Von Townsville nach Westen

29. Mai 2023

Weg von der Küste und mit Road Trains unterwegs

Ein kräftiges Morgenrot grüßt aus Osten übers Meer. Ich freue mich. Es wirkt wie ein Zuwinken zum Aufbruch. Das Meer werde ich jetzt wohl für längere Zeit nicht mehr sehen. Ich habe mich für den Overlander‘s Way als nächste grobe Richtung entschieden. Also weg vom Meer und dafür nach Westen queren. Statt Küste nur noch Inland und Outback. Weiter hoch nach Norden wollte ich nicht. Denn dort wären die Siedlungen noch weiter voneinander entfernt und es würden Schotterpisten überwiegen. Davor habe ich zu großen Respekt.

 

Gleich nach der Stadtausfahrt komme ich an einem Eisenbahngelände vorbei. Dort lagern unzählige Gitteraufbauten für den Transport von Rindern mit Waggons. Einen Zug mit ihnen habe ich heute auf Schienen nicht gesehen. Dafür gleich mehrere Züge auf der Straße, nämlich überlange Road Trains. Auf ihnen waren die Rinder gleich zweistöckig geladen. Doch noch mehr beeindruckt hat mich die Länge dieser Lastwagenzüge. Auf einem Warnschild an der Straße stand was von 53 Metern Länge. Total spannend, wenn einem diese Gefährte entgegenkommen. Und noch mehr, wenn sie einem überholen. Man meint, es hört nicht mehr auf. Ein Anhänger folgt dem nächsten, zack, zack, zack. Zum Glück ist hier deutlich weniger Verkehr als an der Ostküste. Platz zum Ausweichen ist meist gegeben.

 

Nach einiger Zeit entwickle ich ein Spiel: Achsen zählen und die Anzahl der Räder ermitteln. Doch ich scheitere öfter, als dass ich auf ein Ergebnis komme. Denn die Lastwagen rauschen viel zu schnell auf mich zu. Bei denen, die mich überholen, bin ich mehr auf mich selbst und die Straße fixiert. Und wenn sie mal irgendwo auf einer Ausweiche stehen, vergesse ich auf das Zählen. Da bin ich von ihrem Anblick zu sehr fasziniert. Einfach mächtig und gewaltig, welche Länge sie aufweisen.

 

Mittags kehre ich bei einer Tankstelle zu. Kartoffelpuffer frittiert lautet mein Menü. Mit meinem Outfit falle ich sichtlich auf. Kurze Radhose und leichte Schuhe trägt hier keiner. Am Truck geht es etwas derber zu. Über mein Ziel ausgefragt schüttelt die Frau an der Kassa den Kopf. Doch etwas für die geistige Gesundheit zu tun sei schon ok. Hier auf dieser Straße hätte ich genügend Zeit zum Nachdenken.

 

30. Mai 2023

Auf rotem Asphalt geradeaus

Derzeit finde ich die ersten Kilometer am Morgen immer sehr schön. Die noch tief stehende Sonne lässt die Farben besonders klar erscheinen. Heute ist es der rötliche Asphalt, der mir in diesem Licht gefällt. Die fahlgelben, trockenen Gräser am Straßenrand geben einen harmonischen Kontrast. Ich winke meinem mitfahrenden Schatten zu. Am Morgen ist er immer übermäßig groß. Und irgendwie meine ich, auch ein freudiges Lächeln bei ihm zu sehen.

 

Einige Kilometer außerhalb der Stadt sehe ich auf einem Hügel zahlreiche mit Metallrosten eingezäunte Koppeln. Unzählige Rinder stehen darin dicht an dicht. Zuerst denke ich mir, dass sie hier vielleicht umgeladen werden. Doch bei der Einfahrt zum Gelände flattert ein Transparent am Zaun: Kommendes Wochenende ist hier lokaler Viehmarkt. "Beef producer expo" ist groß angeschrieben. Daher der Auflauf an Rindern.

 

Der weitere Tag ist dann vom Geradeausfahren auf überwiegend rötlichem Asphalt geprägt. Ein paar wenige Kurven gibt es schon, und ein paar Kuppen auch. Auf ihnen entfährt mir manchmal ein „Na hey, das gibt’s doch nicht“. Denn es geht hier scheinbar immer nur geradeaus weiter. Dennoch gefällt mir das Fahren in dieser Umgebung sehr. Es sind die Farben der Umgebung, die ich genieße. Dazu das gleichmäßige Surren der Räder auf dem roten Straßenbelag. Und vor allem: Kein Verkehr. Eine Wohltat. Ohne Autos, vom gelegentlichen Kreischen der Vögel mal abgesehen, ist es hier in der Outback-Einsamkeit ganz still.

 

Die wenigen Autofahrer, die mir begegnen, winken hie und da. Und der eine oder andere Trucker ebenfalls. Es sind ein paar richtig aufgemotzte und mit viel Chrom gestylte Zugmaschinen dabei. Wenn ich mein Staunen über so ein Gefährt mit Handzeichen signalisiere, kommt meist ein zufriedenes Hupen zurück. Kommunikation am Highway. Oder Unterhaltung, wenn es sonst keine große Abwechslung gibt.

 

31. Mai 2023

Im Farbenrausch

Es ist reichlich frisch beim Losfahren. Ich friere. Und bald kommt mir Drei mal Sieben in den Sinn: Um 7 Uhr losgefahren, bei strammen 7 Grad, und nach 7 Kilometern der erste Stopp. Ich ziehe mir die lange Hose an. Handschuhe hätte ich auch gerne gehabt, doch die waren in der Tasche irgendwo ganz unten. Alles auspacken wollte ich nicht. Also habe ich meine Finger eine Zeit lang hinter der Lenkertasche versteckt. Gefreut habe ich mich am Morgenlicht und den fantastischen Farben.

 

Irgendwann erreiche ich den White Mountain Nationalpark. Ein Aussichtspunkt auf 550 Meter Höhe mit wunderbarer Fernsicht kommt mir gerade recht. Die warmen Sachen kommen alle wieder weg. Die Sonne wärmt. Angeschrieben ist auch, dass ich hier auf der Great Dividing Range bin, Australiens größtem Gebirgszug. Er erstreckt sich vom Norden durchs ganze Land bis an die Südspitze. Und mit seiner Überschreitung lasse ich die Ostküste jetzt definitiv hinter mir.

 

Bei den größeren Kuppen ist die Straße manchmal versenkt in die Landschaft eingelassen. Links und rechts zeigen sich dann Felsen, marmoriert, oder von blassorangen und dunkelgrauen Gesteinsschichten durchzogen. Ich kann nicht sagen, welcher Farbton dominiert. Es ist jedenfalls schön anzuschauen. Ein erhabenes Gefühl, da durchzufahren. Später zeigt sich dann viel roter Sand neben der Straße, wunderbar kräftig in der Farbe. Bei einer Ausweichbucht mache ich Pinkelpause. Ein Road Train mit 3 Viehanhängern rauscht vorbei. Auf den beige gehaltenen Gitteraufbauten haftet roter Sandstaub. Und zwischen den Streben strecken schwarze Rinder ihre Köpfe in die Höhe. Der dunkle Asphalt der Straße, der rote Sand daneben, die fahlgelben Gräser am Straßenrand, die mattgrünen Bäume dahinter, und mitten durch der Road Train mit den schwarzen Rindern. Es kommt mir wie eine bis ins letzte Detail stimmige Farbkomposition vor.

 

Getoppt wird das Farberlebnis dann am Abend. Ein wunderbarer Sonnenuntergang über flachem Land. Die Wolken übernehmen irgendwann das Rot von untertags. Und passend dazu suchen zeitgleich Schwärme von Kakadus ihre Bäume für die Nacht. Das Hellorange von Hals und Brust schimmert noch intensiver. Die Flügelschläge verdecken es zum Teil, lassen es wie ein Blinken erscheinen. Ich bin ergriffen. So was von schön.

 

1. Juni 2023

Strohig Gelb und topfeben

Das Rot von gestern Abend kam heute auf der anderen Seite am Morgen wieder hervor. Ein breites, nach oben heller werdendes, tieforanges Band kündigte im Osten den Tag an. Und bis ich am Rad bereit zum Losfahren war, hatte sich die Sonne schon kräftig hochgearbeitet. Wider Erwarten war es heute gleich angenehm warm, und später dann gegen Mittag sogar heiß. Doch am Morgen genoss ich das Licht und die Farben der Umgebung.

 

Strohig gelb, ist mir beim Kurbeln als Farbe der Gräser eingefallen. Und diese Farbe nahm alles in Beschlag. Rund um, links, rechts, vorne, und natürlich auch hinten, und das in alle Weite. Und auch den ganzen Tag. Hie und da war in den Gräsern noch etwas Henna mit dabei, so als ob ein paar Grassträhnen damit eingefärbt wären. Mittendurch zog ein dunkles Asphaltband gegen den Horizont. Vielleicht war anfangs noch eine Kurve mit dabei. Doch gefühlt ging es den ganzen Tag nur geradeaus. Nicht mal 100 Höhenmeter zeigte das Navi nach den ersten 50 Kilometern. Topfeben, hatte ich vom Gelände auch beim Fahren den Eindruck.

 

Nur die Straße war es hie und da nicht. Die hatte einige Wellen oder Vertiefungen in den Fahrspuren. Das war dann bei den langen Road Trains lustig anzuschauen. Ihre Anhänger wackelten asynchron hin und her. Während der vordere Teil sich bereits nach links neigte, tat es der hintere noch nach rechts. Und der mittlere nahm sich mal am vorderen und dann wieder am hinteren ein Beispiel zum Nachmachen. Die Zugmaschine machte es wie ich. Die versuchte, den Spurrinnen nach Möglichkeit auszuweichen. Meist mit eher mäßigem Erfolg. Das Fahren hat mir dennoch gefallen. Es ging gleichmäßig flott dahin.

 

Für Abwechslung sorgten Kleinigkeiten am Weg. Mal war es die akustische Hupe eines Road Trains, oder die Lichthupe eines Wohnmobils, das Pfeifen eines Lokführers in seinem Lastzug, das Zuwinken aus Pickups, das Krähen von Vögeln, das Surren der Reifen, das Glitzern der Straße, das Weglaufen von Rindern, das Staunen ob der schönen Wolken unter angenehmem Blau. Kein aufregender Tag. Nur zufriedenes Fahren.

 

2. Juni 2023

Freudiges Fahren durch immergleiche Landschaft

Rechtzeitig zum Sonnenaufgang hatte sich eine unüberschaubare Schar an Rosakakadus auf den Stromleitungen im Ortszentrum niedergelassen. Keine Ahnung, was sie sich erzählten. Es war jedenfalls sehr laut. Für mich ein Durcheinander an Rufen. Als sich ein Road Train näherte, flogen alle auf und verschwanden in den Bäumen an der Straße. Die folgende Stille war richtig angenehm.

 

Ich hatte mir für heute eine recht große Strecke vorgenommen. Ich wollte zur nächsten Ortschaft kommen, mehr als 150 Kilometer entfernt. Doch ich kam am Morgen gar nicht richtig vom Fleck. Immer wieder blieb ich stehen und staunte ob des Lichts. Mit der tiefstehenden Sonne im Rücken zeigte sich für mich die Landschaft von der allerschönsten Seite. Die Farben der Gräser hinterließen einen magischen Eindruck. Wunderbar, zum Juchzen alle paar Meter.

 

Bei einer schmalen Brücke war das Geländer mit Reflektoren ausgestattet. Es glitzerte gelb und rot in der Sonne. Wahrscheinlich taten es meine weißen Reflektoren an den Satteltaschen genauso. Auf einer weiten Wiese standen zwei braune Pferde. Auf mein Zurufen hin trabten sie einige hundert Meter aufgeregt mit. Zum Galoppieren konnte ich sie jedoch nicht animieren. Zum Ausgleich stellte ich mir meinen Sattel auf ihrem Rücken vor. In dieser Weite, mit diesem Licht, in diesen Farben, in dieser Stille, da müsste so ein Galopp wohl paradiesisch sein.

 

Doch ich war mit meinem Radeln hier auch zufrieden. Flach, mit etwas Rückenwind, ohne Verkehr. Dazu eine Landschaft, an der ich mich kaum sattsehen konnte, trotz ihres immergleichen Aussehens. Oder vielleicht gerade deswegen. Hie und da waren Schwalben mit mir am Weg. Sie flogen in Formation von einer Straßenseite zur anderen, machten einen Ausflug übers Gras, und kamen wieder auf die Straße zurück, ihr Routenspiel wiederholend. Und dann verschwanden sie wieder, so schnell wie sie aufgetaucht sind.

 

Beim Einchecken im Motel fragten mich die Inhaber, wie denn mein Tag so war, heute. Ich antwortete mit einem freudigen Redeschwall. Gute 7 Stunden bin ich durch flaches, eigentlich eintöniges Niemandsland gestrampelt, und war dann dennoch nur am Schwärmen, so toll und mich berührend.

 

3. Juni 2023

Weite riechen

In die Morgenfrische hinein radeln, hier in dieser Umgebung ein wunderbares Erlebnis. Die Sonne im Rücken, das strohgelbe trockene Gras mit einem leichten Rotton in den Spitzen links und rechts der Straße, dahinter gefühlte endlose Weite in derselben Farbe. Das Kurbeln macht richtig Lust. Unterm Helm eine leichte Mütze, den Pullover hochgezogen, an den Beinen und im Nacken die Kühle spürend, mich an den eigenen Juchzern erfreuend. So geht es wohl eine gute Stunde dahin. Manchmal bilde ich mir ein, dass ich die Weite riechen kann. Der Seitenstreifen dürfte vor einiger Zeit frisch gemäht worden sein. Vielleicht ist es der Duft des liegengebliebenen Grases, der diesen Eindruck unterstützt. Oder es ist einfach die Wirkung der Umgebung, in die ich ausgeruht und freudig tiefer und weiter am Hineinradeln bin.

 

Bei einer größeren Brücke gibt es ein breites, stehendes, tiefblaues Wasser. Gebüsch und Bäume bilden den Rand, die Sonne lässt ihre Umrisse spiegeln. Ein wunderbarer Kontrast zur sonst staubtrockenen Umgebung ringsum. Ich bleibe stehen und schaue. Den Schwalben scheint dieser Platz auch zu gefallen. Unzählig schwirren sie um mich herum, unter der Brücke durch, übers Wasser. Es wirkt fast hektisch. Dazu ihr unauffälliger Singsang oder ihr Rufen. Vielleicht habe ich sie mit meinem Stehenbleiben auf der Brücke erschreckt. Doch beim Zurückblicken nach dem Weiterfahren geht das Durcheinander in der Luft unverändert weiter.

 

Am Nachmittag sorgen dann dunkelrotbraune Termitenbauten für Abwechslung. Wie gekonnt gesetzte Farbtupfer stehen sie im Gras, oder überragen es. Und erstaunlich, welche Formen sie dabei zu bilden vermögen. Zum Staunen bringen mich danach dann auch blühende Sträucher an der Straße und im Gelände überall. Ging es vorher nur flach dahin, so fahre ich jetzt durch leicht kupiertes Gelände. Das kräftige Gelb der Sträucher und das zarte unauffällige Grün der Bäume wirken vor dem Blau des Himmels mit den großen weißen Wolken wunderbar. Am Abend schreibe ich zufrieden in mein Tagebuch: Weite riechen, wunderbar.

 

4. Juni 2023

Gelbe Sträucher und rote Hügel

Am Morgen fand ein sonntägliches Wettkrähen von Hähnen aus der Umgebung statt. Ich weiß nicht, wann es angefangen hat. Um vier Uhr hatten sie mich jedenfalls wach gekriegt. Doch nachdem es weiterging, war das Ziel wohl ein anderes. Beim zweiten Aufwachen um halb sieben war es immer noch im Gang. Vielleicht hatte der Vollmond die Hühner etwas durcheinandergebracht.

 

Nach den ersten Kilometern schon änderte sich die Landschaft. Hügel dominierten jetzt. Ich merkte es auch in den Beinen. Etwas müde war mein Eindruck. Die letzten Tage ging es zwar immer flach, doch dafür machte ich größere Distanzen. Und diesen zollte ich jetzt wohl Tribut. Also hatte ich mehr Zeit, das intensive Gelb der Sträucher zu bewundern. Sie nahmen die ganze Landschaft ein. Vor dem Blau des Himmels war es schön anzuschauen. Später recherchierte ich, dass es Goldakazien sind. Doch auch der Kontrast zur jetzt durchwegs roten Erde war wunderbar. Oder zu den vielen roten Felsen, die die Hügel durchzogen. Ganz ungewohnt, im Vergleich zu den flachen Grasebenen und der Weite davor.

 

Das Fahren war heute jedoch nicht nur wegen der Hügel etwas anstrengend. Auch die Road Trains waren mühsam. Die Straße war eher schmal. Bei Gegenverkehr wurde es immer eng. Ein paar Mal bin ich seitlich gar stehen geblieben, wenn ich hinter mir einen Brummer hörte, und vorne ebenfalls einer auftauchte. Das kam mir sicherer vor, als vom Luftzug schwankend neben den Anhängern bestehen zu wollen. 

 

Irgendwann tauchte dann das Ortsschild von Mount Isa auf. Rodeo Hauptstadt und Australiens führende Bergbaustadt war angeschrieben. Ein mächtiger Schlot, der größte von vielen, war vorher schon von weitem zu sehen. Kupfer-, Zink- und Bleierze sind die Schätze, nach denen hier im Tage- und im Tiefbau gegraben wird. Kein Wunder, dass mir auf meiner Route viele Lastwagen begegneten. Irgendwie muss das Material ja zu einem Hafen.

 

5. Juni 2023

Ein Ruhetag

Statt Kilometer machte ich heute Pause. Nach eineinhalb Monaten jeden Tag am Rad war es am Morgen grad etwas komisch, meine Sachen unverpackt liegen zu lassen. Doch ein wenig Erholung für Po und Beine mag ich mir auch gönnen, und ein anderes Programm für den Kopf dazu.

 

Ich schaute mir die weitere Route an. Die Distanzen zwischen den Orten werden jetzt immer größer. Einkaufs- und Übernachtungsmöglichkeiten lassen sich nicht mehr täglich finden. Ich muss gezielt vorausplanen und meine bisherige Taktik mit dem mehr oder weniger Drauflosfahren wohl ändern.

 

Und dann auch noch überlegen, wie ich mehr Proviant und Wasser in meinen schon vollen Taschen oder am Rad unterbringe. Ein Gurtband hatte ich gestern schon am Weg gefunden und mitgenommen. Laut angenähtem Etikett hält es bis zu 350 Kilogramm aus. Damit sollte ich dann wohl gut gerüstet sein.

 

6. Juni 2023

Ein netter Abend am Rastplatz

Mit einem Grinser hatte ich heute meine Radhose angezogen. Denn obwohl hier im Osten mit Zeitunterschied früher dran, bekam ich die heimatliche politische Überraschung rund um einen Parteichef erst beim Aufstehen am Morgen verspätet mit. Ich bin jedenfalls zufrieden losgefahren, und ließ mich vom schrecklichen Straßenbelag beim Verlassen der Stadt nicht irritieren. Die schweren Trucks und Bergbaumaschinen, die hier unterwegs sind, hinterlassen nicht nur im Gelände, sondern auch auf der Straße ihre Spuren.

 

Eine Vogelperspektive zur Landschaft und dem Erzabbau wäre sicher toll gewesen. So sah ich nur etwas davon am Rande, wenn die Trucks irgendwo seitlich in die Hügel abbogen, oder ein Hinweisschild auf eines der zahlreichen Bohrlöcher verwies. Doch je mehr Tageskilometer ich machte, desto ruhiger wurde es auf der Straße. Ich konnte mich wieder mehr auf das Surren meiner Reifen und die roten Anhöhen rundherum konzentrieren. Später wurde es dann zunehmend flach. Das Rot der Landschaft blieb. Die gelben Akaziensträucher tauchten ebenfalls wieder auf. Dazu etwas Gras, und hie und da ein kohlschwarzes oder dunkelbraunes Rind hinter Stacheldrahtzaun irgendwo im Busch.

 

Bei einem Rastplatz machte ich Halt. Der überdachte Sitzplatz lud ein. Eine rote Staubfahne war bei meinem Abbiegen nicht zu sehen. Die zogen nur die vielen Wohnwagenanhänger auf, die den Platz zeitgleich ansteuerten. Wohnwagenparade fiel mir dazu ein. Ich staunte, dass einige auch Boote auf ihre Jeeps geladen hatten. Die waren auf einem Anhängergestell ohne Räder am Dach festgemacht. Sie würden das Ganze hydraulisch hochhieven, ließ ich mich belehren. Schweres Gerät braucht man hier also nicht nur im Bergbau, sondern auch in der Freizeit. Als sie weg waren, war es ein total idyllischer Platz. Vogelrufe waren zu hören, dazu das leichte Scheuern eines Astes vom Wind am Blechdach. Der Farbkontrast vom Rot der Sandstraße zum freundlichen Grün der Sträucher und Bäume ringsum war wohltuend. Der Schatten unterm Dach ebenfalls.

 

Abends baute ich mein Zelt auf einem wohl nur für Trucks und Wohnwagen gedachten rotsandigen Rastplatz auf. Die Entfernung zur nächsten Ortschaft war mir für einen Tag zu groß. Ich bekam dennoch auch hier etwas zu essen. Dave, ein allein mit Wohnwagen Reisender in meinem Alter, leistete mir erzählfreudig Gesellschaft. Zu Salat mit Ei und süßer Chili-Soße erfuhr ich seine Lebensgeschichte, und amüsante Storys rund um seine Fahrten mit Freunden. Die würden sich bei anderen immer als „Grey-Nomads“ vorstellen. Er zeigte mir dann verschmitzt seine persönliche Ergänzung in solchen Situationen: Schildkappe abnehmen, auf den Glatzkopf deuten und sagen, dass er kein Grey-Nomad sei, nur einfach so mit Wohnwagen unterwegs ins Blaue. Eine wunderbare Wolkenstimmung zum Sonnenuntergang und eine faszinierende Stille der Weite ringsum rundeten den kurzweiligen Abend ab. Mit dem Dunkel der Nacht übernahmen dann Grillen zirpend das akustische Geschehen am Platz.

 

7. Juni 2023

Unruhige Nacht und flache Strecke

War ich gestern zufrieden eingeschlafen, so weckte mich in der Nacht ein Truck mit seinem Stopp am Platz. Es war nervig, dass er bis zum Morgen ein Aggregat laufen ließ. Wahrscheinlich ist er es gewohnt, und kann dennoch gut schlafen. Mich störte der Lärm. Doch fit war ich am Morgen dennoch. Ich erfreute mich am Sonnaufgang, den Vogelrufen, und am gemeinsamen Frühstück mit Dave in seinem Wohnwagen. Es gab Ei auf Toast, bevor ich etwas später als gewohnt wieder in die Pedale trat. Mehr von seinen Geschichten wollte ich dann doch auch nicht mehr hören. Da war mir die Einsamkeit der Straße lieber.

 

Rote Termitenhügel säumten den Weg links und rechts der Straße. Unüberschaubar viele. Bei einigen, meist den ganz Großen, hatte man sich einen Scherz erlaubt. Ihnen waren T-Shirts übergezogen. Sie waren zwischenzeitlich schon alle total ausgebleicht. Manchmal schaute es lustig aus. Zumindest eine Zeit lang. Doch je mehr ich davon sah, desto blöder kam mir so eine Aktion vor. Na ja, irgendwie muss man sich auf gerader, flacher Strecke wohl eine Ablenkung verschaffen. Denn während es für mich im Schnitt 110 Kilometer je Tag sind, bekommen die Autofahrer zeitgleich zumindest das Fünffache an Flachem und Geraden hier mit, und das im Sausen.

 

8. Juni 2023

Northern Territory und eine lustige Wegbeschreibung

Ein feiner Sonnenaufgang wartete bis ich losgefahren war. Herrlich, hie und da über die Schulter zurückzublicken und mich ein bisschen blenden lassen. Und dann staunen, wie schnell die Sonne steigt. Nach einigen Kilometern sehe ich ein Schild und erschrecke: „375 Kilometer no fuel“ kann ich darauf lesen. Und das hieße dann für mich, auch kein Wasser und kein Essen aufzutreiben. Doch ein kurzer Check auf der Karte beruhigt mich wieder. Für mich sind es nur 270 Kilometer. Aber dennoch ein kräftiges Stück zum Kurbeln.

 

Bei der Grenze zum Northern Territory mache ich es gleich wie die Wohnwagen vor mir. Ein Foto als Dokumentation muss auch bei mir sein. Mit dem orangen Morgenlicht, dem roten Sand, und dem fahlgelben Gras schaut es super aus. Später ist es dann nochmals ein Schild, bei dem ich stehen bleibe: „Warning, headwinds increase fuel consumption“ kann ich lesen. Doch der Wind meint es gut mit mir. Er kommt von der Seite, und hie und da schiebt er mich auch ein bisschen weiter. Und Wasser habe ich sowieso genug getankt.

 

Es taugt mir voll, hier zu fahren. Flach, kein Verkehr, blauer Himmel, etwas Rückenwind, unendliche Weite, Duft von blassgelben Gräsern, die sich im Wind zur Straße hinbiegen. Ich freue mich, und andere auch. So viel zuwinken musste ich bisher noch nie. Jeder Wohnwagenfahrer hat einen Smile drauf und winkt freudig. Radfahrer scheinen hier eine Rarität zu sein.

 

Bei einem Rastplatz gönne ich mir Toastbrot mit Käse und Paprika. Und als ein Schwarm kleiner Vögel vorbeizieht, entfährt mir mit vollem Mund ein lautes Boah. Sie sind hellgrün, und es schillert in der Luft wenn sie ihre Flügel ganz schnell schwingen und dann wieder ein Stück gleiten. Wunderbar, denke ich mir, so schön. Später hält ein Wohnwagengespann neben mir. Der Fahrer füllt aus dem Ersatzkanister Benzin nach. Seine Maschine sei durstig. Bei dem Gegenwind brauche er für die 3 Tonnen des Anhängers mehr Sprit. Für mich gibt es eine Flasche kaltes Wasser aus dem Kühlschrank. Und von seiner Frau ergänzend noch eine lustige Wegbeschreibung für mein Ziel im Norden. Einfach dieser Straße folgen, und dann nach zirka 400 Kilometer nach rechts abbiegen. Ja, das ist Radfahren im Outback aus Sicht eines Wohnwagengespanns.

 

9. Juni 2023

Rot Grün Gelb und Segel setzen

In der Nacht war etwas mehr Wind. Es rauschte in den Bäumen, der offene Zelteingang flatterte. Das Grillenkonzert war dennoch zu hören. Es passte gut zum gigantischen Sternenhimmel. So viele funkelnde Sterne wie noch nie. Doch ich lag auf einer schiefen Ebene, oder einem Wackelpudding. Bei meiner Liegematte hatte sich die Verklebung der Längsstege zum Teil gelöst. Jetzt war sie ein eher unförmiges Ding. Nicht gerade ideal für einen entspannten Schlaf. Keine Ahnung, wo ich hier Ersatz auftreiben kann. Ich werde es bis dahin mit weniger Luft probieren.

 

Viel Luft gab es dafür beim Radfahren auf der Straße. Der Rückenwind trieb mich kräftig an. Es machte Spaß. Das Rot des Sandes am Straßenrand flog an mir vorbei, das Gelb der Akaziensträucher und das Grün der Bäume dahinter oder dazwischen ebenso. Nur die Geraden blieben immer gleich lang. Mittags traf ich auf ein paar Wohnwagenfahrer auf dem einzigen Rastplatz an der Strecke. Alle meinten, dass ich flott unterwegs gewesen sei, als sie mich überholten. Mit Blick auf mein Fahrrad vergewisserten sie sich, dass ich keinen Motor eingebaut hatte. Von einem Paar aus Cairns im Nordosten bekam ich zwei große Mandarinen geschenkt. Es wären welche aus ihrem eigenen Garten. Sie schmeckten so wie angepriesen: Lecker und saftig. Ein Genuss.

 

Mit einem anderen Autofahrer unterhielt ich mich dann etwas länger. Er hatte sein Fahrrad auf seinem Kleinbus vorne auf der Stoßstange montiert. Das Rad immer im Blick haben sei wichtig, meinte er. Doch mit seinen zwei Wochen Urlaub müsse er die großen Distanzen schon mit dem Auto machen, wenn er was von Australien sehen will. Mit dem Rad mache er dann abends Ausflüge, oder am Morgen, wenn es nicht so heiß sei. Und dann erklärte er mir noch, dass hier in der Regenzeit alles überschwemmt sei. Da könne man fast Segeln. Und das war dann auch seine Empfehlung für mich: Ich solle Segel setzen, dann müsse ich nicht mehr in die Pedale treten. Denn die nächsten drei Monate sei der Wind günstig für mich, wenn ich nach Westen möchte.

 

10. Juni 2023

Ein tolles Roadhouse und lästige Fliegen

Ich hatte im Barkly Homestead übernachtet. Mitten im Nirgendwo ein gediegenes Roadhouse mit allem Pipapo. Tankstelle ebenfalls. Dann muss hier sowieso jeder zukehren. Denn sonst wäre es ja auch kein Roadhouse. Das Restaurant war um einiges besser als bei den anderen bisher. Dafür die Preise natürlich auch. Da habe ich gestaunt. Mit Benzin tanken wäre ich wahrscheinlich billiger durchgekommen als mit meinem Wasser nachfüllen. Dafür war das WLAN superfast, schneller als überall anders. Vielleicht weil ein Funkmast daneben war. Der Upload von Fotos ging jedenfalls rucki zucki.

 

Und rucki zucki legte ich auch die heutigen Kilometer zurück. Hey, war das toll zum Kurbeln. Flach dahin mit etwas Rückenwind als Anschub. Mit einem Segel wäre ich wahrscheinlich viel zu schnell gewesen. Übermutig dachte ich sogar, auch gleich meine für morgen geplante Etappe anzuhängen. Doch Einsicht kam bald. Mein Hintern meldete sich mit überzeugenden Argumenten, es vernünftiger anzugehen. Also suchte ich einen Platz für die Nacht.

 

Bei einem großen Sendemasten wurde ich fündig. Etwas weg von der Straße und durch Gebüsch geschützt. Doch in der Sonne waren die vielen Fliegen absolut lästig. Im Shop beim Roadhouse hatte ich gestern noch den Kauf eines Moskito-Hutnetzes verweigert. Es schaute mir zu albern aus. Heute hätte ich es wohl sicher aufgesetzt, der vielen kleinen Fliegen wegen. Doch sobald die Sonne weg war, waren auch die Fliegen weg. Keine Ahnung wohin. Mit dem aufkommenden Grillenzirpen und einem wunderbaren Abendrot hat es mir dann gepasst. Und damit hatte ich auch den nachmittäglichen Ärger der Fliegen wegen vergessen.

 

11. Juni 2023

Auch sonntags geht es nur geradeaus

Gestern am Abend hatte ich mich noch lange am Ausblick aus meinem Zeltfenster erfreut. Das offene Eingangsdreieck bot freie Sicht auf die Naturbühne davor. Genial. Ein Farbenspektakel ohnegleichen, das sich am Übergang vom Dunkel des Bodens zur unendlichen Weite darüber in kurzer Zeit und sich ständig ändernd abspielte. Ein schmales Band, in zartes, nach oben verblassendes Rot gefärbt, war der Hintergrund zu den schon schwarzen Spitzen der hohen Gräser und Sträucher davor. Als Grenze zwischen Himmel und Erde, und mit mir als Zuschauer. Hey, war das ein Einschlafen auf meiner unförmigen Schlafmatte.

 

In der Nacht kühlte es deutlich ab. Ich hatte den Reißverschluss meines Schlafsackes zugemacht. Am Morgen waren es dann 8 Grad. Der Boden fühlte sich kalt an. Nur unter meiner Isomatte hatte er seine Tageswärme von davor behalten. Die Kühle des Morgens ließ anscheinend auch alle Fliegen und Ameisen länger schlafen. Von denen war am Morgen nichts zu sehen. Dabei ging es gestern am Nachmittag und Abend noch richtig rund her. Spannend, dieser Unterschied. Und spannend war es auch, am Morgen den ersten Vogelruf zu hören. Er war so ähnlich wie das eigene Aufwachen. So nach und nach munter werdend.

 

Dass es beim Fahren hier derzeit zumeist geradeaus geht, bin ich zwischenzeitlich schon gewohnt. Heute hatte ich jedoch den Eindruck, dass es eine Spur noch gerader war. Vielleicht weil Sonntag war. Einmal war ich auf einer Kuppe gar etwas enttäuscht, dass es dahinter gleich weiter ging wie davor. Es gab also genug Gelegenheit zum meditativen Kurbeln. Unterbrochen habe ich es nur mit Zuwinken den Wohnwagenfahrern. Die hatten sichtlich Freude mit meinem Anblick. Ich interpretierte jedenfalls ihr Grüßen und Winken in diese Richtung.

 

Später sah ich beim Roadhouse einem Lastwagenfahrer zu, wie er die beiden großen Tanks an seinem Road Train füllte. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, dann waren es 1.100 Liter. Ich meinte, dass ich bei meinem Fahrrad etwas weniger brauche. Da musste er lachen. Dann sei also ich der Radfahrer, den er schon einige Male auf seiner Route von Townsville her überholt habe. Jedes Mal habe er sich gedacht: Crazy, mit dem Fahrrad.

 

12. Juni 2023

Ein Radfahrer mit Hut unterm Helm

Hatte ich die letzten Wochen am Morgen die Sonne immer von hinten, so finde ich sie jetzt auf der rechten Seite. Ich fahre Richtung Norden. Die rote Kugel rechts von mir ist nicht zu übersehen. Wie mit einem Scheinwerfer leuchtet sie die Gegend aus. Meinen Schatten wirft sie auf eine rote Leinwand, nämlich dort wo die Straße etwas im Gelände versenkt angelegt ist, und das Gestein freiliegt. Oder auf eine grüne, wenn Büsche und Bäume den Weg säumen.

 

Ein paar Roadtrains sind natürlich auch am Weg. Einige gar mit spezieller Fracht. Rennautos werden transportiert, und die ganze Werkstatt und Boxenausstattung wohl mit dazu. Andere belassen es bei konventionellerem und riechbarem Gut: Rinder. Ansonsten dominieren die Grey Nomads mit ihren Schickimicki-Wohnwagen. Die Rollenverteilung scheint ebenfalls festgeschrieben. Der Mann fährt den meist großen Geländewagen, die Frau ist Passagier. Nur beim Wohnwagen hat glaub sie das Sagen. Zumindest hatte ich so den Eindruck, als ich bei einer Pause auf einem Rastplatz das Geschehen am Caravan-Platz verfolgte.

 

Gegen Mittag, auf halbem Weg zu meinem Tagesziel, kam mir ein Radfahrer entgegen. Unglaublich. Er hatte wohl auch Freude, einen solchen zu sehen, und wechselte schon früh winkend auf meine Straßenseite. Er stellte sich als Fraser aus Schottland vor. Der Tratsch mit ihm war total nett. Er ist schon ein ganzes Jahr unterwegs. Von Schottland quer durch Europa, Irak, Iran, Indien, Nepal, Thailand bis Singapur. Und jetzt quert er noch schnell Australien von Darwin aus nach Süden. Spannend, was man alles machen kann, und sich auch traut. Er strahlte Abenteuerlust und Souveränität aus. Ich war fasziniert. Sein Strahlen werde ich mir in Erinnerung behalten. Gleichzeitig merkte ich, dass auch ich schon einiges übers Radreisen zu erzählen wusste.

 

13. Juni 2023

Ein grasgrüner Frosch im kleinen Gully

Am Land unterwegs sein heißt hier anscheinend auch, dass am Morgen ein Gockel krähen muss. Denn sonst wüsste man wohl nicht, wann es 5 Uhr morgens ist. Statt Kirchenglockenläuten Hahnenkrähen, und das nicht nur alle Viertelstunde. Doch egal, zeitig wach werden lässt einem dann auch die Morgenstimmung ausgiebig genießen.

 

Vorher gab es jedoch noch einen anderen Genuss: Im kleinen Badezimmer begrüßte mich vor dem Waschbecken ein grasgrüner, gallertartig durchschimmernder Frosch. Beide wussten wir nicht so recht was tun. Der Frosch entschied sich nach einigem Nachdenken für ein Verschwinden durch das Bodensieb im Gully. Jedenfalls steckte er den Kopf dort rein, und zappelte mit den Beinen in der Luft. So ging es einige Zeit. Und dann schaffte er es interessanterweise doch, seinen Körper dem Kopf folgend durch den kleinen Öffnungsschlitz nachzuzwängen und im Gully zu verschwinden. Ein lustiges Schauspiel.

 

Auf der Straße waren recht viele Wohnwagen unterwegs. Später erfuhr ich bei einem Pausenstopp, dass sie den großen Trucks folgend zu einem Autorennen in Darwin unterwegs sind. Von einem Wochenende mit Autorennen an einem Ort zur nächsten Veranstaltung fast 1.500 Kilometer weiter. Fans gibt es für alle Sportarten, und Eigenheiten auch dazu.

 

Bei einem Seitenweg zog ich mein langes Shirt aus. Die Sonne wärmte bereits kräftig. Der Weg führte auf roter Sandpiste zwischen gelbblühenden Akazienbüschen irgendwo ins Grün des Hinterlandes hinein. Rundum war es still. Einzelne Vogelrufe waren zu hören, mal ganz nah und dann wieder, vielleicht antwortend, etwas weiter weg. Dazu Fliegensurren und Windgeräusche. Ich genoss diese Atmosphäre von Ruhe in der Abgeschiedenheit, obwohl nur wenige Meter vom Highway entfernt. Später holten mich dann die Fliegen ein. Auf der Brille rundumtanzend, oder in den Ohren, oder sonst wo im Gesicht. Voll lästig. Ertragen war die beste Lösung. Denn abwehren konnte ich sie nie.

 

Die Landschaft empfand ich heute etwas eintönig. Doch vielleicht war ich auch nur etwas müde. Oder störte mich die mittägliche Hitze etwas mehr. Ich wollte mir jedenfalls schon früh ein Quartier suchen. Nur gab es das auf der Karte eingezeichnete Hotel nicht mehr. Und der nahe Caravan-Park in der Aborigines-Siedlung sah wenig einladend aus. Also deckte ich mich an der Tankstelle zu satten Preisen mit Wasser und Bohnendosen für die Weiterfahrt ein. Interessanterweise ging es dann mit Rückenwind unerwartet gut voran. Von Müdigkeit war nichts mehr zu spüren. In die schwüle, gerade Weite hineinradelnd fand ich dann irgendwann abseits der Straße einen Platz zum Campieren. Mich an den Frosch vom Morgen erinnernd hörte ich dem Grillenzirpen zu. Vom Rot der untergehenden Sonne war durch das dichte Buschwerk heute leider weniger zu sehen. Erst späte dehnte sich das Farbenspiel nach oben hin aus.

 

14. Juni 2023

Zwei neue Freunde am Rad

Das Aufwachen im Zelt ist immer ein besonderer Moment. Der erste Blick geht nach draußen. Ja, das Fahrrad steht noch angelehnt am Baum. Gut, das passt. Dann entspannt zurücklehnen und mich strecken. Und dann lauschen, was sich draußen tut. Wann sich der erste Vogel meldet. Und aus welcher Entfernung Antwort kommt, und wie. Und dann schauen, wie es heller wird. Und irgendwann dann auch die Sachen alle einpacken. Heute brauchte ich etwas länger. Wenn ich Schlafsack und Zelt nicht sehr stark komprimiere, dann wird das Einhalten der gewohnten Ordnung in der Packtasche etwas schwieriger.

 

Nach gut 60 Kilometern mache ich an einem Roadhouse Pause. Es gibt Eggs on Toast. Ich schaue zu, wie sie draußen aus einem Road Train mit dem Hubstapler Nahrungsmittel und Haushaltssachen auf einen Pickup umladen. Eine Frau mit Cowboyhut und Stiefeln ordnet die Waren auf der Ladefläche ihres Jeeps. Vielleicht hat sie gerade ihren Monatseinkauf erledigt.

 

Schon bereit zum Weiterfahren kommen Jeff aus Australien und Francois aus Frankreich mit ihren Fahrrädern daher. Ich hatte sie gestern Mittag bei meiner Pause kennengelernt. Francois tourt schon 2 Jahre durch die Welt, und will noch weiter. Und Jeff kennt seine Heimat auf dem Rad in- und auswendig, und den Rest der Welt fast genauso. Er will nach Asien. Zuerst waren sie mir etwas suspekt. Doch im näheren Kontakt stellten sie sich als feine Kerle heraus. Mit Francois fuhr ich dann gemeinsam zu unserem Tagesziel weiter. Windschattenfahren und abwechselnd Führen machte mächtig Spaß. Das Tempo war deutlich schneller als nur solo am Weg zu sein. Später zeigte mir Francois ein paar seiner Reisefotos. Von einem gelernten Fotografen waren sie natürlich erste Sahne. Unglaubliche Kompositionen. Ich war fasziniert, und konnte nur staunen.

 

Am Abend war dann plötzlich entlang der Straße Feuer zu sehen. Es brannte spektakulär, und das in Tankstellennähe. Von einem Pickup aus wurde das hohe Gras links und rechts der Straße kontrolliert angezündet. Es brannte bis zum als Feuersperre gehaltenen graslosen Erdstreifen entlang des Highways. Doch so schnell das Gras lichterloh in Flammen stand, so schnell ist das Feuer dann auch wieder erloschen. Oder nur in kleinere Glutnester übergegangen. Solche hatte ich heute untertags beim Fahren hie und da ebenfalls schon im Gelände gesehen, nur mir nicht erklären können woher und wieso.

 

15. Juni 2023

Ein Pferdeflüsterer am Rastplatz

Nach dem abendlichen Feuer roch es am Morgen und zum Teil auch untertags auf der Strecke noch. Ein paar am Boden liegende Baumstämme kohlten nach. Dort qualmte es auch ein wenig. Statt dem fahlgelben hohen Gras war jetzt überall kohlschwarzer Boden zu sehen.

 

Meine Route führte flach durch Buschland. Hie und da waren vereinzelt Rinder zu sehen. Doch mehr von den Rindern begegneten mir aufgeladen auf den Road Trains. Wenn die vorbeigezogenen waren, roch es ebenfalls nach, und das ziemlich intensiv nach Kuhmist. Bei einem Rastplatz besorgte sich einer der Wohnwagenfahrer Feuerholz wohl für den Abend. Mit einer batteriebetriebenen Minikettensäge zerschnitt er am Boden liegendes Holz und warf es dann auf die Ladefläche seines Pickups. Als Camper muss man hier also gut ausgerüstet sein. Und sich auch zu helfen wissen, wo es was zu besorgen gibt.

 

Mittags kehrte ich in einem historischen Hotel an meiner Route ein. Ich gönnte mir vegetarische Lasagne. Die schmeckte gar ausgezeichnet. Sie war eine willkommene Abwechslung zu den Veggie-Burgern mit Hot Chips die Tage zuvor. Ein älterer Australier sprach mich auf das Radfahren an. Er würde selbst zwar nicht Radfahren, sei jedoch begeisterter Tour de France-Fan. Sie beginne heuer am 1. Juli. Und dafür werde er dann nach Westaustralien fahren. Denn dort könne er mit der Zeitverschiebung die Fernsehberichte schon spätabends und nicht erst mitten in der Nacht anschauen. Ich musste schmunzeln.

 

Später kamen auch noch Jeff und Francois dazu. Gemeinsam fuhren wir den Nachmittag lang zu einem Rastplatz an der Straße weiter. Zur nächsten Ortschaft war es zu weit. Also war eine Nächtigung auf halbem Weg angesagt. Am Rastplatz standen schon einige Wohnwagen. Ein Pferdetransporter war ebenfalls zu sehen. Und im Gebüsch in einer improvisierten Koppel grasten zwei Pferde. Beim Nachfragen stellte sich heraus, dass ein Cowboy mit seiner Frau und den beiden Pferden auf großer Tour rund um Australien ist. Vor 2 Jahren gestartet haben sie schon 11.000 Kilometer hinter sich. Dort, wo es unmöglich ist, unterwegs Wasser zu besorgen, fährt einer der beiden mit dem Truck als Begleiter. Es staunten alle am Platz, was sie über ihre bisherige Tour zu berichten wussten. Sie selber staunten dann auch, als ich einige ihrer letzten Nächtigungsplätze aufzählen konnte. Beim Campen im Busch ist mir nämlich gelegentlich Pferdedung aufgefallen. Und zwar immer am für mich besten Platz, wo ich mein Zelt hätte hinstellen wollen. Sie waren auf derselben Route unterwegs wie ich.

 

16. Juni 2023

Ein heißer Tag und Ankunft in Katherine

Heute war der bisher heißeste Tag auf meiner Tour. Hier im Northern Territory sind sie tropisches Klima gewohnt. Mein Garmingerät zeigte 35 Grad. Doch mit einer feinen Brise im Rücken war es für mich ebenfalls gut auszuhalten. Der Wind sorgte auch dafür, dass das Tempo höher war als sonst. Zudem war Francois mein Begleiter. Wir wechselten einander mit Führen ab. Er hatte es eilig, nach Katherine zu kommen. Weil hier in der mehr oder weniger unbesiedelten Region keine Ersatzteile für ein Fahrrad aufzutreiben sind, hat er sich die Sachen schon vor längerer Zeit postlagernd in die nächste Stadt schicken lassen. Und heute war dort sein letzter Abholtag. Also war kräftiges Kurbeln angesagt.

 

Mir passte das Fahren durch diese Landschaft hier sehr gut. In die Pedale treten, dem gleichmäßigen Surren der Reifen lauschen, dem Gesang der Kette mit dazu, das hatte ich die letzten Wochen als ständige Musik im Ohr. Unterbrochen wurde sie nur, wenn sich ein Road Train näherte. Das Brummen ihrer Motoren lässt sich klar vom Geräusch der Autos unterscheiden. Dann ist erhöhte Aufmerksamkeit angesagt. Bei einem der entgegenkommenden Road Trains musste ich heute laut auflachen und grinsen. Der Fahrer ist vor lauter begeistertem Zuwinken fast zum Fenster hinausgefallen. Und mein freundliches Zurückwinken hatte mich ebenfalls aus dem Gleichgewicht gebracht. Der Schlenkerer mit den Gepäcktaschen war aber ausgeprägter als jener des Road Trains. Der zog seine Spur unverändert wie ein Riesentanker gerade weiter.

 

Obwohl wir am Vormittag und auch zu Mittag ausgiebig Pause machten, erreichten wir Katherine schon am frühen Nachmittag. Beim Einfahren in die Stadt gab es eine Ampel. So etwas hatte ich seit dem Verlassen der Ostküste schon vor fast 3 Wochen nicht mehr gesehen. Es gab stadttypisch etwas mehr Verkehr, und dazu viele Aborigines in den Straßen. Obwohl es eigentlich ihr Land ist, hat man den Eindruck, als ob sie in diesem Australien eher einen Fremdkörper darstellen. Ihre Lebensweise unterscheide sich sehr stark, Probleme seien allgegenwärtig. So war es jedenfalls beim Durchfahren ihrer Siedlungsgebiete immer wieder von den Campern zu hören. Doch das sagen die Aborigines über die Australier vielleicht ja auch.

 

Mit Katherine hatte ich den für mich nördlichsten Punkt Australiens erreicht. Statt bis nach Darwin rauf und zurück, werde ich meinen Lenker jetzt gleich schon nach Westen ausrichten. Doch davor kaufte ich im Supermarkt noch ausgiebig ein. Endlich mal wieder Obst, und die schon vor einer Woche ausgegangene Sonnencreme standen am Einkaufszettel. Ein Fliegennetz hätte ich mir auch noch gewünscht. Doch dafür war mir die Zeit zum Suchen in den Regalen dann doch zu schade. Ich habe mir ja auch noch vorgenommen, den Hinterreifen zu wechseln. Der hat jetzt 6.200 Kilometer durchgehalten und ist platt abgefahren. Den in der Packtasche freiwerdenden Platz werde ich mit Bohnendosen füllen. Die hatte ich auch noch gekauft, zum Überbrücken der weiterhin zu erwartenden großen Distanzen zwischen den Ortschaften.