15. Mai 2023
Ein mühsamer Tag mit Regen
Der Lärm von der Straße draußen lässt mich schon früh aufwachen. Dabei dachte ich, dass es eine wenig befahrene Nebenstraße wäre. Doch montags morgens brausen scheinbar alle Richtung Stadtzentrum. Wahrscheinlich wird das hier jeden Tag so sein. Bei der Einbiegung auf die Hauptstraße wird mir fast schwindlig. Lange auf Grün warten müssen lässt die mehrspurig daherkommende Blechlawine noch größer erscheinen. Dazu ist der Lärm kaum zum Aushalten. Mir kommt die Klimathematik in den Sinn. Ich glaube, da braucht es weltweit radikale Ansätze für eine Besserung zum Guten. Sofern das überhaupt noch möglich ist.
Später führt mich meine Route an einem Bahngleis entlang. Ein paar Bahnhöfe gibt es auch. Park and Ride-Anlagen dazu. Die sind mit Autos voll. Nur viele Züge begegnen mir jetzt am Morgen nicht. Da treffe ich auf mehr Schülerlotsen am Weg. Große Stoppschilder in der Hand, gelbe Hüte auf dem Kopf, Warnwesten angezogen, mit der Trillerpfeife Signal gebend, so stehen sie bei den Straßenübergängen vor den Schulen. Es sind vielleicht Omas und Opas, oder Leute in Pension wie ich, die da temporär den Verkehr regeln.
Während es beim Start am Morgen noch halbwegs klar war, trüben später tiefstehende Wolken die Stimmung. Ein paar Regentropfen bringen sie auch gleich mit. Und irgendwann geht das Nieseln in einen Landregen über. Missmutig ziehe ich meine Regenkombi an. Ich stehe dafür vor einem Geschäft mit offener Tür unter. „Welcome to Sunshine Coast“ tönt es von drinnen lachend heraus. Ja, so heißt die Gegend hier. Die nächsten Tage sei es eine Küste mit Regen, ist die Ergänzung noch dazu. Na ja, ich kann es eh nicht ändern. Ist halt so wie es ist. Wird wohl ein mühsamer Tag zum Fahren.
Als Draufgabe verliere ich am Hinterrad zusehends Luft. Ich probiere es mit Nachpumpen. Eine Zeit lang geht es gut. Doch der Schlauch hat tatsächlich ein Loch. Ich muss ihn ersetzen. Mit Glück bin ich gerade auf Höhe einer Tankstelle. Die ist zwar geschlossen, doch ein Dach zum Unterstehen hat sie dennoch. So ist das Rumhantieren halbwegs erträglich. Nach wohl einer halben Stunde Pause setze ich mich wieder aufs Rad. Der Regen hat etwas nachgelassen. Später kann ich gar ohne Regenkombi weiterfahren. Mit meinen Gedanken bin ich schon unter einer warmen Dusche, als mir in einer Steigung beim Schalten die Kette hinten überspringt. Also muss das Hinterrad nochmals raus an diesem Tag. Nur mit Ziehen und Zerren an der Kette allein ging es nicht. Manchmal ist es etwas mühsam. So ein Tag war wohl heute.
16. Mai 2023
Tolle Morgenstimmung und einsame Straße
In der Nacht gab es heftigen Regen. Dafür war am Morgen gleich die Sonne da. Und die tat richtig gut. Die Straße war beim Losfahren noch nass. Im Gras am Seitenrand glitzerten die Wassertropfen in der Sonne. Herrlich. Gleich in der ersten Ortschaft schon waren die Cafés gut besucht. Heraußen sitzen, und das im angehenden Winter, mit Shirt und kurzer Hose. Da muss das Frühstück ja schmecken. Auf den Fußgängerwegen herrschte ebenfalls reger Betrieb. Hunde mussten bewegt werden. Ich sah heute ganz viele.
Am Meer war die Stimmung mit dem Gegenlicht besonders eindrücklich. Mir kam vor, als ob die Morgensonne aus dem Osten den Wellen noch mehr Schwung mitgibt, wenn sie sich am Ufer brechen. Die wenigen Parkplätze bei den Aussichtspunkten waren fast alle besetzt. Zumeist waren es Surfer, die hier von oben die Bedingungen unten im Wasser auf die Schnelle erkundigten. So kam es mir jedenfalls vor. Während ich also schon in der Früh mit dem Rad unterwegs war, waren es andere ebenso, aber mit einem Brett im Wasser.
Als es heute etwas landeinwärts ging, dünnte sich der Verkehr rasch aus. Und irgendwann bog ich auf eine Straße ab, auf der ich für lange Zeit fast allein am Weg war. Hie und da gab es auch einige Kilometer als Schotterpassagen dazwischen. Doch gut fahrbar. Vereinzelt schauten Blechdächer zwischen den Baumwipfeln hervor. Oder waren einzelne Häuser auf irgendeinem Hügel zu sehen. Abgeschieden wohnen kann man hier glaube ich ganz gut. Und gediegen auch. Einmal kam ich an einem Anwesen mit vielen Pferdekoppeln vorbei. Das Gelände mit großem Teich war zwar sichtlich mit enormem Aufwand modelliert worden, doch die Villa hatte einen tollen Platz. Pferde züchten statt Radfahren? Oder beides zugleich? Das Radfahren in dieser Gegend hat mir heute jedenfalls gefallen. Es war ein voller Kontrast zur Verkehrslawine der letzten Tage. Und Pferde geritten sind sie um 1900 hier auch schon. Nämlich Kinder, am Weg zu einer der kleinen Schulen damals. So habe ich es in einem regionalen Park hier gelesen.
17. Mai 2023
Duft nach Holz und ein Ballspiel
Auf den Autonummerntafeln haben sie hier „Queensland - Sunshinestate“ stehen. Und mit Sonne starte ich auch gleich in den Tag. Ich mit meinem Rad aus der Stadt am Meer raus, andere mit Bootsanhängern hinein. Boah, denke ich mir bei einigen hie und da. Richtig schwere Geräte. Die könnte ich mit meinem Rad wohl nie ziehen.
Schulbussen begegne ich auch. Zuerst kommen sie mir entgegen. Und einige Zeit später überholen sie mich dann. Bei einer Haltestelle kann ich zusehen, wie die Schüler einsteigen. Da denke ich mir mein „Boah“ schon wieder. Artig haben sie eine schöne Reihe mit Abstand gebildet. Kein Drängeln, oder gar Trauben vor der Bustür wie zu Hause üblich. Das haben sie hier ohne Zweifel besser drauf.
Die Strecke, auf der ich am Vormittag unterwegs war, führte mich durch ein großes Forstgebiet. Wald, Wald, Wald, grüner Einheitswald. Und schwere Lastwagen mit frischem Langholz dazu. Wenn sie mich überholten, zogen sie eine Duftnote nach frisch gesägtem Holz nach. Das hat mir gefallen. Nicht gefallen haben mir jedoch ein paar brenzlige Situationen wegen der schmalen Straße. Einmal war zeitgleich Gegenverkehr. Als ich die Hupe hinter mir hörte, wusste ich, dass ich sofort runter von der Straße muss. Und dann konnte ich das mächtige, knallgrün lackierte Ungetüm mit langer Schnauze Luft ablassend neben mir stehend bestaunen. Der hatte nicht nur ein paar PS mehr als ich, sondern war auch ein paar Meter größer.
Mittags fand ich einen schönen Stadtpark. Eine Bank im Schatten, grüner Rasen rundum, ein paar Blumenbeete, entfernt ein Wasserlauf. Die Pause war lässig. Ungestörte Ruhe. Nur Glockenschlag, oder ein ähnliches Geläute. Ich konnte es ausgiebig hören. Denn ich machte meine Pause schon vor 11 Uhr, und fuhr erst nach 12 Uhr wieder weiter. Keine Pause machten hingegen später zirka 50 ältere Frauen bei ihrem Sport auf grünem Teppichrasen. Bowls-Club war angeschrieben. Auf 8 Bahnen schoben sie ihre bunten, leicht unrunden Kugeln hin und her. Knisternde Spannung gab es bei mir zusehend nicht. Doch den Minen der Spielerinnen zu entnehmen ging es um ganz ganz viel. Vielleicht ein Finalspiel zum Australischen Seniorencup. Ich habe es nicht weiter nachgefragt. Beeindruckt war ich dennoch, dass man außer Radfahren anscheinend auch noch anderen Sportarten mit Freude nachgehen kann.
18. Mai 2023
Zuckerrohr und Nüsse
Nah zum Meer, eh klar, dachte ich mir, und schaute staunend dem näherkommenden, mächtigen Jeep entgegen. Der hatte vorne an der Stoßstange mehre Köcher als Halterungen montiert. Dort steckten 4 große Angelruten drin, die nach hinten gebogen oben an der Dachreling befestigt waren. Vielleicht ein Hochseefischer? Der wird am Hafen dann sicher auf eine der großen Jachten umsteigen. Oder den Jeep mit auf sein Boot nehmen.
Ich blieb bei meinem Fahrrad, und kurbelte munter im zum Teil dichten Verkehr. Meist war der Seitenstreifen recht schmal, und auch mit eher schlechtem Asphalt. Nach Gehör fahren, und wenn ich den typischen Lastwagensound hinter mir wahrnehme, den Lenker fester einklemmen, so war ich am Vormittag unterwegs. Ein paar Abzweigungen gab es dennoch. Die waren mit Schotter. Zwar auch anstrengend, doch besser als zusammen mit Lastwagen die Straße teilen. Später kamen die Autos dann in Schüben daher, in beiden Richtungen. Wegen Asphaltarbeiten waren einige Abschnitte nur einspurig befahrbar. Während die Autos wechselweise warten mussten, hatte ich die Straße temporär nur für mich allein.
Bei ein paar Zuckerrohrplantagen wurde künstlich bewässert. Es waren große Wasserwerfer zu sehen. Die verteilten das Nass hoch und weit über die Pflanzen. Das Rot der Erde war dann in den Ackerwegen noch kräftiger. Und sicher auch gatschig zum Befahren. Die fallweise in den Pflanzenschneisen stehenden Traktoren schauten entsprechend aus.
Doch ich fuhr heute nicht nur entlang von Zuckerrohr. Es gab auch Macadamia-Plantagen. Weil ich die Bäume nicht kannte, fragte ich bei einem in einer Wieseneinfahrt stehenden Autofahrer nach. Und da gerade auch der Farmer mit seinem leichten Offroad-Fahrzeug daherkam, hatte ich gar zwei Auskunftspersonen zugleich. Ihr Slang war etwas schwer verständlich. Doch sie hatten zum Glück Anschauungsmaterial dabei. Der Autofahrer gab mir eine kleine, schokoladenfarbige Kugel, und der Farmer einen Nussknacker. Damit konnte ich auch gleich die Nussfrucht kosten: Macadamia. Später las ich den Namen dann noch mehrfach auf Hinweisschildern am Weg.
19. Mai 2023
Als Nachtisch eine saftige Orange
Nach einigen Kilometern kann ich „Sugar Cane Area“ auf einem Schild lesen. Doch die Transporte, auf die zu achten wäre, sind noch nicht im Gang. Dafür kreuze ich mehrere Male eine schmalspurige Eisenbahntrasse. Früher wurde die Zuckerrohrernte hier mittels der Bahn von den Feldern zur Mühle gebracht. Das Schienennetz gibt es noch. Doch Züge dürften schon länger keine mehr gefahren sein. Zumindest hatte ich diesen Eindruck beim Queren der Schienen auf meinem Weg.
Später kam ich an recht viel Ackerbauland vorbei. Manches lag brach. Doch dort, wo die Felder bearbeitet wurden, war das Rot der Erde richtig schön anzuschauen. Ein satter Farbton, der mir sehr gefallen hat. Keine Ahnung, ob es auch Bioanbau war. Der Größe der Felder nach wohl eher nicht.
Mittags machte ich auf halbem Weg in einem verschlafenen Ort Rast. Er lag nahe zu meiner Strecke. Bei etwas Wind war die Sonne wohltuend. Ich freute mich auf eine feine Jause und die Pause im Park. Doch der kleine Tante Emma Laden, in dem es von allem etwas gab, was man am Land wohl so braucht, hatte sein Sortiment nicht auf mich abgestimmt. Und der schmucke Coffeeshop daneben hatte leider ebenfalls nichts Vegetarisches im Angebot. Ich stärkte mich daher mit Resten vom Vortag aus meiner Packtasche. Dafür war der Nachtisch lecker. Ich bekam eine süße Orange aus Eigenanbau geschenkt. Die vorbeikommende Frau hatte auch noch Kaffir Limetten mit grobwarziger, dunkelgrüner Schale in ihrem Korb. Solche hatte ich noch nie gesehen. Doch sie wären noch nicht ganz reif. Also schmeckte mir die angebotene Orange noch besser.
Am weiteren Weg hätte ich ein paar Mal Süßkartoffeln kaufen können. Die wurden am Straßenrand günstig angeboten. Ein improvisiertes Schild, ein kleines Holzgestell, ein paar wenige abgepackte Plastiksäcke mit den Kartoffeln. Und das mitten im Nirgendwo, weitab von einer Siedlung, bei Zufahrtswegen, die irgendwo im Busch oder hohen Gras verschwanden.
20. Mai 2023
Faszinierende Farben und ein Rückblick
Bei 10 Grad fühlt es sich am Morgen im Schatten radelnd eher kühl an. Doch den gibt es nur bei den kurzen Waldstücken. Mit der Sonne wird mir gleich wohlig warm. Und die Farben der Gräser im Morgenlicht erhöhen das Wohlgefühl. Hellgelb bis goldgelb, senfbraun bis rostbraun, zartgrün bis dunkelgrün. Ein Meer an diesen Farben. Dazu in den Wiesen einzelne Bäume, und am Horizont die bewaldeten dunklen Hügel. Ich fühle mich pudelwohl. Meine Juchzer erschrecken die Kühe an der Strecke. Sie flüchten. Doch die erschrecken auch mich. Es sind hier keine mir bekannten Rassen, sondern Brahmans, mit langen Ohren und Buckel, und anscheinend auch radfahrerscheu.
In der einzigen Ortschaft, die ich am Vormittag passiere, liegen die Häuser wie entlang der Straße aufgefädelt. Auf einer Terrasse stochert ein Mann im T-Shirt in einer Pfanne am Grill. Es dampft. Mir fallen Kartoffelpuffer ein. Die würden mich jetzt anmachen. Doch bei mir gibt es stattdessen bei der nächsten Tankstelle nur ein Sandwich und eine Sprite. Der Laden ist riesengroß, und ich der einzige Kunde.
Doch kaum geht mir diese Feststellung durch den Kopf, wird es im Nu rammelvoll. Drinnen deckt sich eine mit einem Bus angereiste College-Klasse mit Snacks ein. Und an den Zapfsäulen stehen die Pickups Schlange. Alle mit Bootsanhänger. Es ist fast wie ein Treffen der größten Boote aus der Region. Später überholen sie mich dann, ebenfalls am Weg nach Gladstone, der Stadt am Meer.
Als ich die Ortstafel von Gladstone sehe, fällt mir ein erst vor ein paar Tagen erschienener Artikel des ORF ein. Australien will grüner werden, hieß es da. Hier in Gladstone wollen sie dafür die weltweit größte Wasserstoffaufbereitungsanlage errichten. Und statt ihrer heiß geliebten Kohle dann diesen Energieträger exportieren. Wird wohl was dran sein, wenn woanders was fürs Klima vorangetrieben wird. Austria schaut da eher nur hinterher, ging es mir beim Lesen des Berichtes durch den Kopf. Doch auch hier ist es glaub noch ein weiter Weg bis dahin. Denn meine Strecke führte mich entlang von Bahngeleisen. Und da rollten nur Züge mit Kohle an mir vorbei, Richtung Küste, zum dortigen Kohleterminal.
Abends landete ich in einem Tourist Park. Bloß notgedrungen ausgewählt entpuppte sich der Platz als einer meiner bisher besten auf der Route. Ich feierte den ersten Monat meiner Reise in Down Under: Anfangs war das Radeln obgleich malerischer Küste etwas zäh. Doch die letzten Tage war es hier und in dieser Umgebung trotz anstrengender Highway-Kilometer ziemlich klasse.
21. Mai 2023
Entspanntes Sonntagsradeln
Entlang der Eisenbahnstrecke finde ich für einige Zeit eine Nebenstraße abseits vom Highway. Schmal, und von Bäumen besäumt, führt sie durch bewaldete Wiesen. Krähenrufe sind zu hören. Bei einem Haus ist es sogar ein Hahn, der sich etwas spät am Morgen noch meldet. Mir gefällt es hier. Ein entgegenkommendes Auto verlangsamt und weicht seitlich aus. Die zwei drinnen winken mir zu. Vielleicht weil Sonntag ist? Oder weil hier sonst keine Radfahrer am Weg sind? Oder sie haben mich mit meinen breiten Satteltaschen für einen Lastwagen gehalten, und sind deswegen ausgewichen? Egal, ich erwidere den freundlichen Gruß. Wir alle grinsen.
Manchmal reichen die hohen Gräser bis eng zur Straße hin. Ich scheue plötzlich einen bunten Vogel auf. Mir entfährt ein Wow. So ein schöner grüner Vogel. Hat wie ein Kakadu ausgeschaut. Hellgrün mit etwas dunklem Grün, und unter den Flügeln etwas orange gezeichnet. Doch mit der Kamera bin ich zu spät. Ich muss mir die Farben sonstwie merken.
So wie gestern sind auch heute wieder viele Güterzüge unterwegs. Sie transportieren Kohle. Zumindest in die eine Richtung. In die andere fahren die Waggons leer zurück. Einer der Lokführer scheint gut gelaunt zu sein. Er pfeift mit seinem Loksignal, und hebt am Fenster die Hand. Vielleicht fährt er in der Freizeit auch mit dem Rad.
Irgendwann später finde ich für die letzten Kilometer vor der Stadt wieder eine Ausweichroute. Ich muss sogar etwas retour fahren, weil ich schon zu weit war. Doch die dann durchquerte Aulandschaft mit ihrem stehenden Wasser und den Bäumen mit weit ausladenden Ästen war wunderbar. Idyllisch. Die Stadt selbst kam mir abgesehen von der Hauptstraße fast wie ausgestorben vor. Es war niemand auf der Straße. Die Stimmung erinnerte mich an einen überheißen Sommertag. An einen, bei dem man der Temperatur wegen nicht raus geht. Vielleicht ist es hier im Sommer wirklich so. Mir hat die Ruhe jedoch auch heute beim Durchfahren gepasst.
22. Mai 2023
Einsame Gegend und eine Jause auf der Straße
Auf die heutige Strecke und der für die nächsten Tage haben mich ein paar Leute schon vor einiger Zeit angesprochen. Es gäbe da Nichts am Weg. Von dem aber jede Menge. Doch es führt nur der Bruce Highway hier die Küste hoch. Also musste ich mich ohnedies darauf einlassen.
Mit etwas Wind im Rücken kam ich flott voran. Gebremst habe ich nur, als ich ganz unerwartet an einer Rennstrecke vorbeikam. Das Schild musste ich zwei Mal lesen: „Rennstrecke für Rasenmäher“ war groß angeschrieben. Es war ein mit vielen Reifenstapeln abgesicherter Rundkurs auf Rasen. Es gab eine lange Gerade, jede Menge Kurven, ich glaub auch noch eine Schikane, eine kleine Tribüne, Auslaufzonen, und was man bei Rasenmäherrennen halt noch so braucht. Keine Ahnung, ob es da viele Rennfahrer gibt, oder gar Profis, oder auch Zuschauer. Heute war jedenfalls nur ich an der Strecke, und sonst niemand.
Die Landschaft bot keine besonderen Reize. Steppenartige Wiesen, licht bewaldete Hügel, hie und da irgendwo entfernt eine Farm. Die Straße hatte sich ebenfalls der Landschaft angepasst. Der Seitenstreifen nur schmal, der Asphalt sehr rau. Überwiegend flach, und doch mit ein paar Kuppen. Bei einem Rastplatz war es mir im Schatten mit dem Wind zu kühl. Ich fuhr weiter. Bei einer Straßenabzweigung, die zu einer Mine führte, hat es mir dann für eine Pause gepasst. Ein im Gras gefundener Eimer bot auf den Kopf gestellt einen bequemen Sitzplatz. Brot mit Humus und eine saftige rote Paprika waren mein auf der Straße aufgetischtes Menü. Ein paar Schmetterlinge kamen unruhig flatternd auch vorbei. Und irgendwann auch ein weißer Jeep.
Ich sah die Staubfahne auf der Schotterpiste schon von weitem näherkommen. Nur alles samt mir von der Straße schnell wegräumen wollte ich nicht, und musste ich auch nicht. Der Fahrer hatte die Situation erkannt. Er bremste rechtzeitig ab und winkte freundlich. Vielleicht war er auch gerade am Weg zu seinem Mittagstisch. Ein Daumen hoch war nämlich seine Antwort auf mein Brot, das ich ihm am Einer sitzend zeigte. Na ja, oft wird er hier wohl für Pause machende Radfahrer nicht abbremsen müssen, falls er die Strecke regelmäßig fährt.
23. Mai 2023
Quizfragen und ein Hammerstrand
Schon früh gestartet genieße ich die Morgenstimmung. Die Sonne tiefstehend, die Luft klar, die Temperatur prickelnd kühl, die Räder monoton surrend. Dazu markante Farben der Gräser und ein mattes Blau am Himmel. Ich kurble und kurble, und denk mir: Wow, so was von schön. Und das traf auch auf den Schwarm von Kakadus zu, die ich von einem Wiesenplatz aufscheuchte. Sie waren überwiegend grau, doch am Bauch und unter den Flügeln hatten sie ein mattes, helles, rostiges Rot.
Am Highway bewunderte ich die vielen Schilder. Quiz-Fragen sollen hier von der Eintönigkeit ablenken und beim Fahren alle wach halten. Ich machte munter mit. Und ich hatte bedeutend mehr Bedenkzeit als die Autofahrer. Deren Geschwindigkeit konnte ich nicht halten. Schmunzeln musste ich bei wohl Kinderfragen, ob es noch weit sei. Die Antwort stand vor dem nächsten Schild auch für mich schon fest: „Still a long way to go“. Dafür bekam ich zusätzliche Motivation: Zwei Arbeiter von der Highway-Patrol feuerten mich mit anerkennendem Zuwinken an, als ob es um ein bedeutendes Rennen ginge.
Das Rennen verloren hatten jedenfalls viele Wallabys. Ihre Kadaver waren immer wieder entlang der Strecke zu sehen und stimmten mich traurig. Es ist zwar ein breiter gemähter Wiesenstreifen neben der Straße. Doch im Dunkeln schaut es wahrscheinlich anders aus. Und der Busch ist halt ihr Revier.
Auch wenn die Landschaft eintönig gleich ausschaute und keine Abwechslung bot, hatte sie ihren ganz eigenen Reiz. Mir gefielen ihre matten und dennoch kräftigen Farben, in denen man gedanklich versinken konnte. Einen quietschenden Stopp machte ich, als plötzlich zwischen den Bäumen ein sattes Türkis auftauchte: Ich war wieder an der Küste angelangt. Das Meer zeigte sich faszinierend schön. Ein voller Kontrast zum langen Fahren in den Wiesen und Wäldern des Busches. Nach einer Kurve überraschend Wasser. Es war zum Umfallen kitschig türkis. Ich blieb länger stehen, und ließ die Stimmung auf mich wirken. Hey, es war der Hammer, am Strand hier bei Clairview.
24. Mai 2023
Zuckerrohr noch und noch
Es ist noch dunkel draußen als sich ein erster Vogel meldet. Es ist ein Kookaburra, der die Morgenstille bricht. Sein Singsang tönt wie Gelächter. Vielleicht musste er über sich selber lachen, dass er zu früh aufgestanden ist. Denn die Hahnenrufe ertönten erst viel viel später, von irgendwo weit entfernt. Gesehen habe ich den Vogel noch nie. Nur schon oft gehört, und mir seinen nach einem Lachen tönenden Ruf erklären lassen.
Die Strecke führte mich heute ausschließlich entlang von Zuckerrohrfeldern. Links und rechts von der Straße wogen die spitzen Gräser wohl so an die 3 Meter hoch oder mehr im Wind. Und dort, wo sie bereits geerntet waren, war der Boden glatt und topfeben planiert. Bei einem Museum eines kleinen Ortes zur regionalen Geschichte sah ich den Hinweis, dass hier vor der Rodung für den Zuckerrohranbau mal ein Regenwald war.
Wenn ich eine der vielen Brücken passierte, sah man den Bachlauf gesäumt von hohen Bäumen und einem wuchernden, dichten Dschungel darunter. Ein grünes Blätterdach überm Wasser mit meist derselben dunklen Farbe. Oft schreckte ich beim Stehenbleiben unten einen Kranich auf, der dann dem Bachlauf folgend irgendwo ins Grüne fliegend verschwand. Das Zuckerrohr hier gefällt mir auch, besonders am Feldrand mit dem ausgeprägten Farbkontrast zur Umgebung und dem Himmel. Doch so ein Regenwaldgebiet muss in Groß wohl noch um einiges schöner sein.
Auf der Straße war der Verkehr erträglich. Erst nahe zu einer größeren Stadt am Meer nahm er deutlich zu. Trucks waren natürlich einige am Weg. Viele fuhren ohne Ladung, was mich wunderte. Denn die Distanzen zwischen den Orten sind hier doch riesengroß. Ein anderes Fahrzeug hatte dafür doppelt geladen. Es war ein mächtiger Bus als Wohnmobil, und hinten dran ein gewaltiger Anhänger. Auf der unteren Etage des Hängers war ein Jeep geladen, und oben drüber ein größeres Boot. Wenn schon auf Reisen, dann mit allem Pipapo. Die Fahrräder waren wahrscheinlich im Bus verstaut. Ich staunte jedenfalls über dieses Gefährt, und war zugleich mit meinem eigenen ebenfalls zufrieden. Denn auf einer Brücke stehenbleiben und in die verbliebenen Reste eines mystischen Regenwaldes schauen kann man mit dem Riesenbus nicht.
25. Mai 2023
Sugar Cane, what else
Um den Kopf herum war es mir am Morgen etwas frisch. Denn gestern war ich noch beim Frisör. Und lustig, wem der Barbershop gehörte: Denn kaum hatte ich von meinem Radfahren erzählt, zeigten sie mir ein Buch über australische Radfahrer. Darin war Louis Bezzina aus Malta angeführt. Er hatte an den Olympischen Spielen 1972 in München teilgenommen. Abends las ich dann seine Geschichte nach. Eine typisch australische Einwanderergeschichte.
Irgendwann kam ich an einer Zuckerverarbeitungsanlage vorbei. Zu der war es von den umliegenden Zuckerrohrfeldern nicht weit. Ein mächtiger Schlot, und die weiße Rauchfahne zeigte nach Norden. Also schlug ich den Lenker ebenfalls in diese Richtung ein. Mit Rückenwind lässt es sich bedeutend leichter radeln. Oder Glück gehabt, dass der Wind in meine geplante Richtung ging.
Mitten zwischen den Zuckerrohrfeldern tauchte weit ab von jeder Siedlung plötzlich eine Schule auf. Gefallen hat mir ihr Transparent am Zaun: „State School, on the highway to success“. Hier lernen dann wohl junge Zuckerrohrfarmer Lesen und Schreiben, oder das, was es für den Erfolg sonst noch braucht.
Später kam ich mal an einer Wiese mit einigen kohlrabenschwarzen Stieren vorbei. Richtige Kolosse waren da mit tief im Gras versenkten Köpfen zu sehen. Und für jeden von ihnen waren zwei weiße Kuhreiher als Bewacher mit am Feld. Das hat toll ausgeschaut, das massige Schwarz der Tiere und das filigrane schlanke Weiß der Vögel daneben.
Und weil ich den ganzen Tag im Zuckerrohr unterwegs war, beschäftigte mich die Frage, wie denn diese Gräser nach der Ernte neu gepflanzt werden. Einen Farmer erreichte ich nicht. Doch ein Arbeiter auf einer Straßenbaustelle wusste ebenfalls bestens Bescheid. Für den Neuanbau eines Feldes oder nach mehreren Erntejahren würden kurze Stängelreste frischen Zuckerrohrs von speziellen Maschinen in den Boden eingelegt. Und sonst würden bei der Ernte die verbliebenen unteren Rohrreste in den Boden eingehäckselt, woraus das Zuckerrohr dann ebenfalls von selbst wieder nachwächst. Die Auskunft klang kompetent und überzeugend. Mein Wissen zu Aussaat und Anbau der österreichischen Zuckerrübe frischte ich dann abends im Internet auf. Auch da hatte ich bisher eine Wissenslücke.
26. Mai 2023
Gefährliche Tiere und eine tolle Aussicht
Als Route folgte ich heute der Empfehlung eines sympathischen Farmers. Er hatte mich unlängst bei einer Pause angesprochen und gemeint, dass ich unbedingt zum Airlie Beach müsse. An dem käme kein Tourist vorbei, so schön. Doch meine Begeisterung hielt sich dann in Grenzen. Mir war da zu viel los. Und mit meinem Fahrrad wollte ich mich nicht auf eine der angebotenen Segel- und Tauchfahrten rund um die Insel- und Korallenwelt davor einlassen.
Ich blieb auf der Straße. Andere Radfahrer sah ich zwar keine, dafür ein Schild mit zwei solchen: „Race Circuit next 32 km“ war darunter zu lesen. Also muss es sie doch geben, andere Verkehrsteilnehmer als nur Autos und Lastwagen. Die Strecke war jedenfalls idyllisch und fein zum Fahren. Sie zog sich kurvig flach durch Zuckerrohr und offenes, saftig grünes Weideland. Ein Mordstrumm von Schlange hatte ich auf meinem Seitenstreifen auch noch gesehen, schön mit einem Karomuster gezeichnet, doch schon tot. Ich glaub, es war eine Python.
Dass es hier auch noch weitere gefährliche Tiere gibt, hörte ich ein paar Kilometer später bei einem Rastplatz. Ein Lastwagenfahrer machte dort Pause. Er war aus Brisbane, und erklärte mir, dass ich hier nicht zu nahe ans Ufer von Flüssen soll. Mit auf- und zuklappendem Daumen und Zeigefinger signalisierte er mir, um welche Tierart es sich handelt. Krokodile gäbe es hier heroben an der Ostküste rund ums Wasser überall. Dort wo die Schilder seien, garantiert, und sonst genauso. Ich hatte Respekt, so wie er davon erzählte. Doch erst nach dem Weiterfahren ist mir eine Replik zu seinen Aussagen eingefallen: Für Radfahrer sind auch die langen Lastwagen-Krokos auf der Straße gefährlich.
Am frühen Nachmittag erreichte ich an der Küste die Kleinstadt Bowen. Wunderbar, mit welchen Farben sich das Meer dort zeigte. Ich folgte einem Hinweisschild zum Flagstaff Hill, einem Aussichtspunkt, und war von der Rundumsicht total fasziniert. Weit draußen waren am Horizont mit einem matten, bläulich-grauen Farbton die Berge einer vorgelagerten Insel und Halbinsel zu sehen. Dort irgendwo dahinter war ich am Morgen unterwegs. Mit kräftigem Kurbeln kommt man auch mit dem Fahrrad an einem Tag recht weit.
27. Mai 2023
Ein paar Bergrücken und sonst weite Ebenen
Ganz erstaunt stelle ich fest, dass sich die Landschaft heute anders zeigt als an den Vortagen. Am Morgen sehe ich gar Berge, oder bewaldete Bergrücken. Findlinge liegen verstreut im Gras und Busch. Ganz oben lässt sich die eine oder andere Felswand ausmachen. Zuckerrohr sehe ich erst gegen Nachmittag wieder.
Die Straße schlängelt sich im Tal zwischen den Bergrücken durch. Und bald verschwinden die Erhebungen wieder. Es überwiegt eine weite Ebene. Ein paar Rinderherden sind hie und da zu sehen, suchend nach Futter. Und Futter steht auch auf ein paar Werbeplakaten im Fokus, nämlich für Krokodile. Ein Zoo bewirbt deren Fütterung als Highlight. Koalabären gäbe es dort auch noch, bekomme ich im Vorbeifahren mit.
Parallel zu meiner Strecke verlaufen Bahngleise. Irgendwann überholt mich ein Zug. Die vielen Waggons sind alle mit Kohle beladen. Wenn ich den Bahngleisen folgen würde, dann käme ich sicher zu einem großen Hafen. Doch ich bleibe auf meiner Route und Straße. Weil Samstag ist, teile ich sie mit vielen Wochenendausflüglern. Wohnwagen und Bootsanhänger dominieren. Und mit einem Reisebus ging es hier auch weiter. In beide Richtungen fahren rote Greyhoundbusse. Brisbane und Cairns haben sie angeschrieben.
Mittags hat es etwas über 30 Grad. Es ist wärmer als die letzten Tage. Im Schatten von Bäumen ist es am feinsten. Unter einem solchen hat ein Farmer einen großen Verkaufsstand aufgebaut. Früchte was das Herz begehrt, oder man sich nur vorstellen kann. Alles lokal von nebenan. Es scheint eine fruchtbare Gegend zu sein. Doch entlang der Straße sehe ich auch riesige Gemüsefelder als Monokulturen. Plastikfolie und Bewässerung, diese Art von Landwirtschaft dominiert auch hier.
28. Mai 2023
Saftiges Grün und magisches Türkis
Am Morgen waren die Straßen wie ausgestorben. Wahrscheinlich waren die Leute noch etwas müde. Denn außer mir waren sicher alle beim „Sweet Days Hot Night Festival“ im Nachbarort. Ich habe mir ein Video vom Vorjahr dazu angeschaut, und dann auf den nächtlichen Ausflug verzichtet. Händisches Schneiden von Zuckerrohr im Wettbewerb, nächtliches Abfackeln des reifen Grases, und was halt sonst noch zu einer Zuckerrohr-Kirmes dazugehört. Das Fest sei hier Tradition, und danach beginne dann die Erntesaison.
An einer Mühle bin ich heute ebenfalls vorbeigekommen. Dort werden dann wohl auch bald die ruhigen Tage vorbei sein, wenn die Erntemaschinen auffahren. Doch noch steht hier das Zuckerrohr. Ich freue mich total an diesem kräftigen, hellen, spitzen Grün. Vor dem sanften Blau des Himmels finde ich die Farbe eine Wucht. Ich kann mich daran kaum satt sehen. Andere bevorzugen wahrscheinlich eher das von der Mühle verarbeitete Grün. Denn die Anbauflächen hier in Queensland sind riesig. Von einer hohen Brücke habe ich kurz einen Ausblick über das flache Land. Überall Zuckerrohr, soweit das Auge reicht. Und dann stellte ich mir vor, wie auf all diesen riesigen Flächen eine Erntemaschine Reihe um Reihe abfahren muss. Rauf und runter, hin und her, Meter für Meter, immer durch das saftige Grün. Keine Ahnung ob sich die Fahrer daran auch so freuen wie ich.
Am frühen Nachmittag erreiche ich Townsville, eine größere Stadt am Meer. Welch ein Kontrast zur Einsamkeit am Land und dem Fahren durchs Zuckerrohr. An der Strandpromenade flanieren Kind und Kegel. Im Wasser tummeln sich ein paar Mutige. Die einen nahe zum Ufer, andere weit draußen mit Segel. Restaurants und Bars sind voll. Der Schatten unter Palmen wunderbar. Flip-Flops und T-Shirts oder Beachlook pur dominieren. Der Blick aufs Meer fasziniert. Ein Türkis zum Schwärmen.