16. August 2025

Ab jetzt Fahrtrichtung Süden 

Die Stadt Kirkwall zeigt sich am Morgen noch ganz verschlafen. Auch die Leute auf dem riesigen Kreuzfahrtschiff am Kai etwas außerhalb scheinen noch in ihren Kabinen zu sein. TUI stand groß am Schornstein, und der Anblick des Kreuzers vor dem flachen Farmland rundum war reichlich surreal. Als ich später den kleinen Flughafen am Weg passiere, biegt gerade ein wohl privater Jet zum Terminal ab. Ausgeladen werden nur zwei Gepäckstücke. Das scheint auch eine Schar Gänse auf den Wiesen daneben zu irritieren. Sie fliegen jedenfalls aufgeregt schnatternd auf. Ihrem Flug dann zuzuschauen war wunderbar. In einem weiten Bogen flogen sie über das satte Wiesengrün und ließen sich weiter entfernt auf Brachland nieder.

 

Die Luft ist eine Zeit lang recht feucht. Die Brille beschlägt. Doch als ich weiter Richtung Süden komme, setzt sich die Sonne durch. Ich steuere den kleinen Fährhafen St. Margarets Hope an, und bin viel zu früh dort. Während nach und nach mehr Autos eintrudeln, montiere ich einen neuen Hinterreifen. Der alte hat fast 5.000 Kilometer gehalten. Ein Wohnmobilfahrer bietet mir seine große Standpumpe als Hilfe an, und staunt dann, dass der Reifen auch mit meiner kleinen Pumpe prall wird und ins Felgenbett springt. Auf der Fähre staune dann ich, wie viele Autos sie unterbringen. In mehreren Reihen werden sie zentimetergenau eingewiesen. Es sind dann fast siebzig Autos, und ein einziges Fahrrad, die auf der Fähre Orkney wieder verlassen. Bei einem Auto musste ich schmunzeln. Am Beifahrersitz lag ein abgegriffener, dicker, großer Straßenatlas. Papiernavi von früher, und jetzt irgendwie total aus der Zeit gefallen.

 

Nach einer Stunde Überfahrt liegt John o’Groats als Nordostspitze Schottlands auf meinem Weg. Jede Menge Souvenirläden, Imbissbuden und eine Distillery locken die Leute an. Und natürlich der spezielle Wegweiser, wie es ihn auch an der Südwestspitze in Cornwall unten gegeben hat. Für mich heißt die neue Fahrtrichtung ab jetzt Süden. Und mit leichtem Rückenwind gehen die ersten Kilometer vorbei an manch goldgelben Getreidefeldern flott dahin. Die Küste zeigt hier ihre steilen Klippen mit sattgrünen Wiesen bis zum Rand. Windräder drehen sich auf den wenigen Hügeln, und im Meer vor der Küste noch einige mehr. Ich bin überrascht, wie unterschiedlich sich die Landschaft hier im Gegensatz zu jener noch vor einem Tag im Westen zeigt. Und natürlich zu Orkney im Norden ebenso. Doch der erste Eindruck gefällt.

 

17. August 2025

Nebelig und viel Verkehr

War es gestern am späten Nachmittag noch recht sonnig und schön geworden, so empfing mich heute Morgen feuchter Nebel. Die Brille beschlägt im Nu. Auch an der Kleidung zeichnen sich nasse Flecken ab. Ich mache bald eine Frühstückspause. Es gibt Moroccan style houmous mit einem kleinen Baguette. Eine erstaunlich gute Laugenbrezel rundet die Morgenjause ab. In einer der Trinkflaschen hat sich ein grüner, algig-moosiger Belag angesetzt. Mit reichlich Serviettenpapier, etwas Geduld, und meinem kleinen Stativ für den Fotoapparat als Putzhilfe schaut die Flasche bald wieder blitzblank aus, und lässt sich neu füllen.

 

Bei einer Kreuzung treffe ich auf einen Mann mit einem alten Traktor. Ich grüße ihn freundlich winkend, und ernte ein breites Lächeln. Etwas später überholt er mich, unmerklich schneller tuckernd. Dieses Mal ist er es, der als Erster freudig mit der Hand winkt. Der schwarz-weiße Hirtenhund, der hinter seiner Rückenlehne kauert, winkt zwar nicht, schaut aber ebenso recht freundlich drein. Ich bin auf einer stark frequentierten Hauptverbindung unterwegs. Es herrscht reichlich Verkehr, der schubweise daherkommt. Doch nur in den Steigungen ist er etwas lästig. Manche trauen sich in den Kurven nicht, mich zu überholen. Dann staut sich rasch eine Kolonne an, die später abwärts an mir vorbei braust. 

 

Gegen den Nachmittag hin lichtet sich der Nebel etwas. Oder hängt nur noch in den bewaldeten Hügeln. In den Lichtungen oder oft auch an den Flanken sind große Flächen Heidekraut zu sehen. Auch wenn es mir mit Sonne noch besser gefällt, so ist es mit den Nebelschwaden ebenfalls recht gefällig anzuschauen. Erst recht spät, und auch nur für eine kurze Strecke kann ich von der Hauptstraße runter. Ein Naturreservat wartet auf die Durchquerung. In einer weiten Bucht sonnen sich Robben auf den Sandbänken. Mir tut die Sonne auch gut. Im Nacken merke ich eine Verspannung. Doch der Wind lässt mich nicht allzu lange stehend verweilen. Die Robben haben glaub etwas mehr Speck um den Gürtel als ich. Denen wird die steife Brise wohl egal sein.

 

18. August 2025

Nebel als Begleiter auf schmalen Küstenstraßen

Die Außenhaut des Zeltes ist am Morgen triefend taunass. Kurz vor dem Losfahren fängt es aus dem Nebel heraus auch noch an zu nieseln. Mit etwas Wind ist es ziemlich frisch. Ich habe den Kragen hochgeschlagen und auch mein Halstuch angezogen. Am nassen Golfplatz sind sie um acht Uhr auch schon unterwegs. Wahrscheinlich mit wasserdichten Schuhen und Socken. Meine Radlerschuhe wären da nicht geeignet. Die sind alles andere als dicht. Ich bin frohen Mutes, dass sich der Nebel bald verziehen wird. Doch er begleitete mich heute den ganzen Tag. 

 

Weg von der Hauptstraße ist es ein entspanntes Fahren ohne Verkehr. Die schmale Straße führt der Küste entlang. In den Wiesen grasen eifrig Schafe. Einige von ihnen wurden wohl unlängst erst geschoren. Man sieht noch das Schermuster oder die Streifen, wie der Scherapparat geführt wurde. Irgendwann erreiche ich einen kleinen Fährübergang. Lange warten muss ich nicht. Die kleine rote Fähre tuckert bald daher. Zwei Autos haben gerade Platz. Fahrräder ließen sich einige mehr noch zu meinem transportieren. Doch es fahren nur zwei Familien mit Kindern mit. Sie machen wohl einen Kurzausflug auf die andere Uferseite.

 

Das Meer in der Bucht ist spiegelglatt. Am Himmel schaut es eher trüb aus. Und jedes Mal, wenn ich ein paar Höhenmeter auf einen Hügel hinauf mache, bin ich kurz im Nebel unterwegs. Das Fahren auf der schmalen Straße gefällt mir. Schade nur, dass es mit der Aussicht rundum nicht klappen will. Entlang des Weges gibt es immer wieder größere Kornfelder. Viele noch mit stehendem Getreide, andere wiederum schon abgeerntet. Dort warten die Strohballen noch, dass sie abtransportiert werden. Bei einigen Feldern wurden die Ballen nicht rund gepresst, sondern quaderförmig. Oft liegt aber auch noch die nicht weiter bearbeitete Mahd des Mähdreschers. Auf einem der großen Felder gräbt ein Traktor mit einem fünfscharigen Pflug die Getreidestoppeln um. Hunderte Möwen haben sich entlang der frischen Furche aufgereiht und warten darauf, dass sie aus der Erde etwas Essbares aufschnappen können. Die Luft riecht nach der eben erst umgegrabenen Erde. Es ist ein herrlich intensiver Geruch, den ich sehr mag.

 

In Inverness versuchte ich mein Einkaufsglück in einem Fahrradladen. Auf die Mailanfrage wegen der Reparaturteile für meine Ortliebtasche hatte ich zwar keine Antwort erhalten. Doch vor Ort wurden mir dann dennoch unkompliziert welche verkauft. Sie waren zwar nicht vorrätig, wurden aber einfach von einer neuen Tasche abmontiert. Ich hatte meine Freude, dass ich meine Tasche künftig nicht mehr mit einem Gurtband sichern muss. Und der Verkäufer hatte auch eine Freude. Ich konnte ihm nämlich zeigen, wie sich die Haken von der Halterung nur durch Verschieben lösen lassen, und es kein Abschrauben der Kunststoffschiene braucht.

 

19. August 2025

Lästige Nieselschauer den ganzen Tag

Feuchter Nebel dominiert den Morgen. Und als ich mich daran gewöhnt und in Schwung gekommen bin, bremst mich ein erster Nieselschauer ein. Regenkombi an, war die Lösung. Doch das Spiel mit der Regenkombi an und aus wiederholt sich dann den ganzen Tag. Kaum war die eine Front abgezogen und am Himmel nur noch lichtes Grau zu sehen, bahnte sich schon die nächste Front ihren Weg vom Meer her übers Land. Manchmal wartete ich recht lange mit Umziehen, und holte mir dabei nur nasse Füße. Das Nieseln dauerte dann meist nur so lange, bis die Regenkombi gut angenässt war. Doch hatte ich sie nach einiger Zeit wieder abgezogen, kam unvermutet eine nächste Front. Abends hatte ich den Eindruck, dass ich mehr Standzeiten mit Umziehen gesammelt hatte als Fahrzeit am Rad.

 

Das Highlight des Tages waren köstlich schmeckende Brombeeren. Ich hatte mir beim Umziehen mehr Zeit gelassen, und nebenbei Brombeeren genascht. Doch dafür musste ich öfters ins nasse Gras des Seitenstreifens treten. Meine Socken hatten keine Chance trocken zu werden. Von der Landschaft war wegen des Nebels am Morgen und dem Nieseln untertags eher wenig zu sehen. Abgeerntete Kornfelder mit Strohballen noch und noch zierten den Weg. Und das eine und andere Kartoffelfeld mit dazu. Dort war das Kraut schon gut abgestanden. Wahrscheinlich steht die Ernte bald an.

 

Bei einer Radwegbrücke über einen Fluss waren die Bretter nur lose verlegt. Beim Drüberfahren ratterte es wie bei einem Güterzug mit unrunden Rädern. Am frühen Nachmittag kam ich an einem ehemaligen Fort vorbei. Dort waren an zwei Stellen mehrere Leute damit beschäftigt, Ausgrabungen freizulegen. Mit Pinsel und kleiner Spachtel waren sie knieend tätig. Sie säuberten irgendwelche Mauerreste auf dem Hügel nahe zum Meer. Später kam dann zum Nieseln noch etwas Gegenwind dazu. Da war meine gute Laune recht bescheiden. Der Wetterbericht hatte einen trockenen Tag angekündigt. Doch bei mir war es nur zeitweise trocken. Auch mit längerem Nieseln wird man gehörig nass, war immer wieder die Erkenntnis zwischendurch.

 

20. August 2025

Großartiger Tag zwischen Strohballen und Mähdreschern

Der Campingplatz lag direkt am Meer. Entsprechend imposant war die Geräuschkulisse. Das Rauschen der Wellen war ziemlich kräftig, die ganze Nacht hindurch. Doch irgendwann hörte ich es auch am Zelt nieseln. Aber am Morgen war alles trocken. Der Wind hatte nachgeholfen. Und meine Socken waren auch wieder trocken. Ich hatte sie und die Schuhe mit Klopapier ausgestopft. Aufgewacht bin ich der Möwen wegen. Deren Geschrei oder deren Laute finde ich etwas eigen. Ich mag es eher nicht. Zwischendurch waren auch Tauben zu hören. Zu meiner Freude nur ganz kurz. Oder ich war mehr auf das Rauschen der Wellen fokussiert.

 

Meine Route führte am Vormittag der Küste entlang. Jedes Dorf am Meer war als historisches Fischerdorf angeschrieben. Die Häfen waren mit mächtigen Steinmauern umfangreich gesichert. Die Steinhäuser waren alle nach demselben Muster gebaut. Fenster- und Türeinfassungen waren mit großen Steinen und bemalt hervorgehoben. Doch es wirkte alles sehr kalt, streng, und abweisend. Nur die Häuser am Rand hatten Vorgärten. Dort waren hie und da ein paar Blumen zu sehen. Doch zumeist gab es nur kurzen Rasen, und alles war mit Steinmauern abgegrenzt. Beim Blick auf die größeren Fischerboote an den Kais dachte ich mir, dass die Arbeit an Deck wohl sehr hart sein muss. Viele Netze, mächtige Winden, nasser Boden, nasser Fang, enger Raum, und auf See wahrscheinlich auch noch hin und her schaukelnd.

 

Zum Fahren hat es mir heute sehr gefallen. Zum einen war das Wetter trocken. Und zum anderen die schmalen Straßen ohne Verkehr, mit einigen Anstiegen und kurvigen Abfahrten. Dazu bot das Meer eine tolle Kulisse. In den Buchten rollten die Wellen mit viel Gischt und Getöse an. Und an Land ging das eine Kornfeld in das andere über. Am Vormittag dominierten die Strohballen. Unglaublich, wie viele da noch eingesammelt werden müssen. Ich sammelte jedenfalls eine Unmenge an Fotos. Und herrlich der Duft des Strohs, der die ganze Landschaft einnahm. Einmal kam ich an einer Distillery vorbei. Da wurden gerade Holzfässer zwischen den Lagerhallen hin und her transportiert. Der Duft um das Areal unterschied sich deutlich von dem des Strohs auf den Feldern.

 

Gegen den Nachmittag hin wurde das Wetter zunehmend besser. Meine Route führte da etwas mehr ins Landesinnere. Während an der Küste die Getreidefelder schon abgeerntet waren, war die Ernte hier gerade im Gang. Mähdrescher noch und noch, und Traktoren die mit großen Anhängern auf die Übernahme der Ladung warteten. Kein Verkehr, das hat mir auch gefallen. Mein Zelt schlug ich abends nahe zu einem Wald auf einem weiten Getreidefeld auf. Den Duft des Strohs wollte ich mir heute intensiv geben. Und rundum ruhig war es auch. Der Tag war ziemlich fein, die Route auch, und die Landschaft mit den vielen Kornfeldern auf sanften Hügeln sowieso.

 

21. August 2025

Etwas mühsam und dann wieder ganz fein

Anfangs sind es heute mehr Wiesen als Getreidefelder auf meiner Route. Doch bald schon tauchen sie wieder auf. Auf einem etwas weiter entfernten wird die Erde von einem Traktor gerade umgebrochen. Ein Spektakel sondergleichen. Es sind wohl an die tausend weißen Vögel, die um den Traktor und die unmittelbar gezogene Furche herumschwirren. Ihr Flügelschlag lässt sie von der Sonne angestrahlt in der Luft glitzern. Es schaut aus, als ob immer wieder Glitter-Konfetti hochgeworfen wird. Die Vögel fliegen im Schwarm auf, und lassen sich dann für kurze Zeit nieder. Und weil der Traktor inzwischen weiterfährt, fliegen sie wieder auf und ihm nach. Ich staune mit offenem Mund. Und ich staune auch, welch klare Grenze Wolken den Sonnenstrahlen auf der Erde ziehen können. Ein Feld mit Windrädern wird in hell und dunkel geteilt. Zwei Windräder strahlen in Weiß in der Sonne, und ein drittes verliert sich im Vordergrund im Dunkeln. Am Boden ist es wie ein scharfer Schnitt.

 

Beim Erreichen der Küste fallen mir zuerst die Windräder im Meer auf. Sie stehen auf hohen Gittermastsockeln. Es schaut auf den ersten Blick lustig aus. So, als ob sie auf Kinderschemeln stehen würden. Weniger klein geht es im Hafen von Aberdeen zu. Da stehen große Fährschiffe und Fischkutter oder andere Schiffe in bunten Farben dicht an dicht. Mich wundert, welch unterschiedliche Bauarten es da geben kann, wohl dem Einsatzbereich entsprechend. Das Fahren durch die Hafenstadt gestaltet sich etwas mühsam. Viel zu viel Verkehr. Und auch die Strecke unmittelbar danach vermag mir nicht zu gefallen. Obwohl an der Küste entlang, ist es nur ein schmaler Radweg, der neben der Schnellstraße verläuft, und irgendwann in sie einmündet. Recht lange brausen da Lastwagen und Autos an mir vorbei.

 

Erst gegen Mittag wird das Fahren wieder besser. Da sind es Nebenstraßen an der Küste. Und Getreidefelder auch, riesige. Die Bauern haben Hochsaison bei der Getreideernte. Bei einem der großen Felder stehen Mähdrescher und Traktor gerade still. Eine Fau läuft mit einer Einkaufstasche vom Feld weg. Angelehnt an das große Vorderrad des Mähdreschers sehe ich zwei Männer im Stroh kauern. Mittagspause, und von der Frau wohl gerade mit Essen versorgt. Ich muss noch ein paar Kilometer mehr machen, bis ich an einem Laden vorbeikomme. Und eingebremst am Weg wurde ich auch noch: Es gab Brombeeren, zuhauf. Fein gereift, purpurschwarz, köstlich süß, und leicht zu ernten. Etwas klebrige, rötliche Finger gab es dennoch. Sie störten nicht. Weder beim Fahren noch beim Knipsen der vielen Strohballen und Kornfelder am Weg.

 

22. August 2025

Duft von Stroh und Golfspieler am Gehsteig

Als ich am Morgen in der nahen Stadt durch das Hafengelände fahre, fallen mir nicht nur die großen Getreidesilos auf, sondern auch das viele Getreide im Straßengraben. Die Traktoren dürften die Kurven sehr rasant gefahren sein. Oder sie hatten eine Spur gelegt, dass sie sicher zu den Silos und zu den Schiffen finden. Etwas später kommen zu den Kornfeldern auch weite Kartoffelfelder dazu. Bei einem ist das Kraut noch richtig grün. Eine späte Sorte. Denn auf der anderen Straßenseite steht schon eine Erntemaschine bereit. Dort ist alles Kraut der Kartoffeln längst abgestorben und wird die Ernte wohl bald starten.

 

Den ganzen Tag über begleitet mich der Duft von Stroh. Immer wieder komme ich an großen Feldern vorbei. Wenn das Stroh noch nicht zu Ballen gepresst wurde, so warten zumindest große Mahden darauf. Manchmal ziehen sie sich schön symmetrisch in gleichen Abständen über leichte Hügel. Solche Bilder gefallen mir sehr. In einem Feld steht der Mähdrescher noch mittendrin. Das halbe Feld hatte er schon abgeerntet. Es schaute grad so aus, als ob der Fahrer dort Feierabend machte und eingeschlafen ist. Ein paar Kilometer weiter steht der Mähdrescher an der Straße. Ein Mann mit Atemschutzmaske bläst gerade den ganzen Staub von der Maschine. Weniger interessant fand ich die Zuckerrübenfelder, auch wenn deren Erntemaschine ob ihrer Größe mir doch Respekt einflößte.

 

Irgendwann tauchten dann an der Küste plötzlich viele Foliengewächshäuser auf. Sie hoben sich farblich kaum vom Meer ab, das im Gegenlicht der Sonne ganz hell erschien. Fast gingen die Gewächshäuser ins Wasser über. Bis in den späten Vormittag hinein folgte meine Route der nahen Eisenbahnlinie. Wohl alle halbe Stunde rauschte ein Zug vorbei. Meist waren es vier Waggons. Und sonst dominierten Golfplätze das Erscheinungsbild der Landschaft nahe zum Meer. Die Spieler mussten aufpassen, dass sie den Ball nicht zu weit schlagen, und er im Gras des nächsten Golfplatzes landet. Bei einer größeren Stadt schien eine Golfveranstaltung im Gang zu sein. Viele Leute waren unterwegs, und Spieler ebenso, die ihre Caddys auf den Gehsteigen durch die Straßen schoben. Ein lustiges Bild, kam es mir als Radfahrer jedenfalls so vor. Der Tag wurde dann für mich wider Erwarten recht lange. Das Finden eines Campingplatzes zog sich dahin. Alle besuchten waren ausgebucht. Ein offenes Getreidefeld nahe zu einer Stadt war dann mein gewählter Platz.

 

23. August 2025

Edinburgh als Stadt mit Flair

Am Abend gab es gestern noch ein paar Regentropfen. Doch am Morgen war alles trocken. Das mag ich, wenn die Sachen beim Verpacken trocken sind. Auf dem Feld waren in der Mitte zwei Rehe. Wahrscheinlich jene, die ich gestern beim Heranfahren aufgescheucht hatte. Da waren sie mit weiten Sprüngen geflüchtet. Doch jetzt wähnten sie sich offensichtlich in Sicherheit. Mein Hantieren mit dem Abbauen des Zeltes schien sie nicht zu stören.

 

Schon bald nach dem Losfahren und den ersten paar Kilometern war auf der anderen Seite des langen Meeresarmes Edinburgh zu sehen. Oder dessen Silhouette als Großstadt. Aber bis dorthin heißt es für mich noch kräftig kurbeln, auch wenn es weitestgehend flach der Küste entlang geht. Der Weg ist über weite Strecken eine Naturstraße für Radfahrer und Wanderer. Manchmal eng und holprig, und dann wieder breit und angenehm zum Fahren. Brombeeren gab es jede Menge. Einmal wuchsen sie an einer steilen Böschung in Mundhöhe. Vom Rad aus fast im Vorbeifahren einfach nur den Mund aufmachen für die schwarzen Köstlichkeiten. Herrlich. Und später waren es die in Bodenhöhe ein wenig im hohen Gras versteckten, denen ich nicht widerstehen konnte.

 

Irgendwann erreichte ich dann die mächtigen Brückenbauwerke über den Meeresarm. Eine neue mit Betonpfeilern für die Autos, eine für Busse und Radfahrer mit imposanten Tragseilen, und als Highlight die Eisenbahnbrücke in Rot und wohl auch die Älteste. Ein Kunstwerk aus Metall und im Design. Faszinierend, welche Ausstrahlung so ein Bauwerk entwickeln kann. Ich machte gleich mehrere Schnappschüsse aus unterschiedlichen Perspektiven. Und herrlich war später auch das Flair von Edinburgh als Großstadt. Die lange Anfahrt der Küste entlang mit vielen Grün- und anderen Erholungszonen war schon ein Genuss. Und dann das Zentrum mit den alten Häusern und Prunkbauten. Ich war fasziniert. Und viele andere wahrscheinlich auch. Die Straßen waren vollgestopft. Samstag und Touristenhochsaison. Da war einiges los. Auch wenn ich nur durchgefahren bin, so hat es mir jedenfalls gefallen. Und gut gemundet hat auch die marokkanische Tomatensuppe mit Sauerteigbrot. Es gab sie in einem kleinen Laden in einer Steigung, in der ich anhalten musste. Weil gerade ein paar Regentropfen fielen, war Einkehren ein Muss. Eine wunderbare Abwechslung zu meiner sonstigen Sandwich- und Conveniencekost in den Lebensmittelläden am Weg.

 

24. August 2025

Ein Sonntag mit süßen Brombeeren

Ein unglaublicher Sonntagmorgen. Im Osten liegt ein breites Wolkenband überm Meer. Die Sonne versteckt sich dahinter und will sich nicht zeigen. Sie strahlt nur ein wenig Orange hinter den Wolken hervor. Doch plötzlich sind diese weg, haben sich in Luft aufgelöst. Grelles Sonnenlicht lässt die Landschaft und das Meer erstrahlen. Die kleinen Inseln und größeren Felsen vor der Küste sind wunderbar in Szene gesetzt. Alles schaut lieblich aus wie in einem Kinderbilderband. Am Weg werfen die Strohballen lange Schatten. Den Duft strahlen sie nach allen Seiten aus. Etwas später verschwindet ein aufgescheuchtes Kaninchen in einem großen Krautfeld. Ein anderes hat sich für ein Bohnenfeld entschieden. Doch es muss lange hoppeln, bis ich es dort nicht mehr sehen kann. Die Schoten der Bohnen sind kohlschwarz, die Blätter verwelkt. Ich breche eine der Schoten auf. Zwei größere, leicht beige Bohnen zeigen sich, fallen von selbst heraus.

 

Irgendwann wird meine gewählte Route recht abenteuerlich. Die anfängliche Naturstraße geht in einen Waldweg und später in einen Trampelpfad über. Weg ist kaum mehr zu erkennen. Mein Navi meint, dass es trotzdem weiter geht. Nach anfänglichem Zögern überklettere ich samt Rad einen Zaun, und danach gleich noch einen zweiten und dritten. Es sind zuerst Schafweiden, die an ein morastiges Sumpfgelände Richtung Meer angrenzen. Später komme ich zu einem mit Stacheldraht gesicherten Weidetor. Dahinter lagert friedlich eine große, rotbraune Kuhherde. Weil sie etwas unruhig werden, entschließe ich mich zu einem Umweg. Statt flottem Fahren ist es ein eher mühsames Schieben. Weiter vorne erkenne ich ein Farmhaus. Es sind nochmals ein paar Zäune zu überwinden, bis ich nahe zum Hause die Straße und dann auch meine Route wieder finde. Vielleicht hätte ich doch einfach die Straße mehr landeinwärts nehmen sollen, und die Küstenroute besser ausgelassen. Doch jetzt weiß ich, wie man mit schwerbepacktem Rad am besten Zäune überwinden kann.

 

Gegen Mittag komme ich an vielen Brombeerhecken vorbei, und am Nachmittag an noch viel mehr. Ich kann ihnen nicht widerstehen. Am besten munden mir die schwarzen Beeren in den Anstiegen. Da ist die Versuchung groß, einfach stehen zu bleiben und zu naschen, statt die Steigung in einem hochzufahren. Als ich später eine Schnellstraße queren muss, komme ich kaum rüber, so dicht ist dort der Verkehr. Doch danach, an der Küste entlang, ist es wieder tolles Fahren. Zwar Naturstraße und oft schmaler Trampelpfad durch Wiesengelände, doch immer mit schönem Blick auf das etwas tiefer liegende Meer und die rötlichen Klippen. Schottland hatte ich am Nachmittag hinter mir gelassen. Und der erste Eindruck von England nach der Grenze hat mir gefallen. Weniger gefallen hat mir das Suchen nach einem Campingplatz. Es sei morgen nationaler Feiertag und ganz England unterwegs, konnte ich in Erfahrung bringen. Da war alles ausgebucht. In einer kleinen Senke bot sich dann eine abgeweidete Kuhwiese als noch von niemandem gebuchter Platz für die Nacht an.

 

25. August 2025

Ein Montag mit leichtem Gegenwind

Es ist ein sonniger Morgen und der Tag war dann auch sonnig und recht warm geblieben. Der leichte morgendliche Tau am Zelt störte mich nicht. Am Feld daneben hörte ich schon eine halbe Stunde vor meinem Aufbruch Maschinenlärm. Ein Traktor war unterwegs und brach das Kornfeld um. Ich hatte ihn gestern abends auch schon gesehen und gehört. Für solche Arbeiten gibt es anscheinend keinen nationalen Feiertag.

 

Bis mittags war das Fahren feinste Sahne. Auf Nebenstraßen und Feldwegen ging es ganz flott durch Farmland dahin. Nur hie und da war etwas Verkehr, doch nicht weiter störend. Anders wurde es, als ich näher zu den Großstädten an der Küste kam. Da rumorte es auf den Straßen und in den Ortschaften kräftig. Und an der Küste sowieso. Alles, was sich irgendwie bewegen konnte, war an der Küste unterwegs. Die Parkbuchten bei den Zugängen zu Sandstränden waren rammelvoll, die Straße ebenso. Mit dem Fahrrad kam ich dennoch weitestgehend gut durch. Manchmal musste ich mich an den Autos vorbeischlängeln. Die hatten mehr Mühe, dass sie einander passieren konnten. Feiertag, und ganz England scheint an der Küste oder auf meiner Route auf den Beinen. Und das sonnige Wetter trieb wohl noch mehr ans Meer und ins Freie.

 

Die Küstenpromenaden waren stark besucht. War es anfangs auf dem Radweg mit dem Queren von Schnellstraßen und Stadtein- und ausfahrten etwas mühsam, so wurde das später deutlich besser. Ein breiter Radweg führte nah zur Küste durch die Städte durch. Oder überhaupt an der Meereskante entlang. Doch zu den vielen Tagen davor ohne großen Rummel waren das heute gerade etwas viel Menschen auf einmal. Und zu schaffen machte mir auch der Gegenwind, der mir von Süden entgegenblies. Nur selten ging es entlang von Hecken dahin. Da war der Wind nicht so stark zu spüren. Und Brombeeren gab es dort auch. Heute hatte ich einige Leute gesehen, die mit kleinen Schalen Beeren pflückten. Ich musste schmunzeln, weil die Behälter selten voll waren. Frisch vom Strauch in den Mund schmecken sie nämlich auch mir am besten.

 

26. August 2025

Wasserwerfer in vollem Einsatz

Ich bin schon sehr früh wach, und wollte auch früh los. Mein Zelt hatte ich am Rande eines großen Feldes aufgestellt, an dem auch ein Wanderweg vorbeiführte. Es war eine Notlösung gestern abends. Denn bei der Zeltplatzsuche ist mir ein Hoppala zum Schmunzeln passiert. Ein nach langer Fahrt erreichter Campingplatz war geschlossen. Das Tor mit zwei Schlössern gesichert. Also suchte ich irgendwas in der Nähe. Weiterfahren wollte ich nicht, denn dann wäre ich in städtisches Gebiet gekommen. Bei einem kleinen Waldstück führte ein Trampelpfad auf eine leichte Erhöhung. Dahinter verbarg sich überraschend ein großes Fußballtrainingsfeld. Es kam mir, da von außen nicht einsehbar, als Zeltplatz geeignet vor. Am Rand war die Wiese eben und ebenfalls gemäht. Es passte mir.

 

Mit dem Aufstellen des Zeltes wartete ich ab. Am Seitenrand war eine Plexiglaskabine für die Spielerbetreuung. Dort schrieb ich zwischenzeitlich mein Tagebuch fertig. Und dann passierte es: Mit einem lauten Plopp fuhren plötzlich auf dem ganzen Spielfeld Sprinklerdüsen hoch. Und schon begannen die Wasserwerfer ihre Arbeit. Ich war total perplex. Ich dachte, dass sie nur das Spielfeld bewässern. Doch nein, sie warfen ihren Wasserstrahl ganz im Kreis, weit und stark. Das Rad war staubig. Da war es mir egal, wenn es auch abgespritzt wird. Die Taschen waren wasserdicht. Da konnte nicht viel passieren. Doch der Wasserstrahl erreichte auch mich auf der Trainerbank in der offenen Plexiglaskabine. Ich drängte mich in einen seitlichen Winkel. Damit konnte ich dem einen Wasserstrahl ausweichen. Doch ein weiterer kam etwas zeitversetzt von der anderen Seite. Also bekam ich mal eine kräftige Dusche. Unglaublich. Bis die Wasserwerfer ihren Kreis ein nächstes Mal zogen, hatte ich mit dem Rad das Gelände schon fluchtartig verlassen. Und weil auch das hohe Gras der seitlichen Wiese eingenässt war, holte ich mir dabei auch noch nasse Socken. In dem Zustand wollte ich nicht mehr weit fahren. Das offene Feld mit dem Wanderweg daneben passte dann für die Nacht. Da war es mir egal, dass es einsehbar war, und dass ein Wanderweg vorbeiführte.

 

Weil schon früh gestartet, machte ich heute etwas mehr Kilometer. Doch am Vormittag wollten sie mir nicht gefallen. Es ging durch ein paar größere Städte, weitläufige Hafengebiete und abweisende Industrieanlagen. Der Weg führte an Kraftwerken, Müllhalden, Einkaufszentren und Schnellstraßen vorbei. Ich fand die Gegend reichlich trostlos, und öd zum Fahren. Erst als ich gegen Mittag die Küste wieder erreichte, kam Freude auf. Backsteinhäuser, breite Sandstrände, wenig Verkehr, blauer Himmel, wärmende Sonne, rötliche Felsen, steile Klippen, kleine Ortschaften. Und mit Fortdauer dann auch noch ein paar Steigungen und Kornfelder mit dazu. Ein paar Regentropfen gab es zwar auch. Doch sie nässten weniger als die Wasserwerfer von gestern Abend. Und der Hafen und die von der Abendsonne in Szene gesetzten Häuserzeilen von Whitby konnten auch gefallen.

 

27. August 2025

Brombeeren schmecken auch geräuchert

Der Radweg ging schon bald in eine unbefestigte Schotterstraße über. Manchmal etwas holprig, und dann wieder mit dunkelgrauem, fest gepresstem Sand ganz gut zu fahren. Weil alles trocken, zog ich eine leichte Staubspur hinter mir her. Der feine Staub setzte sich rasch am Rad und an den Taschen und meinen Socken als Belag an. Doch mehr als der Staub beschäftigte mich bald eine Art dichter Nebel, der über der Landschaft lag, und die Sicht beeinträchtigte. Doch es war nicht nur die Sicht, sondern vor allem der Geruch, der mir komisch vorkam. Es roch intensiv nach Rauch. So als ob irgendwo ein Kornfeld abgebrannt wäre. Ein entgegenkommender Mountainbiker klärte mich dann auf: Es sei ein großes Buschfeuer ausgebrochen. Alle Feuerwehren und Farmer der Umgebung wären im Einsatz, um das Feuer einzudämmen. Das ganze nördliche Yorkshire wäre deswegen in Alarmbereitschaft gesetzt.

 

Der Rauch begleitete mich dann wohl gut zwei Stunden lang. Erst bei einer weiten Bucht änderte sich die Windrichtung, und klarte es auf. Ein paar Kilometer weiter war es feine Sonne und blauer Himmel. Beim Zurückschauen war das Landesinnere bis zum Meer in eine graue Wolke gehüllt. Mein Halstuch roch weiter nach Rauch. Nur den Brombeeren konnte der Rauch nichts anhaben. Die schmeckten auch gut eingeräuchert gleich gut. Ich konnte ihnen vorhin am Weg durch den Rauch nicht widerstehen. Sie sind jetzt oder hier in voller Reife. Zwar etwas klein, doch angenehm süß. Und auch gut zu Pflücken, weil noch fest.

 

Irgendwann ging der Radweg dann auf einer ehemaligen Eisenbahntrasse weiter. Sie wurde für eine Ziegelfabrik an der Küste angelegt, konnte ich auf einer Hinweistafel lesen. Man hätte eine neue Küstenstadt bauen wollen, doch sie wurde nie realisiert. Mir kam die flache Strecke gelegen. Auf ihr war es ein entspanntes Pedalieren, und hie und da mit einem seitlichen Brombeerenstopp. Von den Beeren gönnte ich mir am Vormittag gar üppig viel. Die Äpfel ließ ich am Boden liegen. Rotbackige und knallgrüne lagen im Staub der Straße, von einzelnen Obstbäumen am Weg heruntergekullert. An der Küste war rund um die Kleinstädte und Sandstrände einiges los. Da tummelten sich recht viele Leute. Sie genossen die Sonne so wie ich. Nur der aufgekommene Gegenwind erschwerte manchmal das Vorankommen. Doch meine Route verlief immer wieder landeinwärts und an Hecken entlang. Da war ich dann etwas geschützt, und auch nah zu den Brombeeren. Ein Farmer, der mit seinem Traktor auf einem Kornfeld gerade den Boden auflockerte, brachte mir den richtigen Namen für die Beeren bei: Sie würden sie hier Bramble und nicht Blackberries nennen. Auch er selber würde manchmal vom Traktor absteigen und die Brambles kosten. Denen könne man kaum widerstehen.

 

28. August 2025

Ferienhausanlagen noch und noch

„Holiday Homes for Sale“, diesen Werbespruch habe ich heute wahrscheinlich mehr als fünfzig Mal auf großen Plakatwänden entlang meiner Route gesehen. Ab zwanzigtausend Pfund waren diese uniformen Ferienwohnungen zu kaufen, und die jährlich Stellplatzmiete war mit dreitausend Pfund angeschrieben. In der Gegend gab es nahe zum Meer jede Menge Holiday Parks. Manche erschreckend groß. Andere wiederum als kleinere Parks bei Farmhäusern. Mich schreckte dieser Einheitsbrei an mobilen Bungalows in ihrem hellen Minze-Ton und in ihrer Dichte auf den Arealen eher ab. Doch Geschmäcker und Urlaubsvorlieben sind halt sehr individuell. Als Radler mit Gepäck bin ich hier sowieso ein Eremit.

 

An den Stränden untermalte das Meer die sonnige Morgenstimmung mit imposanter Akustik. Immer wieder spritzten die Wellen an den befestigen Molen hoch. Wusch, wusch, wusch. Manchmal leise, und dann wieder knallig laut, den Rhythmus scheinbar immer gleich wiederholend. Draußen am Meer glitzerte das Wasser im Gegenlicht der Sonne. In einem Fitnessstudio mit großer Glasfront saßen einige Personen radelnd auf Hometrainern. Freier Blick auf das Meer war ihnen garantiert. Jedoch den Gegenwind gab es nur für mich, und den Salzwassergeruch auch. Ich winkte ihnen freudig zu. Doch sie schienen allzu sehr auf ihr Trainingsprogramm fokussiert zu sein, denn es gab keine Reaktion.

 

Einige der Nebenstraßen direkt an der Küste waren gesperrt. Das Meer hatte die Straßen unterspült, oder das Land war erodiert. Der Asphalt endete dann an einem abgebröckelten steilen Abgrund. Ich traute mich da selten vor, hatte Respekt vor den Hinweistafeln und dem Gesehenen. An Land roch es nach frisch umgebrochener Erde. Es war flaches Getreideland mit riesengroßen Feldern. Bei einem wurde gerade Jauche ausgebracht. Ein Traktor mit weit ausladenden Armen wie ein Krake fuhr langsam das Feld ab. Statt einem Tankwagen zog er einen dickes Gummirohr über das Feld hinter sich her. Zwei andere Traktoren betrieben eine Pumpstation. Es schaute nach big business aus, und nicht nach Kleinbauerntum. Beim Fluss Humber bei der Großstadt Hull fuhr ich bis in den Sporn und das dortige Naturreservat vor. Die Wanderer am Weg waren Vogelliebhaber. Jeder zweite war mit Teleobjektiv und Stativ ausgerüstet. Die anderen mit großen Fernrohren. Vielleicht hatten sie damit das Gewitter am Nachmittag schon früher gesehen als ich. Ich wurde davon etwas überrascht. Eine dichte Baumreihe an der Straße schützte mich aber vor den kurz waagrecht daherkommenden Schauern, bevor es mit Sonne wieder weiter ging.

 

29. August 2025

Auch mit langem Unterstehen wird man nicht nass

Der kitschig blaue Himmel am Morgen hat sich leider rasch wieder verzogen. Er machte einer leichten Bewölkung Platz, die dann bis in den Nachmittag hinein auch so blieb. Meine Route führt mich die andere Flussseite wieder hinunter, an der ich gestern hochgeradelt war. Davor querte ich auf einer mächtigen und langen Brücke den Fluss Humber. Das Wasser war trübbraun gefärbt. Vielleicht vom Regen gestern, der woanders möglicherweise als Unwetter niederging.

 

Die Strecke ist heute nicht sonderlich attraktiv. Es liegen mehrere Hafengebiete und Industrieanlagen am Weg. Eine Ölraffinerie ebenso. Rund um viele riesengroße Silos waren irgendwelche dunklen Erze gelagert. Weiter zum Fluss hin sah man ein paar große Frachtschiffe. Riesengroß war auch das Areal, auf dem neue Autos geparkt waren, von den Schiffen abgeladen. Rund um die Docks gab es auch recht viel Schwerverkehr. Das Fahren war etwas eintönig. Es gab wenig zu sehen. Doch hellwach wurde ich bei einigen Brombeerstauden am Weg. Es waren die besten Beeren bisher. Herrlich fest und süß. Doch die Saison dürfte hier bald vorbei sein. Die meisten der Beeren waren schon wieder eingetrocknet und geschrumpelt.

 

Gegen den Nachmittag hin fuhr ich dann länger auf schottrigen Feldwegen nahe zur Küste. Manchmal zeigten sich leichte Waschbrettrippen. Es holperte und holperte, egal auf welcher Seite ich fuhr. Etwas später kamen dann Regentropfen dazu. Am Anfang waren sie nicht groß störend. Doch die Tropfen wurden mehr. Ich entschloss mich, bei einer großen Kiefer unterzustehen. Sie bot einen guten Schutz, während ich dem langsamen Fließen des Wassers auf der Straße zusehen konnte. Aus einer kleinen Pfütze heraus bahnte es sich tastend und suchend den Weg. Hinter mir war schon etwas Blau am Himmel aufgezogen. Doch über mir und in meiner Fahrtrichtung hielt sich der Regen leider länger. Doch heute wollte ich partout nicht in die Regenkombi rein. Also dauerte das Unterstehen entsprechend lange. Die Geduld hat sich dann aber ausgezahlt. Ich konnte trocken weiterfahren. Der nächste Schauer kam erst am Abend, als ich mein Zelt schon aufgestellt hatte.

 

30. August 2025

Durch Vergnügungsparks und Gemüsefelder

Gestern am Abend entdeckte ich am Hinterrad noch einen Plattfuß. Ich hatte einen Dorn eingefahren. Wahrscheinlich als Andenken von einem Brombeerbusch. Im Schein der Campingplatzbeleuchtung gelang der Schlauchwechsel ohne Probleme. Meine Route setzte ich entlang der Küste fort. Das Meer war spiegelglatt und glitzerte. Der Strand wartete auf Sonnenhungrige. Plattgewalzt war er jetzt nur eine Spielwiese für die Möwen. Noch war der Küstenstreifen bis auf ein paar Fußgänger mit Hunden menschenleer. Draußen im Meer drehten sich die Windräder. Am Strand war es am Morgen nur ein leichter Wind, durchaus angenehm. Später am Abend sagte ich dann: Der starke Gegenwind hätte nicht unbedingt sein müssen.

 

Auf der Straße pickten zwei Krähen an einem überfahrenen Kaninchen. Am Himmel kommentierten dies mit lautem Schnattern eine Schar Gänse. Sie zogen über die brachliegenden Felder Richtung Landesinnerem. Der befestigte Weg am Strand war zeitweise mit Sand recht tief eingeweht. Ein paar Mal musste ich schieben, und wechselte bald wieder auf die Hauptstraße zurück. Dort reihte ich mich in die Autokolonne ein, die die nächste Küstenstadt als Ziel hatte. Vorbei an riesigen Holidayparks näherte ich mich den Vergnügungsstätten. Akustisch waren sie zeitgleich wahrzunehmen, wie ich die monströse Achterbahn und die anderen Einrichtungen sehen konnte. Ein voller Kontrast zur sonstigen Ruhe an der Küste. Solche Parks scheinen die Briten zu mögen. Mich schrecken sie eher ab. Ich war froh, als ich wieder auf Nebenstraßen allein unterwegs war. Nur mit dem Wind als treue Begleitung.

 

Es waren Gemüsefelder noch und noch, durch die meine Route heute führte. Karfiol, Broccoli, Wirsing, Kartoffeln, Lauch und Kraut wurden angebaut, auf bis zum Horizont reichenden Feldern. Den Karfiol gab es von der zarten Jungpflanze bis zum erntereifen Stadium. Und auf einigen Feldern war er bereits abgeerntet. Da waren nur noch die Wurzeln mit viel Blattwerk zu sehen. Auf einem Feld war die Ernte gerade im Gang. Eine Fünfermannschaft war damit beschäftigt. Rund um den Traktor drehte sich weit ausladend ein Förderband mit gelben Halbschalentöpfen. Nach wenigen, schnellen Handgriffen per Messer landete der Karfiol befreit von Blättern und Strunk auf dem Förderband. Am Anhänger dahinter wurde er in Plastikkisten verstaut. Der Traktor fuhr selbständig im langsamen Schritttempo gerade durch das Feld. Abends erfuhr ich, dass der Karfiol eine Anbauspezialität der Region sei. Und dass der Mais, den ich auch auf vielen Feldern sah, hier zur Energiegewinnung angebaut wird. Damit werden Gasturbinen betrieben. Irgendwann am Weg dachte ich mir noch, dass es wohl langsam Richtung Herbst zu gehen scheint. Es waren nämlich schon die ersten Kastanien von den Bäumen gefallen. Der Wind, der mich heute so beschäftigte, hatte da wohl bei einigen Bäumen das Fallen beschleunigt.

 

31. August 2025

Flach die Strecke und famos der Tag

Am Abend gab es gestern noch recht lange Regen, und Wind dazu. Die nahe Buschhecke bot zwar etwas Schutz, doch war das Rauschen des Windes dadurch bloß noch kräftiger. Aber am Morgen waren alle Wolken verzogen. Es klarte rasch auf, und es wurde ein famoser Tag mit viel Sonne und hie und da gar kitschig blauem Himmel. Ein richtig schöner Sonntag mit klarer Luft und klaren Farben. In der ersten Stadt am Weg ist noch nicht viel los. Nur die Hundehalter scheinen Frühaufsteher zu sein. Ich suche nach einem Costa-Kaffeehaus. Die Kette bietet freies W-Lan. Nach einem Mandel-Croissant in vielen kleinen Bissen und einer Limo langsam schlürfend ist mein Blog wieder tagesaktuell, und ich bereit fürs Weiterfahren.

 

Durch die weiteren Ortschaften durch ist es ein angenehmes Fahren. Weite Vorgärten und großzügige Anlagen oder Parks mit viel Grün und großen Bäumen sind ein spannender Kontrast zum gestrigen Tag in den weiten Gemüsefeldern. Hie und da knackst es beim Fahren. Dann habe ich eine der am Boden liegenden Eicheln erwischt. Manchmal spicken sie dann auch weit weg. Recht bald schon wird mir mit den Beinlingen und dem Langarmshirt zu warm. Ich fahre dem Beispiel anderer Radler folgend mit kurzer Hose und kurzem Shirt weiter. Irgendwann merke ich, dass eine der Wasserflaschen undicht ist. Es spritzt leicht an mein Bein. Von der Sonne porös geworden zeigt sich ein kleiner Haarriss im Kunststoff. Bei der anderen Flasche habe ich ihn schon vor einigen Tagen entdeckt. Es sind Siegle-Flaschen, schon gleich lange in Verwendung wie das Rad. Doch auch wenn bisher der grauen Farbe und des Designs wegen in Ehren gehalten, heute trenne ich mich von ihnen und lasse sie zurück.

 

Später, als ich wieder die Küste erreiche, bin ich nicht mehr allein unterwegs. Am Strand tummeln sich viele Leute. Und in den zwei größeren Orten noch viel mehr. Es schaut fast nach Kirmes aus. Und uniforme Ferienhausanlagen gibt es wieder zuhauf. Manche müssen sich jedoch hinter einer hohen Betonwand zur Nordsee hin verstecken. Etwas optischen Aufputz bieten nur ein paar wenige bunte Strandhäuser. An denen kann ich kaum vorbei ohne ein Foto zu machen. Und oft angehalten hatte ich auch wegen der Brombeeren. Heute waren die Hecken und Sträucher sehr hoch, und ließen einem ob der Beerenfülle das Wasser im Mund zusammenlaufen. Doch zu meiner Enttäuschung waren die Beeren heute total geschmacklos. Nicht eine Spur von angenehmer Süße. Nur einfach optisch schön und verführerisch schwarz. Doch im Mund bloß wässrig. Kein Wunder, dass da alle achtlos daran vorbeifuhren. Nach unzähligen Testversuchen fuhr später auch ich ohne Halten vorbei. An ihrer Pracht und Fülle hatte ich jedoch weiter meine Freude.

 

1. September 2025

Mit den Brombeeren wieder versöhnt

Es ist ein herrlicher Morgen mit blauem Himmel und schon kräftiger Sonne. Der Campingplatz liegt etwas erhöht zum Meer. Ein breiter Sandstreifen und Schilfgürtel liegen dazwischen. Die Gegend ist flach. Es ist ein schöner Blick auf die weite Küste. Die Farben des Sandes und des Schilfes, und später auch der Wiesen kommen gut zur Geltung. Auf der weiteren Route ist es Marschland, an dem ich durch oder entlang fahre. Richtung Nordsee gibt es immer wieder einzelne Stichwege. Dort sind Vogelkundler mit ihren langen Objektiven und Fernrohren unterwegs. Dazwischen gibt es auch ein paar bewirtschaftete Wiesen. Einzelne Schafe verlieren sich in der Weite. Oder es sind die schwarzen Rücken von Rindern auszumachen. Etwas Wind gibt es auch. Er bläst als leichtes Rauschen durch das Schilf. Am Rand eines Gewässers liegen Enten schlafend im Sand. Sie haben die Köpfe nach hinten in ihr Gefieder gesteckt. Mein Vorbeifahren irritiert sie nicht.

 

Schon bald tauchen wieder Hecken mit Brombeeren auf. Obwohl gestern eher enttäuscht, probiere ich heute wieder ein paar der schwarzen Schmuckstücke. Und siehe da, sie schmecken. Sie schmecken sogar sehr gut. Sie sind noch fest und oft angenehm süß. Es sind niedere Stauden. Ich probiere und probiere, und greife gar beidhändig zu. Herrlich. Richtig lecker. Und wenn ich ein paar Kurven weiterfahre, wippt eine der Stauden wieder verlockend im Wind und zeigt ihre schwarze Pracht. Im Schatten tragen die Beeren noch die Kühle der Nacht in sich. So schmecken sie noch besser. Oft sind sie zwischen Hagebutten versteckt. Das ist dann auch schön nebeneinander anzusehen, das Rot und das Schwarz. Meine Finger haben unter den Nägeln schon etwas vom Schwarz angenommen. Denn neben den festen Beeren finden sich am selben Strauch oft auch schon überreife, die abfärben. Irgendwann am späten Vormittag meine ich, dass ich mit den Beeren wieder versöhnt bin, und für heute auch genug gekostet habe.

 

Gegen Mittag wird der Wind dann zum Gegenwind. War es vorher eine angenehme Brise, so wurde er stärker und böiger. Dazu fehlten auf der Route jetzt manchmal die schützenden Hecken. Das Fahren wird anstrengend. Auch ein mich überholender Rennradler mit Aerolenker hat sichtlich mit dem Wind zu kämpfen. Als ich am Strand in den Dünen Pause mache, fliegt mir die leere Plastikverpackung meiner Jause davon. Der Wind treibt sie weit weg, und macht sich einen Jux mit mir, als ich sie wieder aufzugreifen versuche. Im tiefen Sand ist das schnelle Laufen gar nicht so einfach. Etwas später entdecke ich am Badestrand einer Stadt eine lange Reihe von bunten Badekabinen. Ideal für ein Foto. Doch bis ich soweit war, waren leider dunkle Wolken aufgezogen. Ich hoffte, dass die Sonne wieder hervorkommt, und wartete ab. Doch statt der Sonne kamen Regentropfen hervor, und bald auch ein kräftiger Schauer. Unerwartet, nach dem heutigen schönen Morgen. Mit Unterstehen kam ich jedoch trocken weiter. Und bald zeigte sich über einem goldgelben Kornfeld vor blauem Himmel der Ansatz eines Regenbogens. Wunderbar. Der Schauer war gleich vergessen.

 

2. September 2025

Falsche Fahrtrichtung bringt keinen Applaus

Ein Morgen mit herrlicher Sonne. Gut gelaunt fahre ich der Strandpromenade entlang. Die Nordsee glitzert. Die noch tief stehende Sonne setzt die vielen Strandhütten in herrliche Farben. Von den Bunten unter ihnen bin ich immer wieder fasziniert. Leute sieht man nie bei diesen Hütten. Ihre Türen sind meist mit zwei Bügelschlössern gesichert. Fast schaut es so aus, als ob die kleinen Holzhäuschen nur zum optischen Aufputz des Strandes dienen. Im langsamen Vorbeifahren erfahre ich von einer Frau der Strandbetreuung, dass die Hütten hier mit 200.000 Pfund gehandelt werden. Für mein staunendes Kopfschütteln zeigt sie Verständnis. Es sei verrückt, ergänzt sie, denn viele der Hüttenbesitzer seien nur im Sommer für ein paar Tage hier am Strand.

 

Ein nächstes staunendes Kopfschütteln gibt es am Rande eines riesengroßen Feldes am Weg. In breiten Mahden liegen dicht an dicht rote Zwiebeln. Unglaublich, die Menge. Mehrere Traktoren stehen mit großen Anhängern zum Einsammeln und Abtransport bereit. Ich bin total baff ob der Dimensionen. Einige Kilometer weiter ist gerade die Kartoffelernte im Gang. Auch dort wird mit großen Maschinen gearbeitet, und pendeln Traktoren mit Anhängern zum Einbringen der Ernte. Ich schaue neugierig zu. Und weil die Erntemaschine nachjustiert werden muss, ist Zeit für ein kurzes Gespräch. Ein bulgarisches Paar erklärt, dass ihr Arbeitstag auf der Maschine 12 Stunden habe. Derzeit gehe es von Feld zu Feld. Die Frau bietet mir einen Teil ihrer Jause an. Bulgarischer Tomaten-Paprika-Aufstrich, vom Heimaturlaub mitgebracht.

 

Etwas später ist die Straße nass, und es zeigen sich viele Pfützen. Ein Schauer ist vor mir durchgezogen. Ich bin froh, dass ich mit Fahren etwas rumgetrödelt hatte, oder mich mehr für Zwiebeln und Kartoffeln interessierte, und Brombeeren am Weg auch. Eine Zeit lang fahre ich durch lichten Wald mit hohem Farn. Und Juhu: Rund um Birken zeigt sich überraschenderweise viel üppig blühendes Heidekraut in einem kleinen Naturschutzgebiet. Wunderbar, dieses Lila. Danach tauchen plötzlich viele Motorräder auf. Polizei mit Blaulicht. Und dann viele Autos mit Fahrrädern am Dach. Leute am Straßenrand. Und wieder Motorräder und Autos, ein kreisender Hubschrauber, und bald checke oder erfrage ich, dass ein Radrennen im Gange ist. Es ist die Tour of Britain. Fünf Tage, heute gestartet. Bei meiner Tour of Britannia war es heute schon Tag Nummer 124. Leider war ich in der falschen Richtung unterwegs. Für mich gab es keinen Applaus. Und die mit viel Rückenwind auf flacher Strecke daher rasenden Rennradler haben ob ihrer Geschwindigkeit davon wohl auch nicht viel mitbekommen. Ich meine, es dauerte keine halbe Minute, bis die Hauptakteure mit der Spitzengruppe und dem bald darauffolgenden Peloton durch waren.

 

3. September 2025

Für eine neue Kette Regen und Wind getrotzt

Auf der Straße wirbelt es bunte Blätter im Kreis. Und mich wirbelt der böige Wind beim Fahren hin und her. Schülerinnen und Schüler sind in ihren schwarzen Uniformen am Gehsteig unterwegs. Ihre schwarzen Krawatten mit den drei gelben Streifen wirbelt es auf und ab. Auch mit den dunklen Wolken am Himmel treibt der Wind sein Spiel. Er treibt sie rasend schnell Richtung Meer. Dort ist der Wellengang kräftig. Ich musste meine geplante Route etwas ändern. Eine Fußgängerfähre ist wetterbedingt ausgefallen. Schon gestern am Nachmittag meinte ich, dass ich zurückfahren und einen anderen Weg suchen muss. Denn ich sah an den beiden Kais keine Fähre. Doch es gab sie dann doch, als kleines Holzboot, und als Extrafahrt nur mit mir. Aber heute waren die Bedingungen sichtlich anders, und der Meeresarm auch breiter. Statt schneller Fähre gab es schnelle Kilometer. Zumindest eine kurze Zeit lang mit Rückenwind. Doch danach wurde es zäh.

 

Mein erster Stopp heute war in einem Radgeschäft. Ich brauchte eine neue Kette. Sie hatte zu viel Spiel. Der Radladen war sehr gut sortiert. Ein paar Schmuckstücke gab es auch. Meinem sah man im direkten Vergleich die Gebrauchsspuren sichtlich an. Und dass ich auf manchmal schlammigen Wegen unterwegs bin, ebenso. Doch für den Kettentausch spielte es keine Rolle. Er war schnell gemacht, und ich auch wieder am Rad. Eine Zeit lang schaute es am Himmel so aus, als ob es keinen Regen geben wird. Aber er hatte mich dennoch bald erreicht. In der Regenkombi stand ich den ersten Schauer heute aus. Und freute mich, dass ich bald wieder ohne sie weiterfahren konnte. Doch beim zweiten Schauer holte ich mir nasse Füße. Die Regenfront legte gleich kräftig los. Ich suchte in einer mit Brombeeren umrankten Bushaltestelle Unterschlupf. Doch das Dach war nutzlos, weil der Wind den Regen waagrecht kommen ließ. Nach einigem Zögern fuhr ich dennoch weiter. Bei einem nahen Haus erwartete ich mir mehr Schutz. Die paar Minuten genügten für die Erkenntnis, dass Radfahren bei so einem Starkregen für mich definitiv nicht geht. Windgeschützt unter kleinem Garagenvordach ausharren war daher die Alternative. Und danach staunen, wie schnell irgendwann sich wieder die Sonne zeigen kann. Die stellenweise halbseitig geflutete Straße trocknen konnte sie aber auch nicht.

 

Über die Sonne freute ich mich. Doch beim Wind tat ich mir schwer. Und als ich später an der Küste entlang nach Süden fuhr, wurde es richtig mühsam. Ich war ungeschützt voll im Gegenwind. Dazu gab es manchmal vom Strand aufgewirbelten Sand, der wie Nadelstiche im Gesicht schmerzte. Hätte ich mir morgens nicht den Kettentausch in den Kopf gesetzt, wäre ich des Wetterberichtes wegen wohl gar nicht losgefahren. So weiß ich jetzt jedenfalls, bei welchen Bedingungen Radfahren eher wenig Spaß macht. Dennoch gilt der Spruch weiterhin: "Nichts ist vergleichbar mit der einfachen Freude, Rad zu fahren."

 

4. September 2025

Herrlich, wenn und wie es aufklart

Ha Habidere, das kann ja heiter werden, denke ich mir am Morgen nach dem Losfahren. Ich fahre der Küste entlang und bin voll im böigen Gegenwind. Zwar nicht ganz so stark wie gestern, doch stark genug, dass ich das Erreichen meines geplanten Etappenzieles in Frage stelle. Und wenn der Wind mal nicht von vorne kommt, dann von der Seite. Geschützt bin ich manchmal nur hinter den großen Betonwänden als Ufermauern. Da ist es hie und da gar windstill. Spannend, dieser Unterschied. Doch meine Route führt bald etwas mehr ins Landesinnere. Da bin ich dem Wind nicht so ausgesetzt, und wird er auch von den Hecken etwas eingebremst.

 

Statt dem Wind beschäftigen mich jedoch schon bald die dunklen Wolken am Himmel. Es dauert dann auch gar nicht allzu lange, bis die ersten Tropfen kommen. Aus der gestrigen Erfahrung lernend, schlüpfe ich heute gleich in meine grün-schwarze Regenkombi. Rechtzeitig genug, bis der Regen volle Kanne loslegt. Mangels Alternativen bleibe ich am Rad. Ich vertraue meinen Regensachen und dem Wetterbericht, der den Regen schon angekündigt hat. Es dauert dann wohl eine gedehnte Stunde lang, bis die Sonne wieder hervorkommt, und meine Regenkombi abtrocknet. Doch kaum verstaut und ein paar Kilometer gemacht, geht das anfängliche leichte Nieseln rasch in einen vollen Schütter über. In einer Bushaltestelle, größer als jene von gestern, suche ich Unterschlupf. Mit Kartenstudium und den Spritzern der vorbeifahrenden Autos zuschauend vertrieb ich mir die Zeit. Zum Glück war das Dach des Wartehäuschen, das seinem Zweck auch für mich gerecht wurde, dicht. Und als ich dann wieder auf mein Rad stieg, waren es wohl die intensivsten Eindrücke des Tages. Dieser schnelle Übergang von Regen zu Sonne, das unmittelbare Aufklaren, Wolken die spurlos verschwinden, die leicht dampfende Straße, das Abfließen des Wassers in den Seitenstreifen, die wärmenden Sonnenstrahlen, das wunderbar klare Blau am Himmel, herrlich.

 

Auf einem Kartoffelfeld hatten sie die Ernte nicht unterbrochen. Beim Vorbeifahren war das Förderband in Betrieb. Kartoffeln kugelten in die Kisten am Anhänger des Traktors herab. Doch auf der Straße schaute es nach dem Passieren der Feldeinfahrt gleich aus wie auf dem Acker. Die Traktoren hatten mit ihren Rädern auf den ersten Metern auf der Straße viel Erde hinterlassen. Rotbraune Erdklumpen säumten den Weg, eine dicke braune Soße füllte die Fahrrinnen. Nicht nur ich, auch die Autos versuchten dem Gatsch auszuweichen. Auf einer anderen Straße war es dann eine grünliche Suppe, die daher schwamm. Es war ein langer, schmaler Kanal, eine Fahrstraße für Boote. Links und rechts waren sie am bewachsenen Ufer vertaut. Auch einige Hausboote waren darunter, aus ehemaligen Lastkähnen entstanden. Die schauten zum Teil recht abenteuerlich aus. Am Zeltplatz am Abend war ich heute ganz allein. Es war ein Campingplatz auf einer Organic-Farm. Die Saison sei hier schon fast vorbei, und dieses Jahr nicht üppig ausgefallen. Wie auch die Ernte des Gemüses mager gewesen sei. Viel zu wenig Niederschlag, konnte ich von der Farmersfrau erfahren. Es war ein feines Gespräch. Und zum Abendessen brachte sie mir ein paar Kostproben aus ihrem Gemüseanbau. Auf Marcs Farm hat es mir gefallen.

 

5. September 2025

London ist schon angeschrieben

Es sind kurze, krächzende, schrille Rufe eines Vogels, der mich am Morgen weckt. Doch ich wäre wohl auch ohne sie aufgewacht. Beim Blick aus dem Zelt zeigt sich leichte Morgenröte. Ich freue mich. Der Tag scheint gut zu werden. Und etwas später erhellt die Sonne das taunasse Zelt. Gleich wird es um einiges wärmer. Zeitgleich mit mir fährt ein Traktor von der Farm weg. Richtung Kürbisfelder. Auf einem anderen Feld ist jemand auch schon aktiv. Mit einem Raupenfahrzeug wird die Erde umgebrochen. Es war ein Kornfeld. Die Straße hat viele rechtwinklige Kurven, und einen guten Belag.

 

Die vielen Felder zurücklassend erreiche ich bald schon bei zunehmendem Verkehr die Meeresküste. Entlang einer massiven Mauer fahre ich zum Yachthafen. Laut Karte müsste von dort eine Fähre auf die andere Flussseite führen. Doch trotz langem Suchen finde ich keine Anlegestelle. Beim Nachfragen im Hafenbüro erfahre ich, dass es nur ein Fährboot auf Vorbestellung gebe. Für heute geht da auf die Schnelle nichts. Ich muss meine Route entsprechend anpassen. Eine längere Fahrt auf der Hauptstraße erwartet mich. Und als es auf der anderen Seite wieder zurück geht, ist der Verkehr nicht weniger. Irgendwann ist dann auf den Straßenschildern schon London angeschrieben. Kein Wunder also, dass da auf den Straßen mehr los ist, und die Ortschaften größer sind.

 

An der Themse wird gerade ein großes Containerschiff von Lotsen flussaufwärts begleitet. Ich hatte es vorhin schon weit draußen auf dem Meer gesehen. Es ist schneller unterwegs als ich. Denn meine gewählte Route führt auf holprigen Wanderwegen um eine kleine Halbinsel rundum. Eine kleine Kuhherde bremst mich zudem ein. Der Stier steht irgendwo hinten mittendrin. Mit gehörig Respekt und langsamem Schieben komme ich vorbei. Beim Gatter vorhin gab es Hinweise auf die Herde und den Stier. Die habe ich mutig überlesen, annehmend dass sie gar nicht da sind. Doch als die ersten frischen Kuhfladen am Weg auftauchten, wurde ich doch etwas nachdenklich. So ein mächtiger Stier kann einem schon beeindrucken. Danach schwamm ich dann für eine Zeit lang im dichten Verkehr mit. Angenehm wurde es erst wieder näher zur Themse. Und dann auch auf einem großzügigen Campingplatz in einem Schutzgebiet im Vorland der Themse. Da waren Schiffskräne am Horizont auszumachen, die in der Abendsonne silbern glitzerten. Und rundum gab es hohes, cremefarbenes Gras und einige grüne Hecken vor dem Damm. Nur weit entfernt war Autolärm zu hören. Die wenigen anderen Besucher am Platz verloren sich im weiten Naturgelände. Trotz Nähe zur Großstadt London friedliche Naturidylle.

 

6. September 2025

Themse gequert und im Verkehr geschwommen

Beim Aufwachen entfährt mir ein leises Juhu. Das Zelt wird von einem zarten orangen Licht erhellt. Es ist ein breiter Streifen Morgenröte im Osten. Über dem Boden liegt ein leichter Nebelschleier. Entfernt schnattern Gänse. Und später höre ich sie im Flug, doch da immer nur ganz kurz. Ich bin unterwegs Richtung Themse zu einem Hafengebiet. Entlang des Weges wurde recht viel Müll entsorgt. Von Traktorreifen über Gefriertruhen bis zur Couch und Küchenkästen. Irgendwie trostlos. Dieser Eindruck holt mich dann später immer wieder ein. Denn solche Müllstreifen passiere ich mehrmals.

 

Mein Weg wird heute viel länger als geplant. Denn die Fähre, mit der ich die Themse queren wollte, hatte ihren Betrieb eingestellt. Leider, wie mir zwei Frauen versichern. Sie geben mir die Empfehlung, es bei der Autobahn flussaufwärts bei einer Tankstelle zu versuchen. Vielleicht könne ich mit einem Lastwagen mitfahren. Davon hätten sie schon gehört. Nur als ich in Autobahnnähe bin, lasse ich mich von der recht gefällig zu fahrenden Strecke durch ein Marschgebiet verleiten, doch bis zur nächsten Fähre weiterzufahren. Das Autostoppen mit dem Fahrrad erschien mir sowieso wenig aussichtsreich.

Die Strecke zog sich dann länger als erwartet, und war gar nicht mehr so schön. Im Marschgebiet war bald die Durchfahrt gesperrt, und ich musste auf den Hauptstraßen weiter. Verkehr noch und noch, und alle sehr forsch unterwegs. Dazu gab es viele Industriegebiete, durch die ich irgendwie durchkommen musste. Manchmal war ein Radweg angeschrieben, doch meist waren es dann nur kurze Strecken auf Gehsteigen. Ruhig ging es nur auf der Fähre zu. Es waren keine fünf Minuten Überfahrt mit Blick auf die Wolkenkratzerskyline. Und dann schwamm ich wieder im dichten Verkehr durch Londons Vororte. Wenig erbaulich. Es war vor allem der Lärm, der mich dabei am meisten störte. Das dauernde laute Rauschen nervte.

 

Besser wurde es erst, als ich wieder nahe zur Themse an einem Kanal durch ein Marschgebiet einen Fahrradweg erreichte. Da hat es mir dann gefallen. Brombeeren gab es auch wieder, und vor allem keinen Verkehr. Die Hecken schützten zudem etwas vor dem Wind. Am späten Nachmittag fuhr ich dann durch Obstbaugebiete. Zwetschgen- und Apfelbäume in Spalierform waren in den sanften Hügeln zu sehen. Und auch das Vorland der Themse war recht gefällig, auch wenn der Fluss selbst weit entfernt war. Schade, dass heute nicht die gesamte Strecke so war wie in den Marschgebieten. Dann wäre es klasse gewesen.

 

7. September 2025

Inselausflug und steile Klippen

Gleich am Morgen schon herrliche Sonne. Das Zelt ist zwar taunass, doch das Trockenwischen ist inzwischen ja schon gewohnte Routine. Ich bin bald startklar. Am radlerischen Speisezettel steht zuerst die Umrundung der Isle of Sheppey an. Die den Meeresarm überspannende hohe Brücke ist schon von weitem zu sehen. Doch sie stellt sich beim Näherkommen als Autobahnbrücke dar. Ich komme auf der normalen Straße unten durch. Die Insel ist dann gar nicht so interessant wie ich sie mir vorgestellt hatte. Viele Ferienparks an der Küste und das war es dann auch schon. Nur dass ich auf die andere Seite gesehen hatte, wo ich vorher entlang geradelt bin, das hat mich dann doch gefreut.

 

Später holt mich der Abfall am Straßenrand wieder ein. Egal ob Hauptstraße oder Radweg, überall wurde er seitlich ins Grüne geworfen oder dort deponiert. Nur die Golfplätze, die waren pipifein, und da war es rundum sauber. Oder vielleicht lenkte einem das satte Grün am Platz von anderem ab. Meine Route führte dann mehrfach entlang der befestigten Strandwege. Es war Sonntag und sehr warm. Entsprechend viel war daher auch an der Küste los. Badebetrieb oder Sonnenanbeten, im Sand oder im Grünen liegen, der Küste entlang spazieren, die vielen Automatensaloons frequentieren, mit dem Auto Parkplatz suchen, den Hund unterhalten, Grillen, Eis schlecken, oder was einem an so einem schönen freien Tag sonst noch in den Sinn kommen mag. Bei mir war es Radfahren.

 

Je weiter südlich ich kam, desto steiler und höher wurden die Klippen. In weißer Farbe waren sie schön anzuschauen. Sie zogen sich schier endlos der Küste entlang, um eine Biegung rum zur nächsten. Manchmal konnte ich unten entlangfahren, und dann ich musste ich auch wieder oben drüber. Von unten wie auch von oben, es schaute spektakulär aus. Bunte Strandhütten gab es auch wieder. Heute waren einige sogar offen und saßen Leute davor. Ein paar waren innen wohnlich ausgebaut. Später war das Suchen nach einem Zeltplatz etwas mühsam. Ich machte ein paar extra Kilometer und wurde doch nicht fündig, weil alle schon geschlossen. Bei einem großen Freizeitpark klappte es dann doch, auch wenn die Rezeption schon zu war. Eine Frau aus einem der Ferienhäuser verriet mir, wo der Zugang zum Campinggelände war. Geschützt von vielen Hecken hatte ich dann allein einen Gratisplatz für die letzte Nacht auf der Insel.