29. Mai 2025
Lands End im Nebel und dann mit Rückenwind weiter
Ich war in einem alten Lokal etwas außerhalb der Stadt untergekommen. Der Wirt erzählte beim Frühstück voller Stolz, dass sein Coldstreamer Inn das Einzige in ganz England ist, das nach der königlichen Garde benannt sei. Ein Haus mit großer Geschichte, in dem sich die Garde auch ein Mal pro Jahr treffe. Doch ich hatte mehr das Wetter im Kopf. Nach dem gestrigen Sonnentag war es heute wieder Grau mit Nebelreißen. Ich machte mir Sorgen. Nur der Wirt meinte trocken „not so bad“. Er erklärte mir, dass für ihn schlechtes Wetter gut für sein Geschäft sei. Bei Schönwetter ziehe es die Leute mehr nach draußen. Doch bei Nebel, so wie heute, werde es für ihn ein geschäftiger Tag.
Mit dem Nebel hatte ich beim Fahren anfangs Mühe. Die Brille war immer mit Wassertropfen beschlagen. Des Wegwischens müde fuhr ich bald ohne weiter. Dafür hatte ich meine schicke Helmüberziehmütze angezogen. So blieb mein Kopf trocken. Gleich zum gestrigen Morgen warteten auch heute wieder einige steile Rampen. Und heftiger Gegenwind machte das Kurbeln zäh. Doch je näher ich zu Lands End im äußersten Westen kam, desto flacher wurde die Landschaft. Ich merkte es jedoch nur beim Fahren. Zu sehen gab es außer dem Nebelgrau nicht so viel. Beim Besucherzentrum von Lands End war mir der Nebel egal. Es schaute für mich ob der touristischen Aufmachung wenig anziehend aus. Nur etwas mehr vom Leuchtturm davor und der Küste rundum hätte mich dann doch interessiert.
Mein Aufenthalt war also nur ganz kurz. Auch der Wind trieb mich rasch weiter. Denn mit meinem Richtungswechsel nach Norden hatte ich ihn ab nun von hinten. Das passte mir weitaus besser. Auch die sich verwunden in der Landschaft dahinschlängelnde Straße fand meinen Gefallen. Und auch, dass ich deren Verlauf und ihre vielen Kurven von manchen Hügeln einsehen konnte. Oder dass meine Route manchmal abseits der Straße gute Wanderwege nutzte, machte das Fahren kurzweilig. Mit Fortdauer des Tages setzte sich dann mehr und mehr die Sonne durch. Als ich mittags die Küstenstadt St. Ives erreichte, war es nicht nur dem dortigen Trubel am Strand nach ein milder, sonniger Maitag geworden. Spektakulär war mit der Sonne danach dann auch der Blick auf die steile Küste und manche der Buchten. Eine eindrucksvolle Küste zum Staunen, war hier mein Eindruck, der sich später mehr und mehr verfestigte.
30. Mai 2025
Eine Küste zum Staunen und Hohlwege zum Schieben
Bei leicht bewölktem Himmel und angenehmer Sonne steige ich aufs Rad. Die Küste zeigt sich spektakulär. Ich komme kaum vorwärts, weil ich immer wieder stehen bleibe für einen längeren Blick aufs Meer und die Felsen der Küste. Doch Fotos sammle ich nicht so viele. Irgendein Hausdach oder eine Hecke oder eine Häuserfront stört mich meist im Sucher. Die schönen Plätze mit grandioser Aussicht von den Hügeln sind verbaut. Hier lässt es sich schon schön wohnen. Bei einigen Häusern sind sie im Garten am Werkeln. Gräser zupfen ist anscheinend das Programm. Ein paar Mal versuche ich mich auch kurz auf einem der vielen Wanderpfade entlang der Küste. Doch sie sind von der Straße nicht leicht erreichbar, und für mein Rad mit Gepäck auch nicht gut fahrbar.
In den Buchten tummeln sich viele Surfer. Am Strand auf Wellen wartend, oder im Wasser auf ihren Brettern turnend. Radfahrer haben hier das falsche Sportgerät, ist mein Eindruck. Doch umgestiegen bin ich nicht, nur abgestiegen. Denn auf meiner Route fanden sich wieder einige steile Rampen. Dennoch hat mir das Fahren am Vormittag sehr gefallen. Das Klatschen der Wellen und das Surren der Reifen hören, die aufspritzende Gischt am Wasser und den Wind in den Böschungsgräsern sehen, mit vollem Tempo die kurvigen Straßen runtersausen, mich im Aufstieg überwinden. Und mich dann jedes Mal freuen, wenn es eine Zeit lang wieder flach dahingeht, oder mich der Rückenwind anschiebt.
Gegen den Nachmittag trübte sich das Wetter ein. Die grandiose Sicht war vorbei. Ein Dunstschleier legte sich über das Meer und die Hügel. Dazu nahm der Wind an Stärke zu. Ungeschützt in Meeresnähe war mir gar kalt. Gerne zog ich mir das Langarmtrikot über. Eine Zeit lang fuhr ich auch am Atlantic Highway. Dort war zwar mehr Verkehr, dafür gab es keine kräftezehrenden Steigungen. Nur gefallen hat es mir auf den kleinen Wegen besser. Auch wenn ich mir manchmal in den Hohlwegen der bewaldeten Taleinschnitte recht verloren vorkam.
31. Mai 2025
Katz-und-Maus-Spiel des Regens
Meine Morgenroutine war heute durcheinandergeraten. Beim Anziehen stellte ich fest, dass mein gestern noch schnell gewaschenes Langarmshirt über Nacht nicht getrocknet war. Mit Heizlüfter und Haarföhn half ich nach. Eilig hatte ich es nicht. Denn draußen war es stark bewölkt und windig. Erst für den Nachmittag war Sonne angesagt. Mit Pullover und Windjacke gerüstet fuhr ich dann los. Gleich nach der Ortschaft begann eine längere Steigung. Mit meinen vielen Schichten wurde mir rasch warm. Am Scheitelpunkt oben meinte ich, dass es mit weniger auch gehen muss. Also Stopp am Straßenrand und Umziehen. Doch dabei merkte ich, dass mein Radtrikot fehlte. Ich hatte es in der Unterkunft vergessen. Die ersten Kilometer und Höhenmeter waren also für die Katz. Ich kehrte um und fuhr zurück es zu holen. Mein Radtrikot muss dabei sein.
Auf der von mir gewählten Strecke war bei einer weiten Bucht eine Fährverbindung nötig. Die Kleinfähre fuhr gerade in den Hafen ein, zeitgleich mit mir. Meine Fahrt ging ohne Unterbruch weiter. Die beiden Packtaschen runter, das Rad über die Bootskante gehoben, die Taschen nachgeholt, und schon ertönte die Bootssirene zum Ablegen. Das nennt man glaub „just in time“. Auf einem langen Damm mit Radweg ging es dann auf der anderen Seite weiter, gemeinsam mit anderen Ausflüglern am Rad. Und „just in time“ wurde ich auch mit dem Anziehen meiner Regenkombi fertig. Eine Regenfront war rasant herangezogen. Am Radweg war man sich in Sachen Regenschutztaktik unschlüssig. Umziehen, Unterstehen, Durchfahren, Zuwarten. Es hatte sich dann glaub jede bewährt. Denn nach einiger Zeit klarte es wieder auf. Ich ließ meine Regensachen vom Fahrtwind trocknen, und wartete auf einen guten Platz zum Ausziehen. Doch kaum hatte ich die Jacke und die Hose fein gefaltet in den Taschen wieder verstaut, rauschte schon der nächste Regen daher. Es schaute ganz nach Katz-und-Maus-Spiel aus. Denn das An- und Ausziehen meiner Regensachen wiederholte sich noch ein weiteres Mal.
Erst gegen den Nachmittag hin wurde das Wetter stabil. Die Sonne setzte sich durch. Damit kam auch der Reiz der Küste und das Grün der Hügel mehr zur Geltung. Ohne Regensachen waren dann die folgenden vielen Steigungen auch leichter zu fahren. Eine letzte, kräftige, gab es abends noch hoch zu meinem Hotel an einem steilen Hang. Doch für diese wurde ich belohnt. Von meinem Zimmer gab es einen wunderbaren Blick auf das Meer und die von der Sonne angestrahlten rötlichen Felsen der Küste. Hatte der Tag nicht so recht gefällig begonnen, so war dann doch alles eitel Wonne. Dass sich der Regen später aber nochmals zeigte, gehörte wohl zu seinem Spiel des heutigen Tages.
1. Juni 2025
Zwei Mal fünfundzwanzig Prozent
Hatte mich am Abend schon der Blick aufs Meer begeistert, so war es am Morgen mit der Sonne überm Meer ebenso. Für kurze Zeit hatte sie das Wolkenband durchbrochen. Herrlich, vom Bett aus ihrem Steigen und Verschwinden hinter dem Wolkenschleier zuzuschauen. Doch nur wenige Minuten später stellte sich Nieselregen ein. Meine Laune trübte sich ein wie die Wolken. Nur die Wirtsleute meinten, dass das bis zu meiner Abfahrt sicher wieder anders sei. Und vorher soll ich noch das Frühstück genießen. Es war typisch Englisch, und schmeckte gut. Doch top war ein Früchteteller mit griechischem Joghurt als Sonntags-Extra. Da war meine Laune auch wieder top.
Zur Unterkunft war ich gestern vom Hügel her zugefahren. Die wirkliche Steilheit des Geländes wurde mir erst beim Losfahren bewusst. Kurz und steil ging es zum Ortszentrum hinunter, und von dort dann länger Richtung Meeresküste. Da staunte ich ob der vielen seitlichen Notauslaufstrecken, falls die Bremsen versagen. Mehrfach war die Straße mit 25 Prozent Gefälle ausgeschildert. Ich dachte mir noch beim Bremsen, dass ich da nicht hochfahren möchte. Bei den Bremsgriffen musste ich mit aller Kraft voll zulangen. Und voll zulangen musste ich nach der Brücke über den Fluss unten dann auch. Nämlich beim Hochschieben. Es zog mir beim Schieben fast die Schuhe aus. Wie auf der einen Seite hinunter, ging es auf der anderen Seite tatsächlich ebenso steil und lange hoch. Ich schaffte es nur mit Pausen. Fünfundzwanzig Prozent sind nicht ohne. Doch der Ausblick war klasse. Und das weitere Fahren bei nur leichter Steigung auf einer Art Hochebene ebenfalls.
Ein Mal tauchte ich in ein längeres Waldstück ein. Knorrige, moosbewachsene Bäume wuchsen aus den Steinmauern hoch. Der Stamm gleich grün wie die Kronen, die ein grünes Dach über der Straße bildeten. Der Wind pfiff durchs Geäst. Ich staunte ob der eigenartigen Stimmung. Und beim Rausfahren aus dem Wald staunte ich dann nochmals. Ohne Blätterdach fuhr ich nun im Nieselregen, zum Glück nur kurz. Für die Abfahrt Richtung Meer wählte ich die Variante per Mautstraße. Eine schmale Straße wand sich ohne Verkehr die Hügel hinunter, mit einer Mautstelle auf halbem Weg. Zwei ältere Männer saßen dort in einem kleinen Holzhäuschen am Straßenrand beim Tee. „Hard work“ war ihr anerkennender Kommentar, als sie sich nach meinem Startpunkt heute erkundigten. Ja, den Eindruck hatte ich beim Hochschieben auch.
2. Juni 2025
Beeindruckende Brückengala bei Bristol
Auch heute am Morgen hatte sich das Meer weit draußen vor der Küste versteckt. Die Sandbank schien fast ins Unendliche hinauszureichen. Der lange Pier mit seinem Gebäude auf Stelzen schaute ohne Wasser ebenfalls etwas eigen aus. Oder am falschen Platz aufgestellt. Doch die Küste hat hier anscheinend fast zehn Meter Tidenhub. Das macht auch was mit der Landschaft. Ein Teil des Hafens war mit Schleusen vom Meer abgetrennt. Wie ein großes Schwimmbecken am Strand, mit Wellengang im Meer weiter draußen und einige Meter tiefer.
Ich genoss das Fahren bei sonnigem Wetter. Die Beinlinge hatte ich heute erst gar nicht angezogen. Und dass sich kaum Wind bemerkbar machte, hat mir auch gefallen. Meine Route führte anfangs viel durch Farmland. Kurvig und nett ging es dahin, manchmal auch an Siedlungsgrenzen entlang. Auf dem Radweg und den Nebenstraßen war nichts los. Ganz anders war es, als ich einen Blick auf die Autobahn werfen konnte. Alle sechs Spuren waren gut gefüllt. Und es rauschte stärker als am Meer. Unerträglich laut kam es mir vor.
Entlang meiner Route war heute Müllabfuhrtag. Vor den Häusern waren überall vielerlei Behältnisse an der Straße bereitgestellt. Große, offene Plastikwannen für Glas, und rote Kunststoffgewebetaschen für wiederverwertbare Sachen wie Papier und Plastik. Dazu Kleintonnen für Bioabfall und klassische Mülltonnen für Restabfälle. Zumindest im Vorbeifahren habe ich es so wahrgenommen. Und mir gedacht, dass es auf die Art ein ziemlich umständliches und aufwändiges Verfahren für die Arbeiter der Sammelfahrzeuge ist.
Je näher ich zu Bristol kam, desto mehr Verkehr baute sich auf den Straßen auf. Ich hatte das Wahrzeichen der Stadt, die Clifton Suspension Bridge auf meine Routenliste gesetzt, und musste daher in die Stadt rein. Die Brücke hatte ich dann ungeplanterweise aus allen möglichen Perspektiven bestaunt. Drübergefahren bin ich natürlich auch. Das hat mich sehr beeindruckt. Später setzte sich die Brückengala am Nachmittag weiter fort. Im Schwerverkehr vorbei an den Docks und unter Autobahnen hindurch oder entlang mühte ich mich an der Prince of Wales-Brücke vorbei. Ihre vielen filigranen Abspannseile der beiden Träger in Brückenmitte schauten aus der Entfernung und im Gegenlicht wie zwei symmetrische Berge am Horizont aus. Aus der Nähe an Land betrachtet war sie ein unförmiger Klotz, doch aus der Distanz ein ästhetisches Kunstwerk. Auf einer weiteren Hängebrücke, der Severnbridge, querte ich dann die Meeresbucht und die gleichnamige weite Flussmündung. Die Herausforderung war dabei jedoch weniger das Überqueren, sondern vielmehr das Finden der Auffahrtsrampe für den seitlichen Radweg.
3. Juni 2025
Regen am Morgen und Wind den ganzen Tag
Willkommen in Wales. Die Straßenschilder sind hier alle zweisprachig angeschrieben. Doch ein Schild mit„glaw trwm“ sah ich nirgends. Mich begrüßte am Morgen nämlich starker Regen, und böiger Wind dazu. Ich stieg nur ungern aufs Rad. Nach dem gestrigen pipifeinen Tag war ich auch für heute auf Sonne eingestellt. Doch der Regen bremste mich gleich kräftig ein. Einmal stand ich gar eine Zeit lang bei einer Bushaltestelle unter, so heftig kam er daher. Am Blechdach hörte ich es stakkatoartig trommeln. Von oben war ich in dem Häuschen gut geschützt. Doch nach einiger Zeit musste ich dennoch raus. Am Betonboden sammelte sich Wasser, das von der Straße stetig mehr nach rann.
Irgendwann war die Regenfront dann wieder abgezogen. Geblieben war der Wind, der mich den ganzen Tag lang begleitete. Oder vielmehr mir von vorne entgegenblies. Entsprechend langsam war ich unterwegs. Auf einem Acker war ein Traktor mit einer Bodenfräse am Arbeiten. Einer großen Schar Möwen schien dies gut zu gefallen. Sie verfolgten das Gefährt auf seiner Spur, flogen immer wieder auf, und fanden wohl Nahrung in dem frisch umgebrochenen Feld. Ich versuchte mich heute mittags mit Chips bei einem großen Pier. Aber es war nur die Vorfreude, die mir am besten schmeckte. Vielleicht sind sie mit Fisch besser. Doch ohne waren sie eher ein Reinfall. Oder ich hatte zu sehr belgische Pommes im Kopf, die so besonders sein sollen. Davor hatte ich nämlich zwei Belgier auf ihren Fahrrädern überholt. Sie hatten sich für zwei Wochen die Erkundung des Südwesten Englands vorgenommen, und fuhren Teilstrecken auch mit dem Zug.
Landschaftlich war meine Strecke heute ohne besonderen Reiz. Es lagen einige Docks und Industrieanlagen an der Küste, mit entsprechend viel Schwerverkehr und merklich ramponiertem Straßenbelag. Dazu mehrfach auch auffällig vermüllte Böschungsränder. Oft waren dort auch Kleinpferde angepflockt, die mit wenig Radius für kurzes Gras am Straßenrand sorgten. Eine Zeit lang gab es auch viele schmale Kanäle, meist von Algen grün belegt. Auf der Karte zeigten sie sich als fein verästeltes, blaues Netz in der Landschaft. Hatte ich den ganzen Tag über Mühe mit dem Wind, so legte ich die letzten Tageskilometer in rasantem Tempo zurück. Von hinten angetrieben war es in einem Talboden ein müheloses Dahingleiten den Windungen eines Flusses folgend.
4. Juni 2025
Mehrmals Unterstehen und viel Gegenwind
Bei Losfahren sind die Straßen noch etwas feucht. Doch am bewölkten Himmel zeigen sich bald mit viel Fantasie ein paar blaue Tupfer. Deutlicher wahrnehmbar ist der Wind. Leider bläst er mir aus meiner Fahrtrichtung entgegen. In einer weiten Bucht sausen Hunde den Sandstrand entlang. Oder springen unerschrocken ins Wasser. Rein und raus, und immer wieder dorthin, wo der weit geworfene Ball liegen geblieben ist. Spaziergänger ohne Hunde sind eindeutig in der Minderzahl. Und Radfahrer bin ich der Einzige. Yogaübende gibt es mehr. Zumindest zwei Frauen habe ich mit ihren Matten von unterschiedlichen Seiten auf ein Haus zusteuern sehen. Die Yogastunde dürfte dort um halb zehn beginnen.
Der Küstenstreifen zeigt sich grau. Wahrscheinlich regnet es weiter draußen am Meer. Meine Route führt mich entlang eines Radweges. In den Ortschaften ist er manchmal etwas eigenartig angelegt. Oft holprig durch Hinterhöfe und Buschhecken hindurch. Zwar bin ich dadurch weg vom Verkehr der Hauptstraße, doch ein zügiges Vorwärtskommen ist es nicht. Und während ich dem Radweg folge, folgen mir am Himmel dunkle Wolken. Eine Zeit lang zeigen sie sich rücksichtsvoll. Doch irgendwann lassen sie es ein wenig nieseln. Mit Unterstehen bleibe ich zwar trocken, nur vorwärts geht es damit nicht. Der aufklarende Himmel lockt mich dann recht rasch wieder weiter. Zumindest um ein paar Küstenbiegungen herum, bis mit viel Wind mehr Regen daherkommt. Ich stehe neuerlich unter. Dieses Mal mit Regenjacke, denn die Baumkronen halten nicht alles ab. Eine Rennradgruppe düst in voller Fahrt an mir vorbei. Sie fahren mit kurzer Hose und kurzem Shirt. Sie scheinen demnach wetterfeste Kerle zu sein. Jedenfalls nicht wasserscheu, und eindeutig kälteresistent.
Ich bin da etwas empfindlicher. Die Regenjacke lasse ich an, auch als der Regen längst vorbei ist. Denn sie bietet angenehmen Schutz vor dem Wind. Dieser wirbelt irgendwann sogar feinen Sand vom Strand auf. Zu meinem Glück führte die Straße bald der Bucht einer Halbinsel entlang. Im Windschatten der Hügel ist es ein angenehmes Pedalieren. Unglaublich, die plötzliche Windstille. Und ein jähes Aufwachen auch, als ich die Spitze der Halbinsel erreicht und mich wieder voll dem Westwind stellen musste.
5. Juni 2025
Lässiges Fahren am Welsh Coastal Path
Wie könnte es hier am Morgen auch anders sein: Es regnet natürlich immer noch. Also dehne ich das ohnedies schon späte Frühstück etwas aus. Am Tisch vis-a-vis sitzt ein Engländer mit derzeitigem Wohnsitz Honolulu. Mit seiner Tochter klappert er die Gegend hier nach seinen Vorfahren ab, nach denen die Halbinsel benannt ist. Mit Regenschirmen ausgestattet starten sie dann früher als ich. Mich treibt es dann irgendwann in der Regenkombi auch hinaus. Gute eineinhalb Stunden hält der Regen an. Dann klart es auf. Dieser Übergang war herrlich. Klare Luft, dezente blaue Einsprengsel am milchigen Himmel, Schafe auf den hügeligen Wiesen, kaum Wind, Farne an den Böschungen, hie und da Pferdewiehern von den Koppeln, Bärlauchduft in den Hohlwegen, und eine abtrocknende Regenkombi, die ich bald verstauen kann.
Irgendwann biege ich auf den „Welsh Coastal Path“ ein. Zuerst war es etwas mühsam zum Fahren. Vom Regen war der unbefestigte, sandige Rad- und Wanderweg noch aufgeweicht und tief. Doch es gab dann wieder asphaltierte Passagen, auf denen es der Küste folgend mit reichlich Kurven ganz gut dahin ging. Manchmal fuhr ich voll im Wind. Das war dann wieder etwas fordernd. Doch insgesamt hat mir das Fahren auf diesem Abschnitt sehr gefallen. An Untergrund war alles Mögliche da, einschließlich einer betonierten, langen Kuhfladenpiste durch ein großes Farmgelände. Ein paar Anstiege waren auch zu verzeichnen, doch alle eher moderat.
An Begegnungen fallen mir zwei Füchse ein. Sie hatten mich schon von weitem bemerkt, doch verharrten sie am Weg, wohl wartend was ich mache. Und weil ich mein Tempo und meine Richtung unbeirrt beibehielt, verschwanden sie mit ihren überaus langen, buschigen Schwänzen dann doch seitlich in das Unterholz. Später huschte mal ein Eichhörnchen vor mir über den Weg, den Schwanz nur halb so lang wie jener der Füchse, doch ebenso buschig. Und die Anzahl der Hunde toppte heute eine Spaziergängerin mit insgesamt sechs kleinen Spaniels und einem Windhund. Angeleint waren sie nicht, sonst hätte sie wohl bis daheim ein Netz geflochten gehabt.
6. Juni 2025
Viele Steigungen und eine schmucke Hafenstadt
Ein herrliches Aufwachen heute. Unglaublich, die Sonne schaut über die grünen Hügel und lässt mich staunen. Da steige ich natürlich gerne aufs Rad. Durch die Stadt hindurch staut es. Für mich so lange, bis ich die Abzweigung auf den Radweg gefunden habe. Am Gehsteig sind viele Schüler unterwegs. Kurze schwarze Hose oder schwarzer Rock, dazu ein milchig blaues Kurzarmhemd und eine rote Krawatte. So begegnen sie mir in ihrer einheitlichen Schuluniform. Ich habe meine Uniform noch unterm Pullover versteckt. Im Gegensatz zu den Schülerinnen und Schülern finde ich es am Morgen eher etwas frisch. Da würde mir glaub auch das Tragen einer Krawatte wenig nützen.
Auf meiner Route bin ich allein. Es sind schmale Wege. Von den Böschungen ragen die Gräser seitlich oft weit herein. Wenn ich nicht aufpasse, dann streife ich sie regelmäßig mit dem Lenker. In einem Hohlweg komme ich schiebend kaum hoch. Er ist lang und sehr steil. Ein paar Mal bleibe ich stehen, um mich zu erholen. Oben ist ein Bauer gerade mit seinem Traktor auf die Wiese eingebogen. Er beginnt mit Reparaturarbeiten am Zaun, und lächelt als er mich schiebend daherkommen sieht. Ich sage zu ihm, dass er mich fast mit dem Traktor hätte heraufschleppen müssen. Seine Antwort verstehe ich nicht. Ist walisisch. Doch er ist mit meinem Kopfnicken und Lachen auch zufrieden.
Meine eigene Zufriedenheit leidet später etwas. Ich war auf weniger Steigungen eingestellt. Und vor allem nicht auf so steile. Bei manchen probiere ich es erst gar nicht im Wiegetritt, sondern steige gleich ab. Dieses ständige Auf und Ab nervt mich etwas. Doch irgendwann gibt es dann eine tolle Belohnung. Ich erreiche eine schmucke Hafenstadt. Tenby gefällt mir ob der bunten Häuserfarben sehr. In Pastelltönen gehalten schmiegt sich eines ans andere in einer langen Reihe der Bucht entlang bis hinunter in den Hafen. War vorher auf meinen Nebenstraßen nichts los, so ist es hier verständlicherweise ganz anders. Doch mir gefällt dann auch die weitere Route den Hügeln und Buchten am Meer entlang sehr. Zwar anstrengend zum Kurbeln, aber immer wieder mit schöner Aussicht.
7. Juni 2025
Grau und feucht der Morgen, freundlich dann der Tag
Dunkle Wolken schmücken ringsum den Himmel. Und kaum am Rad, fallen auch schon die ersten großen Tropfen. Über eine mächtige, hohe Brücke starte ich so in den nächsten walisischen Tag der Küste entlang. Gleich nach der Brücke windet sich ein schmaler Radweg kurvig zur Meeresbucht und einem Bootshafen hinunter. Zickzack schlängle ich mich an nassen, dornigen Stauden und Gräsern vorbei. Das Wasser im Hafen ist dunkelgrün und spiegelglatt. Die Kreise der Regentropfen sind gut zu sehen. Und auf meiner Jacke auch.
Auf der anderen Buchtseite weiter vorne ist eine große Raffinerieanlage mit mächtigen Schloten, passend zum Grau des Morgens. Zwei Spaziergängerinnen haben gar ihre Regenschirme aufgespannt. Nur der begleitende Hund ist ohne unterwegs. Ich auch. Doch bald danach wechsle ich in die Regenkombi. In einem Buswartehäuschen hatte ich sie angezogen. Und ein paar Wartehäuschen später mutig wieder ausgezogen. Mir schien, als ob die Regenfront mehr landeinwärts zieht. Doch auch der Küste entlang war es düster grau. Auf einem Hügel mit Sicht auf eine Ortschaft und den Hafen warte ich ab. Dort zieht nämlich grad eine Front durch. Unbedingt nass werden wollte ich nicht.
Den ganzen Vormittag über holen mich immer wieder ein paar Tropfen ein. Die Hose fühlt sich manchmal am Oberschenkel etwas feucht an. Aber ohne Regenkombi ist es ein angenehmeres Fahren. Weniger angenehm sind die vielen Steigungen. Die fordern mich kräftig. Bei einer sehe ich ein Schild mit 20 Prozent. Nach ein paar Wiegetritten steige ich ab und stelle mich auf Schieben ein. Eine die Straße herunterlaufende Frau meint staubtrocken: „brutal“. Aber zu meinem Glück zweigt meine Route gleich mal links ab und geht in einen moderaten Anstieg über. Mittags wird es dann zusehends freundlicher. Eine Wohltat, hie und da die wärmenden Sonnenstrahlen zu spüren. Und mit dem freundlicheren Wetter zeigt auch die Küste gleich mehr von ihrem Reiz. Ich staune öfters über die rauen Buchten mit den steilen, schroffen Klippen und dem Grün darüber, während unten das Meer mit etwas Gischt stetig anrollt. Und nach jeder Steigung staune ich auch, dass ich sie geschafft. Hügeliges Wales.
8. Juni 2025
Frühstück mit Prinz Charles und Höhenmeter mit Rad
Ich hatte auf einem Bauernhof übernachtet. Jersey Kühe standen auf der Weide, und deren Kälber rund ums Haus. Am Morgen war das Fenster noch nass vom Regen der Nacht. Doch die Sonne schickte sich schon an, es zu trocknen. Und der Wind sowieso. Ich war gut gelaunt. Denn zum Vatertag trudelten schon in der Früh Nachrichten meiner Kinder ein. Fotos von früher. Genial. Ich freute mich.
Den Frühstückstisch teilte ich mit anderen Gästen der Unterkunft. Fotos machten dabei die Runde. Prinz Charles war auf einem händeschüttelnd mit drauf. Es wurde mir mit Stolz gezeigt. Ich musste schmunzeln. Es hat halt jeder seine Freude mit Fotos von früher. Meine Freude hielt auch an, als mir zum Frühstück ein Veggie-Omelette als Spezialität des Hauses serviert wurde. Köstlich, und die ideale Grundlage für den Tag. Denn es warteten Höhenmeter noch und noch die ganze Strecke. Viele Anstiege und steile Abfahrten zu den Buchten hinunter. Oben auf den Hügeln wurde ich immer gut durchgelüftet. Der Westwind sorgte dafür. In den Abfahrten war mir im Nacken meist etwas kalt. Da zog ich das Halstuch etwas enger. Über meine Buff Tücher war ich die ganze Tour über schon sehr froh, am Hals wie auch am Kopf, und heute ganz besonders.
Landschaftlich hat es mir der Küste entlang wieder gefallen. Kleine Buchten mit laut anrauschenden Wellen. Schroffe Klippen als Übergang zum Meer. Grüne Hügel mit Schafen als weiße Punkte. Schmale Hohlwege mit Buschhecken als Windschutz. Ortsschilder mit unaussprechlichen walisischen Namen. Lange Baumreihen am Hügelhorizont. Versteckt in die Umgebung eingebettete Steinhäuser. Geduldig in Ausweichbuchten wartender Gegenverkehr. Viele Handzeichen als stiller Gruß. Und irgendwann am späten Nachmittag dann ein langer Tratsch mit einem einheimischen Sonntagswanderer eine ganze Steigung lang hoch. Er meinte zum Schluss, dass er mit dem Fahrrad die schmalen Küstenwege meide. Denn da wären ihm die Anstiege zu steil. Doch dass sich so viele Höhenmeter ansammeln, dem pflichtete er mir bei.
9. Juni 2025
Wales kann auch länger flach
Diesiges, trübes Wetter. Das Meer versteckt sich hinter einem Dunstschleier. Die Farben der Landschaft wirken ganz fahl. Schade, geht es mir durch den Kopf. Doch dann muss ich mich eine Zeit lang ohnedies mehr auf den Verkehr rundum konzentrieren. Meine Route verläuft nämlich auf der Hauptstraße. Da ist einiges los. Ich bin dieses Rauschen gar nicht mehr gewohnt, nach all der Zeit auf den Nebenstraßen der Vortage. Die Straße ist recht schmal. Das Überholen der Lastwagen ist etwas stressig. Doch bald finde ich wieder eine Abzweigung, und genieße mein eigenes Tempo.
Auf der Uferpromenade einer größeren Stadt ist noch nichts los. Ich gleite langsam rollend auf den großen Platten dahin. Eine der Häuserfronten zeigt bunte Farben. Das zaubert etwas Abwechslung in das sonstige Grau. Über der Stadt fliegt ein Schwarm Gänse schnatternd in einem deltaförmigen Formationsflug. Sie verschwinden schnell wieder aus dem Blickfeld. In dieses steigt wenig später ein Junikäfer ein. Er hat sich auf der Lenkertasche niedergelassen. Das Schaukeln im Wiegetritt bei einer Steigung macht ihm anscheinend nichts aus. Und kaum oben angekommen, vertschüsst er sich schnell. Vielleicht wechselt er zu dem einen Quad, das grad aus einer Schafwiese herausfährt. Es ist schon gut besetzt. Bauer mit Frau und zwei Hütehunde, jeweils im Schoß von Mann und Frau.
In einer Abfahrt entweicht mir ein lautes Wow. Ich war länger auf einer Ebene unterwegs, und plötzlich zeigt sich weit unten eine große, offene Bucht mit breitem Sandstrand. Die Gischt der vielen Wellen bietet als ausgedehnter, weißer Meeressaum einen tollen Anblick. Die lange Gerade dem geschützten Ufer entlang will fast nicht enden. Und auch danach geht es erstaunlicherweise flach weiter. Ich muss mehr als eine Stunde landeinwärts fahren, bis endlich die Brücke über den Fluss kommt. Der eine Weg war mit Rückenwind. Doch zurück zum Meer ist es etwas zäher. Aber ich bin gut gestärkt von meiner üppig ausgefallenen Mittagsjause. Ich bin nämlich in einen Vollkostladen geraten und habe köstliches Schwarzbrot erstanden. Es schmeckte zum geräucherten Tofu und den scharfen, mit Frischkäse gefüllten Kirschpfefferoni vorzüglich. Der Laden ist bei mir gut angekommen. Und gut angekommen war dann auch der ganze Nachmittag. Mit Erstaunen stelle ich fest, dass die Steigungen fehlten. Es ging weitestgehend flach dahin. Dennoch attraktiv zum Fahren, weil kurvig und abwechslungsreiches Gelände.
10. Juni 2025
Weite Sandstrände und ein Friedhof mit Aussicht
Heute sind mir die Feriensiedlungen entlang der Küste besonders aufgefallen. Es gab mehr von diesen Holiday Parks als sonst. Gefallen haben sie mir nicht. Dezentes Mintgrün oder fahles Cremeweiß sind die Standardfarben dieser Häuser. Flacher Giebel oder Tonnendach, dünne Wände, hie und da eine Veranda, und ein Verschnitt aus Wohnwagen und festem Haus. Auf ihren Arealen stehen sie dicht an dicht, eine Feriensiedlung eben. Wenn mir irgendwo vermehrt Spaziergänger an der Küste begegnen, dann ist meist so ein Park in der Nähe.
Anfangs war es am Morgen noch etwas frisch. Doch der Tag entwickelte sich fein. Ab Mittag war es angenehm zum Fahren. Mit der Sonne und dem blauen Himmel wirkten die vielen Buchten noch attraktiver, das Grün der Schafwiesen intensiver. Einige der Herden wurden glaube ich unlängst erst geschoren. Doch zumeist haben sie noch ihre zottelige, lange Wolle. Radfahrer sind ihnen nicht ganz geheuer. Da gehen sie gleich ein paar Meter auf Distanz. In einer langen schmalen Gasse rollt mir eine Blechdose scheppernd entgegen. Die vorbeifahrenden Autos sorgen mit dem Luftzug dafür, dass sie es fast die ganze Straße hinunter schafft. Und eine Schmalspurmuseumsbahn war mit Dampflok heute ebenfalls unterwegs. Ein etwas eigen wirkendes Schauspiel, mit dem Geschehen am historischen Bahnhofsgelände mit dazu.
Das Meer zeigt ein paar türkise Einfärbungen. Die Buchten sind heute alle weit und mit breiten, flachen Sandstränden. In einer fahren ein paar Autos am Sand nah zum Wasser. Auch ich wage mich mit dem Rad schiebend zum Wasser vor. Doch die schmalen Reifen setzen Grenzen. An Fahren ist jedenfalls nicht zu denken. Aber ein Foto geht sich aus. In einer der nächsten Buchten sonnt sich eine Robbe auf einem nur wenig aus dem Wasser ragenden kleinen Felsen. Sie hebt immer wieder ihre Schwanzflosse, so als ob sie einem zuwinken möchte. Eine kräftige Steigung gab es heute auch. Doch die musste jedenfalls sein, schon der schönen Aussicht wegen. Und eine schöne Aussicht hatten auch die Gräber auf einem Friedhof in der Bucht von Aberdaron. Letzte Ruhestätte mit Blick aufs Meer und seine Wellen, und immer eine frische Brise um den Grabstein herum. Die Angehörigen wird es beim Gräberbesuch jedenfalls freuen.
11. Juni 2025
Grandioses Fahren auf kleinen Straßen auf Lleyn
Ich hatte ein Zimmer auf einem Bauernhof gebucht. Beim Ankommen gestern war ich etwas skeptisch. Außen schaute nämlich alles recht heruntergekommen aus, wenn nicht gar verwahrlost. Doch innen war es angenehm sauber und sehr gepflegt. Ich war überrascht. Und überrascht hat mich der Bauer am Morgen auch mit dem Frühstück. Drei Früchteschalen waren mit Himbeeren, Erdbeeren und Heidelbeeren reichlich gefüllt. Und das angebotene Full Breakfast war dann ebenso ausgiebig. Ich habe nicht nur darüber gestaunt, sondern auch, wie man die Sachen schön am Tisch herrichten kann.
Doch so gut mir alles schmeckte, die Sonne lockte genauso. Es wurde ein wunderbar milder Tag. Und das Radfahren war auf den schmalen, kurvigen Straßen im kupierten Gelände erste Sahne. Das hat mir heute voll getaugt. Vorbei an blökenden Schafen, Zufahrtswegen mit ihrem Mist, Farmhäusern mit Hahnengekrähe, und an vielen Wohnwagen in den grünen Wiesen. Fast jede Farm hatte einen großen Stellplatz. Kein Wunder, die leicht hügelige Landschaft und das nahe Meer boten ein herrliches Ambiente. Doch wie auf den kleinen Straßen mehrere Autos mit Wohnwagenanhänger aneinander vorbeikommen können, das bleibt mir ein Rätsel. Manchmal wurde es nämlich selbst für mich mit dem Rad eng.
Mittags machte ich bei einem kleinen Hafengelände in einer weiten Bucht Rast. Eine große Kaimauer bot angenehmen Windschutz. Die eingepackten Reste vom Frühstück schmeckten auch vier Stunden später noch gut. Und das unterwegs erworbene Sandwich mit dem Aufdruck „Cheese Ploughman’s“ war mit den eingelegten Tomaten und etwas Rucola eines er bisher besten. Zum Schauen gab es die Natur rundum, und den Ausflug eines Windhundes. Von der Leine losgelassen raste er ungestüm dem Halbbogen der weiten Bucht entlang, und war fast weg bis auf Nimmerwiedersehen. Die Besitzerin musste ihm den ganzen Weg nachlaufen, und war beim Zurückkommen glaub mehr außer Atem als der Hund.
Unterwegs beeindruckten mich dann die mächtigen Mauern einer Festung an einem Hafen. Und in einer schmalen Gasse war es eine Möwe, die einen Pizzakarton zu knacken versuchte. Keine Ahnung, ob sie es auch schaffte. Doch entsprechend der Vehemenz des Pickens musste sie sich sicher sein, dass noch was Essbares für sie drin ist. Und für mich war später auch noch was drin: Nämlich gegen Schluss der Etappe wieder herrliches Fahren auf kleinen von Steinmauern gesäumten Straßen im Grünen mit Blick auf das Blau des Meeres und dessen Küste. Es war ein famoser Tag an der Nordwestspitze von Wales.
12. Juni 2025
Nicht am Rad, dafür beim Friseur
Hatte ich mich gestern noch über das angenehme Wetter gefreut, so vermieste heute Regen die Stimmung. Von Westen zog eine breite Front herbei. Der wollte ich mich nicht aussetzen. Also ließ ich das Rad untergestellt. Als Alternativprogramm hatte ich einen Friseurtermin gebucht. Den Nass-Haarschnitt ließ ich jedoch aus. Wenn schon nicht am Rad, dann konnte der Kopf ja ruhig trocken bleiben.
Meinen Kurzhaarschnitt mit zwei Millimeter Länge hatte Adam, der türkischstämmige Barber, ruckzuck erledigt. Mehr Zeit investierte er danach für Jordan, einen lokalen Football-Crack und Stammkunden. Ich bekam in der Zwischenzeit Tee vom Laden vis-a-vis, und konnte fasziniert zuschauen. Adams kleiner Sohn kehrte zwischendurch immer wieder den Boden. Sein Sporttag im Kindergarten war witterungsbedingt ausgefallen, obwohl als jährliches Großereignis fix eingeplant. Ich staunte, dass es so etwas auch in Wales geben kann. Der Friseurbesuch war ein Erlebnis. Mit dem Radfahren von gestern natürlich schwer vergleichbar. Doch als Abwechslung für einen Regentag jedenfalls ein Highlight.
13. Juni 2025
Kräftiger Gegenwind und eine längere Fährfahrt
Nach dem heftigen Regen von gestern bin ich heute froh, dass es trocken ist. Stark bewölkt und sehr windig, ist der erste Eindruck. Doch just, als ich den rechten Fuß über den Sattel zum Aufsteigen hebe, fängt es an zu nieseln. Just in time, wohl auf die Sekunde genau. Ich lass mich davon nicht weiter beeindrucken. Nur mein Navi ist sichtlich irritiert. Es will mich im Kreis schicken. Aber mit einem Neustart sind wir dann beide in Richtung raus aus der Stadt unterwegs.
Das Nieseln hat nach einiger Zeit nachgelassen. Dafür hat der böige Wind seine Aktivität erhöht. Es versetzt mich manchmal beim Fahren. Doch schnell bin ich ohnedies nicht am Weg. Es herrscht Gegenwind. Und mit meinen breiten Taschen biete ich volle Angriffsfläche. Nur hie und da habe ich etwas Windschutz hinter dichten Hecken. Da höre ich es nur über mir rauschen. Am Meer rauscht es den Wellen nach auch ziemlich kräftig. Und weiter draußen ist es diesig. Dafür kommt an Land bald eine wunderbare Stimmung auf. Die Sonne traut sich etwas hervor, und taucht die Landschaft in ein feines Licht. Kurz wird eine Herde Schwarzkopfschafe auf ihrer grünen Wiese ideal in Szene gesetzt.
Eine lange Etappe habe ich mir heute nicht vorgenommen. Ziel war nur der Hafen Holyhead und das Erreichen der Fähre nach Dublin. Wider Erwarten gestaltete sich die Überfahrt ganz ruhig. Dafür war ich beim Boarding etwas unruhig. Die Mitarbeiterin stellte beim Check-in nämlich fest, dass ich für das Fahrrad kein zusätzliches Ticket gelöst hatte. Nach einigem Hin und Her konnte ich es bei ihr nachkaufen. Der weitere Ablauf war dann auch etwas umständlich. Das Fahrrad und die Taschen mussten auf einen Lastwagen verladen werden, und mit einem Bus ging es dann für mich aufs Schiff. Auf die große Fähre nach Dover konnte ich noch eigenständig hochfahren. Doch es hat dann alles gut geklappt. Die Radreise geht in Irland weiter.