14. Juni 2025

Ein fordernder Regentag

Der Wetterbericht hatte ganztägig Regen angekündigt. Doch ich war optimistisch, und hoffte auf ein paar längere regenfreie Fenster. Außerdem meinte ich, dass es in meiner Fahrtrichtung südwärts besser ist. Aber schon beim Aufstehen nieselte es kräftig. Die Hügel oder Berge rund um das Hostel waren im Nebel. Dennoch wollte ich los. An der Rezeption reihte ich mich in die Warteschlange ein. Ich wollte mein in einem versperrten Raum abgestelltes Fahrrad holen. Vor mir warteten bereits drei schwarzweiß gemusterte Katzen mit etwas strub-nassem Fell auf ihr Frühstück. Die drei Schalen mit Trockenfutter hatten sie im Nu weggeputzt, schneller noch als ich meine Regenkombi anziehen konnte. Und während ich mich etwas zaghaft samt Fahrrad nach außen wagte, sprangen sie mutig durch das offene Fenster der Rezeption nach innen, Nachschlag zum Frühstück fordernd. Die haben es gut, und sind unter Dach, ging es mir durch den Kopf, die Regentropfen von der Nase wegblasend.

 

Beim Losfahren war ich noch frohen Mutes. Es ging eine Zeit lang abwärts, und der Regen war nicht so fest. Doch schon in der ersten Steigung prasselte es kräftig, und es hielt weiter so an. Nach gut einer Stunde bereute ich es, losgefahren zu sein. Auf der Straße kamen mir meist auf meiner Fahrspur Bäche entgegen. Zum Glück war wenig Verkehr. Ich orientierte mich mehr nach der Straßenmitte, denn seitlich war mir der Wasserstand zu tief. Bei einer Tankstelle machte ich Pause. Die Wärme des Verkaufsraumes war eine Wohltat. Die Frau an der Kassa meinte, ich könne ruhig bis zum Abend hierbleiben. Denn erst dann würde der Regen hier nachlassen. Keine guten Aussichten für mich, auch wenn andere Kunden meinten, es sei „a lovely day“.

 

Nach einiger Zeit des Rumstehens und wiederholtem Studiums des Regenradars fuhr ich wieder los. Eine Stunde Durchbeißen, dann sollte der Regen weiter südwärts vorbei sein, falls ich die Vorhersage richtig interpretierte. Mit dieser Hoffnung strampelte ich in der Regenkombi Richtung aufhellendem Himmel. Ganz vorbei war der Regen den ganzen Tag nicht. Es zogen immer wieder kurze Schauer durch, denen hie und da gar Sonnenstrahlen folgten. Einen Tag im vollen Regen wie am Morgen wäre für mich unmöglich gewesen, durchzuhalten. So war ich froh, dass meine Sachen während der Fahrt immer wieder abtrocknen konnten. Glück gehabt, war mein Resümee des nassen Tages dann am Abend. Aber jeden Tag brauch ich solche Verhältnisse nicht.

 

15. Juni 2025

Unterwegs auf alten Pilgerpfaden

Die Straßen sind am Morgen noch etwas feucht, die Temperatur nach meinem Empfinden durchaus frisch. Ich ziehe meine Daunenweste über. Die Beinlinge hatte ich schon an. Doch es überholen mich bald vier Rennradler in kurzen Hosen und kurzem Shirt. Sollen sie, ist mein Gedanke. Als etwas später eine gemischte Gruppe winkend und in flottem Tempo an mir vorbeizieht, komme ich mir in meiner Weste doch etwas zu üppig wattiert vor. Es geht auch ohne, wie ich gleich danach feststelle, ohne ein Ire sein zu müssen. Nur das Halstuch, das musste für einen wärmeren Nacken bleiben.

 

Olfaktorisch dominierte eine Zeit lang ein Schweinemastbetrieb das Radfahren. Der Rückenwind sorgte dafür, dass die Farm nicht nur im Vorbeifahren wahrnehmbar war. Frühkartoffeln hätte ich am Weg auch kaufen können. In einigen Holzboxen wurden sie an der Straße zur Selbstbedienung angeboten. Und an der Südostspitze von Irland hätte ich wieder zurück nach Wales wechseln können. Im großen Hafen von Rosslare stand neben viel Fracht auch eine Fähre bereit. Doch mich machte der Radweg an der Küste mehr an. Es war der EuroVelo 1, der gut ausgeschildert der Küstenlinie folgte. Auf ihm war es ab Mittag mit der zusätzlich mitfahrenden Sonne ein angenehmes Radfahren bei gelegentlichem Ausblick auf das glitzernde Meer.

 

An einer historischen Pilgerstätte kam ich auch vorbei. Es war Lady’s Island mit einem uralten Friedhof und einem verfallenen, schiefen Turm. Beim Zufahrtsweg lockte mich eine Tafel mit einem Auszug aus Psalm 23: „He makes me lie down in green pastures. He leads me beside still waters. He restores my soul.“ Da musste ich natürlich stehen bleiben und schauen. Spannend fand ich eine Beschreibung zum Pilgern hier im 17. Jahrhundert. Damals umrundeten „persons of honour as well as others“ barfuß die kleine Insel. Einige Sünder machten es gar auf ihren Knien. Und die ganz großen Sünder taten es im Wasser auf den Knien drei Mal. Ich beließ es bei einer dreimaligen Umrundung des kleinen Kreisverkehrs beim Parkplatz, und tat dies gegen den Uhrzeigersinn und ein Mantra aus dem buddhistischen Herz-Sutra summend. Ich meine, wir sind alle frei, auf unsere ganz persönliche Art zu pilgern.