den Vororten von Sydney ist dann auf den Straßen mehr los. Doch meine Route scheint gut gewählt. Ich komme ohne Hindernisse voran. Auf Nebenstraßen gelange ich zum Hafen. Zum Glück hatte ich mir die Streckenführung vorher schon auf der Karte etwas angeschaut. Denn in den engen Straßen zwischen den Wolkenkratzern versagte mein Navi. Es konnte anscheinend kein Signal zum Orten empfangen. So fand ich dann frei der Nase nach und mit einigen Spur- und Straßenwechseln das ersehnte Ziel: Sydney Opera House. Ich war zufrieden.

 

Die Opera Bar und die anderen Lokale am Kai waren gut besucht. Der Blick auf die Harbour Bridge lockt wohl immer Massen an, und die Oper als berühmtes Bauwerk und Wahrzeichen von Sydney sowieso. Auch ich posierte mit meinem Rad am Wasser. Dort sprach mich ein anderer Radler an, Joseph, ein junger Australier. Es war ein netter Tratsch. Ich freute mich, weil ich ein großes Etappenziel erreicht hatte, und er, weil er sich in seiner Mittagspause übers Radfahren unterhalten konnte. Sein Focus-Rennrad mit edler Bestückung war tipptopp gepflegt.

 

Mein Lunchpaket genoss ich im Grünen auf einer Bank im Royal Botanic Garden. Ich hatte freien Blick auf die Oper, die Harbour Bridge und die umliegenden Wolkenkratzer. Danach machte ich mich auf, raus aus der Stadt. Und das war dann eine richtige Challenge. Mein Navi versagte wieder den Dienst. Ich konnte meiner gespeicherten Route nicht folgen, wusste nur den Namen der Brücke. Und diese überquerte ich dann mitten im rauschenden Verkehrsstrom auf einer der vielen Autospuren und nicht am seitlichen Radweg. Doch es ist alles gut ausgegangen, auch die weiteren Kilometer danach. Die Anfahrt am Vormittag war superlässig und easy. Doch beim Rausfahren zeigte sich dann, dass auch Sydney eine Automillionenstadt ist.

 

6. Mai 2023

Kaltstart und Verkehrswahnsinn

Aus dem Bett raus und gleich auf eine dreispurige Straße. Dazu fällt mir als Beschreibung nur Kaltstart ein. Gestern war schon viel los, und heute ging es in der gleichen Tonart weiter. Es ist Samstag. Da wollen die einen auf drei Spuren aus Sydney raus, und ebenso viele auf drei Spuren vis-à-vis hinein. Keine Ahnung, ob es in die anderen Himmelsrichtungen auch so zuging. Zu meinem Glück gab es immer wieder längere Busspuren, auf denen ich etwas ausweichen konnte. Erst nach gut einer Stunde entspannte es sich etwas. Und da waren dann plötzlich auch viele Rennradler unterwegs, zumeist in größeren Gruppen. Vielleicht waren ja sie es, die mit den Autos vorher unterwegs waren, und dann auf die Fahrräder umgestiegen sind.

 

Irgendwann gelangte ich auf den Old Pacific Highway. Es waren 25 Kilometer als malerische Route ausgeschildert. Kurvig und mit vielen Auf und Abs schlängelte sich die Straße durch den Wald. Hie und da sah man auch auf einige der weit ins Land hineinragenden, verschlungenen Meeresarme hinunter. Statt der vielen Autos traf ich hier auf viele Motorräder. Kein Wunder, die Straße war auch sicher für sie toll zum Fahren. Und für ein paar Sportwagen natürlich auch. Die waren noch schneller unterwegs als die Motorräder. Bei einigen dachte ich mir, dass sie untereinander gar Wettrennen machten.

 

Ich folgte brav meiner Route. Es sollte ein Fahrradweg sein. Ein solcher ist es anscheinend auch, wenn auf einer schmalen, holprigen Straßenschulter ein Fahrradsymbol aufgemalt ist, oder dort gerade noch Platz hat. Und solche Markierungen fand ich den ganzen Tag über, egal wie viele Autospuren es daneben gab. Der Höhepunkt war jedoch, als mich so ein Fahrradsymbol auf eine Autobahn lenkte. Linke Straßenschulter verwenden, war auf einer Tafel als Hinweis für mich angeschrieben. Doch nach einigen hundert Metern bin ich umgekehrt. Das vierspurige Rauschen der motorisiert dahinrasenden Endlosschlangen neben mir war nicht zum Aushalten. Beim Umkehren störten mich daher die etwas irritierten Blicke der auf die Rampe auffahrenden Autofahrer wenig. Ich wollte von da schnellstmöglich wieder runter. Die dann gefundene Landstraße war zwar ebenso voll, doch für mich irgendwie erträglicher. Das mit dem vielen Verkehr wäre hier in den Ballungsräumen an der Küste so, meinte als Kommentar ein mich überholender Rennradler. Meine Bilanz am Abend: Die einen paar schönen Kilometer heute waren jedenfalls teuer erkauft.

 

7. Mai 2023

Durchwachsener Tag

Um halb sieben in der Früh flutet die Sonne dunkelrot mein Zimmer. Ja, so kann ein Sonntag beginnen. Es zog mir beim Aufwachen ein breites Lächeln ins Gesicht. Doch bis ich meine Sachen gepackt hatte und startklar war, hatten sich ein paar Wolken für den Tag breit gemacht. Und auf der Straße machten sich zu meinem Leidwesen auch zunehmend mehr Autos breit.

 

Irgendwann passierte ich ein großes Fußball- und Rugby-Stadion. McDonald Jones war außen groß angeschrieben. Die Masten für die riesige Flutlichtanlage türmten sich hoch in den Himmel. Mit etwas Warten hätte ich beim Rugby zuschauen können. Newcastle Knights gegen Gold Coast Titans klang imposant. Doch ich suchte nach einem Fahrradshop am Weg. Ich hatte einen der Lenkerendstöpsel verloren und wollte diesen ersetzen. Das erste Geschäft hatte geschlossen, doch beim zweiten schon bekam ich pinke Schraubstöpsel geschenkt. Es war zwar nicht mein absoluter Farbwunsch, doch sie passten, und erfüllen ihren Zweck. Ein edles ganzes Rad mit viel Pink hätte ich auch bekommen. Der Laden bot einige Schmuckstücke amerikanischer Firmen.

 

Beim Weiterfahren zogen irgendwann ein paar dunkle Wolken auf. Und kaum hatte ich nach einer Pause meinen Proviant wieder verpackt, fielen erste Regentropfen. Mehr Sorgen machte mir jedoch, dass sich das Fahren plötzlich schwammig anfühlte. Beim Runterschauen war mir sofort klar: Am Hinterrad zeichnete sich ein Plattfuß ab. In einer Firmeneinfahrt bereitete ich mich auf einen Reifenwechsel vor, entschied mich dann aber doch nur für Nachpumpen. Mir schien, als ob die Dichtmilch die zwei sichtbaren Einschnitte im Mantel schon abgedichtet hätte. Eine gute Fahrstunde weiter musste ich dann aber dennoch einen Schlauch einsetzen. Die Dichtmilch war aufgebraucht und der Mantel trocken. Dafür hatte das Schutzblech innen eine feuchte Gummischicht. Schlauchlos hat einfach auch seine Tücken.

 

Für den letzten großen Teil der heutigen Strecke bog ich von der Hauptverkehrsroute ab. Quer übers Land war weniger los. Hier gefiel es mir beim Fahren auch viel viel besser. Zuerst mit Gegenwind kämpfend änderte sich zum Glück der Straßenverlauf. Mit dem Wind im Rücken kam ich flott voran. Und als versöhnlicher Abschluss hatte der Wind die Regenwolken auch noch woanders hingetrieben. Ein zarter Regenbogen war im Hinterland aufgezogen. Schön.

 

8. Mai 2023

Heute hat es gepasst

In der Nacht gab es etwas Regen, und Wind sowieso. Der Check des Wetterberichtes am Morgen dauerte nicht lange. Es war ja nur ein Wort zu lesen: „Windy“. Doch beim Losfahren war ich dennoch zufrieden. Es war ein superklarer, frischer Morgen. Zwar mit viel Wind, aber fahrbar. Die noch tiefstehende Sonne blendete etwas. Ich meinte, ich müsste früher los, falls ich Gegenwind habe. Davon blieb ich jedoch weitestgehend verschont. Im Gegenteil. Der Wind trieb mich von seitlich hinten an. Mit seiner Hilfe purzelten die Kilometer am Vormittag auf dem Seitenstreifen des Highways nur so runter.

 

Die Fahrbahnen waren betoniert. Es gab viel weniger Abrollgeräusche als auf dem sonst meist ganz rauen Asphalt. Dafür war das Rauschen des Windes in den Bäumen umso besser zu hören. Auf meinem Fahrbahnstreifen waren Spuren anderer Radfahrer zu sehen. Oder bildete ich mir ein. Manche verliefen im feinen Staub recht gerade. Andere wiederum schlingerten dahin. Vielleicht hatten sie auch Wind. Oder fuhren langsam mit viel Gepäck. Ganz ohne Schlenker kam auch ich nicht aus. Sei es wegen einer Böe des Windes, oder wegen des Winddrucks eines passierenden Lastwagens. Bei denen zählte ich immer die Achsen, und stellte eine schnelle Hochrechnung zur Anzahl der Reifen an. Bei vielen kam ich dann auf 34 als stolze Anzahl, im Vergleich zu den 2 bei mir. Dabei habe ich ja auch voll geladen.

 

Nach gut 50 Kilometern kam dann endlich eine Möglichkeit zum Abbiegen. „Tourist Drive“ war angeschrieben. Er führte mit ein paar Steigungen durch den Wald Richtung Meer. Zum Fahren war es hier richtig klasse: Nur wenig Verkehr, kurvig, guter Belag, schmale Straße, hie und da offene Landschaft mit Wiesen, dann wieder Wald, überwiegend flach, und als Abschluss ein toller Höhepunkt: Das Meer in verschiedenem Blau, mit Gischt und Sandstrand über viele Kilometer. Zum Abschluss steuerte ich noch einen erhöhte Aussichtsplattform an der Küste an. Da toste das Meer dann spektakulär um schroffe Felsen.

 

9. Mai 2023

Allerlei Blau und etwas Rot

Es ist ein klarer Morgen mit angenehmer Temperatur. Etwas frisch zwar, doch auch schon wärmende Sonne. Ich bin gut drauf. Von zu Hause habe ich ein wunderbares Blumenbild ganz in Blau erhalten: Enziane von einer Bergwiese. Sensationell. Beim Überqueren einer langen Brücke über einen Meeresarm suche ich das Enzianblau im Wasser. Doch dieses hat hier gerade andere Schattierungen, eher in matten Farbtönen jetzt am Morgen. Zu meiner Freude sehe ich am Ende der Brücke das Enzianblau dann doch. Es sind viele trapezartig zugeschnittene Planen als Überdachung eines großen Platzes in einem Park am Wasser. Das satte Blau der Planen wiegt im Wind. Ich freue mich ob der Farbe.

 

Am Highway sind gerade Mäharbeiten im Gange. Schweres Gerät ist aufgefahren, und die Straße über viele Kilometer mit roten Hütchen einspurig befahrbar abgeteilt. Mir kommt das sehr zugute. Denn nach dem Passieren der Mähmaschinen gehört die eine Highwayhälfte nur mir allein. Und weil es noch ganz leicht abwärts geht, kommt es mir wie Dahinfliegen vor, so schnell bin ich am Weg.

 

Etwas langsamer, oder vielmehr radikal langsamer, bin ich dann die nächsten 2 Stunden unterwegs. Ich habe mich für eine Schotterstraße entschieden. Die stellt sich als solche jedoch erst heraus, als ich nicht mehr umkehren wollte. Bis dahin war es ein etwas holpriger Flickasphalt. Und kaum auf Schotter unterwegs, bekomme ich auch schon ein paar Staubwolken ab. Zum Glück waren es nur wenige Autos, wahrscheinlich von den paar einsam gelegenen Häusern an der Straße. Anfangs war es cremefarbener Sand, doch irgendwann ging es in ein kräftiges Braunrot über, und war schön anzuschauen. Weniger schön waren hingegen die Verhältnisse zum Fahren. Es kam mir wie eine waschbrettartige Rumpelpiste vor. Ich wurde gehörig durchgerüttelt.

 

Als ich mittags in der ersten Ortschaft am Weg mein Rad vor einem Streetfood-Lokal abstellte, staunte ich ob der roten Staubschicht an meinem Rad. Ich fand, dass es richtig gut ausschaute. Abenteuerlook pur. Doch ganz vergessen hatte ich die Rüttelei nicht. Mit viel Gepäck nur auf roter Sandpiste fahren möchte ich glaub doch nicht für längere Zeit. Und als ich später dann wieder nah zum Meer und seinen Buchten unterwegs war, spülte ich bei einer Stranddusche den gröbsten Schmutz wieder herunter. Es war am Rainbow-Beach. Dort hatte ich gleich länger Pause gemacht, und nachdenklich den blauen Wellen zugeschaut und zugehört. Ich kam mir sehr privilegiert vor: Nach Lust und Laune unter blauem Himmel entlang einer faszinierenden Küste radeln zu können ist ein wunderbares Geschenk. Es ist intensiv wie Meeresblau, oder Enzianblau.

 

10. Mai 2023

Begegnungen und Storys am Weg

„Fair weather and clear sky“ hatte der Wetterbericht am Morgen ganztägig versprochen. Und so schaute es beim Losfahren auch aus. Dennoch holten mich ein paar Regentropfen ein. Die mussten wohl sein, denn sonst hätte sich vor mir kein Regenbogen aufspannen können. Ich genoss ihn als freudigen Morgengruß, und danach die versprochene strahlende Sonne.

 

Bei einer Rast an einem Flussufer leistete mir ein großer weißer Vogel Gesellschaft. Sein langer, krummer, schwarzer, schmaler Schnabel schaute lustig aus. Während es bei mir Brot mit getrockneten Tomaten und Oliven gab, stocherte er am Ufer nach seiner Jause. Gefunden haben dürfte er dabei aber nichts. Denn er traute sich näher zu mir heran. Vielleicht in der Hoffnung, dass bei mir was übrigbleibt. Mein Griff zum Fotoapparat irritierte ihn allerdings. Träge, doch mit kräftigen Flügelschlägen suchte er das Weite. Später recherchierte ich: Es war ein Molukkenibis. Und Oliven oder Tomaten sind bei ihm nicht als Nahrungsquelle oder Jause zwischendurch angeführt.

 

Irgendwann holte ich auf der Straße vor mir zwei Radfahrer mit Gepäck ein. Es waren die ersten Reiseradler, die ich hier traf. Also gab es gleich einen regen Austausch. Das schwedische Ehepaar war ebenfalls in Melbourne gestartet und wollte nach Norden. An Gepäck hatten sie erheblich mehr Sachen dabei als ich. Ich staunte, denn sie schleppten ihre Tauchausrüstung mit. Tauchen müsse man hier unbedingt machen, war ihre Erklärung, und Ermunterung für mich. Doch das Radfahren sei schon auch schön an dieser Küste. Da stimmten wir überein.

 

Meine Route führte mich heute abseits vom Highway quer übers Land. Es war Farmland mit weiten Feldern. Ein paar Hügel gab es auch, mit lichtem Wald und Wiesen, und kurvige Straßen. Bei einem Stopp zum Fotografieren wurde ich akustisch abgelenkt. Ich hörte einen auffälligem Ton näherkommen. Um die Kurve bog ein Motorrad. Ich schaute ihm mit offenem Mund nach. Hey, es war eine Zweitakt 3-Zylinder Kawasaki 750 Mach IV aus den 70-iger Jahren. Kurz darauf kam sie mit genialem Sound wieder zurück. Da musste ich den Fahrer natürlich aufhalten und ihn wegen seiner Maschine ansprechen. Bereitwillig gab mir der ältere Herr Auskunft. Es sei alles original, und er hätte eine große Freude mit dem Ding. Das war ihm sichtlich anzusehen. Und mir natürlich auch, ob der eigenen Erinnerung an Jugendjahre.

 

Am Nachmittag erkundigte sich während meiner Rast in einem Park ein australischer Lehrer und Radsportenthusiast ob meines Fahrrads und meiner Pläne. Mit seinen Empfehlungen zu Routen und Orten kann ich jetzt wohl das ganze restliche Jahr und darüber hinaus noch füllen. Über Europa haben wir ebenfalls kurz gesprochen. Und damit natürlich auch über den aktuellen Stand des Giro d‘Italia. Ich weiß nun, dass ein Australier die dritte Etappe gewonnen hat. Und dass Fischen Schulsport sei. Denn hinter uns waren Jugendliche mit ihren Angelruten am Wasser. Und dass ich auf weiße Haie aufpassen müsse. Unweit von hier sei er beim Surfen von einem solchen angegriffen und am Bein schwer verletzt worden. Spannend, manche Begegnungen und Storys am Weg.

 

11. Mai 2023

Die Bibel unterhaltsam erklärt

Morgenstund hat Gold im Mund. Dieser Spruch ist mir auf den ersten Kilometern wegen der angenehmen Morgenstimmung eingefallen. Dabei musste ich auch an das Gespräch mit dem Motorradfahrer von gestern denken. Er meinte, dass es jetzt zu dieser Jahreszeit hier am schönsten sei. Oder ganz gut zum Aushalten. Im Sommer wäre es zumeist fast unerträglich heiß. Mir kam es jetzt jedenfalls auch ganz gut zum Radfahren vor. Ich hatte die kurze Hose an. So wie die Schulkinder, die aufgefädelt an meiner Route auf den Schulbus warteten. Gegen halb 9 waren sie dann alle weg, oder im Bus unterwegs.

 

Ich hatte mir für heute eine längere Strecke vorgenommen. Sie stellte sich ab der Hälfte recht hügelig dar. Doch landschaftlich war sie kurzweilig. Und zum Fahren auch. Es gab recht viele Auf und Abs. Ich kam gut voran. Mittags wollte ich mich dafür mit dem Einkehren in einer Bäckerei an der Straße belohnen. Und dieser Stopp war wirklich lohnenswert. Weniger wegen des Sandwiches, sondern wegen des sich zufällig ergebenden Gesprächs mit einem Mann vor Ort. Das war sensationell.

 

Wegen einer belasteten Vergangenheit war Jean-Pierre vor 55 Jahren von St. Gallen in der Schweiz nach Australien geflüchtet. Hier hatte er seine Bestimmung gefunden und sein Leben radikal verändert. Er gründete im Busch eine Therapiestation für Alkohol- und Drogenkranke, das Sherwood Christian Rehab Center. Als Pastor betonte er natürlich auch die persönliche Verbundenheit mit Gott. Denn damit hätten die Leute über das halbe Jahr bei ihm hinaus weiter einen Halt. Das Gespräch mit John, wie er sich hier jetzt nennt, war total spannend und unterhaltsam. Vor seinem „Pfüate“ beim Gehen hat er mir mit einem Schmunzeln noch eine griffige Erklärung der Bibel mitgegeben. „Bible“ stehe für „Basic instruction before leaving earth“. Damit hatte er auch mein Schmunzeln für sich.

 

12. Mai 2023

Zuckerrohr und Peter der Fährmann

Um Punkt 7 Uhr bin ich heute losgefahren. Es hat mir voll getaugt. Denn schon nach kurzer Zeit kann ich auf eine wenig befahrene Strecke abbiegen. Sie führt mich flach durch weite Wiesen. Später folgt sie einem großen Fluss.

 

Irgendwann tauchen Zuckerrohrplantagen auf. Links der Straße sind es einjährige Pflanzen. Rechts der Straße zweijährige. Das erfahre ich von einem Farmer an der Strecke. Er hat mit seinem kleinen Sohn auf den Schulbus gewartet. Ich habe ihn wegen der Pflanzen angesprochen. Denn Zuckerrohr kannte ich bisher nicht. Hier würden sie vor der Ernte im Oktober die Felder mit den trockenen Blättern abfackeln. Dann wären die Stängel leichter von der Erntemaschine aufzunehmen. Spannend, dachte ich mir, ob das wirklich umweltschonender und zeitgemäßer Anbau ist? Doch der Farmer interessierte sich mehr für meine Tour und Europa. Übers Zuckerrohr zu tratschen war für ihn nicht so spannend wie für mich.

 

Später kam ich an einer Zuckermühle vorbei. „Broadwater Sugar Mill“ war groß angeschrieben. Als ich abends nach ihr im Internet suchte, tauchte sie als gleiches Bild auf, wie ich sie am Weg gesehen hatte: Ein riesiger Schlot mit noch größerer, weißer Dampfwolke, vom Wind waagrecht in den blauen Himmel weggetrieben.

 

Am frühen Nachmittag wählte ich eine kleine Straße auf einer Landzunge. An ihrem Ende gab es eine Fährverbindung. Ich konnte für 1 Dollar übersetzen. Dem Fährmann stellte ich mich aus Österreich stammend vor, und ergänzte, dass wir keine Seilfähren hätten wie hier. Da grinste der Mann, und ich musste lachen: Denn mit einem breiten Wienerisch bekam ich von Peter erklärt, dass es auf der Donau sogar eine ohne Motor gäbe. Er wäre zwar in Australien geboren, doch seine Mutter sei aus Wien. Lustig, der Spruch von der kleinen Welt scheint wirklich zu stimmen. Auch wenn sie mir beim Radeln riesengroß vorkommt.

 

13. Mai 2023

Ein nasser Morgen und viele Sportler

Auf nasser Straße geht es los. Der Himmel ist unerwartet verhangen. In meiner Fahrtrichtung vorne zeichnen sich Schauer ab. Und während ich noch am Überlegen bin, was ich tun soll, sind sie schon da. Bis ich meine Regenkombi an habe, ist mein Pullover angefeuchtet. Beim Zurückschauen grüßt dafür freundlich ein bunter Regenbogen. Na also, dann muss irgendwo ja auch Sonne sein. Bei einem Aussichtspunkt nach einer kleinen Steigung stehen viele Autos. Ich steuere ihn ebenfalls an. Es bietet sich ein wunderbarer Ausblick auf eine lange Bucht. In den Wellen unten versuchen sich einige Surfer. Während ich mich aus der Regenkombi winde, winden sich andere rund um mich herum in ihre Neopren-Anzüge. Es ist Samstag. Da geht man hier anscheinend surfen.

 

Doch es ist nicht nur Surfen angesagt. Auch Radler sind unterwegs. Rennmäßig. Ich teile mit ihnen für eine Zeit lang die Fahrbahn. Viele sind nicht gravierend schneller. Doch einige flitzen richtig vorbei, tief gebeugt und gestreckt auf Triathlon-Rennern. Wenn sie von hinten anrollen, dann tönt es fast als ob ein Lastwagen kommen würde. Die schmalen Reifen auf den hohen Felgen erzeugen einigen Lärm. Der Zielraum ist in der Nähe vom Stadtzentrum, direkt am Strand. Dort haben viele ihre Räder schon abgestellt und sind aufs Laufen umgestiegen. Ich erfahre, dass es der Bayron Bay Triathlon war, dessen Start ich versäumt hatte. Etwas im Nassen war ich zwar am Morgen auch. Doch weil ich das Laufen gänzlich ausgelassen habe, werde ich in der Rangliste wohl als disqualifiziert gewertet werden.

 

Später ist näher zu Brisbane auf der Straße und an der Küste richtig viel los. Mehr Leute, mehr Autos. Motoradfahrer natürlich auch. Einer hatte beim Näherkommen schon meine ganze Aufmerksamkeit. Beim Passieren dann ganz besonders. Und nachgeschaut hatte ich ihm auch ganz lange. Er hatte seitlich ein Surfbrett aufgeschnallt oder angebracht. Ich staunte. Es sah ziemlich cool aus. Na ja, wenn Skier wie bei mir zu Hause am Fahrrad auch gehen, dann gehen hier am Meer Surfbretter allemal, auch am Motorrad.

 

14. Mai 2023

Muttertagsradeln und Hochhausschauen

Gleich beim ersten Blick aus dem Fenster sehe ich einen Regenbogen. Oder vielmehr zwei Viertelbögen. Einen markanten Ansatz links, und einen zweiten rechts. Die fehlende Hälfte in der Mitte oben ergänze ich in Gedanken. An der Küstenpromenade sind viele Jogger unterwegs. Die Männer zumeist ohne Shirt. Die Laufstile ganz unterschiedlich. Etwas später sehe ich dann viele Frauen in Pink. Sie dürften wohl an einem Laufevent teilnehmen. Vielleicht ist es ein gemeinsames, sonntägliches Muttertagslaufen. Denn diesen Tag feiern sie natürlich heute auch hier.

 

Auch wenn die Straße gerade und der Küste entlang führt, so will es mir hier doch nicht ganz gefallen. Denn die Bauten auf der linken Seite sind eindeutig zu hoch. Es reiht sich ein Wohnturm an den anderen. Abenteuerlich hohe Silos, kommt es mir vor. Obwohl die Aussicht auf das Meer von ganz oben sicherlich toll sein muss.

 

Im Vorbeifahren sehe ich einige Autowaschanlagen an der Straße. Eine warb zusätzlich mit der Möglichkeit zur Hundewäsche. Die wird dann wohl von Hand vorgenommen werden müssen. Denke ich mir, obwohl nachgegangen bin ich dem Angebot nicht. Ich musste mich voll auf den Radweg und dessen Verlauf konzentrieren. Es war einfach zum Fahren solang geradeausgehend. Doch bei den vielen Ampeln und Kreisverkehren versteckte sich die Auffahrt meist irgendwo hinter einem Busch. Egal, so ist es halt in Großstadtnähe. Autos gehen vor. Nur kurz vor Brisbane war der Radweg über einige Kilometer erste Sahne. Ich kam mir fast wie auf einer Radautobahn vor. Oder einer Radbahn eben. Denn Autos durften da nicht lang.

 

Bis zum Zentrum von Brisbane hat es sich dann etwas länger als erwartet gezogen. Doch als ich im South Bank Park die gläsernen Türme vis-à-vis auf der anderen Seite des Flusses sah, war ich schon zufrieden. Bin ja erst grad vor kurzem in Melbourne los, und jetzt schon in Brisbane. Und flott ging es dann auch mit dem angekündigten Regen. Zum Glück bin ich noch rechtzeitig ins Trockene gekommen. Denn abends wurde es richtig unlustig draußen.