3. September 2024
Abwechslungsreich immer wieder an Kanälen entlang
Grado, Bibione, Caorle, Jesolo, jetzt weiß auch ich, wo sie sind, die österreichaffinen Badeorte an der oberen Adriaküste. In Grado hatte ich mir gestern ein Zimmer genommen, und die anderen Orte heute auf den Straßenschildern entdeckt. Der eine Eindruck von gestern reichte mir. Es war nur deutscher und österreichischer Dialekt zu hören. Und egal ob Hotel, Supermarkt oder Gelateria, das Deutsch dominierte auch bei den Angestellten. Ich konnte oder wollte mich jedoch nicht darauf einlassen. Schließlich hatte ich eine Italienrunde gestartet, und da kam mir das Österreichische grad etwas komisch vor. Daher mein Plan: Möglichst bald raus aus dieser Blase und ab aufs Rad weiter Richtung Süden.
Gestartet bin ich dennoch etwas später. Die Sonne stand schon höher als sonst. Ein paar Fischer versuchten ihr Glück entlang meiner Route. Und ein paar Rennradler kamen mir ebenfalls schon entgegen. Im Gegenlicht spiegelt die Sonne sich in der Lagune. Ist schon schön hier, denke ich mir auf der langen Geraden, links und rechts umrahmt von Wasser. Die Kette surrt gleichmäßig, mein Pedalieren ist freudig.
Irgendwann ist der Radweg zu Ende. Auf der Hauptstraße ist eindeutig mehr los. Doch die Autos lassen Abstand. Es ist zum Aushalten. Und bald kann ich auf Nebenstraßen abbiegen. Da gefällt es mir. Weniger Gefallen finde ich an meiner Jause. Ich hätte wohl einen anderen Laden aufsuchen sollen. Denn der eine, erstbeste am Weg, war ziemlich öd. Statt erhoffter Spezialitäten gab es nur abgepackte Massenware. Eher lustlos stillte ich im Park vis-á-vis meinen Hunger, und schaute nebenbei zu, wie andere den Enten Brot fütterten. Vielleicht hatten sie es ebenfalls gerade im selben Laden wie ich gekauft. Meines war nämlich auch eher für die Hühner.
Später geht es immer wieder an Kanälen entlang, manchmal kurvig, und dann wieder weit geradeaus. Schön zum Fahren und zum Schauen. Oder auch zum Hören, wie das Wasser bei den Schleusen plätschert, oder Fische springen. Doch beim Stehenbleiben bin ich gleich von vielen kleinen Mücken umschwirrt. Die große Bisamratte im Wasser stören die anscheinend nicht. Die zieht mitten im Kanal ihre Linie flott weiter, und verdrängt wie ein Boot seitlich das Wasser. An Land wachsen auf den Feldern reichlich Bohnen. Doch Weinanbau gibt es ebenso, und viel Futtermais dazu. Der scheint gerade reif zu sein. Denn immer wieder treffe ich auf große Traktoren mit noch größeren Anhängern, prall gefüllt mit frischer Ernte. Hie und da ist das Schilf entlang der Kanäle so hoch, dass die Sonnenschirme der zahlreichen Fischer kaum zu sehen sind. Ein Campingstuhl und zwei Ruten ist deren Welt. Doch meine schaut nicht viel anders aus, geht es mir durch den Kopf: Ein Fahrradsattel und zwei Räder.
4. September 2024
Kein Zutritt zu den heiligen Hallen
Die Sonne steigt als roter Ballon gegen den Himmel, und ich nach ausgiebigem Frühstück etwas spät aufs Rad. Auf der Straße empfängt mich reichlich Verkehr. Der Radweg daneben erweist sich als Holperstrecke, und macht zum Fahren wenig Spaß. Doch ich bin ohnedies bald in einer größeren Stadt, und suche dort mein Glück in den verzweigten Gassen und zwischen Kanälen.
Aus Treviso hinaus führt mich dann ein Naturweg im Wald, den ich mit anderen Radfahrern und Wanderern teile. Ein Blätterdach bietet angenehmen Schatten. Obwohl unbefestigt, geht es ganz gut zum Fahren. Bei einem kurzen Stopp erkundige ich mich auf der Karte nach meinem ersten Tagesziel. Ich habe mir nämlich Rossano Veneto auf die Routenliste gesetzt. Dort will ich bei der Fahrradfabrik Wilier-Triestina, meiner Radmarke, vorbeischauen.
Zum Finden war es leicht. Das große Areal strahlte außen vornehme Gediegenheit aus. Doch ein Reinkommen war leider nur bis zum Empfang möglich. Ich hätte meinen Besuch über einen Händler anmelden müssen. Und einfach so spontan reinschauen geht nicht, erklärte mir ein junger Mann im Wilier-Shirt freundlich und bestimmt. Die Argumente leuchteten mir ein. Den Schauraum hätte ich zwar schon gern gesehen, und die Arbeit in den Werkshallen auch. Doch bei einer Firma dieses Kalibers braucht es wohl Ordnung und Regeln auch. Also zog ich unverrichteter Dinge wieder ab. Die heiligen Radhallen von Wilier nur von außen sehen musste für heute reichen.
Freien Zutritt hatte ich dafür einige Kilometer weiter. Das Tor zum schönen Vicenza stand offen. Die Stadt strahlte nachmittägliche Ruhe aus. Rund um die Basilika und den Palazzo war nichts los. Später erfuhr ich, dass das schon morgen und die Tage danach anders sein wird. Denn es findet die Vicenzaoro statt, die größte Messe in Europa für Schmuck und Goldschmiedekunst. Ich beließ es bei meiner kurzen Radrunde durch die Stadt. Zur Zielgruppe der Veranstaltung zählte ich mich nicht. Und die anderen werden wohl auch nicht mit dem Fahrrad anreisen. Beim Weiterfahren gefiel es mir am Radweg danach ganz gut. Nur die vielen Metallbügel mitten im Weg als Sicherheitsvorkehrung bei den Querstraßen waren lästig. Das Abbremsen und Durchschlängeln brachen leider immer meinen Rhythmus. Den sonst wäre es eine flotte Rolleretappe geworden.
5. September 2024
Zu dritt am Frühstückstisch
Schon gestern am Abend beschäftigte ich mich eingehend mit dem Wetterbericht. Und heute am Morgen dann noch mehr. Es regnete. Obwohl ich dieses Geräusch schon seit langem nicht mehr gehört hatte, kam es mir gleich vertraut vor. Denn Regen und Radfahren passen trotz gleichem Anfangsbuchstaben nicht recht zusammen. Also konzentrierte ich mich nach dem Aufstehen mehr auf das Frühstück. Und da gab es dann eine Überraschung: Statt allein saß ich plötzlich zu dritt am Tisch. Blitz und Donner hatten nämlich ebenfalls Platz genommen, und langten kräftig zu. Beeilen musste ich mich jedenfalls heute nicht. Ich konnte mir Zeit lassen.
Erst später als vorausgesagt taten sich am Himmel dann ein paar lichte Flecken auf. Im Norden sollte es ganztägig gewittrig bleiben. Doch für den Süden, für meine Fahrtrichtung, war Besserung angekündigt. Gestartet bin ich aber dennoch zu früh. Ein letzter Regenguss suchte sich ausgerechnet meine Gegend aus. Mit Regenkombi ging es eine Zeit lang weiter, bis die Straße endgültig aufgetrocknet war.
Die Wolken hingen dennoch tief, ließen kein Blau oder Gelb durch. Grau dominierte. Und die Farben der Landschaft waren dumpf. Nur die frisch umgeackerten Felder zeigten ein kräftiges, dunkles Braun. Grobschollig lag die Erde da, und wartete auf die neue Einsaat. Davor wird sie jedoch noch feinkrümelig eingeebnet werden. Zumindest sah ich dies bei einigen weiteren Feldern so.
Mit etwas Rückenwind kam ich flott voran, und hatte dann für einige Kilometer Gegenwind. Denn die Straße war bei einem Kanal gesperrt. Die Brücke fehlte. Ich musste umkehren und denselben Weg wieder zurück. Ich hatte eine Fahrverbotstafel falsch interpretiert, und Umleitung war keine ausgewiesen. Gegen Mittag wurde der Wind dann stärker. Es fühlte sich nach Regenwind an. Doch außer ein paar großen Tropfen kam nicht mehr herunter. Nur ich hatte mich da schon zu einem Etappenstopp entschieden. Nachmittag einfach Pause machen, und es irgendwo entfernt weiter rumoren lassen, war der Plan. Dazu zwischendurch den Hinterreifen wechseln. Dessen Profil schaute schon reichlich mitgenommen aus. In den Nachrichten las ich danach, dass Norditalien von Unwettern heimgesucht wurde, und es Unmengen von Regen gegeben hat. Da hatte ich mit meinem Wetter also Glück gehabt, auch wenn es nicht besonders zum Radfahren war.
6. September 2024
Zwei bekannte Flüsse wieder entdeckt
Fiume Adige war angeschrieben, als ich die Brücke über einen Fluss querte. Da erinnerte ich mich zurück. Ende April hatte ich den auf meiner Tour schon mal gesehen. Nur mit deutlich weniger Wasser, und mit anderem Namen. Damals in Südtirol stand Etsch auf der Tafel. Hier war er aber nicht mehr Gebirgsgewässer, sondern ein ansehnlicher Fluss.
Bei einer Kleinstadt etwas später waren die Händler gerade mit dem Aufbauen ihrer Stände für den Markt beschäftigt. Kunden waren noch keine zu sehen. Ich war der Einzige, der das noch kleine Angebot musterte. Weiter vorne gelangte ich zu einem Damm. Als ich die Rampe des Radweges hochfuhr, musste ich staunen: Da war ein mächtiger Fluss. Auf der Karte konnte ich Po lesen. Hey, an dem war ich ja auch schon mal vorbeigekommen, ging es mir durch den Kopf. Damals hatte er noch einen weiten Weg vor sich. Hier konnte er sich schon auf die Adria freuen, die er bald erreichen wird. Mit viel Wasser floss er breit und träge dahin, sich seiner Bedeutung dennoch bewusst.
Entlang eines Kanales waren einige tote Tiere am Straßenrand. Die kleinen und großen Bisamratten hatten ihren wahrscheinlich nächtlichen Ausflug aus dem Wasser nicht überlebt. Vielleicht lagen sie ihrem Zustand nach schon länger im Straßengraben. Es war ein landwirtschaftliches Gebiet, durch das ich mich auf eher kleinen Straßen bewegte. Ganz ohne große Verbindungswege ging es aber auch nicht. Da war dann deutlich mehr los. Irgendwie müssen die Industrieorte ja auch mit Gütern versorgt werden, oder deren Produkte auf den Markt gebracht werden. Bei den mich überholenden Lastwagen war es klar zu merken, ob sie leer oder beladen unterwegs waren. Beladen dauerte das Überholen deutlich länger. Dann mussten sie auch länger hinter mir herfahren, bis im Gegenverkehr eine größere Lücke war. Da waren die paar Rennfahrer am Weg doch deutlich schneller. Bis ihr gemurmeltes Ciao bei mir ankam, waren sie schon wieder ein paar Radlängen voraus. Ich ließ sie ziehen. Konnte mit meinem Gepäck eh nicht anders.
Ganz langsam war ich dann in Ravenna unterwegs. Ich machte eine kleine Spritztour durch die Stadt. Das Straßenpflaster sorgte für gemäßigtes Tempo. Und viel zum Schauen gab es auch. Doch ich hatte mich zu wenig vorbereitet, als dass ich da an allen Sehenswürdigkeiten vorbeikam. Die vielen berühmten Mosaikverzierungen ließ ich daher den anderen über.
7. September 2024
Ein Radtag entlang bunter Sonnenschirme und Liegen
Es dauerte einige Zeit, bis ich aus Ravenna rausgefunden hatte. Ich folgte brav den Radwegen, die manchmal einen eigenartigen Verlauf hatten. Und ihre Oberfläche kam öfters einer Rüttelstrecke gleich. Kein Wunder, dass die Rennradfahrer auf der Straße blieben, und die Radwege mieden. Ich machte es dann später ihnen gleich, ohne wesentlich schneller voranzukommen. Denn ich wollte küstennah Richtung Süden fahren.
Nach der Ortstafel gelangte ich auf einen Weg entlang eines schmalen Kanales. Hier war es echt lässig zum Fahren. Auf festem Kiesbelag gab es einige Kurven. Und mit dem Wasser und dem vielen Grün rundum hat es mir gefallen. Die Sonne spiegelte sich je nach Fahrtrichtung immer wieder im Kanal. Aufpassen musste ich nur auf die vielen Schnecken am Weg. Groß und Klein, alle mit schön gemusterten Gehäusen, querten den Weg.
In einer Stadt nah zum Meer merkte ich, dass ein Auto annähernd meine Höhe hielt, und ich was zugerufen bekam. Ich ignorierte es, schaute stur geradeaus, und blieb auf der Straße, annehmend, dass man mich auf den Radweg daneben verweisen will. Doch dann kam ein lautes Hupsignal, und ein noch lauterer Ruf mit „Signore, Signore“. Also schaute ich mich um, und fuhr postwendend auf den Radweg. Es waren die Carabinieri, die um meine Sicherheit besorgt schienen. Ihr schwarzes Auto war recht unauffällig, zumindest wenn man nur die Frontpartie neben einem sieht.
Kaum hatte ich am frühen Vormittag vor Rimini die Adria erreicht, waren die nächsten 100 Kilometer an der Küste ein Fahren von Strand zu Strand. Links Badebetrieb, rechts Barbetrieb. Unglaublich, dass die Adria hier ein einziger, gut besuchter Sandstrand sein kann. Bei den Sonnenschirmen meinte ich, dass es italientypisch vielleicht nur Grün, Weiß und Rot an Farben geben wird. Doch da hatte ich mich getäuscht. Es war eine Buntheit sondergleichen. Und ich denke, dass es sicher mehr als zehn verschiedene Modelle waren, die für Schatten sorgten. Es war einiges los, am Strand, und auch auf der Straße. Dabei waren bei weitem nicht jeder Schirm oder jede Liege besetzt. Gut, dass ich hier nicht an einem Wochenende in der Hochsaison vorbeikam.
Am Nachmittag legte der Gegenwind ein Scherflein zu. Die Kitesurfer vor der Küste freute es, oder deren bunte Schirme, während es für mich anstrengender wurde. Hie und da meinte ich, dass sich ein paar der Schirme verheddern könnten, weil sie so schnell auf und ab, oder hin und her flatterten. Doch die Surfer schienen ihr Sportgerät im Griff zu haben, und sich nicht nur zum Fortkommen an den Schirmen zu halten. Ein Mal gelangte ich in eine Sackgasse. Ich hatte es selbst gemerkt, und auch auf der Karte gesehen. Doch ein Mann, wahrscheinlich vom Badebetrieb, machte mich gesten- und wortreich darauf aufmerksam. Mein Beitrag bestand lediglich in ein paar „Si, si“ und Nicken, und im Nennen des Campingplatzes bei der Bahnunterführung, an den ich mich erinnern konnte. Es reichte offensichtlich, um mir Italienischkenntnisse zuzuschreiben. Denn sein Erklärungsschwall blieb ungebremst, wurde jedoch belohnt. Ich kehrte mit einem „Grazie“ um, und fuhr zur richtigen Abzweigung zurück.
8. September 2024
Ein etwas zäher Sonntag
Bewölkt und diesig ist es am Morgen, und so ist es dann auch den ganzen Tag lang geblieben. Bei den Strandbädern nehmen sie gerade die Hüllen von den Sonnenschirmen ab, als ich die ersten Kilometer mache. Es schaut nach festem Tagesritual mit eingespielter Routine aus. Bis die ersten Strandgäste kommen, ist alles perfekt vorbereitet. Auf dem Radweg kommt mir ein Skater entgegen. Elegant zieht er weit ausholend seine Spur. Gebeugt wie ein Eisschnellläufer saust er an mir vorbei. Ich bin erstaunt, wie schnell er am Weg ist.
Vor Ancona sind am Meer draußen große Schiffe zu sehen. Und vom Hügel, auf dem ich unterwegs bin, sehe ich im Hafen die Fährschiffe. Ging es die letzten Tage überwiegend flach dahin, so bin ich heute überrascht, dass da ein Hügel dem anderen folgt. Mein T-Shirt merkt es auch. Irgendwann geht es gar vom feuchten in einen klatschnassen Zustand über. Die Schwüle sorgt dafür, dass mein Schwitzen anhält. Leider gibt es auf den Hügeln keine große Fernsicht. Das Wetter spielt heute kein Sonntagsprogramm. Und als es dann am Meer entlang endlich flach weitergeht, stoße ich auf anhaltenden Gegenwind. Es wird etwas zäh zum Fahren, auch weil die landschaftlichen Reize fehlen, und ich etwas müde Beine habe.
Dazu herrscht auf der Straße reges Treiben. Doch wenn ich auf dem strandnahen Weg bleibe, so muss ich ihn mit all den Badegästen teilen, die eher gemächlich am Weg sind, oder zu spontanen Richtungswechseln neigen, und mich zu einem vorsichtigen Fahren zwingen. Oder ich muss die vielen Kurven rund um Parkbuchten, Hotels, Flussmündungen oder Campingplätze ausfahren, die mir gar nicht recht gefallen wollen, weil das Tempo immer wieder gebrochen wird. Abends meine ich, dass es schon bessere Tage gegeben hat als heute. Doch Glück hatte ich auch. Zwei Gäste einer Bar helfen mir beim Kontakt mit dem Zimmervermieter, der in beamtenhafter Manier allerlei Unterlagen ausschließlich per Whatsapp übermittelt haben wollte, bevor er mir den Zugangscode zum Schlüsseltresor sendete. Lustigerweise gab es in der Wohnung selbst dann gar kein Wifi.
9. September 2024
Ein schöner Radweg entlang der Costa dei Trabocchi
In der Nacht gab es Regen. Die Pfützen und seitlichen Gräben an den Straßen waren am Morgen gut gefüllt. Manchmal war es ein bisschen wie Slalomfahren, um trocken voranzukommen. Am Radweg war wenig los. Und in den Strandbädern an der Küste den ganzen Tag überhaupt nichts. Gestern noch anstrengendes Fahren, heute freie Fahrt.
Doch ganz so schnell kam ich dann auch wieder nicht voran. Ich musste immer wieder stehen bleiben und die nicht aufgespannten Sonnenschirme mit den zumeist angelehnten Liegen bewundern. Es faszinierte mich, wie sie maßgenau in den gleichen Abständen dastanden und Linien bildeten. Bunte geometrische Formen. Aufgespannt in der Sonne ging eine andere Ausstrahlung von ihnen aus. Heute, mit bewölktem Himmel und nassem Sand kam es mir eher wie eine Installation vor. Kein Leben, nur Arrangement.
Durch Pescara und bis zur nächsten Ortschaft begleitete mich Francesco. Er sprach mich auf einer futuristischen Radwegbrücke an, weil ich bis zu ihrem Scheitelpunkt sein E-Biketempo halten konnte. Mir war es recht. Denn so hatte ich erfahren, dass das imposante Gebirgsmassiv der Gran Sasso ist, die höchste Erhebung in den Abruzzen und im südlichen Italien. Und dass ich mir keine Sorgen machen müsse wegen des starken Badebetriebes. Das wäre zu dieser Jahreszeit nur noch sonntags der Fall. Unter außerdem würde mich ohnedies bald ein wunderbarer Radweg erwarten, wenn ich weiter nach Süden fahre.
Nach Ortana war dies dann auch tatsächlich so. Herrliches Pedalieren auf hellgrünem Asphalt. Dazu aufklarender blauer Himmel, ein Meeresblau mit smaragdgrünem und türkisem Einschlag, eine flache, breite Strecke, und einiges zum Schauen. Es gab ein paar Galerien und auch kurze Tunnels. Doch die Attraktion waren sicher die vielen, auf filigranen Stelzen küstennah im Meer stehenden, hölzernen Plattformen, die mal dem Fischfang dienten. An auskragenden Rundhölzern wurden Fangnetze befestigt. Jetzt sind sie zumeist Fischrestaurants, und über wackelig ausschauende Holzstege erreichbar. Das Fahren an der Costa dei Trabocchi hat mir gefallen. Das war klasse. Vergessen, dass es gestern ein zäher Tag war. Heute hat es wieder gepasst.
10. September 2024
Ein erster Tag in Apulien
Gestern am Abend hatte es noch einen richtigen Wolkenbruch. Heftiger Regen. Zwar nur kurz, doch lang genug, dass sich die Einheimischen freuten. Es sei den ganzen Sommer so heiß gewesen, konnte ich hören. Heute in der Früh war beim Aufstehen weiterhin etwas Regen. Doch beim Check des Wetterradars meinte ich, dass man es so oder so auslegen kann. Ich interpretierte es so, startete los, und musste dann schon nach wenigen Kurven feststellen, dass das Wetter doch anders war, nämlich so, so wie ganz in der Früh. Es fing wieder zu regnen an. Also packte ich mich wetterfest ein, und fuhr aus der Stadt den Weg zur Küste hinunter. Der war richtig steil, und wegen des Regens auch rutschig. In einer der letzten Kurven hatte ich beim Bremsen null Grip am Hinterrad. Ich schlingerte mit blockierendem Rad auf die andere Straßenseite, und stellte mich schon auf einen Crash mit der Steinmauer ein. Doch es ist sich ohne Sturz und ohne Gegenverkehr ausgegangen. Ich konnte das Rad noch abfangen, und die Kurve mit Herzklopfen meistern.
Der Radweg an der Küste war voller Kiefernadeln. Der Regen und der Wind hatten sie wohl runtergeschüttelt. Vom Schreck davor ging ich die Kurven entsprechend langsam an. Schneller war ich dann auf der Hauptstraße. Da hatte ich Rückenwind. Ich sauste flott dahin, vorbei an einzelnen Olivenhainen, und noch mehr an überhohem Schilfgras. Kurz vor Tremoli musste ich dann jedoch blitzartig wieder in meine Regenkombi. Es schüttete heftig. Das Wasser kam nicht nur von oben und von unten, sondern auch von der Seite. Manch Auto deckte mich nämlich ebenfalls mit einem Spritzer ein. Das Regenwasser konnte nicht ausreichend von der Straße abfließen. Doch so schnell der Spuk begonnen, so schnell war er auch wieder abgezogen. Nach kurzer Zeit war alles wieder eitel Wonne, so als ob nichts geschehen. Nur am Meer rumorte es weiter. Küstennah hatte das Wasser vom aufgewirbelten Sand eine braune Farbe. Die Wellen rauschten mit breiten Gischtkronen an. Ein beeindruckendes Schauspiel.
Erst gegen Mittag konnte ich die stark befahrene Schnellstraße verlassen. Es war etwas eigenartig. In den Pannenbuchten war überall Müll abgelagert, obwohl nicht unweit davon ein Nationalpark ausgeschildert ist. Und der Wind hatte den Müll zudem weiter entlang der Straße und in die Felder hinein verteilt. Ich musste an Albanien denken. Das liegt auf gleicher Höhe gegenüber auf der anderen Adriaseite. Doch das Vermüllen der Landschaft hat wohl nichts mit dem Breitengrad zu tun, eher mit der Einstellung der Leute. Da war gestern noch alles blitzesauber, und heute ein paar Fahrstunden weiter schaut es gänzlich anders aus. Gestaunt hatte ich auch, dass mitten im Müll der Pannenbuchten sich Prostituierte ihren Anbahnungs- oder Arbeitsplatz eingerichtet hatten. Eine wusch sich unter einer Brücke im Strahl eines wohl undichten Wasserrohres. Schon spannend, wie sich Apulien am ersten Tag so zeigt, oder welche Radroute ich mir ausgesucht hatte.
Das Fahren auf der Nebenstraße hat mir gefallen. Zwar mit Gegenwind unterwegs, war die Landschaft mit ihren Farben beeindruckend. Dunkles Braun in den Äckern, herrliches Türkis am Meer, das weiter mit kräftigem Wellengang aufwartete. Dazu verführerisch blauer Himmel. In Rodi Garganico war ich dann überrascht, welchen Charme so eine Kleinstadt auf einem Hügel am Meer entwickeln kann. Enge, steile Gassen, Stiegen überall, autofreies Zentrum mit großem Platz, Lokale noch und noch, schmucke Geschäfte in alten Gemäuern, seltenes Handwerk in Kellerateliers, imposante Steinmauer als kreisförmiger Hafenschutz, Rundumsicht auf das Meer, bunte Sonnenschirme im Strandbad, und ein kitschiger Sonnenuntergang kurz nach sieben.
11. September 2024
Herrliches Radeln im Nationalpark Gargano
Bei Sonnenaufgang sitze ich schon am Rad. Oder schwinge gerade den rechten Fuß über den Sattel. Ich fahre eine lange Gerade am Meer entlang. Leichter Wind treibt die Wellen an. Akustisch ist es laut. Wellenmusik. Im Gegenlicht meine ich, feinen aufgewirbelten Dunst des Wassers erkennen zu können. Danach geht es kurvenreich in den Kiefernwald hinein. Am Abend weiß ich, dass die Gerade am Morgen die einzige des Tages war. Es dominierten die Kurven, dass einem fast schwindlig geworden ist. Und obwohl ich wassernah der Küste folgte, sammelte ich Höhenmeter beinahe wie in den Alpen.
Es ist der Nationalpark Gargano, in dem ich unterwegs bin. Kiefernwälder an der Küste mit einem satten, dunklen Grün. Jede Menge hellbraune Nadeln am Boden und im Straßengraben. Und ein Meer mit unglaublicher Farbenpracht. Nah zur Küste ein magisches Grün mit Blau, und ab einer bestimmten Linie weiter draußen ein anziehendes Blau mit Grün. Zum Fahren herrlich. Auf und Ab im Wald, und irgendwann dann wieder freie Sicht auf das Farbenspiel im Meer und die Felsen an der Küste, die einem immer wieder ein Boah in den Kopf riefen. Und dazu der Kontrast an Land mit nur schneeweißen Häusern. Oder die Steilküste mit weißen Felswänden, und anderswo bizarre Felsformationen und Türme oder Brücken im Meer.
Doch wo so viel Schönes anzutreffen ist, sind andere Leute ebenfalls angezogen. Zumindest in den Ortschaften und bei den Aussichtspunkten war mehr los. Auf der Straße war es erträglich. Und für längere Zeit hatte ich eine kleine Straße an der Küste, die von den Autos umfahren wurde. Ich freute mich. Nur irgendwann traf ich auf eine größere Touristengruppe mit E-Bikes. Sie machten öfters Rast, und überholten mich dann mehrmals. Da merkte ich, dass ich doch ehrgeizig bin. Denn ihrer Fahrweise nach saßen sie nicht oft am Rad. Und wahrscheinlich konnten sie im Anstieg den Economy-Modus beibehalten, um immer wieder an mir vorbeizuziehen. Sie irgendwie am Rad zappelnd, und ich mit rundem Tritt, dafür kräftig schwitzend. Ich fand das nicht ok. Doch das Gute an den Anstiegen ist, dass man zum Sinnieren viel Zeit hat. Irgendwann stellte sich dann Gleichmut ein. Ich musste über mich schmunzeln. Und siehe da, die Gruppe kehrte um, ist den langen Anstieg gar nicht fertig gefahren. Ich konnte das Fahren, die Küste und ihr Flair in vollen Zügen genießen.
Im Aufstieg zum letzten Hügel des Tages dominierten dann plötzlich Olivenbäume. Sie wuchsen auf steinigen Etagen. Ein Mal folgte ich einer vermeintlichen Abkürzung, und musste dann mein Rad länger schieben. Doch auch so lassen sich Serpentinen überwinden, und einsame Flecken erkunden. Die Abfahrt war dann purer Genuss. Den Wind im nassen Nacken spürend rauschte ich dem Türkis des Meeres entgegen. Die Schotterstraße unten am Schluss hätte nicht unbedingt sein müssen. Doch dann hätte ich wohl nie so lange zwischen Steinmauern und Olivenbäumen fahren können.
12. September 2024
Sandige Gemüsefelder und prächtige Olivenhaine
Beim Verlassen des Hauses putzte der Nachbar gerade seine Marmoreingangsstufen. Es schaute nach morgendlicher Putzmeditation aus. Ein Buongiorno mit leicht zugewandtem Kopf hatte er für mich zwar übrig, doch sonst galt seine Konzentration voll der klinischen Reinigung zweier Stufen. Ich brauchte zum Einhängen der Packtaschen unendlich lang. Denn diesem Ritual ein paar Meter neben mir wollte ich länger zuschauen, wenn auch etwas zaghaft nur aus den Augenwinkeln.
Gut gelaunt radle ich aus der Stadt raus. Mein Fahrrad war bei einer kleinen Garage eingestellt. Der Wohnungsvermieter wollte nicht, dass ich es ins Zimmer mitnehme. Doch vielleicht wäre ich ohnedies gescheitert. Die Zugangsstiege war nämlich schmal und ausgesprochen steil. Doch sonst war es ein stylisches Appartement mit Gewölbedecke. Durchdacht konzipiert und geschmackvoll eingerichtet. Da hätte ich es auch gerne länger ausgehalten.
Am Morgen ist es noch windstill. Ich fahre auf einem Nebenweg entlang eines Kanals. Die Sonne kommt von links. Mein Schatten fährt rechts im hohen Schilfgras auf der anderen Seite des Kanals mit. Und manchmal taucht er auch kurz ins Wasser ein. Oder verschwindet hinter Platanen, die als Alleebäume die Straße zieren. Etwas weiter weg verläuft die Hauptstraße. Ich meinte, dass dort eindeutig mehr los ist als auf meinem Weg. Doch leider endete mein Weg viel zu früh. Er mündete in die große Straße ein.
In einer Kleinstadt mache ich bei einer Bäckerei Pause. Herrlich, Brot zu kaufen, und im selben Raum zu sehen, wie es aus dem großen Backofen genommen wird, oder wie die Teiglinge neu eingeschoben werden. Die weitere Fahrt danach geht nah zum Meer entlang von sandigen Gemüsefeldern. Sie sind alle abgeerntet. Nur hie und da sehe ich noch ein paar Tomatenstauden, oder Reste von Melonen. Und natürlich die Bewässerungsrohre. Und viel Müll. Grässlich, was hier alles in den Straßenbuchten oder drum herum abgeladen wird. Manchmal riecht es verkohlt, wenn einer dieser Müllplätze abgefackelt wurde, oder sich vielleicht auch selbst entzündet hat.
Als meine Route später nah zum Meer verläuft, sehe ich auf der anderen Seite vis-á-vis einen Teil meiner gestrigen Etappe. Die Halbinsel des Nationalparks Gargano ragt wie ein Sporn weit ins Adriatische Meer hinaus. Doch während ich dort mit den Höhenmetern zu kämpfen hatte, geht es auf dieser Seite ausschließlich flach dahin. Über viele Kilometer erstreckt sich auch eine Anlage zur Meersalzgewinnung. Das Wasser steht in unzähligen großen Becken. Manchmal haben sie eine leicht pinke Farbe. Doch die wird wohl nicht von den Flamingos kommen, die hier ebenfalls zu sehen sind.
Irgendwann werden die Gemüsefelder von Weingärten und Olivenhainen abgelöst. Es kommen mir einige Kleintraktoren entgegen, die Anhänger voll mit Trauben beladen. Die Weinlese ist demnach schon im Gang. Ein paar der Trauben fallen auch für mich ab. Doch allzu groß ist der Hunger nach mehr nicht. Sie sind mir viel zu süß. Und gleich wie gestern, verbringe ich die letzte Fahrtstunde wieder auf etwas holpriger Piste entlang von Gesteinsmauern, die die Felder mit den Olivenbäumen eingrenzen. Wenn es stimmt, dass die Bäume mit dem Alter knorriger werden, dann gibt es hier ausgesprochen viele Uraltbäume. Schön anzuschauen sind sie dennoch, und Früchte tragen sie auch.
13. September 2024
Entlang von Natursteinmauern und runden Steinhäusern
Die Fugen der großen Pflastersteine in der Stadt sind noch mit Wasser bedeckt. In der Nacht hatte es geregnet. Das Fahren ist in den engen Gassen etwas holprig. Doch auf Asphalt geht es dann gut voran, und auf der Hauptstraße sowieso. Kaum hatte ich die Autobahn überquert, begrüßt mich ein großes Schild an der Straße: „Strada dell’Olio“. Ok, die kenne ich, geht es mir durch den Kopf. Dann will ich mich freuen. Denn gestern war es entlang der Felder mit Olivenbäumen ganz ok.
Doch statt der vielen Olivenbäume sehe ich auf meiner Route anfangs etwas ganz anderes: Weingärten, noch und noch. Statt in Spalierreihen sind die Reben hier in Pergolaform gezogen. Alle sind mit Plastikfolie abgedeckt. Es sind weiße Tafeltrauben. Sie hängen gut sichtbar frei herunter. Von der Sonne angeleuchtet läuft einem bei ihrem Anblick das Wasser im Mund zusammen. Mein Weg ist als Radweg ausgeschildert. Er ist breit angelegt, und links und rechts von Natursteinmauern eingegrenzt.
Irgendwann steht ein großer Fernlaster mit offenem Heck auf dem Weg. Ein Kleintraktor hievt palettenweise Kartonsteigen hoch. Die Zufahrt zum Weingarten daneben ist offen. Dort ist die Weinlese in vollem Gang. Wenn ein ganzer Fernzug gefüllt werden will, braucht es viele Leute. Ich bleibe stehen, und schaue den Arbeitern zu. Akkordarbeit, kommt es mir vor. Doch für ein bisschen Reden übern Zaun ist dann doch Zeit. Die Trauben werden von der Rebe weg in kleine Papiertaschen gelegt, in Kartons gestapelt, mit dem Traktor herausgefahren, und dann auf Paletten in den Fernlaster verladen. Wahrscheinlich haben sie mich mit meinen Taschen am Rad ebenfalls für einen Lastzug gehalten. Denn statt nur einer Kostprobe bekomme ich eine übervolle Papiertasche voller Trauben. Sie schmeckten köstlich. Groß, fest, knackig, kaum Kerne, angenehme Süße, und auch der Verpackung nach Premiumqualität. Ich brauchte am weiteren Weg einige Zwischenstopps, bis ich die Packtasche wieder schließen konnte. Und das Menü des Tages waren daher die Tafeltrauben.
Bei der Fahrt weiter nach Süden dominierten dann mehr und mehr die Olivenhaine. Nur hie und da waren zwischendrin in Spalierreihen gezogene Weingärten zu sehen. Der Boden war über und über mit Steinen bedeckt. Dort wo er bearbeitet worden war, war dunkle, rostrote Erde zu sehen. Doch fast mehr als die Bäume imponierten mir die Natursteinmauern am Weg. Unglaublich, wie viele es davon gab, und welche Ausstrahlung von ihnen ausging. Mir hat das Fahren zwischen diesen Mauern gefallen. Und gefallen haben mir auch die kleinen, runden Steinhäuser, die mehr und mehr auftauchten. Sie waren mit flachen Steinen nach oben verjüngend eingedeckt. Die Spitze zierte irgendeine Kugel. Trulli, nennt man die Häuser, hatte ich abends nachgelesen. Und dabei auch entdeckt, dass ich zwar durch Alberobello, den Hotspot dieser Häuser in Apulien, durchgefahren bin, jedoch deren besonderes Zentrum verpasst hatte. Vielleicht hat mich mein Vorderreifen zu sehr abgelenkt. Er verlor Luft. Ich musste unterwegs ein paar Mal nachpumpen, und ihn am Abend auch wechseln. Es war Patschen Nummer Elf auf meiner Tour.
14. September 2024
Abgestorbene Bäume und eine feine Überraschung
Am Morgen finde ich die ungewohnten 16 Grad etwas frisch. Ich starte daher mit Halstuch und Ärmlingen. Vor der Küste hat sich überm Meer eine mächtige weiße Wolkenbank aufgebaut. Imposant, wie die Türme aus dem Nichts ins Blaue hineinragen. Mich treibt der Rückenwind an. Entspanntes Rollen auf Asphalt. Doch mein Weg geht bald in eine unbefestigte Straße über. Ich meine, dass die Felder hier auf meiner Route weniger gepflegt sind. Die Steinmauern sind auch verschwunden. Oder es gibt nur noch ein paar kümmerliche Reste von ihnen. Und es gibt viel Brachland.
Etwas später kommen dann Gemüsefelder dazu. Schwarze Bewässerungsschläuche dominieren das Bild. Reste von Tomatenplantagen sind zu sehen, und gelbe Melonen auch. Hie und da sieht man auch ein paar Menschen auf den Feldern. Sie verlieren sich in der Weite. Bei einem sind drei Frauen mit Pflanzarbeiten beschäftigt. Ich wundere mich, dass sie es händisch machten. Vorgestern konnte ich zuschauen, wie dies maschinell geschah. Auch wenn der Traktor nur langsam fuhr, und die Pflanzen ebenfalls von Hand in die Maschine gelegt wurden, so war das Anwachsen der Pflanzreihe doch merklich zu sehen. Bei den Arbeiterinnen heute schien es im Vorbeifahren fast so, als ob sie trotz der kleinen Seitwärtsschritte immer am selben Pflanzloch dran wären.
Doch auch ich war etwas später nicht viel schneller, blieb am selben Platz stecken. Ein Dorn im Hinterreifen stoppte für einige Zeit meinen Vorwärtsdrang. Danach war es dann ein Sperrgitter am Weg. Nur da entschloss ich mich zum Schieben des Rades über einen Acker. Das weite Zurückfahren auf holprigem Weg mit Gegenwind wollte ich mir ersparen.
Irgendwann tauchten dann plötzlich verdorrte Bäume mit kahlen Ästen auf. Ganze Felder nur mit toten Olivenbäumen. Doch auch die Mandelbäume waren am Absterben. Gespenstisch. Abends erfuhr ich, welchen Schaden das Bakterium Xylella in der Region schon angerichtet hat, und dass sich die im Salento eingeschleppte Baumkrankheit Richtung Norden am Ausbreiten ist.
Für die Nacht hatte ich ein Zimmer in der Masseria Fabrizio bei Otranto gebucht. Da war nicht nur der Empfang überaus herzlich, sondern ich erhielt auch das Update zum Olivenanbau. Dazu wurde ich über die Geschichte der Masserias, der früheren Bauernhöfe in der Region, gebrieft. Schon toll, wie man Gastfreundschaft leben kann. Doch das i-Tüpfelchen war zweifelsohne die Überraschung abends: Obwohl ohne Restaurantbetrieb, servierten sie mir ein Essen mit hausgemachter Friselle, Tomaten, Fisolen und Auberginen aufs Zimmer. Dazu köstliche, kleine Kartoffeln. Hey, da hatte ich gestaunt. Da waren die spektakulären Felsen im Meer beim Herfahren fast zum Vergessen.
15. September 2024
Um den Stiefelabsatz rund herum
Es ist windstill, als ich die Masseria verlasse. In der Morgensonne kommen die weißen Gebäude unter den großen Pinien wunderbar zur Geltung. Es war ein schöner Platz. Und vor allem wunderbare Gastgeber. Unterwegs passiere ich viele frisch umgeackerte Felder. Herrlich, der Duft der dunkelroten Erde.
Auf der Straße ist helleres Rot am Weg. Es fahren einige Rennradgruppen wie ich Richtung Süden. Später kommen andere mir von dort entgegen. Rote Räder, oder irgendwas mit Rot im Trikot war bei einer Gruppe ganz markant. Manche sind so schnell, dass sich das Winken nicht ausgeht. Andere rufen mir ein Bravissimo als Motivation bei einer Steigung zu. Die Strecke hier ist ideal zum Radeln. Es geht nah zum Meer dahin, jedoch über der Steilküste eine Zeit lang auf einem weiten Plateau. Dazu viele Kurven, und immer wieder Anstiege und Abfahrten. Ein paar der Buchten haben in den Felsen Höhlen. Dort zeigt sich das Wasser in faszinierenden Farben.
Irgendwann stoße ich auf eine Straßensperre. Ein Laufveranstaltung hat Vorrang. Der Polizist deutet mir, dass ich den Autos folgen soll. Mit der Zigarette im Mund will er sich auf keine Fragerei einlassen. Nur widerwillig geh ich die Umfahrung an. Ich wollte nämlich an der Küste bleiben. So fahre ich einen Bogen ins Hinterland. Doch als ich mir auf der Karte einen Überblick verschafft hatte, traue ich mich auf die schmalen Nebenwege zwischen den Steinmauern. Ich lass die Autos ihren Weg auf der Hauptstraße nehmen. Die so gefundenen Wege gefallen mir sehr. Kurvig, schmal, zwischen Steinmauern und ohne Verkehr. Herrlich. Nur die abgestorbenen Olivenbäume stören die Idylle. Aber auf einigen Feldern sind neue Bäume gepflanzt. Auf solchen Wegen wäre ich noch gerne weitergefahren. Nur ich war schon weit unten am italienischen Stiefelabsatz. Ein großer Leuchtturm war der Hinweis, dass ich den südlichsten Punkt Apuliens erreicht hatte.
Kaum hatte ich den Lenker nach rechts gerichtet und war um die letzte Ecker der Adria gebogen, empfing mich der Gegenwind des ionischen Meeres. Da war das Fahren gleich mal um ein paar Zacken anstrengender. Die Jause am Meer mit spritzender Gischt vor mir, ließ ich mir dennoch schmecken. Nur das Essen war etwas umständlich. Denn der Wind wirbelte meine Ordnung am Boden immer wieder durcheinander. Ich freute mich dennoch. Den Absatz Italiens hatte ich auf der Karte schon oft angeschaut. Jetzt war ich bis zu ihm hinuntergefahren, und hatte sogar auf ihm Platz genommen.
16. September 2024
Eine menschenleere Küste und eine köstliche Focaccia
Am Vormittag begleitete mich ein Mix aus dunklen und etwas weniger dunklen Wolken. Damit war garantiert, dass ein paar Regentropfen mit dabei waren. Doch ergiebig war der Niederschlag nicht. Zumindest nicht auf meiner Route. Ich bin ohne Regenkombi ausgekommen. Immer wenn ich sie in Überlegung zog, hat es wieder nachgelassen.
Landschaftlich hat es mir heute anfangs weniger gefallen. Wegen der fehlenden Sonne zeigte sich alles in faden Farben. Das Dunkle des Himmels übertrug sich auf das Meer und das Land. Und auch auf mich. Ich saß etwas lustlos am Rad. Dazu trugen die Straßenverhältnisse jedoch fast noch mehr bei. Zum Glück war an der Küste kaum Verkehr. Denn oft fuhr ich Slalom, oder gar auf der anderen Seite. Der Asphalt war über weite Strecken ein Flickwerk sondergleichen. Zum Fahren ärgerlich. Wahrscheinlich sind die Autos auch deshalb der Küstenstraße ferngeblieben.
Doch es war nicht nur auf der Straße, sondern auch sonst nichts los. Eine fast menschenleere Küste. Die Saison scheint gelaufen. Die paar wenigen Strandbetriebe waren entweder schon winterfest verbarrikadiert, oder es waren gerade die Arbeiten dafür im Gang. Bei vielen Gebäuden waren die Rollbalken an Türen und Fenstern heruntergelassen. Nur die Schilder an der Straße warben weiter für den Besuch der geschlossenen Restaurants und Bars.
Für ein paar Stunden hielten ein kleiner Fischkutter draußen am Meer und ich die gleiche Höhe. Wahrscheinlich zog er ein Netz hinter sich her. Doch irgendwann drehte er um, und fuhr etwas weiter draußen zurück. Ich hielt meine Fahrtrichtung aufrecht. Denn zwischenzeitlich gefiel es mir wieder besser. Es hatte aufgehellt. Die Sonne kam durch. Und damit waren am Wasser auch wieder bunte Farben zu sehen. Das machte die Küste gleich interessanter, und das Fahren kurzweiliger. Wenn die Straße nah am Meer verlief, war manchmal eine ganz Fahrbahnhälfte mit Sand bedeckt. Doch heute hielt sich der Wind zurück. Vielleicht war er noch von gestern müde.
Irgendwann sah ich auf der Terrasse eines Lokals zwei Personen sitzen. Das schien mir ein Zeichen, ich kehrte zu. Doch es war das Personal, das sich eine Pause gönnte. Bei meinem Eintreten waren Theke und Kassa gleich wieder besetzt. Focaccia con verdure war ihre Empfehlung. Etwas anderes gab es nicht. Ich bestellte zwei Stück, womit der Laden ausverkauft war. Geschmeckt hatte es ausgezeichnet. Von meinem Lieblingsgetränk hätte es noch mehr gegeben. Aqua naturale und Lemon Soda. Von beidem jeweils die Hälfte pur, und dann den Rest zusammengegossen. Eisgekühlt herrlich, und immer passend.
17. September 2024
Regen auch im Süden
In den Nachrichten habe ich vom vielen Regen und den Überschwemmungen in Teilen Österreichs und dessen nordöstlichen Nachbarländern gehört. Hier am Golf von Tarent gibt es heute auch Regen. Keine Unmengen, nur etwas davon. Doch jedenfalls so viel, dass ich nicht aufs Rad mag. Mit Blitz und Donner zieht eine Schlechtwetterfront durch. Ich lass sie ziehen. Morgen soll es schon wieder besser sein. Dann geht es auch mit Radeln weiter.
18. September 2024
Entlang von Oleanderhecken und eine Katzenwäsche
Nach dem gestrigen Regentag herrscht heute früh eitel Wonne. Dank blauem Himmel und Sonne ist es ein freundlicher Morgen. Aus der Stadt raus gibt es dichten Verkehr. Alles drängt von beiden Seiten über die einzige Brücke. Und unten durch fahren gleich ein paar Fischerboote zugleich. Weiter draußen am Meer sehe ich große Schiffe. Vielleicht steuern sie die Raffinerie an, die ich am Weg passiere, oder eine der Entladestellen im Hafen. Dort sind mehrere Kräne mit hoch in den Himmel gestreckten Seilarmen zu sehen. Sie tragen rotweißrot gestreifte Farben. Ein buntes Bild zum blauen Himmel und dem Wasser. In der Raffinerieanlage dominieren Schlote noch und noch, und daneben jede Menge angerostete, runde Tanks.
Ich verfahre mich bei den Kreisverkehren einige Male. Für Radfahrer scheint wenig Platz zu sein. Und mit den Ortsnamen kann ich auch nichts anfangen. Erst als Reggio Calabria auftaucht, bin ich mir sicher, dass die Richtung stimmt. Nur leider führt das Schild mich immer wieder zur Autobahn. Doch meine Straße verläuft parallel zu ihr, entdecke ich nach einiger Zeit. Den Lärm der Autobahn dämpfen Oleanderhecken. Über viele Kilometer ziert eine pinke und weiße Blütenpracht meinen Weg. Und rechts von ihm werden Oliven, Zitronen, Orangen und Granatäpfel angebaut. Es sind große Kulturen. Manchmal ist die Straße etwas erhöht angelegt. Dann bin ich auf Höhe der Früchte am Kurbeln, mit von Sonne gewärmtem Nacken und Rücken.
Irgendwann komme ich an mehreren Baumschulen vorbei. Zuerst sehe ich nur Olivenbäume, die hier gezogen werden. Mit Stecklingen in der Erde, und dann in vielen, langen Reihen in braunen, grauen oder schwarzen Töpfen. Unglaublich, wie viele es sind. Später kommen dann andere Bäume noch dazu. Jeder mit einem langen Stab als Rankhilfe. In riesigen Töpfen warten auch hochgewachsene Olivenbäume auf einen Ortswechsel und mehr Platz im Wurzelraum.
Meine Straße verläuft zum Glück nicht immer nahe zur Autobahn. Etwas Abwechslung gibt es schon. Doch richtig gefallen mag es mir nicht. Speziell die Ortschaften kommen mir etwas eigen vor. Abweisend ist der Eindruck, wenig freundlich. Und auch alles etwas verkommen. Gegen Mittag mache ich einen ungewollten Ausflug in ein nasses Wiesenfeld. Mein Navi meinte, dass es da einen Weg gibt. Doch auch mit der Lupe wäre er nicht zu finden gewesen. Und weil ich nicht zurückfahren wollte, schob ich mein Rad über einen Acker. Ich bereute es bald. Denn der Boden war lehmig, und vom Regen noch feucht. Es gab gleich Klumpen an den Rädern und Schuhen. Ärgerlich. Zum Putzen bin ich dann auf der Straße danach ein paar Mal durch Pfützen hin und her gefahren. Es hat geholfen. Die Reifen wurden sauber. Die Schuhe hatte ich auch gleich geputzt. Ein Traktorfahrer hat sich gewundert, wieso ich mit meinen grünen Socken auf der Straße stehe, und meine Hände in der Pfütze wasche. Katzenwäsche, hätte ich ihm als Antwort geben können, falls er mich gefragt hätte.
19. September 2024
Schöne Farben an der Küste und Orte ohne Flair
Entferntes Donnern hatte ich in der Früh schon gehört. Doch beim Blick gegen den Himmel war ich zuversichtlich. Viel Blau, da kann nichts schief gehen, war der Gedanke. Nur nach den ersten Kurven und der langen Geraden war mir klar, dass meine Fahrtrichtung nicht gegen Blau geht. Dunkles Grau war über dem einen Berg zu sehen, der schon gestern in einer solch dunklen Mütze steckte. Und prompt stellte sich bald leichtes Tröpfeln ein. Nicht weiter störend, meinte ich beim Fahren, und strampelte kräftig weiter. Doch das Nieseln wurde stärker. Ich suchte den Schutz einer Pinie, und zog meine Regenkombi an. Es sollte sich rentieren. Wenn es auch bei leichtem Regen blieb, waschelnass wollte ich nicht werden.
Nach gut einer Stunde war dann das ersehnte Blau über mir. Ohne Regenkleidung ging es weiter. Doch flottes Fahren gab es noch nicht. Eine längere Baustelle sorgte für schmale Fahrspuren. Mit den Lastwagen war es manchmal nervig. Sie konnten nicht viel schneller fahren als ich, und wollten doch überholen. Zum Glück waren in meine Richtung weniger unterwegs als auf der anderen Seite. Und irgendwann kam dann das Schild mit „fine cantiere“, und gleich war das Fahren wieder angenehm.
Ich wechselte ein paar Mal auf Nebenstraßen über, die näher zum Meer lagen. Das bedeutete weniger Verkehr, und mehr zum Schauen. Denn die Farben an der Küste imponierten. Sie waren unauffällig schön, weil es eher sanfte Übergänge waren. Kein knalliger Farbwechsel und markante Trennlinien wie einige Tage zuvor. Aber doch von einer Intensität, die einem länger hinsehen ließ. Nicht lange Schauen wollte ich hingegen in den Ortschaften. Da glich eine der anderen. Und keine hatte besonderen Charme. Viele aufgelassene Geschäfte, in die Jahre gekommenes Gemäuer, keine Zentren, viel Verkehr, Straßen ohne Wohnqualität, öfters Müll im Graben, da machte sich auch beim Durchfahren schon etwas Tristesse breit. Der erste Eindruck von Kalabrien ließ auf meiner Route also noch keine große Begeisterung aufkommen. Kein Wunder, dass abends die Speicherkarte meines Fotoapparates fast leer war.
20. September 2024
Braun der Schlamm, blau und türkis das Meer
Feigenkakteen zierten den schmalen Weg raus aus der Ortschaft. Links und rechts von der Straße türmten sie sich hoch auf, und zeigten ihre vielen Ohren und die rosa Früchte. Dieses Spalier hat mir gefallen. Doch das Lächeln im Gesicht fror etwas später ein. Es wartete eine schlammdurchsetzte Furt. Fahren traute ich mich nicht. Das Rad tragen war der Entschluss. Und schauen, dass ich von Stein zu Stein irgendwie rüberkomme. Die ersten Meter gingen gut, doch dann sank ich mit den Schuhen ein. Ärgerlich, denn jetzt waren sie voller Lehm. In die Pedale einklicken ging nicht mehr. Ich musste die Schuhe erst notdürftig im Gras abstreifen, und mit einem dünnen Holzstück die Unterseite vom Gatsch befreien. Ich war sauer, denn angefangen hat der Morgen ja recht nett.
Doch es kam noch eine weitere Überraschung. Kurz vor dem Einbiegen auf die Hauptstraße gab es eine große, straßenbreite Senke. Braunes, schlammiges Wasser wartete auf mich, links und rechts umgeben von mannshohem Schilf. Ich schaffte die Durchfahrt. Doch Socken und Schuhe vor dem Durchfahren ausziehen fiel mir als Idee erst ein, als ich schon kräftig Wasser geschöpft hatte. So zog ich die Schuhe halt nach der Durchfahrt aus. Und hoffte, dass die Sachen beim Fahren dann irgendwann trocknen. Beim Auswringen der Socken hatte ich mich ja mächtig angestrengt.
Es fühlte sich in den Schuhen reichlich feucht an, doch vorwärtskommen wollte ich. Also ließ ich mich nicht weiter ablenken. Kurz beschäftigte mich zudem ein ziemlich großer, zotteliger, weißer Hund. Er war auf der Straße, während sicher mehr als zwanzig andere in vergitterten Zwingern bei einem alleinstehenden Haus für Radau sorgten. Der eine ließ nach kräftigem Anschreien ab. Doch die anderen gebärdeten sich weiter wie wild. Sie sprangen lautstark bellend immer wieder die Gitter hoch. Radfahrer dürften hier selten vorbeikommen. Aber wieso da so viele Hunde an einem Fleck gehalten werden, interessierte mich weiter nicht. Ich wollte nur möglichst rasch Abstand gewinnen.
Gemütlicher ging es bei den braunen Ziegen auf einem frisch gemulchten Feld zu. Die interessierten sich nicht für mich. Und ich schaute auch fast mehr auf die vielen Kuhreiher, die rund um sie waren. Mit ihrem eleganten Weiß waren sie gut auszumachen. Und gut zu sehen waren auch die vielen Arbeiter, die in einem riesigen Tomatenfeld mit der Ernte beschäftigt waren. An der Straße standen mehrere Kleinbusse, mit denen sie wohl gekommen waren. Ein paar Traktoren mit Anhängern und grünen Kisten waren im Feld. In den Fahrrinnen der Maschinen spiegelte das Wasser vom Regenwetter gestern am Abend. Ich meinte, dass es kleine, ovale Tomaten waren, die ihr Rot in den niederen Büschen zeigten. Und weit entfernt auf einem Höhenzug zeigten viele Windräder, dass es dort eine kräftige Brise vom Meer her geben muss.
Eine etwas andere Brise wehte mir von einer Hühnerfarm entgegen. „Pollo Cortonese“ war groß plakatiert. Vielleicht eine Spezialrasse. Mir kam jedoch vor, dass sie sich in ihrem Gestank nicht von anderen Hühnern unterscheiden. Doch wenn man am Land unterwegs ist, kommt man auch bei solchen Betrieben vorbei. Mir hat das Fahren jedenfalls gefallen. Leichter Rückenwind trieb mich voran. Am Meer draußen waren Plattformen mit Bohrtürmen zu sehen. Und mit dem aufklarenden Himmel auch ein wenig das Farbenspiel des Wassers. Mittags machte ich am Strand Rast. Schuhe und Socken trocknen war bei Sonne pur das Programm, und mich mit Brot und Käse stärken auch. Später musste ich dann wieder mit der Hauptstraße Vorlieb nehmen. Mit reichlich Verkehr war es eher unangenehm. Dafür gab es ein paar schöne Aussichtspunkte an der Steilküste. Herrlich, wie viele Nuancen so ein Türkis haben kann, und wie klar sich der Meeresboden von oben gesehen abzeichnet. Beim Schlammwasser am Morgen hatte ich nur Braun gesehen.
21. September 2024
Mit leichtem Rückenwind dem Türkis entlang
Am Morgen langte ich beim Frühstück kräftig zu. Und das, obwohl ich gestern spät am Abend noch in einer Pizzeria war. Und das gleich zwei Mal. Denn beim ersten Mal gab es nur die Auskunft, dass ich eine Stunde zu früh dort bin. Doch der zweite Anlauf hat sich rentiert. Es war bis jetzt die beste Pizza auf meiner Tour, mit knusprigem Rand wie ich ihn gerne mag. So eine könnte es ruhig öfters geben. Da wäre mir das späte Essen egal. Doch sonst hadere ich eher mit den italienischen Öffnungszeiten der Restaurants. Die sind mit meinem frühen Losradeln am Morgen nicht ganz kompatibel.
Heute gab es am Weg mehr Ortschaften als die Tage davor. Es waren meist kleine Straßensiedlungen. Groß war nur der Andrang an den Bars. Vor allem Männer scheint es dorthin zu ziehen. Am Abend sowieso, doch am frühen Morgen ebenfalls. Man scheint sich hier viel zum Erzählen haben. Und tagsüber geht es beim Vorbeifahren auch meist lautstark zu.
Die von mir gewählte Straße verlief mehr oder weniger den ganzen Tag flach entlang der Küste. Manchmal waren die Gleise einer Eisenbahn dazwischen. Doch meist war ich nah zum Wasser am Kurbeln, und das mit leichtem Rückenwind. Es hat mir gefallen. Bis in den späten Vormittag hinein legte die Sonne einen Glitzerteppich seitlich auf das Meer. Und am späteren Nachmittag war er dann in Fahrtrichtung vorne zu sehen. Am Strand waren nur wenige Leute am Baden. Menschenleer kam es mir vor. Doch der Infrastruktur nach dürfte es im Sommer rund um die paar Städte schon größeren Rummel geben.
Wenn die Ausläufer der Berge des Landesinneren mal bis zum Meer reichten, gab es ein paar kurze Anstiege. Dann verlief die Straße erhöht zum Meer wie auf einer Galerie, mit faszinierendem Ausblick auf das Wasser. Nah zur Küste gab es immer wieder ein Türkis zum Niederknien. Genial. Der wenige Verkehr ließ es zu, dass ich dann auf der linken Straßenseite fuhr. Ich wollte mir diese Farbe in vollen Zügen geben, und staunte jedes Mal, weil so schön. Wunderbar.